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Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung

 

Mit dem Referentenentwurf des BMJV zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1260 nimmt ein weiteres Reformfeld der europäischen Strafrechtspolitik konkrete Gestalt an. Die Vermögensabschöpfung – seit der großen Reform von 2017 ein zentrales Instrument der Kriminalitätsbekämpfung in Deutschland – steht dabei erneut im Fokus. Der europäische Gesetzgeber setzt zunehmend auf die finanzielle Austrocknung krimineller Strukturen, und der jetzt vorgelegte Entwurf soll sicherstellen, dass Deutschland die neuen, teils deutlich erweiterten Vorgaben fristgerecht erfüllt. Die Richtlinie ist bis zum 23. November 2026 in nationales Recht umzusetzen und erweitert den bestehenden europarechtlichen Rahmen zur Vermögensabschöpfung erheblich. Ziel der Richtlinie ist die weitere Stärkung der Vermögensabschöpfung insbesondere in grenzüberschreitenden Sachverhalten. Damit soll ein wesentlicher Beitrag zur Bekämpfung organisierter und schwerer Kriminalität geleistet werden, indem Tatwerkzeuge, Erträge und sonstige Vermögensgegenstände effektiv aufgespürt, gesichert und eingezogen werden können. Erstmals enthält der europäische Rechtsrahmen detaillierte Vorgaben zu Aufgaben und Befugnissen der Vermögensabschöpfungsstellen sowie zur Vermögensverwaltung. Insbesondere die Verpflichtung zur Errichtung spezialisierter Vermögensverwaltungsstellen markiert einen bedeutenden Ausbau der institutionellen Strukturen zur Vermögensabschöpfung in den Mitgliedstaaten. Die neuen Regelungen dienen zugleich der Verbesserung des internationalen Informationsaustauschs und der operativen Zusammenarbeit. Damit tragen sie auch zur Erfüllung der Zielvorgabe 16.4 der UN-Agenda 2030 bei, illegale Finanzströme bis 2030 deutlich zu verringern.

Der deutsche Gesetzgeber beabsichtigt, die über den bisherigen EU-Rechtsrahmen hinausgehenden Vorgaben der Richtlinie umfassend umzusetzen. Der Entwurf enthält insbesondere folgende Maßnahmen:

Stärkung und Neuordnung der nationalen Vermögensabschöpfungsstellen (Änderungen des GVG):

Die Aufgaben der justiziellen Vermögensabschöpfungsstellen werden künftig den Staatsanwaltschaften der Länder zugewiesen (§ 142c Nr. 1 GVG-E). Diese sollen insbesondere für die grenzüberschreitende vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten zuständig sein. Ferner werden Beratungs- und Netzwerkaufgaben der Vermögensverwaltungsstellen zentralisiert und ausgewählten Staatsanwaltschaften oder Generalstaatsanwaltschaften übertragen (§ 143 Abs. 4 S. 2 i.V.m. § 142c Nr. 2 GVG-E). Ziel ist eine strukturelle Bündelung der Expertise und eine effizientere Koordination zwischen den Bundesländern.

Polizeiliche Vermögensabschöpfungsstelle beim Bundeskriminalamt:

Das Bundeskriminalamt soll weiterhin als polizeiliche Vermögensabschöpfungsstelle fungieren und damit seine bestehende Rolle im nationalen und internationalen Informationsverbund beibehalten.

Bundesamt für Justiz als justizielle Kontaktstelle:

Das Bundesamt für Justiz wird künftig als zentrale Kontaktstelle im europäischen Netzwerk der Vermögensabschöpfungs- und Vermögensverwaltungsstellen tätig. Dadurch sollen Kommunikationswege vereinheitlicht und der grenzüberschreitende Informationsaustausch beschleunigt werden.

Erweiterter Informationszugang für Vermögensabschöpfungsstellen:

Zur Umsetzung der Vorgaben aus Artikel 6 der Richtlinie werden einschlägige Rechtsgrundlagen ergänzt, um Vermögensabschöpfungsstellen den notwendigen Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Dieser Informationsaustausch mit Stellen anderer EU-Mitgliedstaaten soll effektive Ermittlungen und Maßnahmen zur Sicherstellung von Vermögenswerten unterstützen.

Rechtshilferechtliche Anpassungen:

Das Gesetz führt die erforderlichen Regelungen zur internationalen Rechtshilfe ein. Dazu gehören der grenzüberschreitende Informationsaustausch, das Ergreifen vorläufiger Sicherungsmaßnahmen in transnationalen Fällen, sowie die Kommunikation zwischen Vermögensverwaltungsstellen verschiedener Mitgliedstaaten. Die Maßnahmen sollen die praktische Zusammenarbeit vereinheitlichen und bestehende Verfahrenshemmnisse abbauen.

