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Reform des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst – Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und internationale Datenkooperation

von Richter am BVerwG a.D. Dr. Kurt Graulich

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Abstract
Das BNDG ist im Jahr 2016 grundlegend reformiert worden. Thematische Schwerpunkte lagen auf der Normierung der sog. Ausland-Ausland-Fernmeldeüberwachung sowie der internationalen Kooperation mit dem Ziel des Informations- und Datenaustauschs. Die Arbeit des deutschen Auslandsnachrichtendienstes wird sich dadurch im Wesentlichen nicht verändern. Der Gesetzgeber ist vielmehr der Erwartung gerecht geworden, der für notwendig erachteten Tätigkeit tragfähige gesetzliche Grundlagen zu verschaffen. Damit sind Defizite ausgeräumt worden, die der deutschen Nachkriegssituation noch über die Vereinigung hinaus geschuldet waren.

Die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung wird scharf abgegrenzt von den Maßnahmen nach dem G 10. Dadurch wird die verfassungsrechtlich vorgegebene Privilegierung deutscher Rechtsträger bei Aufklärungsmaßnahmen sichtbarer. Der Gesetzgeber drückt damit seine Haltung dazu aus, was er an Eingriffen in die Telekommunikationsfreiheit für möglich hält. Nicht klären konnte er den in den letzten Jahren intensiv geführten Streit über die sog. Auslandsgeltung von Art. 10 GG. Er ist selbst an die Verfassung gebunden, und welchen Umfang diese Bindung hat, wird am Ende das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Die Regelungen über den Austausch von Informationen und Daten mit Partnerdiensten weisen nunmehr auch gesetzlich den dafür gebrauchten Rahmen aus. Nachgezeichnet wird eine bestehende Praxis transnationaler Verwaltungsabkommen. Allerdings wird auch der Boden bereitet für notwendige Kooperationen in Zeiten von globalem Terrorismus, auf den mit den nationalen Mitteln selbst eines Auslandsnachrichtendienstes nicht mehr ausreichend reagiert werden kann.

I. Verfassungspolitische Einordnung der Reformgesetze

Die Nachrichtendienste in Deutschland haben nach Personalausstattung und Sachaufwand einen geringen Anteil an der Sicherheitsarchitektur.[1] Diese Tatsache steht in einem umgekehrten Verhältnis zu ihrer öffentlichen Wahrnehmung. Das ist keine günstige Position, denn auf dem als mächtig Angesehenen werden gerne Lasten abgeladen, die von anderen zu tragen wären. So wurde jahrzehntelang der Bundesnachrichtendienst gesetzlich in signifikanter Weise schlecht ausgestattet: Einer breiten Aufgabenbeschreibung[2] standen kaum benennbare Befugnisnormen gegenüber, und die auf einer solchen Folie unternommenen Handlungen waren ständigen Legitimitätszweifeln ausgesetzt. Es bestand nicht nur ein Dienst mit geringen gesetzlichen Bindungen, sondern auch eine politische Ebene, die sich oft genug nicht in einer Verantwortungsbeziehung zu den von ihr beauftragten Behörde sah. Gesetzesbindung besteht nicht einseitig, sondern muss im gewaltengeteilten Staat als ein rechtspolitisches Geschäft auf Gegenseitigkeit praktiziert werden. Nach Jahrzenten der defizitären Normausstattung hat der Deutsche Bundestag mit der parlamentarischen Mehrheit der großen Koalition am Jahresende 2016 die gesetzliche Grundlage des Bundesnachrichtendienstes erstmals grundlegend gestaltet und die Arbeitsebene der parlamentarischen Kontrolle verbessert. Gesetzgebungstechnisch wird damit der Anschluss an die jahrzehntelange Entwicklung im Polizeirecht gefunden, hinter der das Gesetz bislang zurückgeblieben war.[3] Regelungsorte sind das Gesetz zur Ausland-Ausland-Aufklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 23.12.2016[4] und das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 30.11.2016.[5] Was in der Vergangenheit zu Legitimitätsfragen geführt hat, wird in Zukunft – wie bei jeder anderen Sicherheitsbehörde – als Legalitätsfragen zu traktieren sein, und diese werden fallweise an den Nachrichtendienst, die Aufsichtsbehörden oder den Gesetzgeber gerichtet werden.

II. Auslandsaufklärung und Grundrechtsschutz

Nachrichtendienstliche Aufklärung mit Personenbezug ist fast unvermeidlich grundrechtsintensiv. Die Neuregelung des BNDG stellt sich diesem Umstand durch die Schaffung einer Reihe von Befugnisnormen. Die Vorgaben des grundgesetzlichen Eingriffsvorbehaltes gelten zweifelsfrei für die inländische Tätigkeit des BND. Insoweit diente schon bislang die Regelung des § 1 Abs. 2 S. 2 BND[6] allein der Klarstellung.[7] Weniger klar ist die Grundrechtsgeltung für ausländische Maßnahmen des BND. Dies betriff nicht die Rechtslage nach dem einfachen Recht, sondern Unklarheiten auf der Ebene des Verfassungsrechts. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der territorialen Reichweite von Art. 10 GG befasst, aber den geheimdienstlichen Bereich außerhalb des G 10 ausdrücklich von seinem Diktum ausgespart. Ansatzpunkt für die Beantwortung der Frage nach der räumlichen Geltung von Art. 10 GG ist danach Art. 1 Abs. 3 GG, der den Geltungsumfang der Grundrechte im Allgemeinen bestimmt.[8] Es hat in der auf das Ausland gerichteten Fernmeldeaufklärung durch den BND viele Anhaltspunkte für eine Grundrechtsbindung gefunden, sich aber – in der G 10-Entscheidung aus dem Jahr 1999 – letztlich einer Bewertung enthalten. Über geheimdienstliche Tätigkeiten, die nicht dem G 10 unterlägen, sei hier ebenso wenig zu entscheiden wie über die Frage, was für ausländische Kommunikationsteilnehmer im Ausland gelte. Auf ausländische juristische Personen finde Art. 10 GG gemäß Art. 19 Abs. 3 GG ohnehin keine Anwendung.[9] Die seinerzeit offen gebliebene Frage ist vom Gesetzgeber nicht zu beantworten, da er an die Verfassung gebunden ist und sie betreffende Streitfragen nicht eigenmächtig entscheiden kann.

Die Neuregelung des BNDG folgt bei der Beachtung von Grundrechten der schon seither geübten Praxis in der Fernmeldeaufklärung, wonach maßgeblich zwischen dem umfassenden Schutz deutscher Rechtsträger (sog. „G  10-Schutz“) und dem eingeschränkten Schutz ausländischer Rechtsträger bei der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung zu unterscheiden ist.[10] Im Sinne dieser bereits in der Vergangenheit vom BND gepflegten Rechtspraxis bezieht die Neuregelung in dieser Frage in der Weise – in der Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 4 BNDG – Stellung, als dort eine Erhebung von Daten aus Telekommunikationsverkehren von deutschen Staatsangehörigen, von inländischen juristischen Personen oder von sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen für unzulässig erklärt wird. Somit wird die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung – wie schon bislang – explizit abgegrenzt vom sonst gem. Art. 10 GG zu gewährenden Schutz nach dem G 10. Daraus ist wohl im Rückschluss zu folgern, dass der Schutz des Fernmeldegeheimnisses im Fall der Ausland-Ausland-Aufklärung nicht aus Art. 10 GG kommt, sondern einfachgesetzlich durch das neugefasste BNDG gewährleistet wird. In § 6 Abs. 4 BNDG wird nämlich an der bereits bislang vom BND praktizierten Differenzierung festgehalten: „Eine Erhebung von Daten aus Telekommunikationsverkehren von deutschen Staatsangehörigen, von inländischen juristischen Personen oder von sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen ist unzulässig.“[11] Demnach wird der Schutz des Fernmeldegeheimnisses bei der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung sämtlichen deutschen Staatsangehörigen garantiert, und zwar ungeachtet ihres Aufenthaltes im In- oder Ausland; hinzu kommt der standortunabhängige Schutz von deutschen juristischen Personen. Oder umgekehrt ausgedrückt: Die Erhebung von Inhalts- und Verkehrsdaten von deutschen Staatsangehörigen, inländischen juristischen Personen oder sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen richtet sich demgegenüber nach dem G 10.[12]

