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§ 217 StGB n.F.: Strafrecht unterliegt Kriminalpolitik

von Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Hillenkamp

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Abstract
Seit dem 10.12.2015 wird in § 217 StGB die „Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ mit Strafe bedroht. Die Vorschrift ist das bescheiden wirkende Ergebnis einer mit viel Pathos über zwei Legislaturperioden abgehaltenen „Sterbehilfedebatte“.

Ihre Bedeutung liegt darin, dass sie zum ersten Mal seit 1871 entgegen dem Appell von 151 Strafrechtslehrern und Strafrechtslehrerinnen eine Beteiligung am freiverantworteten Suizid weit im Vorfeld unter Strafe stellt. Struktur und Text der Vorschrift erweisen den neuen Tatbestand als eine kriminalpolitisch wie dogmatisch missglückte Fehlreaktion des Gesetzgebers auf ein vermeintliches Bedrohungsszenario durch Sterbehilfevereine und auf Suizidbeihilfe spezialisierte Ärzte. Da wenig wahrscheinlich ist, dass das BVerfG oder der EGMR die Vorschrift beanstanden, wird – namentlich zum Schutz der Ärzteschaft – hier zu einer restriktiven Auslegung der Norm geraten.

Since December 10th 2015, businesslike suicide assistance is punishable by § 217 German Criminal Code. The regulation is the moderate acting result of a debate over “euthanasia” that was held over two legislative periods. The meaning of it lies in the fact that for the first time since 1871 a regulation makes assistance to voluntary suicide a punishable act way up beforehand, against the plea of 151 professors of criminal law. The structure and text of the regulation reveal the new statement of facts as a misreaction of the legislator – both from a criminal policy and a dogmatic perspective – to the alleged threat scenario of suicide assistance associations and doctors specialized in suicide assistance. Because it is hardly likely that the Federal Constitutional Court or the European Court of Human Rights will not object to the regulation, at this point it is advised to be constructed restrictively – particularly as a protection for the medical profession.

 

I. Zur (kriminal)politischen Genese: ein Rückblick

 Es hat nichts geholfen. Der Deutsche Bundestag hat mit 360 Ja-Stimmen beschlossen, in § 217 StGB n.F. die „Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ unter Strafe zu stellen. „Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“, lautet dessen Abs. 1. „Als Teilnehmer bleibt“ nach Abs. 2 lediglich „straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Abs. 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht“. Das Gesetz ist seit dem 10. 12. 2015 in Kraft.[1] Es hat sich über eine zuvor von Eric Hilgendorf und Henning Rosenau initiierte und von 151 Strafrechtslehrern und Strafrechtslehrerinnen unterzeichnete Stellungnahme hinweggesetzt. Sie enthielt den Appell, „im Zusammenhang mit der Sterbehilfe den Anwendungsbereich des Strafrechts“ nicht „auszuweiten“,[2] anders gewendet, „das Strafrecht zu belassen, wie es ist“,[3] und d.h., eine wie auch immer geartete Beihilfe, Förderung oder Assistenz zum freiverantworteten Suizid wie seit 1871 straflos zu lassen.[4]

Das Übergehen des Fachverstands durch die Politik erinnert nicht nur an die Abstimmungsniederlage Hassemers im Inzest-Beschluss des BVerfG.[5] Vielmehr kann man es auch als Folge davon sehen, dass dieser Beschluss „den legislativen Spielraum im Strafrecht auf Kosten der Kontrollkompetenz des Verfassungsgerichts“ in einer das Damoklesschwert der Verfassungswidrigkeit bedenklich abstumpfenden Weise „überdehnt“ hat.[6] Das begünstigt die vom Bundesminister der Justiz unlängst beschriebene „Schwäche“ vieler Politiker, „mit dem Strafgesetz … schnell, einfach“ und „preisgünstig politisches Handeln nach(zu)weisen und auf öffentliche Empörung (zu) reagieren“ und dürfte es ihm auch erschweren, solchen Aktionismus mit den Worten „Stopp, das geht nicht. Dafür ist das Strafrecht nicht da!“  anzuhalten.[7]

Ein solcher Zwischenruf war in der „Sterbehilfedebatte“[8] vom BMJV denn auch nicht zu vernehmen. Er wäre namentlich am Anfang der Debatte am Platz gewesen, als sich die von Heiko Maas diagnostizierte „Schwäche“ seiner Berufsgruppe, „zu oft, zu schnell und zu laut nach dem Strafrecht (zu) rufen“, in der ersten Gesetzesinitiative vom März 2006 deutlich bemerkbar machte. Schon damals wollte die Politik nämlich der „als offene Provokation empfundenen“ Gründung einer Zweigniederlassung der schweizerischen DIGNITAS 2005 in Hannover das „plakative“ Verbot der „geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung“ entgegensetzen.[9] Wie stark dabei das reflexhafte Bedienen aufkommender Ängste einer abwägenden Kriminalpolitik im Wege stand, zeigt die realitätsverzerrende Begründung dieses ersten Gesetzesantrags, die eine „Einbahnstraße in den Tod binnen 24 Stunden“ an die Wand malte, „bei der … die Grenzen zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe“ angeblich in einem Angebot „rasche(r) und sichere(r) Abwicklung des gefassten Selbsttötungsentschlusses … immer weiter“ verschwömmen.[10] Es verdient festgehalten zu werden, dass sich dieser reaktivaktionistische und in der Begründung populistische Vorschlag in der 18. WP letztlich gegen drei konkurrierende Entwürfe in seinem Kern – nämlich dem Abstellen auf die Geschäftsmäßigkeit – durchgesetzt hat.[11] Das ist geschehen, obwohl die Bundesregierung in ihrem zum Ende der 17. WP vorgelegten „Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit (nur) der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ die weiterreichende Verbotsregelung geschäftsmäßiger Vermittlung von Gelegenheiten verworfen hatte, weil sich in ihr zu der „wichtigen und grundlegenden Frage, ob allein die Absicht einer Wiederholung überhaupt ein hinreichender Grund sein kann, aus einer straffreien Handlung eine Straftat zu machen“,  keine die Regierung befriedigende Antwort fand. Zudem sah der unter der Führung der Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger entstandene „liberalere“ Regierungsentwurf in der Länderinitiative „auch Abgrenzungsschwierigkeiten im Hinblick auf die weiterhin als grundsätzlich zulässig anzusehenden Formen der Sterbehilfe …, etwa wenn eine Ärztin einer Intensiv- oder Schwerstkrankenstation oder ein Hausarzt ausnahmsweise und mehr als einmal eine solche Hilfe anbietet.“[12] Diese Einwände hat der nun Gesetz gewordene Vorschlag von Brand/Griese u.a. weder direkt aufgenommen noch widerlegt (s. dazu u. II.).[13] Dass sich das Attribut „geschäftsmäßig“ in der 18. WP dann gleichwohl durchsetzte, dürfte deshalb maßgeblich nicht auf überzeugende Gegengründe, sondern auf das Veto Angela Merkels gegen den FDPeingefärbten Regierungsentwurf zurückzuführen sein. Mit ihrem Veto hatte sich die Kanzlerin die in der CDU/CSUBasis verbreitete Besorgnis zu eigen gemacht, mit dem Entwurf könne gewissermaßen im Umkehrschluss der Versuch verbunden sein, „die nicht gewerbsmäßige“ und also auch die geschäftsmäßige „Beihilfe zum Suizid salonfähig zu machen.“[14] Weder das noch irgendeine Form organisierter Beihilfe wollte die Kanzlerin aber zulassen, vermutlich Grund, warum der Vorschlag, nur die gewerbsmäßige Förderung unter Strafe zu stellen, nicht nur der Diskontinuität anheimfiel, sondern auch in der 18. WP nicht mehr aufgegriffen wurde.

