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Feinjustierung an einem stumpfen Schwert? Zur Verbesserungsmöglichkeit der Führungsaufsicht de lege lata und de lege ferenda

von Dr. Alexander Baur, M.A./B.Sc.

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Abstract
Der Beitrag zeigt ausgehend von empirischen Befunden der zwischen 2011 und 2013 durchgeführten bundesweiten Evaluation der Führungsaufsicht Verbesserungsmöglichkeiten in der Ausgestaltung, Umsetzung und rechtlichen Konzeption der Führungsaufsicht auf.

This article shows how the organisation, implementation and legal foundation of supervision of conduct could be improved. The proposals are based on empirical evidence gathered during a nationwide study evaluating supervision of conduct from 2011 until 2013.

 

 I. Entwicklungen und Strukturen der Führungsaufsicht

 Die Führungsaufsicht ist in den letzten Jahren spürbar aus ihrem Schattendasein herausgetreten. Anlass waren neben der Reform 2007 auch die Rechtsprechung des EGMR zur Sicherungsverwahrung und in der Folge die Entlassung bis dahin sicherungsverwahrter Straftäter. Auch rechtswissenschaftlich und kriminologisch findet die Führungsaufsicht zunehmend Beachtung.[1] Die Ergebnisse rechtswissenschaftlicher und kriminologischer Arbeiten zur Führungsaufsicht sind dabei in ihrem Tenor positiv.[2]

Dass der Führungsaufsicht dennoch das Verdikt vom stumpfen Schwert anhaftet, hängt vermutlich mit einer falschen Erwartungshaltung zusammen: Als ambulante Maßregel der Besserung und Sicherung wird die Führungsaufsicht nie an das Sicherungsniveau stationärer Maßregeln heranreichen.[3] Alternativen zur Führungsaufsicht lassen sich im geltenden deutschen Schuldstrafrecht nur schwer vorstellen. Eine erneute Verpolizeilichung der Führungsaufsicht, für die es Anzeichen in der Rechtspraxis gibt, würde die Probleme kaum lösen. Die effizientere Alternative zur Führungsaufsicht ist nicht die einseitige Betonung der Gefahrenabwehr – auch die Polizeiaufsicht als historische Vorgängerin der Führungsaufsicht galt als stumpfes Schwert,[4] sondern schlicht die Ausweitung stationärer Unterbringungsmöglichkeiten für Straftäter. Rechtspolitisch ist das nicht wünschenswert und rechtsstaatlich wäre es kaum begründbar.

II. Möglichkeiten zur Verbesserung der Führungsaufsicht

 Die Führungsaufsicht lässt sich auf der Grundlage der geltenden gesetzlichen Regelungen im Einzelfall variabel ausgestalten und unterschiedlich organisatorisch umsetzen. Die rechtliche Konzeption der Führungsaufsicht verlagert die Verantwortung für die konkrete Ausgestaltung auf das Gericht des § 68 a StGB, dem innerhalb bestimmter rechtlichen Grenzen ein großer Ermessensspielraum eingeräumt wird. Der Gesetzgeber lässt den Landesjustizverwaltungen zusätzlich weitreichende Freiheiten bei der (organisatorischen) Umsetzung der Führungsaufsicht. Es lassen sich daher Verbesserungsmöglichkeiten identifizieren, die jederzeit auf der Grundlage des geltenden Rechts umgesetzt werden können.

An der Ausgestaltung und Umsetzung der Führungsaufsicht sind zwingend mindestens drei Akteure – Führungsaufsichtsstelle, Bewährungshilfe und Gericht i.S. des § 68 a StGB) beteiligt. Als weiteren fakultativen Akteur nennt die Führungsaufsicht seit 2007 die forensische Ambulanz. Es gibt in der Führungsaufsicht Konstellationen, in denen weitere Akteure beteiligt sind. Die Führungsaufsicht sieht die Beteiligung der allgemeinen Strafjustiz bei der Sanktionierung von Weisungsverstößen nach § 145 a StGB vor. Zunehmend ist die Polizei an der Umsetzung und Ausgestaltung der Führungsaufsicht beteiligt; das Recht der Führungsaufsicht hat diese Beteiligung der Polizei mittlerweile in § 463 a Abs. 3 S. 4 StPO anerkannt. Die Zusammenarbeit der beteiligten Akteure setzt eine funktionierende Kooperation, aber auch eine klare Aufgaben- und Verantwortungsabgrenzung voraus.

Der organisatorische Ausgestaltungs- und richterliche Ermessensspielraum soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass an einzelnen Stellen in den geltenden gesetzlichen Regelungen normative Verbesserungsmöglichkeiten erkennbar sind. Nach der großangelegten und im Ergebnis erfolgreichen Reform der Führungsaufsicht 2007[5] kann es sich bei den Verbesserungsmöglichkeiten de lege ferenda aber allenfalls noch um Feinjustierungen handeln.

1. Verbesserungsmöglichkeiten de lege lata

a) Führungsaufsichtsstelle

aa) Organisatorische Ausgestaltung der Führungsaufsichtsstelle
Nach Art. 295 Abs. 2 EGStGB müssen die Aufgaben der Führungsaufsichtsstelle von Beamten des höheren oder gehobenen Dienstes, anerkannten Sozialarbeitern oder Sozialpädagogen wahrgenommen werden. Nähere Vorgaben macht allein Art. 295 Abs. 2 S. 2 EGStGB, wonach die Leitung der Führungsaufsichtsstelle die Befähigung zum Richteramt oder ein höheres Beamtenverhältnis voraussetzt.

In den Ländern werden diese Vorgaben unterschiedlich umgesetzt. Holzschnittartig lassen sich zwei Umsetzungsmodelle unterscheiden. Personalschwache Führungsaufsichtsstellen beschränken sich regelmäßig auf verwaltende Tätigkeiten und stellen auf Anregung anderer Akteure Strafanträge nach § 145 a StGB.[6] Personell sind diese Führungsaufsichtsstellen nur mit einem nebenamtlichen Leiter besetzt, der – was nach Art. 295 Abs. 2 S. 3 EGStGB ausdrücklich möglich ist – im Hauptamt Richter ist. Die Freistellung für die Tätigkeit als Leiter der Führungsaufsichtsstelle ist regelmäßig gering.[7] Vereinzelt wird die Tätigkeit auf Zivilrichter übertragen, um zu vermeiden, dass der Leiter der Führungsaufsichtsstelle gleichzeitig Gericht i. S. des § 68 a StGB ist.[8] Personalschwache Führungsaufsichtsstellen werden den ihnen gesetzlich zugedachten Aufgaben kaum gerecht. Die zunehmende Mitwirkung der Polizei an der Umsetzung der Führungsaufsicht stößt just in diese vielfach empfundene Sicherungslücke.