Die Begründung zum Gesetzesentwurf enthält sich zwar einer ausdrücklichen Positionierung zu der Zweifelsfrage, ob überhaupt und ggfs. in welches Grundrecht der BND mit den neuen Normierungen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung eingreift.[13] Dass es sich um einen Grundrechtseingriff handelt, wird sachlogisch aber vorausgesetzt, weil es sonst keiner Befugnisnorm bedürfte.[14] Die Beantwortung der Frage ist allerdings mit den Aussagen des Entwurfs im Übrigen recht einfach: Ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 10 GG kommt nicht in Betracht, weil dieser ausschließlich dem Verfahren nach dem G 10 unterliegt. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) wird – und auch das ist unstreitig – spätestens betroffen, wenn die im Ausland erhobenen personenbezogenen Daten in Deutschland verarbeitet werden, und das wiederum ist Ziel der gesamten Aufklärungsoperation. Und für einen gerechtfertigten Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG reichen die neu geschaffenen Regelungen aus.[15] Selbst wenn man der Auffassung sein sollte, dass der Einsatz nachrichtendienstlicher Überwachung im Ausland gegenüber Ausländern an Art. 10 GG zu messen sei und daher über eine Aufgabenzuweisung (§ 1 Abs. 2 BNDG) hinaus auch eine Befugnis voraussetze, schafft der vorliegende Gesetzentwurf jedenfalls eine tragfähige Ermächtigungsgrundlage. Insoweit wird der juristische Bewertungsstreit, der maßgeblich durch sachverständige Stellungnahmen im NSA-Untersuchungsausschuss angestoßen wurde[16], elegant auf die demokratisch vorzugswürdige Weise erledigt: durch politische Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers, welche Befugnisse dem BND im Ausland zustehen sollen.[17]

III. Wesentliche Neuregelungen von Auslandsaufklärung des BND und dem Recht zur internationalen Kooperation

Die Novellierung des BNDG betrifft zwei Großbereiche, die seither ungeregelt waren oder nach allgemeinen Grundsätzen behandelt wurden. Namensgebend für den ganzen Gesetzgebungsakt ist die Ausland-Ausland-Aufklärung, deren erstmalige Normierung den neu eingefügten Abschnitt 2. (§§ 6 bis 18 BNDG) ausfüllt (1.). Der ebenfalls neu eingefügte „Abschnitt 4 Übermittlungen und gemeinsame Dateien“ (§§ 23 bis 31 BNDG) enthält Regelungen für die Einrichtung und den Betrieb gemeinsamer internationaler nachrichtendienstlicher Dateien (2.).

1. Ausland-Ausland-Fernmeldeüberwachung (§§ 6 bis 18 BNDG)

Die Regelungen über die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung in „Abschnitt 2“ des BNDG sind sehr verschiedenartig und können vorliegend nur ausgewählt angesprochen werden. Der Schwerpunkt liegt zweifellos in der umfangreichen Vorschrift des § 6 BNDG über Datenerhebung vom Inland aus (a)) sowie des § 7 BNDG über die Datenerhebung vom Ausland aus (b)).

a) Datenerhebung vom Inland aus (§ 6 BNDG)

Die Ausland-Ausland-Aufklärung gehört zum Kerngeschäft der Fernmeldeaufklärung eines Auslandsnachrichtendienstes. Eine gesetzliche Fassung dieser Aktivitäten ist einem demokratischen Rechtsstaat nicht nur angemessen, sondern macht diesen wichtigen Teil nationaler Sicherheitspolitik überhaupt erst greifbar und somit auch parlamentarisch und allgemein öffentlich behandelbar. Die Fundamentalnormen für die Ausland-Ausland-Aufklärung finden sich in den sieben Absätzen des § 6 BNDG mit seinen sehr verschiedenen Themen (aa) bis (gg)).

aa) Erhebung von Daten aus Telekommunikationsnetzen (§ 6 Abs. 1 BNDG)
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BNDG darf der Bundesnachrichtendienst zur Erfüllung seiner Aufgaben vom Inland aus mit technischen Mitteln Informationen einschließlich personenbezogener Daten aus Telekommunikationsnetzen, über die Telekommunikation von Ausländern im Ausland erfolgt (Telekommunikationsnetze), erheben und verarbeiten; dies versteht das Gesetz als Legaldefinition unter Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung. Zu unterscheiden ist die nunmehr ausdrücklich in § 6 Abs. 1 BNDG geregelte Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung, die reine Ausland-Ausland-Kontakte betrifft, von der nach § 5 Abs. 1 G 10 möglichen Überwachung internationaler Telekommunikationsbeziehungen, die nach herkömmlichen Verständnis nur solche Verbindungen erfasst, bei denen ein Endpunkt im Bundesgebiet liegt.[18]

Als Medien für die Übertragung von Signalen – auf die sich die Überwachungsmaßnahmen richten – kommen Kabel, Funk, optische und andere elektromagnetische Einrichtungen in Betracht. Schließlich zählen zu den Telekommunikationsnetzen aber auch Satellitennetze, feste und mobile terrestrische Netze sowie Netze für Hör- und Fernsehfunk, auch das Internet und Stromleitungssysteme, sofern sie zur Signalübertragung genutzt werden.[19] Andererseits grenzt § 6 Abs. 1 BNDG selbst mit der Maßgabe „über die Telekommunikation von Ausländern im Ausland erfolgt“ die Reichweite des Netz-Begriffs ein. Für die Anordnung einer Maßnahme im Rahmen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung kommen daher nur solche Telekommunikationsnetze in Betracht, die auch ausländische Telekommunikation – also Telekommunikation von Ausländern im Ausland – führen, unabhängig davon, ob sie über deutsches Territorium geleitet werden.[20]

Voraussetzungen dafür sind (Nr. 1) die Erkennung von Gefahren für die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, (Nr. 2.) die Wahrung der Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland oder (Nr. 3.) die Gewinnung sonstiger Erkenntnisse über Vorgänge von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung. Die Regelungen des G 10, die ebenfalls den BND zur strategischen Fernmeldeüberwachung ermächtigen, bleiben hierbei unberührt.[21] Im Unterschied zum G 10 ist keine Darlegung der Subsidiarität erforderlich. Dies scheint angesichts der unterschiedlichen Grundschutzintensitäten sachlich naheliegend.[22]

bb) Datenerhebung anhand von Suchbegriffen (§ 6 Abs. 2 BNDG)
Der Bundesnachrichtendienst darf nach § 6 Abs. 2 BNDG die Erhebung von Inhaltsdaten im Rahmen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nur anhand von Suchbegriffen durchführen. Die damit verbundenen Rechtseingriffe sind einerseits von Gewicht, weil es um eine flächendeckende und – bezogen auf den einzelnen Betroffenen – anlasslose Überwachung von Auslandsverbindungen innerhalb eines TK-Netzes geht. Andererseits wird die Intensität dadurch relativiert, dass sich die Eingriffe auf eine strategische Aufklärung beschränken, die sich nicht gegen Individuen richtet.[23]

cc) Aufklärungsziele in der Europäischen Union (§ 6 Abs. 3 BNDG)
In § 6 Abs. 3 BNDG wird in besonderer Weise das Verdikt der Kanzlerin positiviert – „Ausforschen unter Freunden geht gar nicht.“ –, indem Suchbegriffe, die zur gezielten Erfassung von Einrichtungen der Europäischen Union, von öffentlichen Stellen ihrer Mitgliedstaaten oder von Unionsbürgerinnen oder Unionsbürgern führen, nur unter besonders eingeschränkten Voraussetzungen verwendet werden dürfen. Damit erhält der Bundesnachrichtendienst klare – politische – und auch für ausländische öffentliche Stellen transparente Vorgaben. Dies kann sich für zukünftige europäische Kooperationen im Sinne eines Vertrauensvorschusses als förderlich erweisen.[24]