Gewiss ließe sich die verabschiedete Fassung gegenüber Vorschlägen von Sensburg/Dörflinger u.a. und Künast/Sitte u.a., die eine noch umfassendere bzw. kompliziertere Strafbarkeit vorsahen, als das kleinere Übel ansehen.[15] Sich darüber zu freuen, fällt aber schwer. Denn als Alternative stand am Ende auch der Antrag von Keul/Sütterlin-Waack/Zypries u.a. im Raum, mit dem – freilich  unzitierten – Aufruf des Strafrechts auf neue Straftatbestände bei Sterbehilfe ganz zu verzichten.[16] Über diesen Antrag wurde nicht mehr abgestimmt, weil der Entwurf Brand/Griese u.a. zuvor eine Mehrheit fand. Er wäre allerdings wohl auch als Schlussverzicht auf jede Regelung[17] ohne Chance geblieben. Denn dass es „nach monatelanger Debatte … nicht gut (wäre), wenn wir ohne Ergebnis aus der Debatte herausgingen“, war – obwohl ja auch das ein Ergebnis gewesen wäre – von Thomas Oppermann so gemeint, dass sich doch bitte eine Mehrheit für jedenfalls einen der („positiven“) Gesetzesanträge finde.[18] Und so ist es dann leider gekommen. „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen“, auch mit diesem Zitat Montesquieus drang die Abgeordnete Keul mit ihrem dem Votum der Strafrechtslehrer und Strafrechtslehrerinnen entsprechenden Antrag nicht durch.[19]

II. Zu kriminalpolitischen und dogmatischen Bruchstellen: ein Überblick

Die in der Strafrechtswissenschaft überwiegend schon von Beginn an abgelehnte Pönalisierung der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung[20] ist auch nach ihrem Inkrafttreten in der Fachwelt bisher ohne Beifall geblieben.[21] Dazu tragen ineinander verwobene kriminalpolitische und dogmatische Bruchstellen bei, deren vier wichtigste sich auf die Anwendung der Norm und mittelbar auch auf ihre verfassungs- und europarechtliche „Haltbarkeit“ (s. dazu u. III.) auswirken.

Als erstes wecken Konstruktion und dogmatischer Charakter des § 217 StGB Bedenken. Der Tatbestand beschreibt nach der Vorstellung des Gesetzgebers ein das Leben und die Selbstbestimmung lediglich abstrakt gefährdendes Delikt. Es verzichtet als bloßes Tätigkeitsdelikt auf einen Verletzungs- oder konkreten Gefährdungserfolg. Es entkoppelt darüber hinaus die zur Täterschaft erhobene bloße „Förderung“ durch ihre Verlagerung in eine überschießende Innentendenz von jeder (kausalen) Auswirkung auf eine nicht einmal als Versuch vorausgesetzte „SelbsttötungsHaupttat“.[22] Es geht folglich um eine zur Täterschaft  „verselbständigte Unterstützungshandlung“, die – weil sie „bereits im Vorfeld des“ nach der Tatbestandsfassung entbehrlichen „Versuchs der Haupttat (Selbsttötung) greift“[23] eine auch gänzlich erfolglose versuchte Beihilfehandlung zu einer tatbestandslosen „Tat“ umfasst, ein Unikat im bisherigen Strafrecht. Behält es Bestand (s. u. III.), ist sicher Alles zu unterstützen, was zu Delikten mit vergleichbaren Tathandlungen (§ 180 Abs. 1, 2 StGB, § 29 Abs. 1 Nrn. 10, 11 BtMG) zur Anhebung des geringen Unrechtsgehalts unternommen wird. Das gilt für das Erfordernis der „Eignung“, mit dem man z.B. auch bei Begünstigung und Hehlerei wenigstens den untauglichen Versuch einer täterschaftlichen Hilfeleistung zu eliminieren versucht,[24] oder den „Unmittelbarkeitsbezug“ des Gewährens, Verschaffens oder Vermittelns der Gelegenheit zur tatbestandslosen „Haupttat“, mit dem man eine Nähe zur Rechtsgutsgefährdung erzwingen will.[25] Auch wenn man so verfährt, bleiben aber Zweifel, ob man schon kriminelles Unrecht beschreibt. Sie speisen sich aus Vorbehalten, die sich erst spät[26] gegen eine zu weite Vorfeldinkriminierung entwickelt und für Bereinigung gesorgt haben. „Unbestimmtheit, Unrechtsferne und erwartbare Verfolgungsdefizite“ lassen neben aus der „Eindruckstheorie“ zum Versuch abgeleiteten Bedenken von jedem kriminalpolitischen Vorfeldfeldzug abraten.[27] Dort, wo die Wiederbelebung solcher Tendenzen wie in §§ 149, 202 c, 263 a Abs. 3 StGB durch Unionsvorgaben unvermeidbar[28] oder dem Gesetzgeber angesichts der Terrorismusbedrohung in §§ 89 a, b StGB geboten[29] erschien, hat er die rechtsstaatlichen Bedenken wenigstens mit dem Feigenblatt Straffreiheit eröffnender tätiger Reue auszugleichen gesucht.[30] Nicht einmal an diesen Notanker hat in § 217 StGB jemand gedacht. Ihn durch Analogie nachzuliefern, fehlt die Befugnis.[31]

Deshalb und um die mangelnde Rechtsgutsnähe auch in § 217 StGB kleiner zu halten, wenigstens restriktive Auslegung anzuraten, ist nun allerdings nur dann eine den Gendefekt des Delikts mindernde Option, wenn hierdurch die Gefährdung der Rechtsgüter in nicht mehr hinnehmbarer Weise wüchse. Das aber kann naturgemäß nur dort so sein, wo sich jedenfalls in der an die gewährte Gelegenheit anknüpfenden „Haupttat“ ein durch die Unterstützung maßgeblich geförderter Rechtsgutsschaden erwiese. Die Zweifel daran begründen die zweite Crux. Sie seien hier – da oft geäußert[32] – nur zugespitzt. Da jede (erfolgreiche) Förderung einer nicht frei verantworteten Selbsttötung von § 212 StGB erfasstes Tötungsunrecht ist, macht § 217 StGB nur Sinn, wenn diese Vorschrift die Strafbarkeit auf „Unterstützungshandlungen“ freiverantworteter Selbsttötungen erweitert. Da man solche Selbsttötungen zwar i.S. der Kantschen Tugendlehre als moralisch verwerflich, von Verfassungswegen nicht aber als rechtswidrigen, weil unrechtsbegründenden Missbrauch von Autonomie und Leben einstufen kann,[33] lässt sich die „Förderung“ auch nicht als vorgelagerte Unrechtsteilnahme an einer diese Rechtsgüter rechtswidrig verletzenden „Tat“ begründen. Zwar heißt es im Brand/Griese-Entwurf wörtlich, dass es „im Sinne eines wirksamen Schutzes der Selbstbestimmung und des Grundrechts auf Leben … des hier vorgelegten strafrechtlichen Verbots (!) des geschäftsmäßigen assistierten Suizids (!)“ bedürfe.[34] Das aber als Versuch zu deuten, den Suizid selbst zum verbotenen Unrecht und damit die Assistenz zur Unrechtsteilnahme zu machen, dürfte die Fehlinterpretation eines sprachlichen Lapsus sein. Nicht der Suizident soll – wie es scheint – künftig teilnahmefähiges Unrecht begehen, nicht der assistierte Suizid verboten sein, sondern allein die geschäftsmäßige Vorfeldassistenz. Dass schon sie Selbstbestimmung und Leben tangiert, lässt sich daher auch nach der neuen Rechtslage nicht aus einem sicheren (prospektiven) individuellen Rechtsgutsschaden bei vollzogenem Suizid und deshalb auch nicht aus einem näheren Heranrücken geeigneter Förderung an diese „Haupttat“ herleiten. Das macht zwar die empfohlene restriktive Auslegung nicht sinnlos. Auch sie füllt aber das Rechtsgutsdefizit nicht maßgeblich auf.