Personalstarke Führungsaufsichtsstellen gestalten die Führungsaufsicht regelmäßig aktiv mit.[9] Sie sind mit Sozialarbeitern und Sozialpädagogen bzw. Rechtspflegern besetzt und unterstehen teilweise hauptamtlichen Leitern.[10] Personalstarke Führungsaufsichtsstellen finden sich unter anderem in Hamburg und seit der Einrichtung einer Zentralen Führungsaufsichtsstelle in Mecklenburg-Vorpommern. Die Erfahrung zeigt, dass die Qualität der Führungsaufsicht von den beteiligten Akteuren höher eingeschätzt wird, wenn die Führungsaufsichtsstelle eine aktive Rolle einnimmt. Die Verlagerung von Sicherungsaspekten auf die Führungsaufsichtsstelle zur Entlastung der Betreuungsarbeit wird in der Praxis nicht als unkoordiniertes Nebeneinander, sondern als sinnvolle Entlastung der Bewährungshilfe erlebt.[11]

Eine aktive Mitwirkung der Führungsaufsichtsstelle führt zur einer deutlichen Erhöhung des Bedarfs an personellen Ressourcen. In Stadtstaaten und Ballungsräumen lässt sich eine personalstarke Führungsaufsichtsstelle aufgrund der hohen Fallzahlen justizökonomisch am ehesten rechtfertigen. Anders ist die Situation in Flächenländern; hier lassen sich personalstarke Führungsaufsichtsstellen meist nur nach (Teil-)Zentralisierungen etablieren. Die Erfahrungen mit zentralisierten Führungsaufsichtsstellen zeigen, dass die positiven Effekte die Nachteile – auch in Flächenländern etwa mit Blick auf Fahrt- und Reisekosten – überwiegen.[12]

bb) Mitwirkung an Führungsaufsichtsbeschlüssen
Der Führungsaufsichtsbeschluss ist die zentrale Arbeitsgrundlage für die Akteure der Führungsaufsicht. Im Gros der Führungsaufsichten erteilen die Gerichte von den Justizvollzugsanstalten schematisch vorgeschlagene Weisungen, die bisweilen das Gespür für die praktische führungsaufsichtsrechtliche Arbeit vermissen lassen. Es ist wünschenswert, dass die Akteure, die in der Praxis mit der Umsetzung der Führungsaufsicht betraut sind, schon früh ihre Erfahrungen einbringen und aus ihrer Perspektive Einfluss auf eine sinnvolle Ausgestaltung der Führungsaufsicht nehmen. Das setzt insbesondere voraus, dass die Führungsaufsichtsstellen sich vor Unterstellung des Probanden auf der Grundlage der bestehenden Informationen zu den Weisungen äußern. Bei Hochrisikoprobanden wird dies teilweise im Rahmen von Fallkonferenzen bereits erfolgreich praktiziert.[13]

cc) Strafantragspraxis
Die Strafantragsstellung nach § 145 a S. 2 StGB ist eine der zentralen Aufgaben der Führungsaufsichtsstelle. In der Praxis gibt es Anhaltspunkte für nicht immer sachgerechte Motive bei der Strafantragsstellung. In Einzelfällen wird auf die Stellung eines Strafantrags verzichtet, weil die Führungsaufsichtsstellen nicht mit einer konsequenten Ahndung des Weisungsverstoßes durch die allgemeine Strafjustiz rechnen. Vermehrt lässt sich aber auch eine umgekehrte Tendenz beobachten: Strafanträge werden ohne eingehende Prüfung gestellt, um dem Vorwurf zu entgehen, nicht alles zur Verhinderung erneuter Straffälligkeit getan zu haben.[14]

Dogmatisch ersetzt der Strafantrag das Tatbestandsmerkmal des gröblichen oder beharrlichen Verstoßes, wie es die Parallelnorm des § 67 g Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB kennt.[15] Das Recht der Führungsaufsicht geht davon aus, dass es zu Weisungsverstößen kommen kann, die nicht zwingend eine strafrechtliche Reaktion erfordern. Daneben kann eine spezialpräventiv ausgerichtete Kosten-Nutzen-Erwägung im Einzelfall zu dem Ergebnis kommen, dass die Zwecke der Führungsaufsicht besser erreicht werden, wenn gar nicht oder jedenfalls unter Verzicht auf einen Aussetzungswiderruf oder eine Sanktionierung nach § 145 a StGB auf den Weisungsverstoß reagiert wird. In § 145 a StGB wird diese Bewertung des Weisungsverstoßes der Führungsaufsichtsstelle überlassen, die sich bei der Strafantragsstellung von einer führungsaufsichtsrechtlichen Opportunität leiten lassen muss.[16] Sie muss erwägen, ob die Sanktionierung eines Weisungsverstoßes unter den konkreten Umständen notwendig und zweckmäßig ist. Um diese führungsaufsichtsrechtliche Opportunität sachgerecht auszuüben, muss die Führungsaufsichtsstelle die Meinung der betreuenden und behandelnden Akteure einholen (§ 68 a Abs. 6 StGB, bei der forensischen Ambulanz i. V. mit § 68 a Abs. 7 S. 2 StGB). Die Strafantragsstellung soll folglich die Sanktionierung nach § 145 a StGB in die Zwecke der Führungsaufsicht einpassen und zu einem Instrument führungsaufsichtsrechtlicher Intervention machen.

Auch wenn formal der Einfluss der Führungsaufsichtsstelle mit der Strafantragsstellung endet, sollte die Führungsaufsichtsstelle nach Möglichkeit versuchen, das Strafverfahren weiter zu begleiten und auf sinnvolle Sanktionierung hinzuwirken. In der Praxis geschieht dies selten – auch weil den Führungsaufsichtsstellen formale Verfahrensrechte fehlen.

b) Bewährungshilfe

Die Bewährungshilfe ist sicherlich der zentrale Akteur der Führungsaufsicht. In Zeiten, in denen die Führungsaufsicht ins öffentliche und politische Interesse rückt, erstaunt es, dass die Fallbelastung in der Bewährungshilfe weiterhin hoch bleibt. Führungsaufsichten, bei denen der Betreuungsaufwand wegen einer (qualifiziert) negativen Legalprognose besonders hoch ist, werden vielerorts nicht gesondert in das Betreuungsdeputat eingerechnet.[17] Fallzahlen von über 100 Probanden pro Bewährungshelfer – darunter eine hohe Zahl von Führungsaufsichtsprobanden – sind nicht selten.