dd) Rechtsträger mit G 10-Schutz (§ 6 Abs. 4 BNDG)
Eine Erhebung von Daten aus Telekommunikationsverkehren von deutschen Staatsangehörigen, von inländischen juristischen Personen oder von sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen ist nach § 6 Abs. 4 BNDG unzulässig. Außerdem wird sowohl die interne Kontrolle – durch das Bundeskanzleramt als anordnende Stelle und die externe Kontrolle – durch das neu einzuführende Unabhängige Gremium als zusätzliche Kontrollinstanz – verstärkt.[25] Denn nach § 6 Abs. 4 BNDG ist eine Erhebung von Daten aus Telekommunikationsverkehren von deutschen Staatsangehörigen, von inländischen juristischen Personen oder von sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen unzulässig. Das Zusammenspiel von § 6 Abs. 1 und Abs. 4 BNDG führt zu einer klaren Trennung der Fernmeldeaufklärung nach dem BNDG von der Fernmeldeaufklärung nach dem G 10. Dem systematischen Zusammenspiel von BNDG und G 10 zufolge richtet sich die Erhebung von Inhalts- und Verkehrsdaten von deutschen Staatsangehörigen, inländischen juristischen Personen oder sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen stattdessen nach dem G 10.[26] Zur Trennung des entsprechenden Datenaufkommens setzt der BND ein mehrstufiges automatisiertes Filtersystem ein.[27] Die Funktionsweise dieses Filterungssystems ist im Wesentlichen öffentlich bekannt.[28]

ee) Verbot der Wirtschaftsspionage (§ 6 Abs. 5 BNDG)
Eine Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung zum Zwecke der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen (Wirtschaftsspionage) ist nach § 6 Abs. 5 BNDG unzulässig. Diese Regelung wird man als nicht besonders gelungen bezeichnen müssen. Der Begriff „Wirtschaftsspionage“ ist im Wesentlichen unklar. Es ist nicht einmal eindeutig, ob er etwa aus der Sicht eines deutschen oder eines ausländischen Gesetzes verstanden werden soll, denn die Tätigkeit des BND würde sich ja vorrangig gegen ein anderes Land richten. Die deutsche Rechtslage hilft hier nicht viel weiter. Es fehlt an einer einschlägigen Definition im BNDG, aber auch in anderen Gesetzen.[29] Mit einer einseitigen gesetzlichen Normierung nimmt man sich darüber hinaus die Möglichkeit, im Wege von bilateralen Verhandlungen mit ausländischen öffentlichen Stellen das Prinzip der Gegenseitigkeit in diesen Punkten zu vereinbaren.[30]

ff) Speicherungshöchstdauer von Verkehrsdaten (§ 6 Abs. 6 BNDG)
Nach § 6 Abs. 6 S. 1 BNDG werden Verkehrsdaten höchstens sechs Monate gespeichert. Diese Regelung hat zum Teil reflexartige Ablehnung von Kritikern der Vorratsdatenspeicherung hervorgerufen. Dies ist sachlich nicht gerechtfertigt, weil unterschiedliche Sachverhalte miteinander verglichen werden. Die Speicherung von Verkehrsdaten aus der Ausland-Ausland-Aufklärung betrifft einen wesentlich schmaleren Ansatz als die anlasslose zeitlich befristete Totalspeicherung des Verkehrsdatenaufkommens in Deutschland nach § 113b TKG. Der gesetzliche Anlass für die Speicherung in § 6 Abs. 6 BNDG findet sich nämlich in § 6 Abs. 1 S. 1 BNDG und die zugrundeliegende Datenerhebung darf nach § 6 Abs. 1 S. 2 BNDG nur aus denjenigen Telekommunikationsnetzen erfolgen, die das Bundeskanzleramt zuvor durch Anordnung bestimmt hat. Vielmehr ist umgekehrt zu fragen, warum die Speicherfrist bei Verkehrsdaten nur 6 Monate beträgt, während sie bei den eingriffsintensiveren Inhaltsdaten nach den allgemeinen Vorschriften des § 5 Abs. 1 BNDG (§ 20 Abs. 1 BNDGE) i.V.m. § 12 BVerfSchG 10 Jahre ermöglicht.[31]

gg) Formelle Genehmigungsanforderungen (§ 6 Abs. 7 BNDG)
Und schließlich legt § 6 Abs. 7 S. 1 BNDG die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung an eine verfahrenstechnische Kette. Die technische und organisatorische Umsetzung von Maßnahmen nach § 6 Abs. 1 BNDG sowie die Kontrollzuständigkeiten innerhalb des BND sind danach in einer Dienstvorschrift festzulegen, die auch das Nähere zu dem Anordnungsverfahren regelt, und diese bedarf der Zustimmung des Bundeskanzleramts (Satz 2), das wiederum das Parlamentarische Kontrollgremium davon unterrichtet (Satz 3).

b) Datenerhebung vom Ausland aus (§ 7 BNDG)

Es kann außen- oder sicherheitspolitisch notwendig sein, dass der BND als Auslandsnachrichtendienst zur Informationsbeschaffung auch im Ausland tätig wird, also etwa Telekommunikationsknoten auf fremden Territorium anzapft. Da es auch kardinal sicherheitsrelevante Informationen von strategischer Bedeutung gibt, die nicht über deutsche Telekommunikationsnetze zu erlangen sind, bleibt die Zulassung einer reinen Auslandsaufklärung – auch im Vergleich mit den Aktionsräumen ausländischer Nachrichtendienste – unverzichtbar.[32] Für die Ausland-Ausland-Fernmeldeüberwachung vom Ausland aus greift neuerdings die Regelung des § 7 BNDG. § 7 Abs. 1 BNDG erklärt insoweit die Bestimmung des § 6 BNDG im Wesentlichen für entsprechend anwendbar, überträgt also die dortigen Restriktionen auch auf Einsätze im Ausland. Zwar bezieht sich § 7 BNDG nur auf die Verarbeitung und die Nutzung der Daten, nicht explizit auf die Erhebung. Aus der Systematik ergibt sich aber – ungeachtet der undeutlichen Terminologie –, dass Nutzung die inländische Verwertung betrifft. Die Verarbeitung schließt dann – soll ein selbstständiger Anwendungsbereich verbleiben – alle vorgelagerten Vorgänge einschließlich der Erhebung implizit ein, weil eine Erhebung, die nicht zur Gewinnung von Daten führen soll, die danach wenigstens verarbeitet (ausgewertet) werden, von vornherein nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig wäre. Daher ist § 7 Abs. 1 BNDG richtigerweise so zu lesen, dass auch eine Datenerhebung im Ausland nur zulässig ist, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 bis 6 BNDG hinsichtlich der späteren Verwertung von Anfang an vorliegen.[33]

c) Zur Abgrenzung: Individuelle Fernmeldeüberwachung im Ausland

Die reine Auslandaufklärung des BND, das heißt die individuelle – gezielte – Fernmeldeüberwachung im Ausland, die auch nicht der begrenzenden Suchbegriffbindung von § 6 Abs. 2 S. 1 BNDG unterliegt, also das Tätigwerden in diesem Fall und mit diesem Mittel gegen Ausländer auf ausländischem Boden bleibt im Übrigen – was in der öffentlichen Diskussion meistens übersehen wird – weiterhin gesetzlich ungeregelt.[34] § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 G 10 kommt nicht zur Anwendung, weil sich aus § 3 Abs. 1a G 10 im Umkehrschluss ergibt, dass sich die Fernmeldeüberwachung durch den BND demnach auf inländische Maßnahmen beschränkt. Erachtet man heimliche Auslandsüberwachungen mangels grundrechtlicher Abwehrlage nicht als Eingriff in Art. 10 GG, bleibt es dabei, dass solche Maßnahmen weiterhin auf der Grundlage der Aufgabennorm des § 1 Abs. 2 BNDG zulässig bleiben.[35]

d) Kernbereichsschutz (§ 11 BNDG)

