2016, Verlag Dr. Kovač, Hamburg, ISBN: 978-3-8300-9014-4, S. 341, Euro 129,80.
§ 81a StPO ist aktuell wieder im Gespräch, sieht doch der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes und der Strafprozessordnung eine Modifizierung des Richtervorbehalts und damit eine „praxistauglichere“ Regelung der Blutprobenanordnung bei Gefahr im Verzug in Zusammenhang mit Straßenverkehrsdelikten vor. Die Anordnungskompetenz nach Abs. 2 ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Dissertation. Vielmehr wird sich umfangreich mit Abs. 1 auseinandergesetzt, ein Rechtsvergleich mit Österreich und der Schweiz vorgenommen und kriminalpolitische Änderungsvorschläge getroffen, die in einem konkreten Formulierungsvorschlag für Ergänzungen des bestehenden Gesetzestextes münden.Ein Blick auf die historische Entwicklung des § 81a StPO macht deutlich, dass es sich bei der körperlichen Untersuchung um ein verhältnismäßig junges Beweismittel handelt. Kreuz hebt die enorme Bedeutung der Vorschrift hervor, da diese in erheblichem Widerstreit zur Selbstbelastungsfreiheit des Beschuldigten stehe. Allerdings wird anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes herausgearbeitet, dass in einer Zusammenschau von körperlichem Eingriff, Verdachtsgrad und konkretem Tatvorwurf eine verfassungskonforme Auslegung möglich sei. Gegen die Selbstbelastungsfreiheit werde letztlich nicht verstoßen, da Beschuldigte nicht verpflichtet seien, aktiv an ihrer Überführung mitzuwirken, sondern lediglich passiv die Beweiserhebung zu dulden hätten. Soweit entsprechen die Ausführungen der herrschenden Meinung.
Im Anschluss geht Kreuz den allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen des § 81a StPO nach (S. 23 ff.). Die Beschuldigtenstellung sei primäres und allumfassendes Tatbestandsmerkmal, allerdings reiche ein bloßer Anfangsverdacht aus, der diese Beschuldigtenstellung begründe. Verdachtsunabhängige Massentexts würden durch § 81a StPO zwar nicht legitimiert, wohl aber eine Anordnung von Massentests, die wegen der Schwere der vorgeworfenen Tat unter Berücksichtigung des geringfügigen körperlichen Eingriffs auch bei sehr geringem Tatverdacht vorgenommen werden. Ausführlich widmet sich Kreuz der Definition der einfachen körperlichen Untersuchung, den konkreten Untersuchungsmethoden, unzulässigen Maßnahmen und der Durchführungszuständigkeit. Danach legt er dezidiert dar, unter welchen Voraussetzungen über die Möglichkeit einer einfachen Untersuchung hinaus gem. § 81a Abs. 1 S. 2 StPO auch weitergehende Erforschungsmaßnahmen gestattet sind. Hier findet man, wie auch in dem Kapitel zuvor ein Kompendium zu Voraussetzungen und Anwendungsbereich unter umfassender Wiedergabe von Literatur und Rechtsprechung.
Obwohl körperliche Eingriffe auch ohne Einwilligung des Beschuldigten möglich sind, wirkt sich eine fehlende Einwilligung unter Umständen auf die rechtlichen Möglichkeiten und den Vollzug der Anordnung aus, so dass die Einwilligung von Kreuz in einem eigenständigen Kapitel behandelt wird (S. 209 ff.). Durch das Abstecken rechtlicher Möglichkeiten und Schranken werden die rechtlichen Konsequenzen aufgezeigt. Zwar führe nach Auffassung des Verfassers das Vorliegen einer wirksamen Einwilligung insgesamt zur Entbehrlichkeit der richterlichen Anordnung im engeren Sinne. Jedoch werde bei Zweifeln über die Zulässigkeit der Maßnahme eine richterliche Entscheidung einzuholen sein, ob die Maßnahme unter Berücksichtigung der Einwilligung des Beschuldigten zulässig ist oder die Einwilligung den körperlichen Eingriff nicht zu rechtfertigen vermag. Die in praktischer Hinsicht wichtigste Rechtswirkung der Einwilligung sei die Möglichkeit der Durchführung von Maßnahmen, die im konkreten Fall oder generell nicht von § 81a Abs. 1 StPO gedeckt wären. Grenze sei aber natürlich ein Verstoß gegen die guten Sitten, die grundsätzliche Ungeeignetheit des Beweismittels oder absolute Unverhältnismäßigkeit.