Im Kern geht es hier um die Frage, was die sozialen Dienste der Justiz kosten dürfen und was nicht. Die Binsenweisheit, dass kostenträchtige stationäre strafrechtliche Sanktionen durch effektive ambulante Strukturen nachhaltig ersetzt werden könnten, sei hier mit einem Hinweis auf die mittlerweile bestehenden Maßregelambulanzen erlaubt: Es gibt durchaus Anzeichen dafür, dass die Vollstreckung der Maßregeln nach § 63 und § 64 StGB großzügiger zur Bewährung ausgesetzt wird, seit es belastbare ambulante Betreuungsstrukturen gibt und im Einzelfall kurzfristig nach § 67 h StGB eine erneute stationäre Unterbringung durch- und umgesetzt werden kann.[18]

c) Gericht im Sinne des § 68 a StGB

Die Arbeitsgrundlage für die Führungsaufsicht ist der Führungsaufsichtsbeschluss. Das Gesetz gibt kaum eine Handreichung für die individuelle Ausgestaltung der Führungsaufsicht. Das Recht der Führungsaufsicht überlässt es bewusst dem Richter, aus den Handlungsangeboten auszuwählen und die Führungsaufsicht auf das Besserungs- und Sicherungsbedürfnis des Probanden abzustimmen.[19] Diese Offenheit der Führungsaufsicht, die angesichts der Heterogenität der Probanden nicht anders denkbar ist,[20] setzt einen Richter voraus, der die Führungsaufsicht mit Sorgfalt und Augenmaß individuell ausgestaltet. Die in der Praxis vielfach zu beobachtende schematische Erteilung standarisierter Weisungen wird dieser Aufgabe nicht gerecht.[21] Besonders offenbar wird der Schematismus an der Erteilungspraxis der Weisung nach § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 9 StGB, die – abgesehen von aussetzungsbedingten Führungsaufsichten – in mehr als der Hälfte der Fälle erteilt wird. Das Problem schematischer Weisungen wird durch rechtlich nicht mögliche und schlicht handwerklich fehlerhafte Weisungen verschärft („Der Proband wird verpflichtet, jeden Wechsel der Wohnung oder der Arbeitsstelle seinem Bewährungshelfer (!) zu melden, § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 8 StGB“).[22] Die Sanktionierung eines Weisungsverstoßes nach § 145 a StGB ist dann zumindest formaljuristisch nicht möglich[23] – die Praxis tut sich freilich auch bei solchen Weisungen mit Verurteilungen nicht immer schwer.[24] Schließlich lässt sich bei Probanden, die als besonders kriminalitätsgefährlich eingeschätzt werden, beobachten, dass eine kaum zu bewältigende Vielzahl von Verhaltensanforderungen formuliert wird: Bei Sexualstraftätern sind 15 und mehr erteilte Weisungen keine Seltenheit.[25]

Die Richter müssen für die sachgerechte Ausgestaltung des Führungsaufsichtsbeschlusses zunächst eine Hypothese zur Kriminalitätsentstehung beim Probanden aufstellen. Auf diese Weise können kriminogene Faktoren erkannt und diesen durch die Erteilung führungsaufsichtsrechtlicher Weisungen gezielt entgegenwirkt werden. Eine Überlastung des Probanden ist dabei schon aus Verhältnismäßigkeitsgründen  zu vermeiden (§ 68 b Abs. 3 StGB). Auch Sicherungsinteressen dürfen bei der Weisungserteilung nicht einseitig zu Lasten der Besserung verfolgt werden; dies widerspräche der Führungsaufsicht als Maßregel, die strafrechtstypisch Besserung und Sicherung gleichberechtigt verfolgt.[26]

d) Schaffung einer umfassenden Behandlungsinfrastruktur                      

Der Gesetzgeber konnte sich in der großen Führungsaufsichtsreform 2007 nicht dazu durchringen, die Länder zur Schaffung forensischer Ambulanzen zu verpflichten. Er beließ es bei einem mit § 68 a Abs. 7 StGB verbundenen Impuls zur Schaffung einer Behandlungsinfrastruktur.[27] Mittlerweile hat sich eine erstaunlich belastbare ambulante Behandlungsinfrastruktur entwickelt. Gerade in Flächenländern sind die Wege bis zur nächsten Behandlungseinrichtung aber nach wie vor lang;[28] eine therapeutische Anbindung kann nicht immer gewährleistet werden. Auch die Therapieangebote zeigen nach wie vor Lücken. Eine Anschlussbehandlung von Maßregelpatienten vor allem aus dem Bereich des § 63 StGB ist weitgehend gewährleistet. Auch aus dem Strafvollzug entlassene Sexualstraftäter finden zunehmend eine passende Behandlungsinfrastruktur.[29] Andere Straftätergruppen bleiben in den Angeboten forensischer Ambulanzen aber bisher häufig noch unberücksichtigt. Das gilt sowohl für Gewaltstraftäter, insbesondere aber auch für Probanden mit nicht remittierter Suchtproblematik.

e) Allgemeine Strafjustiz (Staatsanwaltschaften und Strafgerichte)

In vollverbüßungs- und erledigungsbedingten Führungsaufsichten ist das zentrale Reaktionsinstrument bei Fehlverhalten und krisenhaften Entwicklungen des Probanden § 145 a StGB. Der Widerruf einer noch unvollstreckten stationären Sanktion steht hier nicht zur Verfügung. Problematisch an diesem ohnehin schon eher schwachen Reaktionsinstrument ist, dass die Akteure der Führungsaufsicht mit der Stellung des Strafantrags ihren rechtlichen und meist auch faktischen Einfluss auf das weitere Verfahren verlieren. Die Reaktionskompetenz verlagert sich auf die allgemeine Strafjustiz, die sich mit einer sinnvollen Nutzung des § 145 a StGB häufig schwer tut. Zudem sind Strafverfahren in aller Regel ein zu träges Instrument, soll durch die Sanktionierung eines Weisungsverstoßes nach § 145 a StGB wirksam auf (krisenhafte) Maßregelzweckgefährdungen reagiert werden.

