Abstract
Nach dem Mord an der Freiburger Medizinstudentin Maria Ende des letzten Jahres kam erneut die Forderung nach einer Ausweitung der gesetzlichen Grundlagen zur molekulargenetischen Untersuchung im Strafverfahren auf. Entsprechende Gesetzesentwürfe aus Baden-Württemberg und Bayern sehen eine Erweiterung des § 81e StPO vor. Danach sollen im Rahmen der Spurenanalyse äußere Merkmale aus der DNA bestimmt werden, um hierdurch ein genetisches Phantombild erstellen zu können. Im Folgenden werden die rechtsmedizinischen Grundlagen des Analyseverfahrens erläutert und sodann die Gesetzesinitiative einer kritischen Prüfung unterzogen.
I. Einleitung
1985 entwickelte der britische Molekulargenetiker Alec John Jeffreys das Verfahren der DNA-Analyse.[1] In der Kriminalistik wurde das Analyseverfahren 1986 zum ersten Mal in Großbritannien eingesetzt und ist heutzutage aus der Kriminaltechnik nicht mehr wegzudenken.[2] Nachdem in Deutschland als Rechtsgrundlage zunächst § 81a StPO herangezogen wurde, führte der Gesetzgeber 1997 die §§ 81e, 81f StPO in die Strafprozessordnung ein.[3] Seither sind die Vorschriften drei Mal erweitert worden, insbesondere durch die Möglichkeit der Speicherung eines DNA-Identifizierungsmusters in der DNA-Analyse-Datei beim BKA gemäß § 81g StPO[4] und den Reihengentest gemäß § 81h StPO[5].
Zwar ergibt sich aus der Natur der Sache, dass die strafprozessualen Vorschriften rechtsmedizinischer Beweise ständig an den Stand der Technik angepasst werden müssen und demnach öfter als andere Beweismittel einer Reform unterliegen. Doch – das zeigt die Historie der DNA-Analyse deutlich auf – folgt die Ausweitung der strafprozessualen Vorschriften grundsätzlich einer schweren Straftat, die in besonderem Maße das öffentliche Aufsehen erregt hat. Die Novellierung der forensischen DNA-Analyse im Jahr 2005 folgte beispielsweise auf den schnellen Ermittlungserfolg nach dem Mord an Rudolf Moshammer.[6] Die DNA-Identifizierungsmuster des Mörders des Modezaren waren in der DNA-Analyse-Datei des Bundeskriminalamts gespeichert, weshalb die Tat binnen zweier Tage aufgeklärt werden konnte. Die letzte Forderung nach einer Ausweitung der DNA-Analyse flammte 2012 auf, nachdem die „freiwillige“ Teilnahme zweier Männer an einem Reihengentest einen gemeinsamen Verwandten einer schweren Vergewaltigung überführte.[7] Der Gesetzgeber wollte daraufhin – so zumindest der Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode – die Verwertung der sogenannten „Beinahetreffer“ gesetzlich zulassen. Auch der Referentenentwurf eines Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens sieht eine entsprechende Regelung vor. Die aktuelle Diskussion reiht sich in diese Entwicklung nahtlos ein. Als Anlass für die derzeitige Debatte wird der Mord an der Freiburger Medizinstudentin Maria Ende des letzten Jahres ins Feld geführt.[8] Zwar wurde die am Tatort sichergestellte DNA tatsächlich mit den beim BKA nach § 81g StPO gespeicherten DNA-Identifizierungsmustern verglichen. Hierbei wurde allerdings kein Treffer ermittelt. Die Tat wurde vielmehr dadurch aufgeklärt, dass am Tatort ein dunkles, etwa zur Hälfte blondiertes Haar gefunden wurde.[9] Diese auffällige Färbung konnte dem Täter auf einer Videoaufzeichnung aus der Straßenbahn zugeordnet werden. Die DNA-Analyse scheint oftmals als Wundermittel verstanden zu werden, welches in jedem Fall einen Ermittlungserfolg vorweisen wird, solange am Tatort nur DNA sichergestellt wird. Anders ist wohl kaum zu erklären, warum der Freiburger Ermittlungserfolg einer DNA-Analyse und nicht der Videoaufzeichnung in der Straßenbahn zugeschrieben wurde.
Gegenstand der aktuellen Diskussion ist die Frage, ob im Rahmen einer Spurenanalyse nach § 81e II StPO äußere Merkmale – wie etwa die Haar-, Augen- oder Hautfarbe – aus der DNA rekonstruiert werden sollten, um hierdurch eine Art genetisches Phantombild zu erstellen. Dieses Analyseverfahren, auch „Forensic DNA-Phenotyping“ genannt, wird beispielsweise in den Niederlanden seit 2003 und in einzelnen Bundesstaaten der USA bereits angewandt.[10] Daher liegt die Frage nicht fern, ob auch der deutsche Gesetzgeber die Bestimmung äußerer Merkmale im Rahmen der DNA-Analyse legalisieren sollte. Im Februar hat Baden-Württemberg – gestützt auf eine Studie von Prof. Dr. Manfred Kayser, Leiter des Instituts für Forensische Molekularbiologie an der Erasmus-Universität in Rotterdam[11] – einen entsprechenden Gesetzesvorschlag, welcher von Bayern unterstützt wird, in den Bundesrat eingebracht.[12] Auf Empfehlung des Bundesrates hat die Diskussion um die Bestimmung äußerer Merkmale bei der DNA-Analyse nun auch Einzug in das StPO-Reformvorhaben zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens erhalten.[13]
Bislang dürfen molekulargenetische Untersuchungen aufgrund der engen Zweckbindungsklausel des § 81e StPO nur durchgeführt werden, soweit sie zur Feststellung der Abstammung oder der Tatsache erforderlich sind, ob aufgefundenes Spurenmaterial von dem Beschuldigten oder dem Verletzten stammt. Auch das Geschlecht der Person darf bestimmt werden. Jede andere darüber hinaus gehende Feststellung ist ausdrücklich verboten. Sollte der Gesetzgeber die Bestimmung äußerer Merkmale zulassen wollen, wäre eine Änderung dieser Zweckbindungsklausel unumgänglich, mehr noch: Rechtsprechung und Gesetzgebung müssten die noch immer anzutreffende Differenzierung zwischen codierenden und nicht-codierenden Bereichen der DNA aufgeben. Es müsste also ein Bereich der DNA analysiert werden, der häufig als absolutes Tabu angesehen und mit dem Schreckgespenst eines „gläsernen Menschen“ verbunden wird. Zur Beurteilung, ob diese Differenzierung aufgegeben werden kann, sind zunächst kurz die rechtsmedizinischen Grundlagen einer DNA-Analyse darzustellen.