Im nächsten Kapitel beschäftigt sich Kreuz mit dem Vollzug der Anordnung, auch hier zeigt er Zuständigkeiten und den Ablauf des Vollzugs auf, wobei er auch die unterschiedlichen Rechtspositionen, insbesondere zu Mitwirkungshandlungen und Freiheitsentziehungen, beleuchtet. Bei letzterem wendet er sich gegen die herrschende Auffassung, indem er im Rahmen des § 81a StPO eine Freiheitsentziehung i.S. des Art. 104 Abs. 2 GG ablehnt. Es sei hier Aufgabe des Gesetzgebers, die rechtlichen Schranken einer zulässigen Freiheitsentziehung und insbesondere die zulässige Dauer explizit zu regeln (S. 257). Die von der herrschenden Meinung gezogene Grenze von vier bis fünf Tagen sei willkürlich gesetzt und entbehre jeglicher rechtlichen Grundlage (S. 258).
Um Änderungsvorschläge unterbreiten zu können, nimmt Kreuz im Folgenden einen internationalen Vergleich vor und beleuchtet Regelungen in der Schweiz und Österreich. Dabei stellt er fest, dass sich die schweizerische und deutsche Verfahrensregelung nicht elementar unterscheide, sondern diese weitgehend kongruent sind. Allerdings bietet das Schweizer Recht Praktikabilitätsvorzüge und einen klarstellenden Passus zur Möglichkeit der Beweismittelsicherung (S. 287). Dagegen unterscheiden sich deutsche und österreichische Regelung sehr stark. Die Befugnis zur zwangsweisen körperlichen Untersuchung sei in Österreich nur in sehr viel eingeschränkterem Umfang gegeben. Diese Einschränkung ist nach Ansicht des Autors zu weitgehend, ebenso sei die weite Erstreckung des Arztvorbehalts in Österreich nicht geboten. Die österreichische Klarstellung und Erweiterung der zulässigen Untersuchungszwecke auf die Feststellung von Beweismitteln sieht Kreuz dagegen als dem deutschen Recht vorzugswürdig an (S. 315 f.).
In seinem Abschlusskapitel nimmt Kreuz eine Kurzzusammenfassung seiner in den 7 Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse vor, um dann de lege ferenda Vorschläge zu unterbreiten, damit Erschwernisse des Rechtsanwenders in der Praxis vermieden werden können. Zum einen möchte er den Anwendungsbereich des § 81a StPO erweitern, um Altersfeststellungen und damit die Klärung der Strafmündigkeit verdächtiger Personen zu ermöglichen. Hierzu solle in der Norm ein zusätzlicher Untersuchungszweck verankert werden, der die Feststellung des Alters unabhängig von bestehenden Zweifeln in Bezug auf die Strafmündigkeit gestattet. Um eine uferlose Ausweitung zu verhindern, plädiert Kreuz hier aber für eine Beschränkung auf einfache körperliche Untersuchungen und leichte körperliche Eingriffe (S. 330).