Der Informationsfluss zwischen den Akteuren der Führungsaufsicht und der Strafjustiz ist nicht systematisch sichergestellt; konkrete Vorschläge der Führungsaufsichtsakteure zur Sanktionierung finden sich in den Strafverfahren selten.[30] Obwohl die Führungsaufsichtsstelle zur Sanktionierungsnotwendigkeit klar Stellung bezogen hat, kommt es immer noch zu staatsanwaltschaftlichen Verfahrenseinstellungen nach §§ 153 ff. StPO. Dass sich Staatsanwaltschaften mit allgemeinen Opportunitätserwägungen über die führungsaufsichtsrechtliche Opportunität hinwegsetzen, ist nur schwer erträglich und entwertet das ohnehin schon schwache Reaktionsinstrumentarium in vollverbüßungs- und erledigungsbedingten Führungsaufsichten zusätzlich.

Grundsätzlich ist zu bedenken, dass zur Bewährung ausgesetzte Strafen im Einzelfall sinnvoll sein können. Für die laufende Führungsaufsicht steht dann eine unvollstreckte strafrechtliche Sanktion zur Verfügung, die die Motivation zur Weisungsbefolgung erhöhen und im Krisenfall für eine rasche Reaktion genutzt werden kann. Ambulant erzielte Betreuungs- und Behandlungserfolge werden nicht durch eine Inhaftierung gefährdet. Eine Maßregelzweckgefährdung zu bejahen und gleichzeitig die für § 56 Abs. 1 und 2 StGB positiven Legalprognose zu stellen, scheint allerdings argumentativ nicht ganz leicht vereinbar.

f) Straf- und Maßregelvollzugsanstalten

Die meisten Führungsaufsichtsprobanden kommen aus einer stationär vollstreckten strafrechtlichen Sanktion. Es ist daher wichtig, dass der Informationsfluss und der Übergang zwischen stationären und ambulanten Strukturen gesichert ist.

Im Bereich des Maßregelvollzugs lassen sich zumindest in der Fläche kaum Verbesserungsmöglichkeiten identifizieren. Anders ist die Situation im Strafvollzug. Insbesondere die Stellungnahmen der Vollzugsanstalten und deren Vorschläge zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht sind häufig defizitär.[31] Sie sind vermutlich ein Hauptgrund dafür, dass Führungsaufsichtsbeschlüsse häufig schematisch erteilte Weisungen enthalten. Eine enge Kooperation der Strafvollzugsanstalten mit den Akteuren der Führungsaufsicht wäre wünschenswert, ist aber in der Praxis leider eher die Ausnahme.

g) Polizei

Mittlerweile ist die Polizei ein wichtiger führungsaufsichtsexterner Akteur. Die Polizei ist nicht nur anlassbezogen und reaktiv – etwa im Rahmen einer Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung nach § 463 a Abs. 2 StPO – an der Führungsaufsicht beteiligt. Sie ist an bestimmten Führungsaufsichten im Rahmen polizeilicher Flankierungsprogramme zur Führungsaufsicht wie KURS oder HEADS unabhängig von einem konkreten Anlass proaktiv tätig.[32]

Die proaktive Mitarbeit der Polizei in der Führungsaufsicht wird von der Praxis überwiegend positiv bewertet.[33] Art und Umfang der Polizeibeteiligung unterscheiden sich zwischen den Ländern und teilweise den Führungsaufsichtsstellen eines Landes erheblich. Teilweise kann man sich des Eindrucks nur schwer erwehren, dass die Federführung in bestimmten Führungsaufsichten von den Ak-teuren des § 68 a StGB auf die Polizei verlagert wird.[34]

Die Einbeziehung der Polizei – nicht zuletzt wegen ihrer personellen Ressourcen und ihrer „Präsenz auf der Straße“ – kann aus Sicht der Führungsaufsicht hilfreich sein. Auch die Amtsautorität der Polizei kann im Einzelfall sinnvoll eingesetzt werden.[35] Der Reformgesetzgeber des Jahres 1975 entschied sich jedoch bewusst gegen die Polizeiaufsicht und löste sich von einem polizeilich-präventiven Konzept bei der Sicherung vor den Gefahren entlassener Straftäter.[36] Mit der Führungsaufsicht unterstellte er diese Aufgabe einem strafrechtlichen und damit immer auch an Resozialisierung und Hilfestellung orientierten Handlungskonzept. Die Bewahrung dieses strafrechtlichen Handlungskonzepts setzt voraus, dass sich die Polizei der Führungsaufsicht und ihren Zwecken unterordnet. Ein am Paradigma möglichst effektiver Gefahrenabwehr orientiertes, unabhängiges Handeln der Polizei bliebe nicht ohne Auswirkung auf die Führungsaufsicht und brächte deren Zwecke – Besserung und Sicherung – ins Ungleichgewicht.[37] Entscheidend ist daher ein instrumentelles Verständnis der polizeilichen Mitwirkung. Fallverantwortung und Federführung müssen bei den Akteuren der Führungsaufsicht bleiben; eigenmächtiges und nicht abgestimmtes Handeln der Polizei gilt es zu vermeiden. Gegen eine punktuelle und ergänzende Mitwirkung der Polizei ist nichts einzuwenden.

Nimmt die Führungsaufsichtsstelle ihre auch koordinierenden Aufgaben ernst, bedarf es nicht zwingend einer gesetzlichen Regelung zur direkten Informationsweitergabe der Bewährungshilfe an die Polizei. Die Informationsweitergabe über Eck, das heißt von den betreuenden und behandelnden Akteuren der Führungsaufsicht an die Führungsaufsichtsstelle und von dort an die Polizei, stellt zugleich sicher, dass nur zu Sicherungszwecken notwendige Informationen die Polizei erreichen.