Wenn das Suizidgeschehen und seine nicht „qualifizierte“ Unterstützung auch zukünftig straflos bleiben sollen,[35] muss daher jeder Versuch der Unrechtsbegründung zu § 217 StGB   auf die Frage nach dem Unrecht allein schon der „Geschäftsmäßigkeit“ hinauslaufen. Hierauf findet man als drittes aber keine den Zugriff des Strafrechts legitimierende Antwort. Nach dem Brand/Griese-Entwurf handelt geschäftsmäßig, „wer die Gewährung, Verschaffung oder Vermittlung der Gelegenheit zur Selbsttötung zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil seiner Tätigkeit macht, unabhängig von einer Gewinnerzielungsabsicht und unabhängig von einem Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit.“ Bereits ein „erstmaliges Angebot“ soll ausreichen, wenn es „den Beginn einer auf Fortsetzung angelegten Tätigkeit darstellt.“[36] Dass eine so beschriebene „Geschäfts-mäßigkeit eines an sich erlaubten Verhaltens als solche“ eigentlich „keinen Bestrafungsgrund abgeben kann,“[37] hat zwar schon der Reichsgesetzgeber verschiedentlich anders gesehen,[38] hinterlässt als These aber doch einen kaum behebbaren Zweifel. Ihn versucht der Brand/Griese-Entwurf allerdings mit abstrakten Gefahrannahmen zu zerstreuen, die ein strafbewehrtes Verbot der geschäftsmäßigen Förderung sowohl „zum Schutz der Selbstbestimmung“ als auch „des Grundrechts auf Leben“ vorgeblich unabdingbar machen.[39] Was die Selbstbestimmung betrifft, so sieht die Begründung in der drohenden „Entwicklung der Beihilfe zum Suizid … zu einem Dienstleistungsangebot“ die Gefahr einer einen „Gewöhnungseffekt“ auslösenden fatalen „Normalisierung“ eines Weges in den Tod, durch dessen Verfügbarkeit sich namentlich als „Last“ empfindende oder stigmatisierte „alte und/oder kranke Menschen … verleiten lassen oder gar direkt oder indirekt gedrängt fühlen“ könnten, ihn, den sie sonst nicht gehen würden, zu beschreiten. Da geschäftsmäßige Helfer und Helferinnen in ihrem Geschäftsmodell „typischerweise auf die“ wiederholt erfolgreiche „Durchführung des Suizids gerichtete Eigeninteressen“ verfolgten, sei zudem in „Situationen prekärer Selbstbestimmung“ die Gefahr einer durch Bestätigungs- und Profilierungsbestreben diktierten Einflussnahme durch sie nicht auszuschließen. „Diesen Entwicklungen“ – so heißt es in der Begründung weiter – sei nicht nur aus „Gründen des Autonomieschutzes“, sondern auch deshalb entgegenzuwirken, weil – Zitat Deutscher Ethikrat – „eine Suizidhilfe, die keine individuelle Hilfe in tragischen Ausnahmesituationen, sondern eine Art Normalfall wäre, etwa i.S. eines wählbaren Regelangebots von Ärztinnen und Ärzten oder i.S. der Dienstleistung eines Vereins,“ zugleich „geeignet  (wäre), den gesellschaftlichen Respekt vor dem Leben“ und also auch den  Integritäts- und  Lebensschutz „zu schwächen.“[40]

Auch wenn man solche Prognosen nicht als vollkommen realitätsferne Alibigespinste eines verzweifelt nach rechtsgutsgebundener Rationalität suchenden emotionalisierten Gesetzgebers ablegen kann,[41] so reichen sie doch nicht aus, einen das entworfene Bedrohungsszenario bekämpfenden Tatbestand schon heute als eine durch den Rechtsgutsbezug hinreichend legitimierte Strafnorm auszugeben.[42] Für die Annahme der ohne sie angeblich eintretenden Folgen ist die empirische Basis  in Deutschland zu dünn.[43] Und auch der Verweis auf das Ausland kann hier nicht helfen. Entwicklungen in den Niederlanden und in Belgien, die zur Besorgnis Anlass geben, beruhen auf der dort zugelassenen Tötung auf Verlangen, die die von § 217 StGB n.F. erfassten bloßen Unterstützungshandlungen in beiden Ländern fast vollständig verdrängt. Und dass die geschäftsmäßige Sterbehilfe in der Schweiz zu einer den Respekt vor dem Leben nicht hinnehmbar relativierenden Einstellung oder der Tolerierung wesentlich fremdbestimmter Suizide geführt hat, dafür gibt es keine validen Belege.[44]

Es bleibt daher allein der in der Begründung anklingende Versuch, das Unrechtsdefizit geschäftsmäßiger Förderung mit dem Verdacht mit ihr regelmäßig verbundenen, sicher oder eher strafwürdigen[45] Verhaltens abzumildern. Das geschieht in zwei Richtungen. So halten Brand/Griese u.a. es nicht nur für „geboten, einen Selbsttötungsversuch zu unterbinden, soweit nicht erkennbar ist, ob diesem eine freiverantwortlich getroffene Entscheidung zugrunde liegt.“ Vielmehr glauben sie auch, dass es bei geschäftsmäßiger Förderung wegen der mit ihr verknüpften „Manipulationen und Beeinflussungen der freien Verantwortlichkeit“ regelmäßig so liegt. Es könne daher „nicht angenommen werden“, dass „derartige, auf die technische Durchführung des Suizids konzentrierte Anstrengungen … auf einem sicher feststehenden Selbsttötungswunsch“ aufbauten.[46] Zu diesem Verdacht strafbarer Tötungshandlungen gesellt sich der Verdacht doch auf Gewinn zielender verwerflicher Absicht hinzu. Denn Brand/Griese u.a. halten die vom RegE 2012 bevorzugte Beschränkung auf die Gewerbsmäßigkeit auch deshalb für „nicht zielführend“, weil die dann vorausgesetzte „Gewinnerzielungsabsicht … leicht zu verschleiern“ und also nicht beweisbar sei. Auch das sei Grund, sie durch das „relativ einfach handhabbare … formale Kriterium der Geschäftsmäßigkeit“ zu ersetzen.[47]

Es liegt auf der Hand, dass sich das Gesetz mit solchen Unrechtsanreicherungen auf Verdacht, statt sich besser zu legitimieren, dem Odium der Verdachtsstraferei aussetzt.[48] Und es gelingt auch nicht, es bei solcher Begründung von diesem Odium ganz zu befreien. Zwar folgt das Stigma der Verdachtsstrafe nicht schon daraus, dass ein Gesetz sich durch die Wahl beweisbarer Merkmale um die Bewältigung von Beweisnot bemüht. Denn Strafrecht „darf nicht so konzipiert sein, dass seine Durchsetzbarkeit an seiner faktischen Nichtbeweisbarkeit scheitert.“[49] Auch sind abstrakte Gefährdungs- oder Vorfelddelikte u.U. geeignet, als Auffangtatbestände für schwer beweisbares konkretes Gefährdungs- oder Verletzungsverhalten zu dienen.[50] Das Ausweichen auf beweisbare Konstrukte ist aber nur dort legitim und über das Urteil bloßer Verdachtsstrafe erhaben, wo das tatsächlich beschriebene und im Einzelfall bewiesene Verhalten dem gewählten Strafrahmen genügendes Unrecht auch dann aufweist, wenn kein weitergehender Verdacht besteht.[51] Dem Strafrahmen von bis zu drei Jahren müsste also im hier besprochenen Feld das „Unrecht“ tatsächlich nur geschäftsmäßiger und also ohne eigenes Gewinnstreben betriebener Vorfeldförderung von erwiesen freiverantworteten Selbsttötungsvorhaben  entsprechen. Das aber ist mit den hier getroffenen Wertungen nicht zu begründen.