II. Rechtsmedizinische Grundlagen der DNA-Analyse
Jede am Tatort gefundene Zelle eines Menschen – ganz gleich, ob es sich dabei um Blut, Speichel, Schweiß, Haare, Knochen, Hautabriebspuren oder andere Gewebeteile und Körpersekrete handelt – enthält das Erbmaterial, also die DNA eines Menschen.[14] Für eine DNA-Analyse genügt bereits eine mikroskopisch kleine Menge, da die DNA durch das sogenannte PCR-Verfahren vervielfältigt werden kann. Die Erbinformation ist in Form von 23 Chromosomenpaaren organisiert, auf welchen die DNA „aufgewickelt“ ist.[15] Auf 22 Chromosomenpaaren sind die geschlechtsunabhängigen Merkmale eines Menschen lokalisiert, wozu zwei Geschlechtschromosomen hinzukommen; bei Männern die Chromosomen XY und bei Frauen die Kombination XX.[16]
Die DNA ist dabei ein spiralförmig gewundenes Molekül, welches aus vier unterschiedlichen Basen besteht.[17] Würde man die DNA-Moleküle der 46 Chromosomen aneinanderreihen, käme man auf eine Länge von fast zwei Metern.[18] Von diesem Strang sind nur etwa zwei Zentimeter codierend. Der Großteil der DNA besteht daher aus nicht-codierenden Abschnitten. Die Erbinformation, die für die individuellen Merkmale eines Jeden verantwortlich ist – insbesondere Aussehen, Krankheitsdispositionen oder Persönlichkeitsmerkmale –, befindet sich im codierenden Bereich.[19] Die nicht-codierenden Bereiche bestehen hingegen, so wird es zumindest immer wieder angenommen, aus Füllmaterial, welchem keine bestimmte Funktion zugesprochen und das daher auch als „Junk-DNA“ bezeichnet wird.[20] Bei der forensischen DNA-Analyse wird derzeit ausschließlich die Länge bestimmter Sequenzen des nicht-codierenden Bereichs ermittelt. Je mehr dieser Merkmalssysteme analysiert werden, desto höher ist die Sicherheit einer Identifizierung.[21] Momentan werden bei einer DNA-Analyse acht dieser Merkmalssysteme analysiert. Hierdurch kann eine Tatortspur mit einer Sicherheit von 99,99 Prozent dem Spurenverursacher zugeordnet werden.[22]
Bezüglich des Beweiswertes der DNA-Analyse muss selbstverständlich beachtet werden, dass hierdurch lediglich geklärt werden kann, ob eine am Tatort sichergestellte Spur von dem Verdächtigen stammt. Es wird also allein die Übereinstimmung des DNA-Musters mit der Spur festgestellt. Dadurch wird die Frage, wie die Spur an den Tatort gekommen ist, natürlich nicht beantwortet. Ein Täter könnte beispielsweise ganz zielgerichtet selbst eine falsche Spur legen, indem er etwa am Tatort eine Zigarettenkippe einer anderen Person hinterlässt.[23] Durch Manipulationen und Zwischenträger kann es demzufolge dazu kommen, dass die DNA eines Unschuldigen am Tatort sichergestellt wird, obwohl dieser niemals dort war.
III. Meldung der Spurenkommission – Gemeinsame Kommission der rechtsmedizinischen und kriminaltechnischen Institute
Für eine Ausweitung der Vorschriften hat sich am 14.12.2016 bereits die „Spurenkommission“, zusammengesetzt aus Mitgliedern der rechtsmedizinischen und kriminaltechnischen Institute Deutschlands, in einer äußerst lesenswerten Meldung ausgesprochen.[24] Diese Meldung beschreibt insbesondere die medizinischen Möglichkeiten zur Bestimmung äußerer Merkmale aus der DNA und deren Trefferwahrscheinlichkeiten. Ausweislich dieser Meldung kann die erweiterte DNA-Analyse eine Einschätzung über das Erscheinungsbild des Täters geben. Die Spurenkommission stellt dabei klar, dass eine derartige DNA-Analyse nicht dazu geeignet ist, eine einzelne Person zu identifizieren, da die Eigenschaften nicht individualspezifisch sind und nur durch eine Wahrscheinlichkeit für ihr Vorliegen beschrieben werden können. Der Bericht macht sehr deutlich, dass der Gewinn der DNA-Analyse – wie bei einer Zeugenaussage – darin liegt, den Kreis der Tatverdächtigen einzuzirkeln.
Nach dem Bericht ist die Bestimmung der Augen- und der Haarfarbe mit hinreichender Zuverlässigkeit möglich. Ob der Täter blaue oder dunkelbraune Augen hat, könne mit 95-98% Sicherheit bestimmt werden, da die Unterscheidung der am stärksten gegensätzlichen Ausprägungen am ehesten möglich sei. Die grüne, hellbraune und graue Augenfarbe könne nicht mit hinreichender Sicherheit bestimmt werden. Die Hautfarbe könne mit einer Sicherheit von 98% für weiße, 95% für schwarze und 84% für intermediäre Hautfarben bestimmt werden. Die Vorhersage der Haarfarbe sei durchschnittlich mit 75% möglich. Die im Vergleich zur Augenfarbe herabgesetzte Sicherheit resultiere daraus, dass die Haarfarbe bei vielen Menschen im Laufe der Zeit nachdunkelt; auf der DNA aber die Haarfarbe aus der Jugendzeit gespeichert ist. Dies gelte insbesondere für blondes Haar. Die biogeographische Herkunft aus Europa, Afrika, Ostasien und Amerika könne mit 99,9% Sicherheit festgestellt werden, da bestimmte Merkmale auf der DNA durch Mutations- und Selektionseffekte auf den Kontinenten verschieden sind. Das Alter könne zwischen 20 und 60 Jahren mit einer Abweichung von 4-5 Jahren bestimmt werden. Hierbei machen sich die Wissenschaftler die Tatsache zu Nutze, dass bestimmte Gene mit dem Alter ihre Aktivität verändern. Bei jüngeren und älteren Personen sei die Vorhersage schwieriger. Weitere Forschungsansätze sind die Bestimmung der Körpergröße, der Haarstruktur und erblich bedingtem Haarausfall.