2. Verbesserungsmöglichkeiten de lege ferenda

a) Stärkung der Führungsaufsichtsstelle durch zusätzliche Kompetenzen

 Die bereits oben auf der Grundlage der geltenden gesetzlichen Regelungen vorgeschlagene Stärkung der Führungsaufsichtsstellen lässt sich durch gesetzliche Ergänzungen flankieren und absichern. Eine Führungsaufsichtsstelle, die Verantwortung für die Umsetzung der Führungsaufsicht übernimmt und nicht nur Fälle verwaltet, muss mit Rechten ausgestattet sein, die ihr die Wahrnehmung ihrer Verantwortung ermöglichen.

aa) Antragsrechte
Die Führungsaufsichtsstellen verfügen nach geltender Gesetzeslage über kein formelles Antragsrecht zum Gericht des § 68 a StGB. Es ist den Führungsaufsichtsstellen zwar unbenommen, gerichtliche Maßnahmen anzuregen und Gerichte werden ihnen in der Regel Folge leisten; formell beantragen können sie führungsaufsichtsrechtliche Maßnahmen aber nicht. Dabei sollte es – vergleichbar der Strafantragsstellung – officium nobile der Führungsaufsichtsstellen sein, in enger Rücksprache mit den anderen beteiligten Betreuungs- und Behandlungsakteuren für eine zweckmäßige Ausgestaltung der Führungsaufsicht zu sorgen. Bei der primären Ausgestaltung der Führungsaufsicht sollte die Führungsaufsichtsstelle nach Anhörung der Bewährungshilfe und gegebenenfalls der forensischen Ambulanz eine Stellungnahme zum Führungsaufsichtsbeschluss abgeben oder besser noch einen Antrag zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht stellen müssen. Das trifft zumindest in vollverbüßungsbedingten Führungsaufsichten zu, in denen eine sachgerechte Ausgestaltung der Führungsaufsicht besonders häufig am Mangel sinnvoller Vorschlägen scheitert.

bb) Ausgestaltungsbefugnisse
Die Führungsaufsicht als ambulante Maßregel ist häufig mit Besserungs- und Sicherungsbedürfnissen ihrer Probanden konfrontiert, die sich rasch ändern. Der strafrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz, der an systematisch fragwürdiger Stelle[38] in § 68 b Abs. 1 S. 2 StGB nochmals betont wird, setzt detailliert beschriebene Verhaltenserwartungen voraus. Das praktische Bedürfnis nach Flexibilität kollidiert mit dem strafrechtlichen Gebot nach Bestimmtheit. Die Praxis behilft sich regelmäßig mit rein faktischen Anpassungen der Weisungen: Therapie- und Meldeintervalle werden ausgeschlichen, Aufenthaltsverbote und Suchtmittelkonsumverbote immer weniger engmaschig kontrolliert.[39] Vor dem Hintergrund der drohenden Reaktionen bei nicht weisungsgerechtem Verhalten muss eine solche faktische Abänderung auf Bedenken stoßen. Problematisch werden faktische Abänderungen in der Praxis spätestens dann, wenn bestimmte Entwicklungen beim Probanden eine Rückkehr zur ursprünglich erteilten Weisung erfordern. Regelmäßig wird das dem Probanden nur schwer zu vermitteln sein; der Führungsaufsichtsbeschluss verliert damit an Verbindlichkeit. Eine wiederholte Weisungserteilung durch das Gericht scheidet aus, weil der Führungsaufsichtsbeschluss formell ohnehin die ganze Zeit unverändert fortgegolten hat.

Denkbar wäre es, den Führungsaufsichtsstellen innerhalb klar umrissener Grenzen die Befugnis einzuräumen, gerichtlich erteilte Weisungen zu konkretisieren. Dies betrifft insbesondere die Weisungen nach § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 7 und Nr. 11 sowie nach § 68 b Abs. 2 S. 2 StGB, soweit es um die Festlegung von zeitlichen Melde- und Therapieintervallen geht. Bei Weisungen nach § 68 b Abs. 1 Nr. 11 Alt. 2 StGB könnte die Führungsaufsichtsstelle Art und Häufigkeit von Suchtmittelkontrollen festlegen. Das Gericht würde in diesen Fällen einen äußeren Rahmen vorgeben, innerhalb dessen die Führungsaufsichtsstelle in enger Rücksprache mit der Bewährungshilfe und der forensischen Ambulanz die konkrete Ausgestaltung festsetzen könnte. Gleichzeitig ließen sich die Reaktionsmöglichkeiten gerade in vollverbüßungs- und erledigungsbedingten Führungsaufsichten verbessern: Die Führungsaufsichtsstelle könnte über Nachjustierungen rasch und unbürokratisch positive Entwicklungen beim Probanden mit Lockerungen belohnen oder auf negative Entwicklungen mit Verschärfungen reagieren. Solange die äußeren Rahmenbedingungen richterlich unmissverständlich vorgegeben werden, bestünden kaum Bedenken wegen eines möglichen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt.

cc) Mitwirkungsbefugnisse
Nach der Strafantragsstellung verliert die Führungsaufsichtsstelle ihren Einfluss auf das dann folgende Strafverfahren nach § 145 a StGB. Eine aus Sicht der Führungsaufsicht sinnvolle Sanktionierung eines Weisungsverstoßes ist deshalb nicht systematisch sichergestellt. Die Beteiligung der Führungsaufsichtsstelle am Strafverfahren nach § 145 a StGB ist deshalb schon de lege lata begrüßenswert. De lege ferenda wäre eine Stellung der Führungsaufsichtsstelle in Strafverfahren nach § 145 a StGB vergleichbar der Jugendgerichtshilfe (§§ 38, 50 Abs. 3 JGG) zur Sicherstellung einer führungsaufsichtsopportunen Sanktionierung denkbar.

dd) Zwangsbefugnisse
In der aktuellen Praxis der Führungsaufsicht spielt der Vorführungsbefehl nach § 463 a Abs. 3 StPO kaum eine Rolle.[40] Ein Grund mag das umständliche Verfahren sein, das der Führungsaufsichtsstelle nur ein Antragsrecht, nicht aber das Recht einräumt, den Vorführbefehl selbst zu erlassen. Bereits 2007 wurde diskutiert, ob der Führungsaufsichtsstelle ein eigenes Recht zum Erlass eines Vorführhaftbefehls verliehen werden sollte oder nicht. Der Reformgesetzgeber entschied sich bewusst dagegen, weil er befürchtete, dadurch den notwendigen Richtervorbehalt bei freiheitsentziehenden Maßnahmen zu umgehen.[41] Seitdem wurde die Forderung nach einer Kompetenzstärkung an dieser Stelle immer wieder laut.[42]