In § 11 BNDG wird für die Erhebung und Verwertung von Daten aus der Fernmeldeaufklärung nach § 6 BNDG ein Kernbereichsschutz eingeführt. Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch eine Maßnahme nach § 6 BNDG allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig. Sofern durch eine Maßnahme nach § 6 BNDG Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt wurden, dürfen diese nicht verwertet werden. Die Regelung überrascht, denn sie ist typisch für Eingriffsbefugnisse in Art. 10 Abs. 1 GG, und setzt somit eine Positionierung in der Frage von Grundrechtseingriffen bei der Auslandsaufklärung voraus, die dem Gesetz so nicht zu entnehmen ist. In der Gesetzesbegründung wird dazu ausgeführt,[36] die Vorschrift sehe ebenso wie andere Regelungen zum Kernbereichsschutz im Bereich der Telekommunikationsüberwachung[37] ein zweistufiges Schutzkonzept vor, um den Betroffenen vor Eingriffen in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung zu bewahren. Auf Ebene der Datenerhebung bestimmt § 11 S. 1 BNDG, dass eine zielgerichtete Erhebung kernbereichsrelevanter Daten zu unterbleiben hat. Kommt es dennoch zur Erhebung kernbereichsrelevanter Daten, schreibt § 11 S. 2 BNDG ein umfassendes Verwertungsverbot, ein unverzügliches Löschungsgebot sowie eine entsprechende Pflicht zur Protokollierung der Löschung vor. Man wird also davon auszugehen haben, dass der Gesetzgeber sich mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf kraft eigener Entscheidung – nach Art einer selbstgewählten Bindung – für eine bestimmte Anzahl von Fallgruppen – nämlich bei Aufklärung gegenüber Einrichtungen der Europäischen Union oder öffentlicher Stellen ihrer Mitgliedstaaten – so verhalten will, wie wenn Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG unternommen würden.[38]

e) Kooperation im Rahmen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung (§§ 13 bis 15 BNDG)

Die §§ 13 bis 15 BNDG enthalten erstmals spezialgesetzliche Regelungen für internationale nachrichtendienstliche Kooperationen, die seither von deutscher Seite auf allgemeine Grundsätze des Verwaltungsverfahrensrechts gestützt worden waren. Solche Kooperationen sind politisch sinnvoll und technisch sowie ökonomisch notwendig angesichts der geringen Größe des deutschen Auslandsnachrichtendienstes.[39]

aa) Die „Absichtserklärung“ als rechtliche Form der internationalen Fernmelde-Kooperation (§ 13 BNDG)
Bislang folgten die Kooperationen allgemeinen Regeln des öffentlichen und internationalen Vertragsrechts.[40] Beispiele dafür finden sich in MoA und MoU[41] wie sie Gegenstand öffentlicher Erörterungen im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages gewesen sind. Die fehlende Bereichsspezifik der Rechtsgrundlagen hat in der Vergangenheit weder die Praxis beim Abschluss der Vereinbarungen noch der eingegangenen Kooperationen selbst gestört, weil eine Judizierung im Falle von Auffassungsunterschieden typischerweise nicht angestrebt wurde. Es hat allerdings im parlamentarischen Raum in der Bundesrepublik eine eindringliche Auseinandersetzung über Voraussetzungen und Inhalt solcher Kooperationen gegeben. Daher dient es auf alle Fälle der rechtsstaatlichen Selbstvergewisserung, die dazu für nötig gehaltenen Regeln in eine spezielle Gesetzesform zu fassen. Die gefundenen gesetzlichen Regelungen beruhen auf der seither schon geübten Praxis der Fernmeldeaufklärung durch den BND. Sie sind ein Beitrag zur Normbindung beim Abschluss solcher Vereinbarungen.[42]

§ 13 BNDG schafft die normative Grundlage für die Kooperation im Rahmen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung. Die durch „Absichtserklärungen“ (sprich: verbindliche Verwaltungsvereinbarung) zu fixierenden Anforderungen des § 13 Abs. 3 BNDG versuchen erstmals – und insoweit auch mit rechtsvergleichender Leitbildfunktion für Reformoptionen in anderen Staaten – eine gesetzliche Konturierung dauerhafter Kooperationsbeziehungen zu erreichen.[43] In den Begründungserwägungen bekennt sich der Gesetzgeber zur internationalen nachrichtendienstlichen Kooperation: „Der BND ist zur Erfüllung seines Auftrags nach § 1 Absatz 2 S. 1 BNDG auf die Kooperation mit ausländischen Nachrichtendiensten angewiesen. Insbesondere auch infolge der deutschen Mitgliedschaft in der EU und der NATO hat die Bundesrepublik Deutschland eine Verantwortung, sicherheitspolitisch relevante Informationen insbesondere mit anderen EU-Partnern oder NATO-Mitgliedsstaaten zeitnah zu teilen. Nicht zuletzt aufgrund von beschränkten personellen und finanziellen Ressourcen ist ein Datenaustausch zur gemeinsamen Erkennung von Gefahren für die Bundesrepublik Deutschland von großer Bedeutung. Dies gilt insbesondere auch im Bereich der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung.“[44] Diese Kooperationen sind nur unter den normierten Voraussetzungen statthaft. Eine Umgehung dieser Vorschriften – sowie der entsprechenden nationalen Gesetze der Partnerdienste – durch sog. Ringtausch ist unzulässig.[45]

Die geregelte Form der Kooperation bezieht sich nach § 13 Abs. 1 BNDG nicht auf beliebige ausländische Stellen, sondern auf ausländische öffentliche Stellen, die nachrichtendienstliche Aufgaben wahrnehmen; das dem deutschen Nachrichtendienstrecht vertraute Trennungsgebot wird also internationalisiert. Dem Inhalt nach bindet § 13 Abs. 2 Nr. 1 BNDG die Kooperation an die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNDG sowie an die Subsidiaritätsklausel der andernfalls nicht möglichen Aufgabenerfüllung (Nr. 2). Die Einzelheiten der Kooperation sind vor deren Beginn nach § 13 Abs. 3 BNDG in einer Absichtserklärung niederzulegen, deren Mindestanforderungen – „insbesondere“ – in 6 Punkten aufgezählt sind; damit wird dem Bestimmtheitsgrundsatz bei Rechtseingriffen Rechnung getragen.

Der Funktion nach stellt § 13 Abs. 4 BNDG – über Abs. 2 hinaus – sieben weitere Voraussetzungen für den Abschluss einer internationalen Kooperation auf, indem dort verlangt wird, dass die Kooperationsziele und -inhalte auf die Inhalt der dort genannten Auflistung gerichtet sein müssen. Schließlich stellt § 13 Abs. 5 BNDG – in derselben Weise wie weiter unten § 26 Abs. 3 BNDG bei transnationalen Datenbanken – noch eine hohe formale Abschlusshürde auf. Die Absichtserklärung bedarf nämlich der Zustimmung des Bundeskanzleramtes, wenn die Kooperation mit ausländischen öffentlichen Stellen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraumes oder des Nordatlantikvertrages erfolgt; im Übrigen bedarf sie der Zustimmung der Chefin oder des Chefs des Bundeskanzleramtes (Satz 1). Außerdem ist das Parlamentarische Kontrollgremium über die Absichtserklärung zu unterrichten (Satz 2). Die Einschaltung des Kanzleramts (nach Partnerdienst und Verantwortlichkeit gestuft) als Abschlusshürde ist Ausdruck eines prozeduralen Schutzes[46] und die vertragsartige Absichtserklärung eine geeignete rechtliche Form, die dem Umstand Rechnung trägt, dass die Modalitäten der Zusammenarbeit flexibel gehalten, primär durch die beteiligten Dienste ausgehandelt und geheim gehalten werden müssen, sich also formal publizierte Verwaltungsabkommen zwischen Regierungen (vgl. auch Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG) hierfür nicht eignen.[47]

bb) Voraussetzungen der Datenerhebung in internationalen Fernmelde-Kooperationen (§ 14 BNDG)
Während § 13 BNDG die Voraussetzungen der Kooperationen im Rahmen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung als solche regelt, werden in § 14 BNDG die Voraussetzungen der Erhebung von Informationen im Rahmen einer Kooperation festgelegt.[48] Die Informationen sind zur Erreichung der schriftlich niedergelegten Kooperationsziele zu erheben. Weiterhin dürfen bei der Erhebung von Inhaltsdaten nur solche Suchbegriffe verwendet werden, die zur Erreichung der schriftlich niedergelegten Kooperationsziele und -inhalte geeignet sind. Zudem muss die Erhebung der jeweiligen Information in Einklang mit den außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland stehen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Geeignetheit eines Suchbegriffs im Rahmen der Kooperation auch dann gegeben sein kann, wenn nur einer der Kooperationspartner den Suchbegriff benennt.[49]