Auch mit restriktiver Auslegung des Merkmals der Geschäftsmäßigkeit lassen sich die Vorbehalte gegen den neuen Tatbestand nicht entkräften, immerhin aber kleiner machen. Auch hier sei sie daher empfohlen.[52] Als erstes ist gegenüber der o.a. Definition daran zu erinnern, dass der gegenüber der Gewerbsmäßigkeit „weitere, umfassendere“ Begriff[53] der Geschäftsmäßigkeit die „Absicht“ voraussetzt, die Tathandlungen „in gleicher Art für die Dauer auszuüben und sie zu einem dauernden regelmäßigen Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen.“[54] Zur gesetzlich genannten „Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern“, tritt also eine zweite Absicht hinzu. Danach reicht es nicht, dass der Förderer damit rechnet oder sicher weiß, dass bei einem erneuten Anlass seine Bereitschaft fortbesteht zu helfen und er voraussichtlich auch helfen wird. Vielmehr muss es ihm auf die wiederholte Aktivierung dieser Bereitschaft ankommen. Das wird bei Absicht im engeren Sinne verlangt. Zum zweiten sollte man – entgegen der Entwurfsbegründung – die seit Reichsgerichtstagen versteinerte These verabschieden, Geschäftsmäßigkeit könne „auch dann vorhanden sein …, wenn im äußeren Tatbestande nur eine Einzelhandlung vorliegt,“ sei also schon bei der ersten Tat mit entsprechender Absicht gegeben. Denn auch wenn man Absicht verlangt, ist die Geschäftsmäßigkeit nicht deshalb nach „ihrem Wesen … (nur) ein Merkmal des inneren Tatbestandes.“[55] Vielmehr ist sie erst gegeben, wenn man auch objektiv die „Hilfe … zu einem wiederkehrenden oder dauernden Bestandteil seiner Tätigkeit macht.“[56] Die Absicht bedarf also einer über die Ersttat hinausgehenden, das Geschäftsmäßige eindeutig erweisenden Manifestation.[57] Erst dann auch macht „der geschäftsmäßige Betrieb“ die Geschäftsmäßigkeit zu einem „verhältnismäßig leicht erkennbar(en) und beweisbar(en)“ und deshalb „relativ einfach handhabbare(n) formalen Kriterium“.[58] Als drittes ist daran zu erinnern, dass das Reichsgericht von geschäftsmäßiger Förderung nur dann spricht, wenn man aus nur „gelegentlichem Vermitteln“ ein „Vermitteln … auf Grund dauernd darauf gerichteter Tätigkeit“ und „aus Anlass des entsprechenden Geschäftsbetriebes“, die Tätigkeit also zu einem zentralen Gegenstand seiner Beschäftigung macht.[59]

 

Damit bestünde vielleicht eine Chance, den als viertes zu nennenden Flurschaden einzudämmen, den der neue Tatbestand vor allem auf dem Feld professioneller ärztlicher Sterbehilfe anrichten kann.[60] Da den Formen der herkömmlich sog. indirekten und auch der passiven Sterbehilfe ein Selbsttötungsgeschehen bei unverfälschtem Gebrauch dieses Begriffs nicht zugrunde liegt[61] und entsprechend auch keine Absicht, es zu fördern, wird man zwar weniger in diesem Bereich mit „Abgrenzungsschwierigkeiten“ rechnen müssen. Wohl aber liegt dort ein erhebliches Strafbarkeitsrisiko, wo „eine Ärztin einer Intensiv- oder Schwerstkrankenstation oder ein Hausarzt ausnahmsweise und mehr als einmal“ eine Suizidbeihilfe anbietet oder gewährt.[62] Das zu verhindern, sollte sich aber kein Strafrecht zur Aufgabe machen. Es griffe nicht nur unzulässig in die ärztliche Gewissensfreiheit ein.[63] Vielmehr wäre es auch im Hinblick auf den Lebens- und Würdeschutz kontraindiziert. Denn niemand ist besser geeignet als ein im „Ernstfall“ zur Hilfe nicht nur bereiter, sondern auch befugter Arzt, durch das Aufweisen alternativer Möglichkeiten Suizidprophylaxe zu betreiben und bei Ausweglosigkeit den Weg in ein Sterben mit Würde zu bahnen.[64] Das auch wiederholt zu tun, muss Ärzten, die dazu bereit sind, gestattet bleiben. Die Sorge, „dass die künftige Praxis im Rahmen der Auslegung der gesetzlichen Neuregelung“ anders entscheidet,[65] hat Hamburg und Niedersachsen zu der Empfehlung an den Gesetzgeber bewogen, die Entwicklung der Rechtsprechung hierzu zu „beobachten“ und „gegebenenfalls die erforderlichen gesetzgeberischen Korrekturen einzuleiten.“[66] Sie könnten weniger dringend werden, wenn die Praxis  – wie hier gefordert –  die für Geschäftsmäßigkeit vorausgesetzte „Absicht“[67] und darüber hinaus die auch objektiv eindeutige Manifestation eines zum „Geschäftsmodell“ gemachten „nachhaltige(n) Betreiben(s) oder Anbieten(s)“ von Suizidhilfe verlangt.[68] Macht man damit Ernst, wird das Strafbarkeitsrisiko neben Sterbehilfevereinen zwar Ärzte und Ärztinnen treffen, die sich ausgewiesen auf Suizidhilfe spezialisieren, nicht aber die, die darin in – wenn auch wiederkehrenden – Einzelfällen nur eine aus ärztlichem Ethos begründete Pflichterfüllung sehen.[69] Das wäre immerhin eine Abmilderung zu Recht bestehender Sorgen, freilich eine, die heute niemand  als Auslegungsergebnis zukünftiger Praxis sicher voraussagen kann.[70]

III. Zur verfassungs- und „europa“rechtlichen „Haltbarkeit“ der Norm: ein Ausblick

Es ist an der Zeit, Vorsorge zur „Schadensbegrenzung“ durch den Ausbau der hier angedeuteten restriktiven Handhabung der „nicht notwendigen“ Norm zu treffen.[71] Denn dass uns das BVerfG oder der EGMR von ihr befreit, ist kaum zu erwarten. Zwar ist die Verfassungswidrigkeit des Verbots wiederholte Male fundiert begründet und bezüglich des Bestimmtheitsgebots von den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestags nahegelegt worden.[72] Auch lässt sich der Negativbescheid des BVerfG auf den Eilschutzantrag einiger Mitglieder des Vereins Sterbehilfe Deutschland e.V. angesichts der auf deren Betroffenheit beschränkten kursiven Argumentation[73] noch nicht als sichere Basis einer ins Haus stehenden Normbestätigung deuten. Wohl aber löst sich die durch den Inzest-Beschluss schon ohnehin fast verflogene Hoffnung, ein nicht nachweisbar rechtsgutsrelevantes Verhalten könne nicht verfassungskräftiger Grund einer Bürgerfreiheiten einengenden Strafnorm sein,[74] noch weiter auf, wenn man liest, dass das diffuse Gefahrenbild des „Gesetzgebers“ für die Kammer weder „offensichtlich fehlerhaft“  noch seine daraus abgeleitete Gefahrenprognose ohne „rationale Grundlage“ und dann auch gleich noch die von ihr  selbst übernommene und schon für die Gegenwart gültige Besorgnis sei.[75] Wer den Strafgesetzgeber und kontrollierendes Gericht mit dergleichen empiriefreien Spekulationen zu nur abstrakt nicht undenkbaren Rechtsgutsgefährdungen von der verfassungsrechtlichen Kette lässt, gibt jeden „strafbarkeitsbegrenzenden, liberalen Gehalt“ der Rechtsgutsanbindung und damit die kriminalpolitische Bedeutung des materiellen Verbrechensbegriffs vollständig auf.[76] Die Verschiebung allein in die subjektiv gefärbte Einschätzungsprärogative  strahlt  naturgemäß auf die Beurteilung der Einschränkbarkeit der betroffenen Grundrechte der Handlungs-, Gewissens- und Berufsfreiheit  der Normadressaten aus[77] und hat das Potential, auch die Bewertung von Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Norm im bejahenden Sinn zu präjudizieren. Das alles spricht dafür, dass das BVerfG die Norm wohl eher „halten“ wird.[78]