Obwohl die Führungsaufsichtsstellen weit überwiegend mit Richtern besetzt sind, ist das Bedenken einer Umgehung des Richtervorbehalts nicht von der Hand zu weisen. Richter sind als Führungsaufsichtsstellenleiter nicht unabhängig, sondern als Teil der Justizverwaltung weisungsunterworfen.[43] Freiheitsentziehende Maßnahmen setzen nicht den Richter als Person, sondern das Richteramt voraus. Ob diese praktisch sicherlich wünschenswerte Kompetenzstärkung rechtlich unproblematisch ist, muss daher fraglich erscheinen.[44]

b) Obligatorische Bewährungshelferunterstellung

 Aussetzungsbedingte Führungsaufsichten unterscheiden sich in ihrer praktischen Umsetzung erheblich von vollverbüßungs- und erledigungsbedingten Führungsaufsichten. Das hängt nicht nur mit Unterschieden bei den Probanden zusammen, sondern vor allem auch mit unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben – beispielsweise der Möglichkeit des Aussetzungswiderrufs nach § 67 g Abs. 1 bis 3 StGB – und den beteiligten Betreuungs- und Behandlungsstrukturen. Gerade bei Probanden aus der Maßregel nach § 63 StGB werden Betreuung und Behandlung im Anschluss an den stationären Vollzug häufig von forensischen Ambulanzen und allgemeinpsychiatrischen Einrichtungen übernommen. Die Bewährungshilfe ist in diesem dichten Behandlungsnetzwerk ebenso wie die Führungsaufsichtsstelle marginalisiert. In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts hat sich die Große Strafrechtsreformkommission – diese Unterschiede vor Augen und teilweise antizipierend – die Frage gestellt, ob aussetzungsbedingte Führungsaufsichten einerseits und vollverbüßungs- oder erledigungsbedingte Führungsaufsichten andererseits überhaupt unter dasselbe gesetzliche Regime fallen sollten oder nicht. Die Frage hat der Gesetzgeber grundsätzlich bejaht und dem Richter ein weites Ausgestaltungsermessen eingeräumt. Dieses Ausgestaltungsermessen endet jedoch bei der Frage, welche Akteure an der Führungsaufsicht zu beteiligen sind. Anders als in § 56 d Abs. 1 und 2 StGB ist die Beteiligung der Bewährungshilfe im Recht der Führungsaufsicht obligatorisch.

Die Frage, ob die Bewährungshilfe in jedem Fall oder nicht nur bei Bedarf an der Führungsaufsicht beteiligt werden sollte, stellt sich zurecht. Zu bedenken ist freilich, dass es gerade die wenig betreuungsintensiven aussetzungsbedingten Führungsaufsichten sind, die der Bewährungshilfe mit ihrer hohen Fallbelastung Freiräume schaffen, um andere Führungsaufsichten intensiver bearbeiten zu können.[45]

c) Änderungen im Bereich der Weisungen des § 68 b StGB

Der 2007 und 2013 ergänzte § 68 b Abs. 1 und 2 StGB stellt insbesondere auch im abschließenden Katalog strafbewehrter Weisungen umfangreiche führungsaufsichtsrechtliche Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Praxis empfindet diese Möglichkeiten grundsätzlich als ausreichend.[46]

aa) Streichung des § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 9 StGB
Systematisch lassen sich Besserungs- und Sicherungsweisungen voneinander trennen. Sicherungsweisungen sollen unmittelbar vor der Verwirklichung von Kriminalitätsgefahren schützen. Besserungsweisungen sehen Betreuungs- und Behandlungsmaßnahmen vor. Da Besserungsweisungen die Mitwirkungsbereitschaft des Probanden voraussetzen, ist ihre Strafbewehrung unzulässig.[47] Ein strafbewehrter Zwang, Hilfsangebote anzunehmen, ist ungeeignet und muss daher aus verfassungsrechtlichen Gründen ausscheiden.[48] Der Gesetzgeber macht dies anhand der Unterscheidung der strafbewehrten Vorstellungsweisung (§ 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 11 StGB) von der nicht strafbewehrten Therapieweisung des § 68 b Abs. 2 S. 2 StGB exemplarisch deutlich: Die Vorstellungsweisung dient unmittelbar Sicherungszwecken, nämlich der fachkundigen Überwachung des Probanden und soll dazu dienen, krisenhafte Entwicklungen frühzeitig zu erkennen.[49] Eine Verpflichtung des Probanden, Therapieangebote tatsächlich anzunehmen, ist mit der Weisung nicht verbunden.[50] Die nicht strafbewehrte Therapieweisung schreibt hingegen die tatsächliche Durchführung therapeutischer Maßnahmen vor und dient Besserungszwecken.

Die systematische Verortung der in der Rechtspraxis häufig schematisch erteilten Weisung nach § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 9 StGB bereitet Schwierigkeiten. Die Weisung soll auf die Erwerbslosigkeit als kriminogenem Faktor reagieren. Die Weisung dient dabei nicht unmittelbar der Sicherung vor Kriminalitätsgefahren, sondern soll die Resozialisierung des Probanden durch die Aufnahme geregelter Arbeit fördern.[51] Die Weisung verpflichtet hierfür zur Inanspruchnahme eines führungsaufsichtsexternen Betreuungsangebots der Agentur für Arbeit. Sie entpuppt sich damit als strafbewehrte Besserungsweisung. In der Praxis lässt sich die Einhaltung der Weisung mangels Einbindung der Agenturen für Arbeit in die Strukturen der Führungsaufsicht kaum kontrollieren. Die Weisung muss daher als strafbewehrte Betreuungsweisung verfassungsrechtlich auf Bedenken stoßen[52] und ist wegen eines Kontrolldefizits in der Praxis ungeeignet. Ihre ersatzlose Streichung ist daher zu empfehlen – zumal Weisungen mit Bezug auf Ausbildung und Arbeit ausdrücklich in § 68 b Abs. 2 S. 1 StGB genannt sind.

bb) Regelung zur Kostentragung
Aus dem Veranlasserprinzip folgert der Gesetzgeber und die Rechtsprechung, dass grundsätzlich der Proband selbst die Kosten für die Umsetzung von Weisungen zu tragen hat.[53] Seit der Einführung der Weisungsmöglichkeiten nach § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 (Suchtmittelkontrollweisung), Nr. 11 StGB und § 68 b Abs. 2 S. 2 StGB haben kostenrechtliche Entscheidungen stark zugenommen. Streitgegenstand sind neben den Kosten für die Kontroll- und Behandlungsmaßnahmen selbst, vor allem anfallende Reisekosten des Probanden.[54] Die Praxis sieht von der Auferlegung der Kosten aufgrund der finanziellen Situation der Probanden häufig ab.[55] Begrüßenswert wäre eine gesetzliche Regelung zur Kostentragung in Anlehnung an § 179 a Abs. 2 des österreichischen Strafvollzugsgesetzes. Es läge dann in der Hand des weisungserteilenden Gerichts, über die Kostentragung im Einzelfall zu entscheiden. Maßgeblich für die Entscheidung über die Kostentragung müsste es sein, ob durch die Verpflichtung zur Zahlung der Behandlungskosten i. S. des § 179 a Abs. 2 Ö-StVollzG das „Fortkommen“ des Probanden erschwert würde oder mit anderen Worten die Kostentragung den Zwecken der Führungsaufsicht zuwiderliefe. Bei Sicherungsweisungen, die im Interesse der Allgemeinheit erteilt werden, müsste dabei – dem Veranlasserprinzip zum Trotz – aus Verhältnismäßigkeitsgründen wohl ein re-striktiverer Maßstab angelegt werden.