IV. Gefahren des Forensic DNA-Phenotyping
Der Gesetzentwurf ist binnen kurzer Zeit auf starke Kritik gestoßen. In dem von Justizminister Heiko Maas initiierten Fachsymposium zur DNA-Analyse in der Forensik am 21.3.2017 wurde auf zahlreiche ethische, soziale und juristische Risiken hingewiesen.[25] Bockemühl führt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen und den Datenschutz gegen die Änderung des § 81e StPO ins Feld.[26] Es sei der Verdienst des BVerfG mit dem Volkszählungsurteil gewesen, einer „unbegrenzten staatlichen Datensammelwut“ Einhalt zu gebieten. Die Strafverfolgung dürfe schließlich nicht um jeden Preis erfolgen. Die Ausweitung überschreite verfassungsrechtliche Grenzen und sei schon deshalb „absolut tabu“. Es dürfe kein umfassendes Persönlichkeitsregister mit einem „DNA-Passbild“ geben.
Mansdörfer betont, die Verlässlichkeit der neuen Methode dürfe nicht überschätzt werden.[27] Bei der Kombination von Augen- und Haarfarbe sinke die Trefferquote auf 80%. Seiner Meinung nach stellt sich im Grunde eine ganz andere Frage, nämlich, ob – ähnlich wie bei einem Foto im Reisepass – nicht von allen Personen in Deutschland ein DNA-Profil gespeichert werden sollte. Dies würde Massengentests und Rasterfahndung, die unbeteiligte Dritte betreffen, überflüssig machen. Jedenfalls bezeichnet er den aktuellen Gesetzesentwurf als „großkoalitionären Einheitsbrei“.
Der ehemalige Landtagsabgeordnete in Baden-Württemberg und frühere Datenschutzbeauftragte aus Schleswig-Holstein Thilo Weichert hält die Wahrscheinlichkeitsaussagen ebenfalls für noch zu vage.[28] Insbesondere befürchtet er, es könnten auch weitergehende Informationen – wie Charaktereigenschaften, Krankheiten oder seelische Dispositionen – aus dem DNA-Material gezogen werden.
Auch sei das Beweismittel fehleranfällig: Beispielsweise bestehe die Möglichkeit, eine Spur am Tatort zielgerichtet falsch zu legen.[29] Auch habe das „Phantom von Heilbronn“ anschaulich aufgezeigt, wie sehr eine DNA-Analyse die Ermittlungsbeamten in die Irre führen kann.[30] In diesem Fall fahndete die Polizei 2007 nach einer Frau, welche die Polizistin Michèle Kiesewetter ermordet haben sollte. Die DNA-Analyse ergab, dass diese DNA zu anderen, sowohl im In- als auch im Ausland gefundenen DNA-Tatortspuren passte. Die Ermittler dachten demnach, die Taten würden zusammenhängen und wären von der gleichen Person verübt worden. Letztlich stellte sich allerdings heraus, dass schlichtweg die bei der Entnahme der Speichelproben verwendeten Wattestäbchen mit der DNA einer beim Hersteller beschäftigten polnischen Fabrikarbeiterin verunreinigt worden waren.
Des Weiteren bestehe die Gefahr eines Generalverdachts gegen ganze Bevölkerungsschichten. So wurde darauf hingewiesen, dass Minderheiten durch die neue Fahndungsmethode überproportional oft ins Visier der Ermittlungen geraten könnten.[31] Denn die Einzirkelung des Täterkreises sei schließlich kaum möglich, wenn bei der DNA-Analyse ein europäischer Durchschnittstyp ermittelt wird. Hierfür wurde exemplarisch wiederholt dasselbe folgende Rechenbeispiel vorgestellt[32]: In einem kleinen Dorf leben 1.000 Einwohner; 980 davon sind hellhäutig und 20 dunkelhäutig. Wäre der Täter laut DNA-Analyse dunkelhäutig, wären alle 20 dunkelhäutigen Einwohner tatverdächtig. Liegt die Sicherheit der Ermittlungsmethode bei 98%, betrügen zwei Prozent Fehlerquote ebenfalls 20 Einwohner. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der dunkelhäutigen Einwohner der Täter ist, betrage dann wiederum nur 50%.