Dass es wenigstens eine restriktive Handhabung anmahnt, die vor allem ihrem Gewissen folgende Ärzte vor unberechtigtem Verdacht bewahrt,[79] ist nicht ausgeschlossen. Dass es sich in seinen Aussagen zur Kriminalpolitik umbesinnt, ist dagegen nicht sehr wahrscheinlich. Ein Funken Hoffnung mag freilich bleiben, wenn man zwei jüngere Mitteilungen aus dem Gericht zusammenhält. Denn wenn man betont, dass „Strafe“ als sozialethischer Tadel „den Wert- und Achtungsanspruch des Betroffenen“ empfindlich berührt[80] und zudem einfordert, mit der „jahrzehntelangen Missachtung“ des Ultima-ratio-Prinzips Schluss zu machen, weil sie zu einer „unerwünschte Verhaltensweisen ohne Not mit dem Unrechtsverdikt der Kriminalstrafen“ belegenden „Vorverlagerung der Strafbarkeit und Schaffung immer abstrakterer Gefährdungsdelikte“ führt, ließe sich mit der hier vorgetragenen Kritik daran denken, zu § 217 StGB n.F. mit dem bisher nur „formelhaften Bekenntnis“ einmal Ernst zu machen.[81] Da beide Aussagen namentlich die Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit betreffen, ist das zu erwägen, auch mit Blick auf den EGMR nützlich. Denn wenn es auch der EuGH zur „Sache der einzelnen Mitgliedsstaaten“ macht, in „Bereichen, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede … bestehen, … im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung“ über den gesetzlichen „Schutz der betroffenen Interessen“ zu entscheiden[82] und der EGMR folgerichtig den Staaten einen „erheblichen Beurteilungs bzw. Ermessensspielraum bei der Rechtfertigung von Eingriffen in das Recht auf autonome Lebensbeendigung“ zugesteht,[83] verzichtet er doch nicht auf eine eigenständige Prüfung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit eines Verbots.[84] Das aber macht die Prognose zum EGMR immerhin unsicher. Denn dass § 217 StGB n.F. hinreichend rechtsgutsbezogen, zur Eindämmung spekulativer und rechtsgutsferner Gefahren geeignet, wegen fehlender milderer Strategien erforderlich und mit seiner Stigmatisierung zukünftiger Täter zum „Unrecht“ verhältnismäßig ist, das ist hier und so oft und nachhaltig in Zweifel gezogen, dass ein Unterliegen in Straßburg nicht ausgeschlossen ist. Auch das mögen die Verfassungsrichter bei ihrer Entscheidung bedenken.

 