Klarstellung zur Notveräußerung in der StPO (§ 111p StPO-E):

Es wird ausdrücklich klargestellt, dass die von einer Sicherstellung betroffene Person die Notveräußerung des betroffenen Vermögensgegenstandes beantragen kann. Damit soll Rechtssicherheit geschaffen und ein ausgewogener Interessenausgleich zwischen staatlicher Sicherungsbefugnis und Eigentümerinteressen gewährleistet werden.

Es bleibt abzuwarten, wie der Entwurf in der Praxis umgesetzt wird und welche weiteren rechtlichen und politischen Diskussionen er anstoßen wird. Klar ist jedoch, dass der Entwurf einen entscheidenden Schritt in der Weiterentwicklung der Vermögensabschöpfung darstellt und die internationale Zusammenarbeit sowie die Effizienz der nationalen Stellen erheblich verbessert werden sollen.

 
 

18. Legislaturperiode: 
 
Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017: BGBl I 2017 Nr. 22, S. 872 ff.
 

Gesetzentwürfe:

Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 418/1/16

Stellungnahme des Bundesrates: BR Drs. 418/16 (B)

Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung: BT Drs. 18/10146

Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung –Drucksachen 18/9525, 18/10146, 18/10307 Nr. 7 –: BT Drs. 18/11640

 

Die Bundesregierung hat am 21. Juli 2016 die Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung beschlossen. Zuvor hatte sie am 13. Juli 2016 den Referentenentwurf des BMJV vom 09. März 2016 als Regierungsentwurf auf den Weg gebracht. Der Gesetzentwurf ist am 08. Septeber 2016 durch die Bundesregierung in den Bundestag eingebracht worden.

Der Referentenentwurf des BMJV enthält eine vollständige Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung. Ziel ist die Bereitstellung eines gesetzlichen Instrumentariums zur effektiven rechtsstaatlichen Einziehung. Zunächst wird eine terminologische Veränderung vorgenommen und der Verfall nunmehr als „Einziehung von Taterträgen“ bezeichnet. Kernstück des Reformvorhabens ist die grundlegende Neuregelung der Opferentschädigung. Darüber hinaus werden „Abschöpfungslücken“ geschlossen und redaktionelle Änderungen und gesetzliche Klarstellungen vorgenommen. So ist im Rahmen des § 73 Abs. 3 StGB umstritten, ob sog. Verschiebungsfälle vom Wortlaut umfasst sind – von § 73b Abs. 1 Nr. 2 StGB-E sind sie ausdrücklich erfasst.

Verfassungsrechtlich bedenklich ist die Vorschrift des § 76a StGB-E, der uneingeschränkt die selbstständige Einziehung erlaubt, wenn wegen der Straftat keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann. Nach Abs. 4 – und dies dürfte unverhältnismäßig sein – bedarf es im Rahmen der Organisierten Kriminalität oder des Terrorismus noch nicht einmal mehr der Feststellung einer bestimmten Straftat, es ist ausreichend, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass das sichergestellte Gut aus Straftaten jenes Bereiches stammt. Zum Referentenentwurf gibt es bereits einige Aufsätze, s. z.B. Bittmann, NZWiSt 2016, 131 und Köllner/Cyrus/Mück, NZI 2016, 329.

Zum Regierungsentwurf: Bittmann, KriPoZ 2016, 120 ff.

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 23. September 2016 auf einen aus seiner Sicht notwendigen Änderungsbedarf hingewiesen. So möchte er u.a. prüfen lassen, ob weitere Beweiserleichterungen bei Vermögen unklarer Herkunft, insbesondere aus den Bereichen der organisierten Kriminalität und des Terrorismus, möglich sind und welche Auswirkungen das geplante Gesetz im Insolvenzrecht hat. Die Stellungnahme wird dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt. Die Bundesregierung nimmt zu den Änderungswünschen teils zustimmend, teils ablehnend Stellung. In vielen Punkten sagt sie eine Prüfung im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu.

Am 23. November 2016 fand eine öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses statt. Die dabei angehörten Sachverständigen beurteilen den Gesetzentwurf der Bundesregierung sehr unterschiedlich. Sie äußern teilweise Bedenken, die sowohl die Verfassungsmäßigkeit einzelner Normen als auch deren Praktikabilität anbelangen. Allerdings fand der Entwurf auch Zuspruch, da er unnötig komplizierte Regelungen des geltenden Rechts beseitige und das Verfahren vereinfache. Die vollständige Liste der Sachverständigen können Sie hier abrufen.

Am 23. März 2017 hat der Bundestag die geänderte Fassung des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und SPD beschlossen. Der Bundesrat äußerte in seiner Sitzung vom 31. März 2017 keine Bedenken und verzichtete auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses.

 Das Gesetz wurde am 21. April 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am 1. Juli 2017 in Kraft.

 

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