Mit der Regelung in § 14 Abs. 1 BNDG wird eine Kernfrage berührt, die im NSA-Untersuchungsausschuss bei den sog. NSA-Selektoren in der Kooperation in Bad Aibling eine Rolle spielte; dort waren aufgrund eines MoA in einer Anlage des BND zur Fernmeldeaufklärung Selektoren der NSA gesteuert worden. Eine solche Kooperation wäre auch nach § 14 Abs. 1 BNDG möglich, denn Gegenstand der Kooperation dürfen auch Suchbegriffe sein, die nur von einem der Partner benannt werden. Genauso wie in dem dort einschlägig gewesenen MoA geregelt, dürfen auch nach § 14 Abs. 1 BNDG bei der Erhebung von Inhaltsdaten in einer Kooperation nur solche Suchbegriffe verwendet werden, die zur Erreichung der schriftlich niedergelegten Kooperationsziele und -inhalte geeignet sind.[50] Dies verlangt zugleich, dass der BND auch in der Lage ist, die ihm angetragenen ausländischen Suchbegriffe jederzeit verstehen und auf Einhaltung der vertraglich vereinbarten Regeln prüfen zu können.[51] Das Gesetz normiert also auch in diesem Punkt die seither geübte nachrichtendienstliche Praxis.

§ 14 Abs. 2 BNDG verweist auf die entsprechend geltenden Vorschriften in § 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 bis 7 sowie die §§ 8 bis 12 BNDG. Die für die Kooperation zu nutzenden Telekommunikationsnetze müssen demnach durch das Bundeskanzleramt angeordnet werden. Die Vorgaben für das Anordnungsverfahren gelten entsprechend. Darüber hinaus gilt auch der besondere Schutz von Einrichtungen der Europäischen Union, öffentliche Stellen ihrer Mitgliedsstaaten und Unionsbürgerinnen und Unionsbürger. Deutsche Staatsangehörige, inländische juristische Personen oder sich im Bundesgebiet aufhaltende Personen werden umfassend geschützt. U.a. müssen technische Vorkehrungen getroffen werden, dass es bei Kooperationen zu keinen Eingriffen in Artikel 10 GG kommt. Wirtschaftsspionage ist auch im Rahmen von Kooperationen unzulässig.[52]

§ 14 Abs. 3 BNDG stellt klar, dass die Datenerfassung nur durch den BND und nicht durch den jeweiligen Kooperationspartner erfolgt. Damit wird ausgeschlossen, dass der Kooperationspartner vom deutschen Territorium aus Fernmeldeaufklärung durchführt.[53] Dem BND wird somit in Bezug auf die Suchbegriffe ausländischer Kooperationspartner – wenn nämlich i.S. von § 14 Abs. 1 BNDG die Geeignetheit eines Suchbegriffs aufgrund der Benennung von nur einem Kooperationspartner gegeben ist – ausschließlich die Rolle des Datentransporteurs zugewiesen und nicht die Verantwortlichkeit für die mit den Suchbegriffen verbundenen Inhalte; er hat lediglich die Einhaltung der in der Kooperationsvereinbarung getroffenen Grundsätze zu gewährleisten. Diese Regelung schichtet auch die rechtlichen Kontrollkompetenzen im internationalen Rechtsregime ab. Für die Steuerung der Suchbegriffe ausländischer Kooperationspartner ist der BND zwar technisch zuständig; für deren Inhalte besitzt er aber keine eigene Kompetenz. Dies folgt aus der Rechtsnatur derartiger Kooperationen: Es handelt sich nach Art eines Durchleitungsvertrages um die Differenzierung von Transportdiensten im Bereich elektronischer Kommunikationsleistungen einerseits und dem transportierten Inhalt, nämlich SIGINT-Informationen andererseits.[54]

Von dieser Unterscheidung ist auch das BVerfG in seinem Beschluss über die Ablehnung eines parlamentarischen Vorlagebegehrens von NSA-Selektoren ausgegangen. Es hat ausgeführt, im Rahmen der Abwägung der konfligierenden Interessen sei zu berücksichtigen, dass das Vorlageersuchen bezüglich der NSA-Selektorenlisten ein mehrpoliges Rechtsverhältnis betreffe. Denn das Verlangen des Untersuchungsausschusses berühre auch originäre Belange und Geheimhaltungsinteressen der Vereinigten Staaten von Amerika. Das Grundgesetz, das durch den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit[55] und internationalen Offenheit[56] geprägt sei, begnüge sich nicht damit, die innere Ordnung des deutschen Staates festzulegen, sondern bestimme auch in Grundzügen sein Verhältnis zur Staatengemeinschaft. Insofern gehe es von der Notwendigkeit einer Abgrenzung und Abstimmung mit anderen Staaten und Rechtsordnungen aus.[57] Die Beurteilungs- und Handlungsfreiheit der Bundesregierung sei angesichts der zwischenstaatlichen Beziehungen eingeschränkt; eine ausschließliche Verfügungsbefugnis über die NSA-Selektorenlisten fehle ihr aufgrund der völkerrechtlichen Vereinbarungen und Absprachen. Insoweit unterscheide sich das Handeln der auswärtigen Gewalt von rein innerstaatlichen Sachverhalten (BVerfG, Beschl. v. 13.10.2016 – 2 BvE 2/15 –, Rn. 177, juris). Die berücksichtigten „originären Belange und Geheimhaltungsinteressen der Vereinigten Staaten von Amerika“ sind Inhalt und technische Beschaffenheit der NSA-Selektoren, deren Rechtsverantwortlichkeit in keiner Richtung dem BND obliegt.

Deshalb ist auch nicht – weil zu weitgehend – dem kritischen Einwand der BfDI gegen die einschlägige Regelung im BNDG zu folgen. Die dafür gegebene Begründung, nach den Vorgaben des BVerfG sei als unabdingbare Folge des Rechtsstaats- und Verhältnismäßigkeitsprinzips im Einzelfall zu gewährleisten, dass alle vom BND verwendeten Suchbegriffe für dessen Aufgabenerfüllung nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich und angemessen seien, geht nach Inhalt und Rechtsprechungszitat am Sachverhalt vorbei.[58] Deutsches Verfassungsrecht ist nach dem voranstehend Ausgeführten nicht auf einen ausländischen Suchbegriff anzuwenden, solange der BND nur die Aufgabe der technischen Steuerung unternimmt. Die Rechtsprechung des BVerfG zum Prinzip der sog. Doppeltür – die von der BfDI hier in Anspruch genommen wird – ist am Fall der ausschließlich nationalrechtlichen Situation der Bestandsdatenauskunft entwickelt worden und daher auf die nach technischer Beförderung und inhaltlicher Rechtsverantwortlichkeit differenzierte Situation in der transnationalen Fernmeldeaufklärung nicht anwendbar. Dort gilt rechtliche Differenzierung und nicht Akkumulierung wie bei der notwendigen Öffnung von zwei Türen im Falle der Bestandsdatenauskunft.

f) Unabhängiges Gremium nach §16 BND

Nach § 16 BNDG soll ein „Unabhängiges Gremium“ aus richterlichem Personal des BGH und bundesanwaltlichem des GBA geschaffen werden. Das Unabhängige Gremium besteht nach § 16 Abs. 1 BNDG aus (Nr. 1.) einer Vorsitzenden oder einem Vorsitzenden, (Nr. 2.) zwei Beisitzerinnen oder Beisitzern sowie (Nr. 3.) drei stellvertretenden Mitgliedern. Die Mitglieder des Unabhängigen Gremiums sowie die stellvertretenden Mitglieder des Unabhängigen Gremiums sind in ihrer Amtsführung unabhängig und Weisungen nicht unterworfen. Vorsitzende oder Vorsitzender und eine Beisitzerin oder ein Beisitzer sind Richterinnen am BGH oder Richter am BGH, die weitere Beisitzerin oder der weitere Beisitzer ist eine Bundesanwältin beim BGH oder ein Bundesanwalt beim BGH. Zwei stellvertretende Mitglieder sind Richterinnen am BGH oder Richter am BGH, ein stellvertretendes Mitglied ist eine Bundesanwältin beim BGH oder ein Bundesanwalt beim BGH.