V. Gründe für den Gesetzesentwurf
Dennoch sprechen im Ergebnis die deutlich gewichtigeren Argumente für die Gesetzesänderung. Das größte Potential dürfte wohl in der Eingrenzung des Teilnehmerkreises eines Reihengentests gemäß § 81h StPO liegen. Die Entnahme der Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung darf gemäß § 81h I StPO nur bei Personen erfolgen, die bestimmte, vermutlich auf den Täter zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen. Die Strafverfolgungsbehörden haben also in einem ersten Schritt ein Raster zu erstellen, d.h. Merkmale zu benennen, welche die zu testenden Personen aufweisen müssen. Umso detaillierter ein solches Täterprofil bereits durch die vorangegangenen Ermittlungen bestimmt werden konnte, desto erfolgreicher wird der Reihengentest in der Regel sein. Dennoch wird der Reihengentest oft in Fällen einer defizitären Beweislage durchgeführt oder – so wurde es in der Literatur schon genannt – wenn die Strafverfolgungsbehörden mit ihrem Kriminalistenlatein am Ende sind.[33] Der Probandenkreis werde dann regelmäßig nur durch die drei typischen Merkmale Alter, Geschlecht und Wohnort eingegrenzt, wobei die Altersgrenze in der Regel sehr weit gezogen werde und es sich bei dem vermeintlich ortsansässigen Täter eher um ein Kriterium aus der Not heraus handele, den Teilnehmerkreis irgendwie beschränken zu müssen.[34] Wenn nun im Rahmen der DNA-Analyse gemäß § 81e StPO aus der am Tatort sichergestellten DNA äußere Merkmale bestimmt werden dürften, könnte hierdurch der Kreis der Teilnehmer, die vermutlich auf den Täter zutreffende Prüfungsmerkmale aufweisen, deutlich eingeschränkt werden. Diejenigen Teilnehmer, deren Phänotyp offensichtlich nicht zu den im Rahmen der Analyse nach § 81e II StPO bestimmten äußeren Merkmalen passt, könnten in einem ersten Schritt aus dem Teilnehmerkreis ausgeschlossen werden. Wird dann unter den Teilnehmern keine mit der Tatortspur übereinstimmende DNA ermittelt, könnte in einem zweiten Schritt der Probandenkreis immer noch ausgeweitet werden, insbesondere da die Rekonstruktion des äußeren Erscheinungsbildes nicht zu 100% möglich ist.
Einer der umfangreichsten Massengentests Deutschlands, welcher in Dresden durchgeführt wurde, umfasste einen Teilnehmerkreis von 127.751 Personen.[35] Hätten die Strafverfolgungsbehörden bei diesem Test die äußeren Merkmale und auf zehn Jahre genau das Alter des Spurenlegers gekannt, hätte der Teilnehmerkreis in jedem Fall erheblich reduziert werden können. Hierdurch würde sich die Streubreite einer solchen Maßnahme – insbesondere gegen Personen, gegen die kein Anfangsverdacht besteht – deutlich verringern, wodurch letztlich auch Ermittlungskosten eingespart werden könnten. Vor allem die Bestimmung des Alters wird für die Ermittlungsbehörden ein entscheidender Faktor sein. Betrachtet man frühere DNA-Reihenuntersuchungen, bei denen ggf. alle Männer zwischen 18 und 50 Jahren getestet wurden, dürfte offensichtlich sein, wie effektiv das Raster eingeschränkt werden könnte. Auch handelt es sich bei dem Alter um ein Merkmal, welches der Täter nicht verändern kann. Haare können gefärbt werden, die Augenfarbe kann durch farbige Kontaktlinsen verändert werden. Aber würde im Rahmen der DNA-Analyse festgestellt, der Täter sei um die 30 Jahre alt, könnte mithilfe eines Abgleichs der für den Personalausweis gespeicherten Daten der Teilnehmerkreis des Reihengentests effektiv eingeschränkt werden, indem nicht mehr alle Männer zwischen 18 und 50 Jahren, sondern zunächst zwischen 25 und 35 Jahren getestet würden.
1. Manipulation der Spur
Soweit gegen das Forensic DNA-Phenotyping vorgebracht wird, die Ermittlungsmethode sei – insbesondere da vom Täter am Tatort bewusst eine falsche Spur gelegt werden könnte – fehleranfällig, kann dem nur zugestimmt werden. Dennoch wäre die Schlussfolgerung, sich deswegen gegen die Gesetzesänderung auszusprechen, falsch. Diese Fehleranfälligkeit besteht nämlich bereits nach geltendem Recht. Denn selbst wenn man ausschließlich das DNA-Identifizierungsmuster zwecks Abgleich mit der Tatortspur bestimmt, mag die Spur vom Täter fälschlicherweise gelegt worden sein. Wie bereits dargelegt, kann die DNA-Analyse nur die Übereinstimmung zwischen Beschuldigten-DNA und Spur beweisen, nicht aber, wie die Spur an den Tatort gelangt ist. Es handelt sich dabei also keineswegs um ein spezifisches Problem des Forensic DNA-Phenotyping. Eine entsprechende falsche Spur könnte im Übrigen auch bei anderen Beweismitteln gelegt werden. Beispielsweise könnte der Täter die Tatwaffe zielgerichtet in der Wohnung eines Unschuldigen verstecken, damit die Ermittlungsbeamten die Waffe dort bei einer Durchsuchung auffinden. Paradoxerweise kommt dennoch niemand deswegen auf die Idee, den Sinn und Zweck der §§ 102 ff. StPO in Zweifel zu ziehen. Wie bei der Durchsuchung oder bei anderen Beweismitteln auch, muss der Richter den Beweiswert der DNA-Analyse richtig einordnen und zwar völlig unabhängig davon, ob die DNA-Analyse zur Identifizierung oder zur Bestimmung äußerer Merkmale des Spurenverursachers eingesetzt wird.
2. Analyse des codierenden Bereichs und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Im Volkszählungsurteil hat das BVerfG entschieden, dass der Einzelne befugt ist, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.[36] Ein Eingriff dürfe nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen.[37] Zwar wird durch eine DNA-Analyse zur Bestimmung der äußeren Merkmale in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen, doch ist dieser Eingriff gerechtfertigt.
Mit der Verfassungsmäßigkeit einer DNA-Analyse hat sich bereits im Jahre 1996 das BVerfG beschäftigt.[38] Das Gericht führte damals aus, es werde durch die DNA-Analyse nicht in den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit eingegriffen, solange ausschließlich der nicht-codierende Bereich der DNA zwecks Identifizierung analysiert werde.[39] Die Analyse sei zulässig, wenn durch sie keine Rückschlüsse auf persönlichkeitsrelevante Merkmale wie Erbanlagen, Charaktereigenschaften oder Krankheiten des Betroffenen möglich sei.[40] 1996 wurde als Rechtsgrundlage noch § 81a StPO herangezogen. Die oft anzutreffende Differenzierung zwischen codierenden und nicht-codierenden Bereichen der DNA findet ihren Ursprung daher in der Rechtsprechung und nicht beim Gesetzgeber. Der Gesetzgeber hat bis heute keine klare Differenzierung zwischen diesen Bereichen der DNA im Wortlaut des § 81e StPO verankert. Im ersten Gesetzentwurf zur Einführung des § 81e StPO führte die Bundesregierung sogar aus: „Auf eine weitere Festlegung der Untersuchung auf die Desoxyribonukleinsäure bzw. variabler, nicht-kodierender Teile hiervon wurde verzichtet, um das Spektrum molekulargenetischer Untersuchungen nicht einzuengen und der wissenschaftlichen Weiterentwicklung der Untersuchungsmethode ausreichend Rechnung zu tragen.“[41] Dennoch hat sich die Differenzierung in Rechtsprechung und Literatur eisern gehalten.