[1]       BGBl. I, S. 2177. S. dazu Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 115. Sitzung, Plenarprotokoll 18/115.
[2]      Dokumentation in medstra 2015, 129. S. auch FAZ v. 15.4.2015, S. 1/8.
[3]      Hillenkamp, FAZ v. 16.4.2015, S. 6; ders., Ickinger SPD Schaukasten, 34. Jhg. Nr. 90, Juni 2015, S. 9.
[4]      Zur Geschichte s. Feldmann, Die Strafbarkeit der Mitwirkungen am Suizid, 2009, S. 70 ff.; F. Neumann, Die Mitwirkung am Suizid als Straftat, 2015 mit Anhängen S. 363 ff.
[5]      BVerfGE 120, 224 = NJW 2008, 1137 mit krit. Bespr. Roxin, StV 2009, 544 ff.
[6]      Abw. Meinung des Richters Hassemer, NJW 2008, 1142 (73).
[7]      Als „unsere Aufgabe“ so gesehen von Heiko Maas auf der Augsburger Strafrechtslehrertagung 2015, s. NStZ 2015, 305 (309). Es fällt freilich schwer, Maas als gestrengen Wächter über die Erfüllung dieser Aufgabe zu erkennen.
[8]      Die zurückliegende Debatte trotz ihrer legislativen Verengung auf Formen der Suizidbeihilfe als „Sterbehilfedebatte“ zu bezeichnen – zur deutlich darüber hinaus gehenden Thematik s. nur den Alternativentwurf Sterbebegleitung, GA 2005, 553 ff. i.V.m. dem Alternativ-Entwurf Leben, GA 2008, 193 ff.; Verrel, Verhandlungen des 66. DJT, Bd. 2, 2006, Gutachten C – mag sich durch die in vielen Diskussionsbeiträgen erfolgte Einbettung in den Gesamtkomplex – s. zu ihm zusf. Hillenkamp, in: Anderheiden/Eckart (Hrsg.), Handbuch Sterben und Menschenwürde, Bd. 1, 2012, S. 349 ff. und Bd. 2, 2012, S. 1033 ff.; Roxin, in: Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinrechts, 4. Aufl., 2010, S. 75 ff. – und auch deshalb rechtfertigen, weil parallel auch das Hospiz- und Palliativgesetz (BGBl. I, S. 2114) auf den Weg gebracht worden ist.
[9]      Gesetzesantrag der Länder Saarland, Thüringen und Hessen, s. BR-Drs. 230/06. Niedersachsen beteiligte sich aufgrund von Vorbehalten der FDP nicht, s. dazu Feldmann (Fn. 4), S. 602 f.; Saliger, Selbstbestimmung bis zuletzt, 2015, S. 11, 156 f. Die zitierte Würdigung erstreckt Sowada, ZfL 2015, 34 (43) auch auf die auf „Neuinkriminierung um ihrer symbolischen Wirkung willen“ setzenden späteren Entwürfe.
[10]    BR-Drs. 230/06, S. 5 mit S. 4; das verzeichnet – anders Feldmann (Fn. 4), S. 602 ff. –  die Tätigkeit von DIGNITAS und auch die des das heutige Verbot mitauslösenden, von Kusch 2010 in Hamburg begründeten Vereins Sterbehilfe Deutschland e.V., s. dazu Saliger (Fn. 9), S. 15 ff. und BT-Drs. 18/5373, S. 9 mit zusätzlichem Hinweis auf die Tätigkeit eines Berliner Arztes (Arnold); krit. wie hier Neumann, in: NK-StGB, 4. Aufl. 2013, Vorb. zu § 211 Rn. 148.
[11]    Nämlich durch die Verabschiedung des „Entwurfs eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ von Brand/Griese u.a., BT-Drs. 18/5373 v. 1.3. 2015; dessen § 217 Abs. 1 hat – neben einer Absenkung des Strafrahmens von 5 auf 3 Jahre – dem im Übrigen identischen Text des § 217 i.d.F. der BR-Drs. 230/06 lediglich das Wort „gewährt“ (und den 2006 noch fehlenden Abs. 2) hinzugefügt. Zu den konkurrierenden Entwürfen von Künast/Sitte u.a., BT-Drs. 18/5375 und Sensburg/Dörflinger u.a., BT-Drs. 18/5376, die sich auch für Strafbarkeit aussprachen, und dem auf eine BGB-Lösung setzenden Entwurf von Hintze/Reimann/Lauterbach u.a., BT-Drs. 18/5374 s. genauer Jäger, JZ 2015, 875, 879 ff.; Dokumentation bei Saliger (Fn.9), S. 225 ff. sowie in: vorgänge 210/211 (2015), S. 11 ff.
[12]    BT-Drs. 17/11126 v. 22.10. 2012, Begr. S. 8.
[13]    Der erste Einwand ist inhaltlich präzise nicht aufgegriffen, s. BT-Drs. 18/5373, S. 11 f., wo die Begr. S. 8 (s. Fn. 12) nicht zitiert ist. Der zweite wird auf S. 17 f. nicht hinreichend pariert.
[14]    S. Bericht in „Die Welt“ v. 3.5. 2013.
[15]    Sensburg/Dörflinger u.a. (Fn. 11) plädieren für Strafbarkeit von Anstiftung und Beihilfe zur Selbsttötung, Künast/Sitte u.a. (Fn. 11) entgegen ihrem Programmsatz „Mehr Fürsorge und Beratung, nicht mehr Strafrecht“ (A. I. der Begr.) nicht nur für Strafbarkeit von gewerbsmäßiger Hilfe (§ 4 E) und gewerbsmäßiger Förderung (§ 5 E) der Selbsttötung, sondern auch für die Strafbarkeit bestimmter Pflichtverletzungen i.R. organisierter oder geschäftsmäßiger Hilfe (§ 9 E).
[16]    BT-Drs. 18/6546 v. 3.11. 2015; hierin lag nicht die Aufforderung, für den Entwurf Hintze/Reimann/Lauterbach u.a. zu stimmen (s. dazu die zum Plenarprotokoll – Fn. 1 – Anl. 2 11212 D – gegebene „Gegenrede zu sämtlichen Gesetzesentwürfe(n)“ von Katja Keul). Wohl aber wendet sich dieser Antrag konkludent auch gegen den von keiner Gruppe aufgenommenen Vorschlag von Borasio/Jox/Taupitz/Wiesing, Selbstbestimmung im Sterben – Fürsorge zum Leben, 2014, der in § 217 die grundsätzliche Strafbarkeit der Beihilfe einführen wollte (s. S. 12).
[17]    D.h. dann, wenn alle vier – also auch der auf das Strafrecht verzichtende Antrag Hintze/Reimann/ Lauterbach u.a.- zuvor keine Mehrheit gefunden hätte.
[18]    So zitiert in FAZ v. 6.11.2015, S. 8. Der laut FAZ mit „viel Unmut“ bedachte Ausspruch spiegelt die Schwäche der Politikerzunft wider, auf „Aktionismus“ selbst trotz möglicherweise gewonnener besserer Einsicht nicht zu verzichten.
[19]    Keul hat laut FAZ v. 7.11.2015, S. 2 ihre Aufforderung, alle 4 Gesetzentwürfe abzulehnen, mit diesem Zitat untermauert. Es ist mir nicht gelungen, die Quelle des Zitats namentlich in Montesquieus De L’Esprit Des Loies, Nouvelle Edition, 1751 (dreibändig), wo ich sie vermutet habe, ausfindig zu machen.
[20]    Nachw. bei Jäger, JZ 2015, 879 ff.; Saliger (Fn. 9), S.157 ff. Zu den Gegnern gehören auch nichtunterzeichnende Strafrechtslehrer wie z.B. Duttge, NJW 2016, 120 ff.; ders., medstra 2015, 257 f. und – wenn auch mit unterschiedlichen Folgerungen – drei Autorinnen verdienstvoller Dissertationen, nämlich Gavela, Ärztlich assistierter Suizid und organisierte Sterbehilfe, 2013, S. 263 ff. sowie die in Fn. 4 schon zitierten Feldmann (S. 605 ff.), dies., GA 2012, 498 (504) und F. Neumann (S. 117 ff.). Vgl. auch Borasio/Jox/Taupitz/Wiesing (Fn.16), S. 60 ff.
[21]    S. Eidam, medstra 2016, 17 ff.; Duttge, NJW 2016, 120 ff.; Gaede, medstra 2016, 65 f.; ders., JuS 2016, 385 ff.; Hoven, ZIS, 2016, 1 (6 ff.); Rosenau, BayÄBl 2016, 100 ff.; Roxin, NStZ 2016, 185 ff.; Will, vorgänge 212 (2015), S. 52 ff.; zurückhaltender Eibach, ZfL 2016, 16 ff.; Gärditz, ZfL 2016, 114 f.; Kubiciel, ZIS 2016, 396 ff. Krit. Oglakcioglu, in: BeckOK-StGB, Stand 1.12.2015, § 217 Rn. 1 – 43.
[22]    Teilw. so schon beschrieben in BR-Drs. 230/06, S. 3; aufgenommen in BT-Drs. 18/5373, S. 3, 16.