Für die Notwendigkeit eines solchen Gremiums sprechen gewichtige verfassungsrechtliche Gründe.[59] Die Einrichtung einer unabhängigen Kontrolle von wichtigen Aspekten der Ausland-Ausland-Fernmeldeüberwachung fügt sich in die jüngere Rechtsprechung des BVerfG zum Ausbau des Schutzregimes bei heimlichen Rechtseingriffen[60] ein und sollte daher ungeachtet rechtlicher Zweifel im konstruktiven Detail als interessanter Beitrag zur Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei heimlichen Dateneingriffen betrachtet werden.[61] Dem Gremium obliegende Aufgaben finden sich verstreut über das gesamte BNDG. Dazu gehören die Mitwirkung an der Anordnung von Telekommunikationsnetzen durch das Bundeskanzleramt (§ 6 Abs. 1 BNDG), die eingeschränkte Mitwirkung an der Anordnung von Suchbegriffen durch den BND-Präsidenten (§ 6 Abs. 2 BNDG), die Kontrolle der Vorgaben des § 6 Abs. 3 BNDG, die Unterrichtung über die Löschung nach § 10 Abs. 3 S. 2 BNDG sowie die Unterrichtung über automatisierte Übermittlung (§ 15 Abs. 3 S. 7 BNDG). Das Ständige Gremium ist mit bestimmten Vorbehaltsbefugnissen gegenüber der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND ausgestattet. Sie betreffen nur einen Ausschnitt der gesamten Tätigkeit des Dienstes auf diesem Feld. Insbesondere erstreckt der Vorbehalt sich nicht etwa auf die Bestimmung sämtlicher Suchbegriffe nach § 6 Abs. 2 BNDG. Feuilletonistisch ließe sich das Thema des beschränkten Mitwirkungsvorbehalts mit Bezug auf ein Diktum der Bundeskanzlerin als das „Ausforschen unter Freunden“ charakterisieren.[62]

Die Begründung des Gesetzesentwurfs äußert sich nicht ausdrücklich zu der Frage, ob es sich bei diesem Gremium um ein judikatives, exekutives oder gar parlamentarisches Organ handeln soll. Je nach dem ergeben sich verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich unterschiedliche Anschlussfragen. Es muss wohl davon ausgegangen werden, dass es sich – trotz des richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Personals – um ein administratives Organ handelt.[63] Darin gleicht sie der G 10-Kommission, die nach der Beurteilung des BVerfG – ebenfalls – im Funktionsbereich der Exekutive,[64] mithin im „operativen“ Bereich tätig wird, indem sie über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von konkreten Beschränkungsmaßnahmen entscheidet.[65] Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem Richterdienstrecht. Eine Ungereimtheit produziert die Konstruktion des Ständigen Gremiums im Richterdienstrecht. Nach § 4 Abs. 1 DRiG darf ein Richter Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt und Aufgaben der gesetzgebenden oder der vollziehenden Gewalt nicht zugleich wahrnehmen. Ausnahmen von dieser Unvereinbarkeitsregelung sind in § 4 Abs. 2 DRiG aufgeführt, unter denen sich das Unabhängige Gremium nicht befindet. Insgesamt erscheint das differenzierte und zurückhaltende, gleichwohl aber prozedurale rechtsstaatliche Sicherung gewährleistende Regelungsmodell des Unabhängigen Gremiums im Kontext der §§ 6 bis 18 BNDG sachgerecht.[66]

g) Entschädigung (§ 18 BNDG)

Zu begrüßen ist die Regelung § 18 BNDG über die Entschädigung von TK-Dienstleistern. Der BND vereinbart demzufolge mit den nach § 8 Abs. 1 S. 1 oder § 12 Abs. 2 S. 4 BNDG verpflichteten Unternehmen für die dort genannten Leistungen eine Entschädigung, deren Höhe sich an den nachgewiesenen tatsächlichen Kosten orientiert. Dabei werden die Kosten nicht pauschal erstattet, sondern die tatsächlich entstandenen Kosten müssen durch die Verpflichteten nachgewiesen werden und werden sodann ersetzt[67]. Eine vergleichbare Regelung in § 110 Abs. 1 Nr. 1 TKG geht von einer Kostentragung durch die Verpflichteten selbst aus. Diese Bestimmung ist aus verfassungsrechtlichen Gründen in der Literatur und Rechtsprechung umstritten[68]. Das BVerfG hat eine einschlägige Richtervorlage zur Überprüfung nicht angenommen[69]. Fachgerichtlich ist der Streit nicht über die Berufungsinstanz hinausgekommen[70]. Die Streitfrage muss somit in Betreff § 110 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 TKG weiterhin als unentschieden gelten[71]. Umso erfreulicher ist die sachgerechte Regelung in § 18 TKG, die das Streitpotential aus dem TKG gar nicht erst aufkommen lässt.

2. Gemeinsame Dateien mit ausländischen öffentlichen Stellen (§§ 26 bis 30 BNDG)

Der BND ist für die Erfüllung seiner Aufgaben nach § 1 Abs. 2 BNDG in besonderem Maße auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten und öffentlichen Stellen, die nachrichtendienstliche Aufgaben wahrnehmen, angewiesen.[72] Nicht nur mit Partnerdiensten in EU und NATO, sondern auch mit regional weiter entfernten Partnern besteht angesichts zunehmend überregionaler Bedrohungen und des globalen Auftrags des BND ein besonderes Bedürfnis für eine Zusammenarbeit und hieraus folgend die Notwendigkeit, Fähigkeiten zu bündeln und relevante Informationen zeitnah mit einzelnen oder einer Gruppe ausgewählter Nachrichtendienste zu teilen.[73] Zu diesem Zweck schafft das BNDG die Grundlagen für transnationale Kooperationen bei der Datenerhebung, insbesondere durch Fernmeldeaufklärung in §§ 13 bis 15 BNDG, aber auch nach den §§ 26 ff. BNDG ganz allgemein für die fallübergreifende – institutionelle – internationale Kooperation durch den BND beim Austausch von Daten und Informationen mit ausländischen Nachrichtendiensten.[74] Mit den Regelungen schließt das BNDG eine im Vergleich zum BVerfG bislang bestehende Lücke. Das Gesetz zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 26.7.2016[75] hatte nämlich mit den §§ 22b, 22c BVerfSchG eine institutionelle Kooperation mit ausländischen Nachrichtendiensten bislang allein dem BfV vorbehalten.[76]

Der BND kann gem. § 26 Abs. 1 S. 1 BNDG zum Zwecke des Austausches und der gemeinsamen Auswertung von nachrichtendienstlichen Informationen und Erkenntnissen mit ausländischen öffentlichen Stellen gemeinsame Dateien führen (§ 27 BNDG) oder sich an diesen beteiligen (§ 30 BNDG). Gemeinsame Datenhaltung umfasst zum einen die Errichtung einer gemeinsamen Datei unter Federführung des BND. Zum anderen ist aber auch eine Beteiligung des BND an gemeinsamen Dateien einer oder mehrerer ausländischer öffentlicher Stellen zulässig.[77]

a) Gemeinsame Dateien unter Federführung des BND (§§ 26, 27 BNDG)

Die gemeinsamen Dateien, die der BND federführend errichtet oder an denen er sich beteiligt, müssen sich nach § 26 Abs. 1 S. 2 BNDG auf bestimmte Gefahrenlagen (zum Beispiel Proliferationszusammenhänge, bestimmte Bedrohungslagen) oder bestimmte Personenkreise (zum Beispiel Mitglieder einzelner Terrororganisationen, terroristischer Gefährder) beziehen.[78]