Insbesondere im Hinblick auf neuere Studien sollte hiervon künftig aber Abstand genommen werden. Denn nicht jede Analyse des nicht-codierenden Bereichs stellt einen geringen, leicht zu rechtfertigenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar und nicht jede Analyse des codierenden Bereichs dringt in den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit ein.[42]
Die Ermittlung von äußerlich erkennbaren Merkmalen, wie es der Gesetzesentwurf vorsieht, stellt einen deutlich geringeren Eingriff dar, als die Ermittlung von Merkmalen, die das äußere Erscheinungsbild nicht hergibt.[43] Wolf vergleicht die Bestimmung äußerer Merkmale mit der Verwertung einer Videoaufzeichnung, die mittlerweile eine ermittlungstaktische Selbstverständlichkeit sei.[44] Es mache keinen Unterschied, ob das äußere Erscheinungsbild des Täters den Ermittlungsbeamten durch eine Video-aufzeichnung oder erst über den „Umweg“ einer DNA-Analyse bekannt würde. Außerdem kann auch jeder Zeuge, der den Täter am Tatort gesehen hat, diese Merkmale beschreiben.[45] Niemand würde den Einwand erheben, durch diese Personenbeschreibung werde in den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit eingegriffen. Letztlich würden aber durch eine DNA-Analyse im codierenden Bereich, bei der ausschließlich äußere Merkmale bestimmt werden, keine anderen Informationen gewonnen. LKA-Chef Michelfelder bezeichnet die DNA anschaulich als „stummen Zeugen“.[46] Dies entspricht auch der Wertung, die der Gesetzgeber dem Grund nach bereits 2003 mit der Zulässigkeit der Geschlechterbestimmung im Rahmen des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften getroffen hat. In der Gesetzesbegründung heißt es: „Sinn und Zweck der Regelungen über die Beschränkung der Untersuchungsweite bei der DNA-Analyse ist es nicht, die Feststellung des auch äußerlich erkennbaren Merkmals des Geschlechts des Beschuldigten oder des Opfers durch genetische Untersuchungen zu verbieten. Ziel war es vielmehr, die Ausforschung schutzbedürftiger genetischer Anlagen des Betroffenen (…) einem ausdrücklichen Verbot zu unterstellen. (…) Die Feststellung, ob eine Körperzelle von einem Mann oder einer Frau herrührt, berührt als äußerlich erkennbares Merkmal nicht den besonders schutzbedürftigen Kern der Persönlichkeit.“[47] Die Diskussion über die Zulassung der Geschlechterbestimmung kam überhaupt erst auf, weil bei der DNA-Analyse auch Sequenzen auf den Geschlechtschromosomen bestimmt wurden und damit das Geschlecht automatisch mitbestimmt wurde. Der Gesetzgeber wollte sichergestellt wissen, dass dies in der Praxis keine Probleme verursacht. Dennoch hat der Gesetzeber damit dem Grunde nach bereits 2003 – völlig zu Recht – zwischen äußerlich erkennbaren und nicht erkennbaren Merkmalen differenziert.
Dass die gängige Differenzierung zwischen codierenden und nicht-codierenden Bereichen überholt ist, belegen zudem diverse Studien. Zumindest handelt es sich beim nicht-codierenden Bereich wohl nicht nur um inhaltsleere „Junk“-DNA, die keinerlei Relevanz für bestimmte Krankheitsbilder besitzt. Bereits 1998 wurde eine Studie veröffentlicht, welche sich mit einem bestimmten Bereich der nicht-codierenden DNA beschäftigt, die in der forensischen DNA-Analyse zur Identifizierung durch den STR-Marker TH01 analysiert wird und in einem direktem Zusammenhang mit bestimmten Krankheitsbildern steht.[48] Insbesondere ein Rückschluss auf neuropsychiatrische Erkrankungen wurde diskutiert. Nach einer weiteren Studie aus dem Jahr 2001 soll dieser Bereich der DNA beim sogenannten Gen-Silencing eine Rolle spielen.[49] Ferner wird ein Zusammenhang mit der Ausschüttung von Katecholaminen (Adrenalin und Noradrenalin) diskutiert, was eine Ursache für den plötzlichen Kindstod sowie für Herz-Kreislauf-Störungen sein kann.[50] Nur diese wenigen Beispiele dürften bereits hinlänglich aufzeigen, dass es sich bei der nicht-codierenden DNA nicht schlicht um inhaltsleere Bereiche handelt.
Zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung muss daher eine andere Grenze gezogen werden, welche sinnvollerweise allein anhand der Sensibilität der gewonnenen Informationen zu ziehen ist. Dies stellt dem Grunde nach auch keine Ausweitung der Regelungen zur DNA-Analyse dar, sondern vielmehr eine Verlagerung der Grenzlinie, welche basierend auf den besagten Forschungsergebnissen neu zu ziehen ist.
3. Zur Sicherheit der Ermittlungsmethode
Wie bereits dargelegt, kann die blaue oder dunkelbraune Augenfarbe mit einer Sicherheit von 95-98% bestimmt werden, die weiße Hautfarbe mit 98%, die dunkelhäutige mit 95% und die Haarfarbe im Durchschnitt mit 75%. Das Alter kann in der Regel mit einer Abweichung von 4-5 Jahren bestimmt werden. Es besteht also keine absolute, sondern allenfalls eine hinreichende Sicherheit. Auch wenn angenommen werden kann, dass die Forschung weitere Fortschritte erzielen wird und die Angaben ggf. schon in wenigen Jahren noch stärker präzisiert werden können, reichen die gegenwärtigen Möglichkeiten für die Zulassung des Forensic DNA-Phenotyping bereits aus.