Auch nach geltender Rechtslage dürfen jedenfalls ungeklärte Fragen zur Kostentragung der Erteilung von Weisungen, die eine Maßregelaussetzung zur Bewährung ermöglichen würden, nicht entgegenstehen.[56]

d) Neuregelung zur Dauer der Führungsaufsicht

Probleme zeigen sich in der Praxis beim Umgang mit den gesetzlichen Regelungen zur Führungsaufsichtsdauer. Anders als bei der Bewährungsaufsicht, für die § 56 a Abs. 1 S. 1 StGB aus schuldstrafrechtlichen Gründen die Festsetzung einer bestimmten Bewährungsaufsichtsdauer verlangt, ist die Führungsaufsicht als Maßregel zunächst von unbestimmter Dauer. § 68 c Abs. 1 StGB bestimmt nur eine gesetzliche Mindest- und Höchstdauer. Die Höchstdauer gilt immer dann, wenn das Gericht diese nicht bereits von Anbeginn an oder nachträglich nach § 68 d Abs. 1 StGB verkürzt. Die vielfach in Führungsaufsichtsbeschlüssen zu lesende Formel „Die Dauer der Führungsaufsicht wird auf fünf Jahre festgesetzt“ ist contra legem und zeugt von einem bewährungsanalogen, aber gerade nicht maßregelrechtlichen Grundverständnis der Führungsaufsicht.

Führungsaufsichtsdauern von weniger als fünf Jahren sind selten.[57] Wenn eine Führungsaufsicht weniger als fünf Jahre dauert, dann vor allem, wenn die fünfjährige Höchstdauer schon im anfänglichen Führungsaufsichtsbeschluss verkürzt worden ist. Zu Nachtragsentscheidungen ringen sich Gerichte nur in Ausnahmefällen durch.[58] Wenn es zu einer Nachtragsentscheidung nach § 68 d Abs. 1 StGB kommt, besteht diese meistens in einer zeitigen Verlängerung der Führungsaufsicht.[59] Führungsaufsichten enden damit in aller Regel mit dem Ablauf der Höchstfrist. Das widerspricht der Konzeption der Führungsaufsicht durch den Gesetzgeber. Dieser ging davon aus, dass jedenfalls nach Ablauf der zweijährigen Mindestdauer die Führungsaufsichtsakteure fortlaufend prüfen, ob die Führungsaufsicht nicht aufgehoben werden kann. § 68 e Abs. 2 StGB sollte vor diesem Hintergrund der häufigste Grund sein, weshalb die Führungsaufsicht als Maßregel von unbestimmter Dauer endet. Die Gerichte scheinen mit der Vorschrift jedoch ihre Schwierigkeiten zu haben.

Das mag unter anderem damit zusammenhängen, dass man Führungsaufsichtsprobanden nicht ohne Not explizit eine positive Legalprognose stellen möchte. Eine Vermeidungsstrategie, die sich in der Praxis häufig beobachten lässt, ist es, die Führungsaufsicht zwar nicht nach § 68 e Abs. 2 StGB aufzuheben, sondern faktisch ausschleichen zu lassen und die Belastungen des Probanden durch die Führungsaufsicht zu minimieren: Weisungen werden aufgehoben oder schlicht nicht mehr umgesetzt und kontrolliert. Hin und wieder ist auch zu beobachten, dass anstelle des § 68 e Abs. 2 StGB die Höchstfrist im Rahmen einer Nachtragsentscheidung nach § 68 d Abs. 1 StGB verkürzt wird und die Führungsaufsicht dann durch den vorgezogenen Fristablauf eo ipso endet.

Mit Blick auf die Dauer der Führungsaufsicht gilt es die argumentativen Gewichte zu verschieben. Eine Dauer von fünf Jahren ohne zuverlässige Möglichkeit der vorherigen Aufhebung der Führungsaufsicht ist nicht nur aus rechtsstaatlichen Gründen bedenklich, sondern bindet auch Ressourcen. Eine Reform der teilweise unübersichtlichen Regelungen der §§ 68 c und 68 e StGB – zur Vermeidung überflüssiger Belastungen der Probanden und aus justizökonomischen Gründen – erscheint daher sinnvoll. Vorzugswürdig ist ein Modell, wonach die Führungsaufsicht grundsätzlich drei Jahre dauert. Die Rechtspraxis zeigt, dass in einem solchen Dreijahreszeitraum recht zuverlässig abgeschätzt werden kann, wie der Proband sich entwickelt. Sollte diese Entwicklung nicht hinreichend positiv sein, wäre vor Ablauf der dreijährigen Regelfrist über die Verlängerung der Führungsaufsicht zu entscheiden. Der Unterschied zur geltenden Rechtslage bestünde darin, dass das Ende der Führungsaufsicht der Regelfall wäre und die Verlängerung um weitere zwei Jahre zum begründungsbedürftigen Ausnahmefall würde. Nach Ablauf einer fünfjährigen Dauer wäre bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, wie sie heute schon in § 68 c Abs. 2 und 3 StGB geregelt sind, an eine Entfristung zu denken. Um die künftige Regelung nicht eingriffsintensiver als die bisherige zu machen, müsste gewährleistet werden, dass nach einer Mindestdauer von zwei Jahren die Aufhebung der Führungsaufsicht ausnahmsweise möglich ist. Dass ein Straftäter, der die Eingangsvoraussetzungen der Führungsaufsicht erfüllt, sich wenigstens zwei Jahre lang zurückhaltend beaufsichtigen lassen muss, ist auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gut zu rechtfertigen.