Voraussetzung einer Zusammenarbeit nach § 26 Abs. 1 BNDG ist – außer dem Vorliegen erheblichem außen- und sicherheitspolitischem Interesse für die Bundesrepublik Deutschland (Nr. 1) und der Einhaltung der Gegenseitigkeit (Nr. 3) – gem. § 26 Abs. 2 Nr. 2 BNDG –  dass in den teilnehmenden Staaten die Einhaltung grundlegender rechtsstaatlicher Prinzipien gewährleistet ist. Dies deckt sich mit den vergleichbaren Anforderungen aus dem Urteil des BVerfG zu den heimlichen Überwachungsvorschriften im BKAG.[79] Denn die Übermittlung von personenbezogenen Daten an öffentliche Stellen anderer Staaten ist, wie die Übermittlung an innerstaatliche Stellen auch, eine Zweckänderung. Sie ist insoweit nach den allgemeinen Grundsätzen jeweils an den Grundrechten zu messen, in die bei der Datenerhebung eingegriffen wurde. Für die Übermittlung ins Ausland gelten aber auch mit Blick auf die Achtung fremder Rechtsordnungen und -anschauungen eigene verfassungsrechtliche Bedingungen.[80] Das Problem des territorialen Geltungsumfangs deutscher Grundrechte wird in diesem Fall abgelöst durch die Frage nach einem vergleichbaren Schutz in der jeweiligen ausländischen Rechtsordnung. Eine Übermittlung von Daten ins Ausland führt nämlich dazu, dass die Gewährleistungen des Grundgesetzes nach der Übermittlung nicht mehr als solche zur Anwendung gebracht werden können und stattdessen die im Ausland geltenden Standards Anwendung finden.[81]

Grenzen einer Übermittlung ergeben sich zum einen mit Blick auf die Wahrung datenschutzrechtlicher Garantien. Die Grenzen der inländischen Datenerhebung und -verarbeitung durch das Grundgesetz dürfen durch einen Austausch zwischen den Sicherheitsbehörden nicht in ihrer Substanz unterlaufen werden. Der Gesetzgeber hat daher dafür Sorge zu tragen, dass dieser Grundrechtsschutz durch eine Übermittlung der von deutschen Behörden erhobenen Daten ins Ausland und an internationale Organisationen ebenso wenig ausgehöhlt wird, wie durch eine Entgegennahme und Verwertung von durch ausländische Behörden menschenrechtswidrig erlangten Daten.[82] Zum anderen ergeben sich Grenzen in Blick auf die Nutzung der Daten durch den Empfängerstaat, wenn dort Menschenrechtsverletzungen zu besorgen sind.[83] Zwingend auszuschließen ist danach jedenfalls die Datenübermittlung an Staaten, wenn zu befürchten ist, dass elementare rechtsstaatliche Grundsätze verletzt werden.[84] Keinesfalls darf der Staat seine Hand zu Verletzungen der Menschenwürde[85] reichen.[86] Die somit etablierte hohe Kooperationsschwelle ist schon deshalb plausibel, weil es nicht um einen – schon bislang möglichen (§ 9 Abs. 2 BNDG i.V.m. § 19 Abs. 3 BVerfSchG)[87] – einzelfallbezogenen Austausch, sondern um eine institutionelle Kooperation geht, bei der ausländische Nachrichtendienste fließend und dauerhaft in Informationsaustausch eingebunden werden.[88]

Die Begründung der Zusammenarbeit bedarf zudem qualifizierter Zustimmungen durch das Bundeskanzleramt oder sogar dessen Chef (§ 26 Abs. 3 S. 1) sowie der Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (§ 26 Abs. 3 S. 2 BNDG). Die Ziele der Zusammenarbeit sowie die Einzelheiten der gemeinsamen Datennutzung sind vor Beginn der Zusammenarbeit zwischen dem Bundesnachrichtendienst und den teilnehmenden ausländischen öffentlichen Stellen in einer Absichtserklärung schriftlich niederzulegen (§ 26 Abs. 4 S. 1 BNDG).

b) Gemeinsame Dateien unter Beteiligung des BND (§§ 26, 30 BNDG)

In § 30 BNDG werden die Voraussetzungen für die Beteiligung des BND an gemeinsamen Dateien ausländischer öffentlicher Stellen geregelt, die mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betraut sind. Nach der Gesetzesbegründung erscheint es angemessen, die allgemeinen Voraussetzungen für die gemeinsame Datenhaltung in § 26 BNDG auch anzuwenden, wenn der BND sich im Ausland an einer gemeinsamen Datenhaltung beteiligt, selbst wenn es nicht darum geht, dass der BND anderen Stellen die Möglichkeit eines automatisierten Abrufs aus einer durch ihn geführten Datei einräumt.[89]

IV. Ausblick

Über die zukünftige Entwicklung der gesetzlichen Grundlagen des BND sei vage spekuliert. Es bleibt bei zwei bestehenden legislatorischen Abhängigkeiten des BNDG: zum einen vom G 10 und zum anderen vom BVerfSchG. Dabei ist allerdings einzuräumen, dass die Regelungen des G 10 nicht wirklich befriedigend in das BNDG zu integrieren wären, weil sie auch andere Dienste betreffen. Und die inhaltlichen Bezugnahmen des BNDG auf die Befugnisse für besondere Auskunftsverlangen,[90] weitere Auskunftsverlangen[91] sowie besondere Formen der Datenerhebung[92] im BVerfSchG indizieren auch zukünftige Parallelentwicklungen von nachrichtendienstrechtlichen Institutionen wie sie vergleichsweise auch im Polizeirecht vorhanden sind und dort typischerweise durch koordinierte Gesetzgebungsakte bewältigt werden.[93] Es wäre gesondert zu untersuchen, inwiefern Unterschiede in der Aufgabenstellung der Dienste dennoch jeweils spezielle gesetzliche Regelungen nahelegen. Der zeitliche Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens zur BNDG-Novelle vom 23.12.2016 hat verhindert, die notwendigen Konsequenzen aus dem Urteil des BVerfG zu den heimlichen Überwachungsmaßnahmen im BKAG[94] zu ziehen. Im Falle einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung werden die Regelungen in §§ 8 Abs. 2, 8a ff., 8d, 9a und 9b BVerfSchG den dort aufgestellten Anforderungen nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur eingeschränkt standhalten, und dies wird dann – vermittelt durch §§ 2a, 2b und 3 BNDG – auch die Rechtsgrundlagen des Bundesnachrichtendienstes betreffen. Damit sind wir dann aber schon in der Normalität des demokratischen Rechtsstaats angekommen.

 