Zum einen ist es sehr erstaunlich, warum bei der DNA-Analyse überhaupt eine hundertprozentige Sicherheit gefordert wird. Dies ergibt im Vergleich zu anderen Beweismitteln keinerlei Sinn. So dürfte der Zeugenbeweis, der klassische Beweis schlechthin, viel fehleranfälliger sein. Es besteht immer die Möglichkeit, dass ein Zeuge lügt oder sogar die Wahrheit sagen möchte, den Vorgang aber falsch wahrgenommen hat oder sich falsch erinnert. Daher dürfte es wohl eher die große Ausnahme als die Regel sein, dass ein Zeuge zu 100% das tatsächliche Geschehen wiedergibt. Dennoch ist eine Prozessführung ohne den Zeugenbeweis überhaupt nicht denkbar. Juristen werden dahin ausgebildet, zu erkennen, welcher Beweiswert einer Zeugenaussage zuzusprechen ist, wie man die Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit bestimmt und wie im Grundsätzlichen mit diesem Beweismittel umzugehen ist. Warum sollte dies bei einer DNA-Analyse nicht gleichermaßen funktionieren? Juristen und Ermittlungsbeamte könnten und sollten darauf geschult werden, dass eine DNA-Spur fälschlicherweise gelegt werden oder durch einen Zwischenträger an den Tatort gelangen kann und die Wahrscheinlichkeit, dass der Phänotyp tatsächlich dem aus der DNA rekonstruierten äußeren Erscheinungsbild entspricht, zwar hoch ist, aber keinesfalls absolute Sicherheit zu erwarten ist.
Auch das bereits vorgestellte Rechenbeispiel, wonach in einem kleinen Dorf 1.000 Einwohner leben, wovon 980 hellhäutig und 20 dunkelhäutig sind, vermag keine überzeugenden Argumente zu liefern.[51] In diesem Beispiel wurde angenommen, alle 20 dunkelhäutigen Einwohner seien tatverdächtig. Lege man eine Sicherheit von 98% zu Grunde, entspreche die Fehlerwahrscheinlichkeit von 2% weiteren 20 Einwohnern, womit die Sicherheit der Ermittlungsmethode letztlich nur 50% betrage.
Diese Rechnung dürfte in absoluten Zahlen falsch sein. Eine Fehlerquote von 2% bedeutet nicht, dass in absoluten Zahlen 20 andere Einwohner gleichermaßen in Betracht kommen. Vielmehr kann nur jeder der verbleibenden 980 Einwohner zu 2% der Täter sein. Es bleibt also dabei, dass die Erfolgsaussicht der Ermittlungsmethode bei 98% liegt und sich nicht durch dieses Rechenbeispiel auf 50% reduzieren lässt.
4. Stärkere Belastung von Minderheiten
Auch wurde vorgetragen, durch die neue Ermittlungsmethode gerieten Minderheiten überdurchschnittlich oft ins Visier der Behörden. Bei der belastenden Wirkung der Bestimmung äußerer Merkmale durch die DNA-Analyse handelt es sich aber nicht um eine Einbahnstraße. Sie kann nämlich nicht nur belastend, sondern gleichermaßen auch entlastend wirken. Dies zeigt ein Fall, der für die Zulassung des Forensic DNA-Phenotyping in den Niederlanden ausschlaggebend war. Nach der Vergewaltigung und Ermordung eines Mädchens in den Niederlanden im Jahre 1999 standen zunächst Bewohner eines in der Nähe gelegenen Asylbewohnerheims unter Verdacht, gegen die deshalb sogar Übergriffe verübt wurden.[52] Im Rahmen der Spurenanalyse wurde dann aber ermittelt, dass der Täter europäischer Herkunft sein müsste.[53] 2012 wurde schließlich ein Reihengentest durchgeführt und ein niederländischer Landwirt – der die Tat dann auch gestand – als Täter ermittelt.
Natürlich wirkt die DNA-Analyse auch belastend für die betroffene Bevölkerungsgruppe. Wird – um bei dem obigen Beispiel zu bleiben – im Rahmen der DNA-Analyse ermittelt, der Täter sei zu 98% dunkelhäutig, handelt es sich hierbei schlicht um eine Tatsache mit hinreichender Wahrscheinlichkeit. Die Gesellschaft muss damit umgehen können, dass auch ausländische Bürger – gleichermaßen wie die Deutschen! – Straftaten begehen. Es handelt sich hierbei eher um ein gesellschaftliches Problem und um die Frage, wie wir in Deutschland mit Minderheiten umgehen. Dieses Problem kann nicht durch ein forensisches Beweismittel gelöst werden. Es wäre demnach verfehlt, deshalb die Ermittlungsmethode gar nicht erst zuzulassen.
5. Schutzmaßnahmen im Gesetz
Ferner bestünde die Möglichkeit, das Forensic DNA-Phenotyping in enge gesetzliche Voraussetzungen einzubeten. Der Gesetzgeber könnte ein Beweisverwertungsverbot für jeden Fall der Zuwiderhandlung normieren, insbesondere wenn die Grenzen der zulässigen DNA-Analyse durch Sachverständige überschritten würden. Dann hinge die Verwertung nicht erst von einer unsicheren Abwägung im Einzelfall ab. Ferner dürfte hierdurch jeder Versuch, über die Ermittlung von Krankheitsbildern oder Persönlichkeitsmerkmalen weitere Ermittlungsansätze zu erhalten, unterbunden werden. Zum anderen besteht keinerlei Notwendigkeit, die gewonnenen Daten zu speichern. Der beauftragte Sachverständige könnte den Ermittlungsbeamten die äußeren Merkmale samt Wahrscheinlichkeitsangabe übermitteln und die DNA-Probe, sobald sie für das Verfahren nicht mehr benötigt wird, mit sämtlichen Aufzeichnungen vernichten. Es sei nur am Rande angemerkt, dass in 20 Jahren DNA-Analyse kein einziger Fall des Missbrauchs durch einen Sachverständigen bekannt wurde.