[23]    BT-Drs. 18/ 5373, S.16.
[24]    S. dazu Wessels/ Hillenkamp, Strafrecht BT/2, 38. Aufl. (2015), Rn. 808 ff., 867 m.w.N.
[25]    S. dazu Oglagcioglu, in: BeckOK-StGB (Fn. 21), § 217 Rn. 17 – 23 m.w.N.; ihm folgend Kubiciel, ZIS 2016, 402.
[26]    Z.B. wurde der den Besitz von Diebeswerkzeug unter Strafe stellende § 245a StGB erst durch das 1. StrRG v. 25.6.1969 (BGBl I, 645) beseitigt.
[27]    S. dazu nur LK-Hillenkamp, 12. Aufl. 2007, Vor § 22 Rn. 5 ff. (Zitat Rn. 6) m.w.N.
[28]    S. dazu mit Recht krit. Duttge, FS Weber, 2004, S. 285 ff.
[29]    S. dazu BGHSt 59, 218 und – zu recht krit. Landau, ZStW  2009, 965 (967).
[30]    So auch beim Subventions-, Kapitalanlage- und Kreditbetrug, s. dazu Hillenkamp, in: Recht und Wirtschaft, Osnabrücker Rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Band 1, 1985, S. 221 ff. In § 316a StGB ist dieses Blatt unbedacht entfallen, s. dazu Wessels/Hillenkamp (Fn. 24), Rn. 426.
[31]    S. dazu Hillenkamp, in: Schöch, Wiedergutmachung und Strafe, 1987, S. 81, 88 f.; allerdings könnte das BVerfG die richterliche Ergänzung aus Verfassungsgründen gebieten, s. dazu Fn. 79.
[32]    Vgl. nur Saliger (Fn. 9), S. 158 ff; ders., medstra 2015, 138 unter Rückbezug auf Duttge, ZfL 2012, 52 ff.; Hilgendorf, JZ 2014, 550 f.; Rosenau/Sorge, NK 2013, 113 ff.; Schöch, FS Kühl, 2014, S. 599 ff.
[33]    Zur gegenteiligen Behauptung in BGHSt 46, 279 (285) und der These des auf Kühls Untersuchung in: Jahrbuch für Recht und Ethik, 2006, S. 242 (252 ff.) fußenden Textes s. Hillenkamp, FS Kühl, 2014, S. 521 (528, 530).
[34]    BT-Drs. 18/5373, S. 10.
[35]    BT-Drs. 18/5373, S. 17 f.
[36]    BT-Drs. 18/5373, S. 17. Eine mehr auf einen „wirtschaftlichen oder professionellen Zusammenhang“ abstellende einengendere Beschreibung lehnt die Begründung ab.
[37]    So wohl zuerst Roxin (Fn. 8), S. 110, der sagt, es sei „nicht ersichtlich, welches Rechtsgut durch ein solches Verhalten verletzt sein sollte.“ Zust. Gavela (Fn. 20), S. 265. Zu diesem vom RegE 2012 beifällig aufgenommenen Einwand – BT-Drs. 17/ 11126, Begr. S.  8 –  s. auch Borasio u.a. (Fn. 16), S. 61; Duttge, NJW 2016, 122; Eidam, medstra 2016, 19; Feldmann (Fn. 4), S. 606; Hoven, ZIS 2016, 3 (7); Saliger (Fn. 9), S. 159; Schroth, GA 2006, 549 (570); Will, vorgänge 212 (2015), S. 52.
[38]    S. dazu die Vorschriften, mit denen sich die Entscheidungen RG GA 53 (1906), 446; RGSt 43, 210; RGSt 61, 46; RGSt 72, 313 befassen.
[39]    So der Auftakt in BT-Drs. 18/5373, S. 2.
[40]    Zitate aus BT-Drs. 18/5373, S. 2, 11, 17, 18; der Deutsche Ethikrat ist auf S. 9 f., 11 zitiert; dem Autonomieschutzgedanken kann auch Kubiciel, ZIS 2016, 398 ff. etwas abgewinnen, bezieht seine Kritik am Lebensschutzgedanken (S. 397 f.) aber zu Unrecht nur auf den E Sensburg/Dörflinger u.a.
[41]    S. dazu die teils sarkastischen Interview-Äußerungen Thomas Fischers in vorgänge 210/211 (2015), S. 105 ff; ders., ZRP 2015, 219 ff.
[42]    A.A. Jäger, JZ 2015, 882; auch Roxin, GA 2013, 313 (325) spricht jetzt (entgegen dem Zitat o. in Fn. 37) von „Missbrauchsmöglichkeiten“ und einem Normalisierungs-, Gewöhnungs- und Nachahmungseffekt, „der verhindert werden sollte“, hält aber ein strafbewehrtes Verbot mit Recht für „unverhältnismäßig.“ Dabei bleibt es in NStZ 2016, 185 (188 ff.), wo Roxin nun aber erstmalig statt eines Straftatbestands eine Ordnungswidrigkeit vorschlägt; das mindert angesichts des reduzierten sozialethischen Tadels die Unverhältnismäßigkeit, beseitigt sie aber ebenso wenig wie den Vorhalt mangelnder Eignung. Oglacioglu, in: BeckOK-StGB (Fn. 21), § 217 Rn. 1 sieht allenfalls den Versuch der „Stabilisierung gesellschaftlicher Werte“. Die These, der Täter des § 217 StGB verwirkliche „eigenes, nicht bloß abgeleitetes Unrecht“, das dem des § 216 StGB nahe komme – so Kubiciel, ZIS 2016, 399 f. – erscheint angesichts der offen zu Tage liegenden essentiellen Unterschiede beider Tatsituationen als unhaltbar.
[43]    Künast, vorgänge 212 (2015), S. 29, 31; eingeräumt in BR-Drs. 230/06, S. 7.
[44]    Zu den verfassungsrechtlichen Konsequenzen daraus s.u. III.
[45]    Sicher strafwürdig wäre die Förderung nicht freiverantworteter Selbsttötungen, eher die als Strafbegründung freilich gleichfalls umstrittene – s. nur Rosenau/Sorge, NK 2013, 113 ff. – Gewerbsmäßigkeit.
[46]    BT-Drs. 18/5373, S. 10, 11.
[47]    BT-Drs. 18/5373, S. 13 f., 11 f; zur „Gefahr der Kommerzialisierung“ bei Organisation s. auch schon BR-Drs. 230/06, Begr. S. 3. Schon RGSt 43, 210 (213); 61, 47 (52) betonen, dass „der geschäftsmäßige Betrieb … verhältnismäßig leicht erkennbar und beweisbar, die Gewinnabsicht … mit einem solchen Betriebe … meist verbunden, … aber nach außen verhältnismäßig leicht zu verbergen und deshalb oft schwer zu erweisen“ sei.
[48]    Zum Verdacht der Förderung unfreier Suizide hat das Duttge, NJW 2016, 123 in Erinnerung gerufen; s. zu diesem schon zu § 216 StGB diskutierten –  Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche des Tötungsverbots, 2004, S. 189 f. m.w.N. – und auf dem 66. DJT zum hier einschlägigen Thema wieder aufgenommenen Vorhalt Feldmann (Fn. 4), S. 607 f.; er ist wie im Text auf die vermutete Gewerbsmäßigkeit zu erstrecken.
[49]    Hillenkamp, FS Wassermann, 1985, S. 861.
[50]    S. dazu im Wirtschaftsstrafrecht Hillenkamp (Fn. 30), S. 225 ff.; zu solchem Gebrauch krit. Landau, ZStW 2009, 966.
[51]    S. dazu Hillenkamp (Fn. 49), S. 873 m.w.N. und negativem Beispiel auf S .865; ders., (Fn. 30), S. 246; Ingelfinger (Fn. 48), S. 190.
[52]    Zu Recht hält Oglagcioglu, in: BeckOK-StGB (Fn. 21), § 217 Rn. 25.1 den Begriff für neu justierbar, mit z.T. ähnlichen Ergebnissen wie hier, Rn. 24 – 26. Es fehlt aber der Rückbezug zum RG.
[53]    RGSt 61, 47 (53); unter Strafe gestellt ist also die geschäfts- und die gewerbsmäßige Förderung!
[54]    So RG GA 53 (1906), 446;  RGSt 72, 313 (315); BayObLG, NStZ 1981, 29; OLG Hamm, NStZ 1982, 438; BGHZ NJW 1986, 1050 (1051); BVerwG, NJW 1988, 220; BGHZ 148, 313 (317) mit dem Zusatz  „sei es auch nur bei sich bietender Gelegenheit“; in RGSt 61, 47 (53) stellt das Gericht zwar „der auf Erwerb gerichteten Absicht“ (Gewerbsmäßigkeit) die (bloße) „Bereitschaft zu regelmäßiger Wiederkehr der gleichen Verübung“ (Geschäftsmäßigkeit) gegenüber, spricht aber auf S. 56 von einem „auf regelmäßige Wiederkehr berechneten Betrieb.“
[55]    So aber RGSt 72, 313 (315); s. auch Hoven, ZIS 2016, 7.
[56]    BVerfGE 54, 301 (313); in dieser Definition fehlt es allerdings an der notwendig hinzutretenden Absicht, die die Geschäftsmäßigkeit zu einer objektiv-subjektiven Sinneinheit macht. Sie unterschlägt auch BT-Drs. 18/5373, S. 12.