[1]      Graulich, in: FG Will, 2016, S. 738 ff., 748 ff.
[2]      § 1 Abs. 2 S. 1 BNDG: „Der Bundesnachrichtendienst sammelt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus.“
[3]
     Graulich, Gutachtliche Stellungnahme zum Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BT-Drs.18/9041), Deutscher Bundestag, Innenausschuss, Ausschussdrucksache 18(4)653 B, S. 3.
[4]      BGBl. I 2016, S. 3346.
[5]      BGBl. I 2016, S. 2746.
[6]      § 1 Abs. 2 BNDG: „Der Bundesnachrichtendienst sammelt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus. Werden dafür im Geltungsbereich dieses Gesetzes Informationen einschließlich personenbezogener Daten erhoben, so richtet sich ihre Erhebung, Verarbeitung und Nutzung nach den §§ 2 bis 6 und 8 bis 11.“
[7]      Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, BNDG, § 1 Rn. 49.
[8]      Graulich, Gutachtliche Stellungnahme (a.a.O.), S. 6.
[9]      BVerfG, Urt. v. 14.7.1999 – 1 BvR 2226/94, 1 BvR 2420/95, 1 BvR 2437/95, BVerfGE 100, 313-403, Rn. 178.
[10]    Die Praxis wird beschrieben bei: Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation. Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses, BND-26, S. 40 ff.
[11]    BT-Drs. 18/9041, S. 8.
[12]    Graulich, Gutachtliche Stellungnahme (a.a.O.), S. 9
[13]    BT-Drs. 18/9041, S. 27.
[14]    Löffelmann weist daher zutreffend darauf hin, wenn man der verbreiteten These von einer allgemeinen Auslandsgeltung des durch Art. 10 GG geschützten Fernmeldegeheimnisses folge, müsse man das mit dem Gesetzentwurf verfolgte Regelungskonzept als verfassungswidrig ansehen (Löffelmann, RuP 2016, 1 [4]).
[15]    Graulich, Gutachtliche Stellungnahme (a.a.O.), S. 9 ff. m.w.N.
[16]    Bäcker, Erhebung, Bevorratung und Übermittlung von Telekommunikationsdaten durch die Nachrichtendienste des Bundes – Stellungnahme v. 16.5.2014 zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschusses, S. 22; Papier, Gutachtliche Stellungnahme v. 16.5.2014: Beweisbeschluss SV-2 des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages der 18. Wahlperiode, S. 7; ferner andeutungsweise Hoffmann-Riem, Stellungnahme v. 22.5.2014 zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschusses, S. 11 f.
[17]    Gärditz, Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 3 ff.
[18]
   Gärditz, Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 3.
[19]    Fetzer, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, § 3 Nr. 108.
[20]    Graulich, Ausschussdrucksache 18(4) 653 B, S. 11 ff.
[21]    Gärditz, Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 3.
[22]    Wolff, Ausschussdrucksache 18(4)653 F, S. 6.
[23]    Gärditz, Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 5.
[24]    Schindler, Ausschussdrucksache 18(4)653 D, S. 4.
[25]    BT-Drs. 18/9041, S. 36.
[26]    Graulich, Ausschussdrucksache 18(4)653 B, S. 12.
[27]    BT-Drs. 18/9041, S. 38.
[28]    Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation. Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses, BND-26, S. 27 ff.
[29]    Graulich, Ausschussdrucksache 18(4)653 B, S. 13.
[30]    Schindler, Ausschussdrucksache 18(4)653 D, S. 4.
[31]    Im Ergebnis ebenso weist Löffelmann darauf hin, da mit Maßnahmen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung kein Eingriff in Art. 10 GG verbunden sei, gehe die § 6 Abs. 6 BNDG zugrundeliegende Analogie zu § 113b TKG (vgl. BVerfGE 125, 260 ff.) fehl (RuP 2016, 5).
[32]    Gärditz, Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 9.
[33]    So Gärditz, Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 9. Wohl im Ergebnis ebenso Löffelmann: Die Regelung macht deutlich, dass die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung, sofern sie nicht mit auf deutschem Staatsgebiet installierter Überwachungstechnologie erfolgt, nach Auffassung der Bundesregierung keiner besonderen Ermächtigungsgrundlage bedarf, sondern nur der anschließende Umgang mit den so erhobenen Daten (RuP 2016, 4).
[34]    Darauf weist zu Recht Wolff, Ausschussdrucksache 18(4)653 F, S. 4 hin; ebenso Gärditz, Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 9.
[35]    Hierfür Gärditz, Die Verwaltung 48 (2015), 463 (472 ff., 486 ff.).
[36]    BT-Drs. 18/9041, S. 46.
[37]    Vgl. etwa § 100a Abs. 4 StPO sowie § 5a G 10.
[38]    Graulich, Ausschussdrucksache 18(4)653 B, S. 20 ff.
[39]    Zu den verschiedenen Aspekten multilateraler nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit in der Fernmeldeaufklärung vgl. Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation. Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses, BND-26, S. 200 ff.
[40]    Vgl. am Beispiel einer deutsch-amerikanischen Kooperation Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation. Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses, BND-26, S. 67 ff.
[41]    MoA ist die Abkürzung für Memorandum of Agreement und MoU diejenige für Memorandum of Understanding; die Verwendung der Bezeichnungen ist wechselnd und gleichgewichtig. In § 13 Abs. 3      S. 1 BNDG wird dafür der Begriff „Absichtserklärung“ gebraucht.
[42]    Graulich, Ausschussdrucksache 18(4)653 B, S. 14.
[43]    Gärditz, Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 15.
[44]    BT-Drs. 18/9041, S. 49.
[45]    A.a.O.
[46]    Vgl. Gärditz, Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 16 Fn. 68 unter Hinweis auf Gnüchtel, NVwZ 2016, 1113 (1114).
[47]    Gärditz, Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 16.
[48]    BT-Drs. 18/9041, S. 51.
[49]    A.a.O.
[50]    Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation. Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses, BND-26, S. 32 ff.
[51]    Diese Überprüfungsmöglichkeit bestand in der JSA-Kooperation in Bad Aibling nicht im erforderlichen Maße (vgl. Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation. Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses, BND-26, S. 206 ff.).
[52]    BT-Drs. 18/9041, S. 52.
[53]    A.a.O.
[54]    Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation. Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses, BND-26, S. 79.
[55]    BVerfGE 111, 307 (317 f.); 112, 1 (26); 123, 267 (344, 347).
[56]    BVerfGE 92, 26 (48).
[57]    BVerfGE 100, 313 (362).
[58]    BfDI, Ausschussdrucksache 18(4)660, S. 8 unter Hinweis auf die sog. Doppeltür-Theorie des BVerfG, vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.1.20121 BvR 1299/05, Rn. 123.
[59]    Graulich, Ausschussdrucksache 18(4)653 B, S. 15 und 19 ff.
[60]    BVerfG, Urt. v. 20.4.2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – zum BKAG.
[61]    Zweifel werden u.a. wegen der sich dadurch vergrößernden Zahl von Gremien mit Kontrollbefugnissen gegenüber dem BND begründet (z.B. Schindler, Ausschussdrucksache 18(4)653 D, S. 5; Gärditz, Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 19).
[62]    Graulich, Ausschussdrucksache 18(4)653 B, S. 15 ff.
[63]    Einzelheiten bei Graulich, Ausschussdrucksache 18(4)653 B,              S. 25 ff.
[64]    BVerfGE 30, 1 (28).
[65]    BVerfG, Beschl. v. 20.9.2016 – 2 BvE 5/15, juris Rn. 54 – fehlende Organstreitbefugnis der G 10-Kommission.
[66]    Gärditz, Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 21.
[67]    BT-Drs. 18/9041, S. 55.
[68]    Nachweise bei Graulich, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, § 110 Rn. 9.
[69]    BVerfG, Beschl. v. 13.5.2009 – 1 BvL 7/08 , juris.
[70]    OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 2.12.2009 – OVG 11 S 9.09 , Rn. 1, juris.
[71]    Graulich, Ausschussdrucksache 18(4)653 B, S. 36.
[72]    Zum politischen Konzept transnationaler nachrichtendienstlicher Kooperation vgl. Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation. Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses, BND-26, S. 200 ff.
[73]    BT-Drs. 18/9041, S. 57.
[74]    Gärditz, Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 14.
[75]    BGBl. I 2016, S. 1818.
[76]    Dies zu Recht kritisierend Gnüchtel, NVwZ 2016, 1113 (1114) und Gärditz, Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 16.
[77]    BT-Drs. 18/9041, S. 58.
[78]    A.a.O.
[79]    Graulich, Ausschussdrucksache 18(4)653 B, S. 37.
[80]    BVerfG, Urt. v. 20.4.2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09, Rn. 324, juris.
[81]    Graulich, Ausschussdrucksache 18(4)653 B, S. 37.
[82]    BVerfG, Urt. v. 20.4.2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09, Rn. 327, juris.
[83]    Graulich, Ausschussdrucksache 18(4)653 B, S. 38.
[84]    BVerfGE 108, 129 (136 f.).
[85]    BVerfG, Urt. v. 20.4.2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09, Rn. 328, juris.
[86]    BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 15.12.2015 – 2 BvR 2735/14, Rn. 62 m.w.N.
[87]    Gärditz (Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 15 Fn. 65) weist noch ergänzend auf die daneben bestehende truppenstatutrechtliche Ergänzungsklausel nach § 19 Abs. 2 BVerfSchG hin, die auch einen Austausch mit ausländischen Nachrichtendiensten erfasst, jedenfalls soweit diese zum Schutz stationierter Truppen eingesetzt werden (vgl. auch Wolf, JZ 2013, 1039 [1045]).
[88]    Gärditz, Ausschussdrucksache 18(4)653 A, S. 15.
[89]    BT-Drs. 18/9041, S. 63.
[90]    § 2a BNDG i.V.m. § 8a ff. BVerfSchG.
[91]    § 2b BNDG i.V.m. § 8d BVerfSchG.
[92]    § 3 BNDG i.V.m. §§ 8 Abs. 2, 9, 9a und 9b BVerfSchG.
[93]    Graulich, Gutachtliche Stellungnahme (a.a.O.), S. 3.
[94]    BVerfG, Urt. v. 20.4.2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09.

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