VI. Ergebnis
Das Forensic DNA-Phenotyping sollte nach dem niederländischen Vorbild zugelassen und die Zweckbildungsklausel des § 81e StPO entsprechend angepasst werden. Die genannten Gefahren, wie Datenschutz, Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und vermeintlich zu unsichere Ergebnisse, überzeugen im Ergebnis nicht. Seit der Einführung der DNA-Analyse wird diese Ermittlungsmethode immer wieder skeptisch betrachtet und mit der Schaffung eines gläsernen Menschen verbunden. Gefahren, wie beispielsweise eine zu große Unsicherheit der Analyseergebnisse, werden im Vergleich zu anderen Beweismitteln überdurchschnittlich häufig aufgezeigt. Dies dürfte wohl daran liegen, dass es uns schlichtweg nicht geheuer ist, wenn unsere DNA analysiert wird. Erfolgt dies aber unter strengen Voraussetzungen und auf Grundlage eines gut durchdachten Gesetzes, bietet die Zulassung des Forensic DNA-Phenotyping für die Strafverfolgung ein großes Potential, ohne Bürgerrechte über Gebühr zu beanspruchen.
[1] Jeffreys/Wilson/Thein, Nature Vol. 314, 7 March 1985, 67-73.
[2] Burr, Das DNA-Profil im Strafverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsentwicklung in den USA, 1995, S. 65.
[3] BGBl I 1997, S. 534; vgl. auch BT-Drs. 13/667.
[4] BT-Drs. 13/10791.
[5] BT-Drs. 15/5674.
[6] Schäffer, „Er hatte keine Chance“, FAZ vom 16.1.2005, online abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/mordfall-moshammer-aufgeklaert-er-hatte-keine-chance-1212276.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 (zuletzt abgerufen am 2.5.2017).
[7] BGH, Urt. v. 20.12.2012 – 3 StR 117/12, BGHSt 58, 84; vgl. hierzu Beck, Die DNA-Analyse im Strafverfahren – de lege lata et ferenda, 2015, S. 301 ff.
[8] Z.B. Wolf, NJW-aktuell 3/2017, 16; Lossau, Was Kommissare über Täter wissen könnten – aber nicht dürfen, N24 vom 31.3.2017, online abrufbar unter: https://www.welt.de/wissenschaft/article163306033/Was-Kommissare-ueber-Taeter-wissen-koennten-aber-nicht-duerfen.html (zuletzt abgerufen am 2.5.2017).
[9] Berndt, Die trügerische Sicherheit von DNA-Spuren, Süddeutsche Zeitung vom 23.3.2017, online abrufbar unter: http://www.sueddeutsche.de/wissen/forensik-die-truegerische-sicherheit-von-dna-spuren-1.3431049 (zuletzt abgerufen am 2.5.2017); Kelnberger, Der Fall Maria, Süddeutsche Zeitung vom 22.3.2017, online abrufbar unter: http://www.sueddeutsche.de/wissen/kriminalistik-der-fall-maria-1.3431053 (zuletzt abgerufen am 2.5.2017).
[10] Weihmann/Schuch, Kriminalistik. Für Studium, Praxis, Führung, 12. Aufl. (2011), S. 283; Lütkes/Bäumler, ZRP 2004, 87 (89).
[11] Kayser, Forensic Science International, Genetics 18, 2015, 33-48.
[12] BR-Drs. 117/17, S. 1-4; BR-Drs. 117/1/17, S. 1-6.
[13] BT-Drs 18/11277, S. 44.
[14] Keil, Basics Rechtsmedizin, 2. Aufl. (2014), S. 72; Penning, Rechtsmedizin, systematisch, 2. Aufl. (2006), S. 167; Teufel, Basics Humangenetik, 2. Aufl. (2014), S. 2.
[15] Müller-Esterl, Biochemie, Eine Einführung für Mediziner und Naturwissenschaftler, 2. Aufl. (2011), S. 193, 197; Butler, Forensic DNA Typing, Biology, Technology, and Genetics of STR Markers, 2. Aufl. (2005), S. 20; Madea, Praxis Rechtsmedizin, Befunderhebung, Rekonstruktion, Begutachtung, 2. Aufl. (2007), S. 521.
[16] Butler (Fn. 14), S. 20-21; Madea (Fn. 14), S. 521; Teufel (Fn. 13), S. 2.
[17] Müller-Esterl (Fn. 14), S. 194.
[18] Buselmaier/Tariverdian, Humangenetik, 4. Aufl. (2007), S. 11; Müller-Esterl (Fn. 14), S. 197; Penning (Fn. 13), S. 167.
[19] Madea (Fn. 14), S. 522; Platt, Gerichtsmedizin. Auf den Spuren des Verbrechens, 2006, S. 60.
[20] Penning (Fn. 13), S. 167; Satzger vergleicht den nicht-codierenden Bereich der DNA mit der unbeschriebenen Fläche einer Zeitung, vgl. Satzger, JZ 2001, 639 (641); Schneider, DuD 1998, 330 (330) spricht von evolutionärem Ballast.
[21] Dettmeyer/Schütz/Verhoff, Rechtsmedizin, 2. Aufl. (2014), S. 220.
[22] A.a.O., S. 220.
[23] A.a.O., S. 221-222.
[24] Stellungnahme der Spurenkommission zu den Möglichkeiten und Grenzen der DNA-gestützten Vorhersage äußerer Körpermerkmale, der biogeographischen Herkunft und des Alters unbekannter Personen anhand von Tatortspuren im Rahmen polizeilicher Ermittlungen, Köln, 14.12.2016, online abrufbar unter: http://www.gednap.org/de/spurenkommission/ (zuletzt abgerufen am 2.5.2017).
[25] Abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/2017/03212017_Symposium_DNA_Analyse.html (zuletzt abgerufen am 2.5.2017).
[26] Bockemühl, NJW-aktuell 3/2017, 16.