III. Ausblick

Die Führungsaufsicht ist nach der lange geplanten und ausgewogenen Reform 2007 gut aufgestellt. Verbesserungsbedarf de lege ferenda zeigt sich in Randbereichen. Eine effektive Ausgestaltung und sachgerechte Umsetzung der Führungsaufsicht lassen sich schon unter der geltenden Rechtslage gut verwirklichen. Das setzt jedoch einen politischen Gestaltungswillen der Landesjustizverwaltungen voraus, an dem es bislang leider noch in vielen Ländern mangelt.

 

[1]      Gundelach, Die Führungsaufsicht nach der Vollverbüßung einer Jugendstrafe (2015); Baur/Kinzig (Hrsg.), Die reformierte Führungsaufsicht (2015); Rohrbach, Die Entwicklung der Führungsaufsicht unter besonderer Berücksichtigung der Praxis in Mecklenburg-Vorpommern (2014); Ruderich, Die Entwicklung und Ausgestaltung des Instituts der Führungsaufsicht auch im Hinblick auf die einzelnen Bundesländer sowie die Darstellung und Bewertung der Übergangskonzepte zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern (2014)
[2]      Baur, in: Baur/Kinzig, Die reformierte Führungsaufsicht (2015), S. 642 ff.
[3]      Baur, S. 32 f. (Fn. 2).
[4]      Fuhr, Strafrechtspflege und Socialpolitik (1892), S. 234 ff.
[5]      Baur, S. 642 ff. (Fn. 2).
[6]     Kritisch Groß, in: MüKo-StGB, 2. Aufl. (2012), § 68 a Rn. 7; Ostendorf, in: NK-StGB, 4. Aufl. (2013), § 68 a Rn. 10; Fischer, StGB, 63. Aufl. (2016), § 68 a Rn. 4; empirische Daten bei Baur, S. 131 ff. (Fn. 2).
[7]      Baur, S. 126 (Fn. 2).
[8]      Krit. Groß, in: MüKo-StGB, § 68 a Rn. 5; Baur, S. 130 (Fn. 2).
[9]      Baur, S. 131 ff. (Fn. 2).
[10]    Baur, S. 126 ff. (Fn. 2).
[11]     Baur, S. 142 ff. (Fn. 2).
[12]    Baur, S. 121 ff. (Fn. 2).
[13]    Baur, S. 113 ff. (Fn. 2).
[14]    Baur, S. 492 (Fn. 2).
[15]    BT-Drs. V/4095, S. 46.
[16]   So auch die Gesetzesbegründung zum Reformvorhaben 2007, BT-Drs. 16/1993, S. 26 f.; Roggenbruck, in: LK-StGB, Bd. 5, 12. Aufl. (2009), § 145 a Rn. 32; Schild/Kretschmer, in: NK-StGB, § 145 a Rn. 8; Baur, S. 486 ff. (Fn. 2).
[17]    Baur, S. 155 ff. (Fn. 2).
[18]    Baur, S. 54 ff, insbesondere S. 56 (Fn. 2).
[19]    Vgl. dazu Ostendorf, in: NK-StGB, § 68 b Rn. 3.
[20]   Baur, S. 37 f. (Fn. 2).
[21]    Baur, S.175, S. 350 ff. (Fn. 2).
[22]    Mit einem Überblick zu den einzelnen Weisungen: Baur, S. 374 ff. (Fn. 2).
[23]    Zu den Bestimmtheitsanforderungen an die Weisung durch § 145 a StGB Ostendorf, in: NK-StGB, § 68b Rn. 5; BT-Drs. V/4095, S. 36.
[24]    Baur, S. 478 ff. (Fn. 2).
[25]    Baur, S. 361 ff. (Fn. 2).
[26]    Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. (2014), § 68 b Rn. 15; Rn. 30 f.
[27]   Groß, in: MüKo-StGB, § 68 a Rn. 9; Ostendorf, in: NK-StGB, § 68a Rn. 24; Schneider, in: LK-StGB, Bd. 3, 12. Aufl. (2008), § 68a Rn. 23.
[28]    Baur, S.189 (Fn. 2).
[29]    Baur, S. 182 f., 188 f. (Fn. 2).
[30]    Baur, S. 497 ff. (Fn. 2).
[31]    Baur, S. 220 f. (Fn. 2).
[32]    Baur, „Bessere Dich – oder ich schieße“ – Die Polizei im normativen Handlungsgefüge der Führungsaufsicht, in: Haynert/Kammeier, Wegschließen für immer? (2012), S. 181 ff.
[33]    Baur (2012), S. 181 ff. (Fn. 32).; teilweise krit. dagegen in der Literatur nur Schneider, in: LK-StGB, § 68a Rn. 9 m.w.N.
[34]    Baur, S. 244 (Fn. 2).
[35]    Baur, S. 243 (Fn. 2).
[36]    S. dazu ausf. Baur, S. 293 f. (Fn. 2).
[37]    Baur/Burkhardt/Kinzig, JZ 2011, 131 ff.; Baur (2012), S. 181 ff. (Fn. 32).
[38]    Baur, S. 342 ff. (Fn. 2).
[39]    Baur, S. 550 (Fn. 2).
[40]    Baur, S. 283 ff. (Fn. 2).
[41]    BT-Drs. 16/1993, S. 29.
[42]    Baur, S. 287 (Fn. 2).
[43]    Klarstellend u.a. OLG Zweibrücken, NStZ 2002, 279.
[44]    Nach BVerwGE 82, 243 handelt es sich bei einer Vorführung aber nicht um eine Freiheitsentziehung, die dem Richtervorbehalt unterliegt.
[45]    Baur, S. 148 (Fn. 2).
[46]    Baur, S. 449 f. (Fn. 2).
[47]    Baur, S. 331 (Fn. 2).
[48]    Baur, S. 331 (Fn. 2).
[49]   Baur, S. 310 f. (Fn. 2).; kritisch hierzu: Pollähne, KritV 2007, 386 (410).
[50]    BT-Drs. 16/1993, S. 19 f.
[51]    Stree-Kinzig, in: Schönke/Schröder, § 68 b Rn. 14.
[52]    Baur, S. 337 (Fn. 2).
[53]    BT-Drs. 16/1993, S. 19; 368 ff. m.w.N.
[54]    Vgl. u.a. OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.4.2011 – Az. 1 Ws 53/11.
[55]    Baur, S. 373 (Fn. 2).
[56]    Vgl. dazu aber OLG Dresden, Beschl. v. 2.11.2011 – Az. 2 Ws 433/11.
[57]    Baur, S. 533 (Fn. 2).
[58]    Baur , S. 534 f. (Fn. 2).
[59]    Baur, S. 534 f. (Fn. 2).

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