Außerdem spricht er sich wegen der Rechtsunsicherheit in Bezug auf mögliche Freiheitsbeschränkungen für eine klare gesetzliche Regelung aus. Er ist dafür, die Zulässigkeit der zwangsweisen Verbringung zum Untersuchungsort, der Fixierung am Untersuchungsort und der sonstigen erforderlichen und verhältnismäßigen Einschränkung der Fortbewegungsfreiheit ausdrücklich durch das Gesetz zu gestatten (S. 331). Des Weiteren plädiert Kreuz für eine gesetzliche Regelung freiheitsentziehender Maßnahmen nach Schweizer Vorbild. Sinnvoll erschiene eine Gesetzespassage, die sowohl die bloße Freiheitsbeschränkung als auch die Freiheitsentziehung des Beschuldigten zur Durchführung einer Maßnahme nach § 81a StPO im notwendigen Maß gestattet (S. 332). Leider bleibt er hier – unter Bezug auf den in einem vorigen Kapitel aufgeworfenen Streitstand – die Antwort auf die Frage schuldig, wie lange ein Freiheitsentzug überhaupt verhältnismäßig sein kann. Hier wird zwar die „besondere Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes“ erwähnt, jedoch nicht anwendungsorientiert klar Stellung für strittige Fallkonstellationen bezogen.
Im Hinblick auf die Vollstreckung ohne weitere Anordnung empfiehlt Kreuz zur Klarstellung und Streitbeilegung die explizite Regelung, ob die Vorführung nur aufgrund eines richterlichen Vorführungsbefehls, eines förmlichen Vorführungsbefehls der Staatsanwaltschaft oder bereits auf Grundlage einer formlosen Anordnung der Staatsanwaltschaft erfolgen darf. Seine Position macht er dabei sehr deutlich: ihm würde die formlose Vorführung ausreichen; lediglich bei Maßnahmen, die einer gesonderten förmlichen Anwendung bedürften, wie bspw. die Ergreifung zur Vorführung in Wohnräumen, würde die formlose Anordnung des Vollzugs im Rahmen des § 81a StPO nicht von diesem Erfordernis suspendieren. Die Möglichkeit der formlosen Anordnung dürfe nur so weit gehen, wie der Anwendungsbereich des § 81a StPO tatsächlich reiche (S. 333).
Außerdem spricht sich Kreuz für eine Ausweitung des Kreises aus, der für die Eingriffsmaßnahmen zuständig ist. Le lege ferenda sollten auch Krankenschwestern und Pflegepersonal ermächtigt werden, leichtere Eingriffe vorzunehmen (S. 334). Kreuz ist ebenfalls für eine Ausweitungsmöglichkeit des Paragrafen, um die Suche nach im Körper verborgenen Gegenständen im Hinblick auf intrakorporal transportierte Sachen zu ermöglichen. De lege ferenda sollte daher seiner Auffassung nach normiert werden, dass körperliche Untersuchungen auch zur Auffindung von Beweis- oder Verfallsgegenständen zulässig sind. Dagegen spräche seiner Ansicht nach auch nicht die Rechtsprechung des EGMR, der lediglich die Emetikavergabe als unzulässig erachte, nicht aber grundsätzlich die zwangsweise Suche nach im Körper verborgenen Beweisgegenständen (S. 336).
Im Anschluss unterbreitet Kreuz unter Berücksichtigung seiner Vorschläge eine konkrete Neuformulierung des § 81a StPO, wobei er keine Umformulierungen vornimmt, sondern lediglich ergänzende Sätze einfügt, um den Anwendungsbereich des § 81a StPO zu erweitern (S. 337 f.).
So zurückhaltend Kreuz bei der Auslegung der bestehenden Norm des § 81a StPO und den darin enthaltenen Eingriffsbefugnissen ist, so offen ist er für eine entsprechende Gesetzesanpassung, um das möglich zu machen, was bei extensiver Auslegung des Paragrafen bereits heute als zulässig angesehen wird. Klarstellungen des Gesetzestextes sind sicher hilfreich, um Rechtsunsicherheiten zu beseitigen. Dennoch bleibt die Frage, ob über diese Klarstellungsfunktion hinaus wesentlich neues mit der von Kreuz vorgeschlagenen Regelung einhergeht. Dies schmälert aber nicht den Nutzen der Dissertation, die in einer kritischen Auseinandersetzung mit der bestehenden Rechtslage und ausführlicher Erörterung der mit der Auslegung des § 81a StPO im einzelnen verbundenen Schwierigkeiten einen reichhaltigen Fundus an Literatur und Rechtsprechung zum Thema liefert und darüber hinaus den kritischen Blick auf den praktischen Umgang mit der Norm schärft.