[27] Mansdörfer, Erweiterung der DNA-Analyse bei Straftaten. Großkoalitionärer Einheitsbrei, LTO, 3.3.2017.
[28] Zitiert nach Röderer, Nach den Sexualmorden – was eine DNA-Analyse kann und was sie darf, Badische Zeitung vom 17.11.2016, online abrufbar unter: http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/nach-den-sexualmorden-was-eine-dna-analyse-kann-und-was-sie-darf–129935568.html (zuletzt abgerufen am 2.5.2017).
[29] Röderer (Fn. 27).
[30] Berndt (Fn. 9); Röderer (Fn. 27).
[31] Lipphardt, Offener Brief zu DNA-Analysen in der Forensik, 8.12.2016, online abrufbar unter: https://stsfreiburg.wordpress.com/2016/12/08/offener-brief-zu-dna-analysen-in-der-forensik/(zuletzt abgerufen am 2.5.2017).
[32] Berndt (Fn. 9); Lossau (Fn. 8). Lossau behauptet, man hätte durch das Ergebnis der Analyse von 50% am Ende nichts gewonnen und lediglich einen Teil der Bevölkerung diskriminiert.
[33] Heitborn/Steinbild, Kriminalistik 1990, 185 (187).
[34] Sauter, DNA-Massentests im Strafverfahren. Rechtliche und rechtstatsächliche Aspekte genetischer Reihenuntersuchungen zur Aufklärung von Straftaten, in: Bäuerle/Jäger/Paul/Schneider (Hrsg.), Polizeiwissenschaftliche Analysen. Schriftenreihe der Verwaltungsfachhochschule in Wiesbaden, Bd. III, 2004, S. 134-139.
[35] Ademi: Der Massengentest und § 81h StPO, 2011, S. 20-23.
[36] BVerfGE 65, 1 (41).
[37] BVerfGE 65, 1 (41).
[38] BVerfG, Beschl. v. 18.9.1995 – 2 BvR 103/92, NStZ 1996, 45; BVerfG, Beschl. v. 2.8.1996 – 2 BvR 1511/96, Rn. 12, NStZ 1996, 606.
[39] BVerfGE 103, 21, Rn. 48.
[40] A.a.O.
[41] BT-Drs. 13/667.
[42] Ausführlich Beck (Fn. 7), S. 105 ff.
[43] So auch Altendorfer, Rechtsprobleme der DNA-Analyse im Strafverfahren, 2001, S. 163; Burr (Fn. 2), S. 111; Foldenauer, Genanalyse im Strafverfahren, 1995, S. 92-93; West, Der genetische Fingerabdruck als erkennungsdienstliche Standardmaßnahme der Strafverfahrensvorsorge und die Verwendung des genetischen Phantombildes im Strafverfahren. Eine verfassungsrechtliche Analyse der Möglichkeiten und Grenzen von molekulargenetischen Untersuchungen, 2007, S. 281-285; dies diskutierte auf theoretischer Ebene – die technischen Möglichkeiten ließen die Bestimmung äußerer Merkmale damals noch nicht zu – Klumpe bereits im Jahre 1993. Vgl. Klumpe, Der genetische Fingerabdruck im Strafverfahren. Rechtsprobleme bei der Anwendung genetischer Analysen in Großbritannien und Deutschland, 1993, S. 135.
[44] Wolf, NJW-aktuell 3/2017, 16.
[45] So auch Hasselbach, Die Novellierung der forensischen DNA-Analyse, 2008, S. 176. Hasselbach bezeichnet die Bestimmung äußerer Merkmale durch die DNA-Analyse als eine „Fortentwicklung des Zeugenbeweises“; nach West (Fn. 42), S. 283 kann man nur durch eine Veränderung des Mediums nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung gelangen; Müller, Eine einzige Analyse sagt nicht alles, Ärzte Zeitung vom 23.11.2004; Siegmund-Schultze, Ein Phantombild aufgrund von DNA-Spuren am Tatort – das ist wohl schon in wenigen Jahren möglich, Ärzte Zeitung vom 23.11.2004; ablehnend: Graalmann-Scheerer, ZRP 2002, 72 (74). Nach Graalmann-Scheerer hätte dies ohnehin keinen großen Nutzen, weil äußere Merkmale durch eine Perücke, Haarfärbungen oder farbige Kontaktlinsen verändert werden können; nach Karioth, Polizei 1997, 195 (198) soll der intimste Bereich der menschlichen Persönlichkeit betroffen sein.
[46] Vgl. LKA für erweiterte DNA-Analyse, Augsburger Allgemeine vom 9.12.2016, online abrufbar unter: http://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/LKA-fuer-erweiterte-DNA-Analysen-id39942207.html (zuletzt abgerufen am 2.5.2017).
[47] BT-Drs. 15/350, S. 12.
[48] Meloni, Human Molecular Genetics 1998, 423 ff.
[49] Albanèse, Human Molecular Genetics 2001, 1785. Gen-Silencing ist ein zellulärer Prozess, welcher der Regulierung der Aktivität der Gene dient. Hierbei wird die Übertragung der Information von der DNA in RNA oder der RNA in das Protein gehemmt, wodurch das Gen deaktiviert wird.
[50] Courts/Madea, Journal of Forensic Sciences 2011, 415-417; Klintschar, The Journal of Pediatrics 2008, 190-193; Albanèse (Fn. 48), S. 1785.
[51] Vgl. oben unter IV.
[52] Röderer (Fn. 27); Heinemann, Polizisten fordern neue Technik zur DNA-Analyse, Hamburger Abendblatt vom 8.1.2017, online abrufbar unter: http://www.abendblatt.de/hamburg/polizeimeldungen/article209212513/Polizisten-fordern-neue-Technik-zur-DNA-Analyse.html (zuletzt abgerufen am 2.5.2017); Truscheit, Hat der Täter blaue oder braune Augen? Frankfurter Allgemeine vom 7.12.2016, online abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/dna-analyse-kann-auch-aeussere-merkmale-bestimmen-14562017.html (zuletzt abgerufen am 2.5.2017).
[53] Röderer (Fn. 27).