[57]    Ähnlich wie bei der Zueignung nach § 246 StGB, s. dazu Wessels/Hillenkamp (Fn. 24), Rn. 309 – 312.
[58]    Zitate aus RGSt 43, 210 (213) und BT-Drs. 18/ 5373, S. 11 f.
[59]    RGSt 61,47 (52).
[60]    Zu ihm s. Stellungnahme (Fn.2) sowie genauer Duttge, NJW 2016, 120 (124), Eidam, medstra 2016, 20 f., Gaede, medstra 2016, 65 f., ders. JuS 2016, 385 (390); Jäger, JZ 2015, 882 ff. und Roxin, NStZ 2016, 185 (190). S. auch Borasio u.a. (Fn.15), S. 61; Hoven, ZIS 2016, 7.
[61]    Den Unterschied zum Suizid sollte man nicht dadurch einebnen, dass man von einem „passiven Suizid durch Behandlungsverweigerung“ spricht, so aber Saliger (Fn. 9), S. 58 ff., 160; Schroth, GA 2006, 570; auch den Ausführungen Kubiciels, ZIS 2016, 401 f. liegt offenbar dieses nicht nur sachlich angreifbare, sondern die Ärzteschaft auch ganz unnötig in Gefahr bringende (Miss)Verständnis zugrunde. S. dagegen Hillenkamp, FS Küper, 2007, S. 123 (129 ff.).
[62]    RegE 2012, BT-Drs. 17/11126, Begr. S. 8. Abwehrend der Brand/Griese-Entwurf BT-Drs. 18/ 5373, S. 17 f. Diese Abwehr nennt Jäger, JZ 2015, 883 zu Recht „etwas kryptisch“ und schlägt eine Klarstellung in einem neuen Abs. 2 vor. Für eine Sondervorschrift nach dem Vorbild des AE-Sterbebegleitung Roxin, NStZ 2016, 191 f.
[63]    S. dazu Hillenkamp, FS Kühl, 2013, S. 534 ff.; Roxin, NStZ 2016, 192.
[64]    Zu erinnern ist daran, dass sich Gesetzgeber und BVerfG durch die obligatorische Beteiligung eines Arztes im Lebensschutzkonzept der §§ 218 ff. StGB vergleichbare Erfolge versprechen, s. dazu Hillenkamp, FS Schöch, 2010, S. 511 (514 f.).
[65]    Zur Berechtigung dieser Sorge s. das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zum Brand/Griese-Entwurf, WD 3 – 3000 – 188/15.
[66]    BR-Drs. 544/1/15 v. 26.11. 2015; zur Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht des Strafgesetzgebers s. Hillenkamp, FS Eisenberg, 2009, S. 301 ff.; Tekin, Die Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers im Strafrecht, 2013; Bosch, FS Beulke, 2015, S. 15 ff.
[67]    Überraschend erinnert der Brand/Griese-Entwurf, BT-Drs. 18/5373, S. 18 selbst entgegen seinen Ausführungen auf S. 16 f. an diese Absicht.
[68]    Insoweit übereinstimmend Gaede, medstra 2016, 67 f.; ders., JuS 2016, 389 f., der aber das Absichtsmoment übergeht.
[69]    So auch Gaede, medstra 2016, 68. S. dazu, dass die Berufsordnungen das zulassen müssten, Hillenkamp, FS Kühl, 2013, S. 534 ff.
[70]    Immerhin ermutigend insoweit BGHSt 59, 218 ff., eine Entscheidung, die die verfassungsrechtlich zweifelhafte Vorfeldnorm  § 89a StGB nur bei restriktiver verfassungskonformer Auslegung (namentlich zum subjektiven Tatbestand) für unbedenklich erklärt; da es dort immerhin um das Vorfeld schwerster Straftaten geht, besteht Hoffnung, dass der BGH bei einer Norm, die die Vorbereitung eines tatbestandslosen und rechtmäßigen Selbsttötungsgeschehens betrifft, erst recht eine restriktive Auslegung verlangen wird. Das BVerfG sollte ihm dazu verbindlich raten.
[71]    Den Möglichkeiten zur Tathandlung und zur Geschäftsmäßigkeit ließe sich z.B. eine Ausdehnung des Begriffs der nahestehenden Person auf Ärzte anfügen, die in einem intensiven Betreuungsverhältnis zum Sterbewilligen stehen; Vorbehalte dazu bei Oglacioglu, in: BeckOKStGB (Fn. 21), § 217 Rn. 31.1.
[72]    S. nur Hilgendorf, JZ 2014, 545 (550 ff.); Saliger (Fn. 9), S. 160 ff.; Will, vorgänge 212 (2015), S. 52, 56 ff. Die Ausarbeitungen der Wiss. Dienste WD 3 – 3000 – 155/15 (S. 14 f. zur von § 217 n.F. mit erfassten Gewerbsmäßigkeit) und 188/15 (S. 10 f. zur Geschäftsmäßigkeit) leiten die Verfassungswidrigkeit aus den nicht hinreichend klaren Aussagen zur Strafbarkeit von Ärzten ab; s. dazu auch Oglagcioglu, in: BeckOK-StGB (Fn. 21), § 217 Rn. 7.1, 12a.
[73]    Sie beschäftigt sich in BVerfG – 2. Kammer des 2. Senats – NJW 2016, 558 zentral mit der vermeintlich fehlenden Adressateneigenschaft der Mitglieder aufgrund notwendiger Teilnahme, s. dazu krit. Oglacioglu, in: BeckOK-StGB (Fn. 21), § 217 Rn. 35 ff.
[74]    BVerfGE 120, 224 (239 ff.) mit abw. Stellungnahme Hassemer; s. dazu schon o. bei Fn. 5, 6.
[75]    BVerfG, NJW 2016, 559 (18/19); zitiert wird aus den Begr. des RegE 17/ 11126 und des Brand/Griese-Entwurfs BT-Drs. 18/5373 (= Begr. des „Gesetzgebers“?); hierzu krit. auch Rosenau, BayÄBl 2016, 102.
[76]   S. zu ihr nur Roxin, Strafrecht AT, Bd. l, 4. Aufl. 2006, § 2 Rn. 1 ff. (Zitat Rn. 4, 6); Hillenkamp, FS Kirchhof Bd. II, 2013, S. 1349 (1356 ff.); sie ist als „Lebenslüge“ der Rechtsgutslehre –    s. dazu relativierend Swoboda, ZStW 122 (2010), 24 (37 ff.) – verzeichnet.
[77]    S. dazu nur Reimer, ZfL 2015, 66 (72 ff.), der dem „Gesetzgeber … die verfassungsrechtliche Kompetenz“, spekulative Gefahrannahmen „mit Ja zu beantworten“, zubilligt.
[78]
   In BT-Drs. 18/5373, S. 2, 6, 7, 9 ff. findet sich für diesen Standpunkt eine ausführliche Begründung.
[79]    S. dazu o. im Text; in diese Richtung – allerdings für eher ohnehin nicht einschlägige Fälle (s. Fn. 61) auch Kubiciel, ZIS 2016, 402. Denkbar wäre auch, die Verfassungsmäßigkeit darüber hinaus nur bei Einräumung der Möglichkeit tätiger Reue durch die Gerichte (s. dazu o. bei Fn. 30) anzuerkennen; zur bedenklichen „Eingriffsermächtigung der Strafverfolgungsbehörden bereits bei Vorfeldaktivitäten“ s. Landau, ZStW 2006, 966.
[80]    So nach Jahn, „Schluss mit straflustig“, FAZ v. 7.1.2016, S .6 das BVerfG in einem Zustellungsvermerk im Verfahren 2 BvL 1/15; BVerfGE 120, 224 (240) leitet aus dem in der Strafe „zum Ausdruck kommenden sozialethischen Unwerturteil“ die besondere Bedeutung „des Übermaßverbots als Maßstab der Überprüfung einer Strafnorm“ her. Zur Legitimation von Strafrecht nur bei Berechtigung des in der Strafe enthaltenen sozialethischen Tadels s. nur Frisch, NStZ 2016, 16 ff. m.w.N. (leider ohne dezidierte Stellungnahme zu § 217 StGB n.F., s. dort Fn. 8, und mit m.E. unberechtigter Resignation zur Kraft des Rechtsgutsgedankens; s. dagegen auch Otto, JA 2016, 361, (365 ff.).
[81]    Zitate aus Landau, NStZ 2015, 665 (668); in der krit. Tendenz auch schon ders., ZStW 2006, 965 (966 f.).
[82]    EuGH, NJW 2009, 3221 (3223).
[83]    So zusf. zur ausführlich (S. 24 ff.) dargestellten Rechtsprechung des EGMR Saliger (Fn. 9), S. 44; erg. EGMR, ZfL 2015, 116 (Fall Lambert).
[84]    Nachw. bei Saliger (Fn. 9), S. 38 (40).

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