Lisa Tuchscherer: Stadtpolizei statt Polizei

von Polizeirätin Anke Arkenau

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2017, Duncker & Humblot GmbH, Berlin, ISBN: 978-3-428-15130-1 (Print), S. 185, 69,90 €

„Stadtpolizei statt Polizei“. Schon der Titel der Arbeit von Tuchscherer hat es in sich. Durch seine Kürze und Prägnanz ist er einerseits ein Spiegelbild der Arbeit an sich. Andererseits ist er geeignet, die Neugier der thematisch geneigten Leserschaft zu wecken. „Stadtpolizei statt Polizei“ – Synonym oder Antonym? Forderung oder Feststellung? Synergetische Koexistenz oder ein nicht aufzulösendes Paradoxon? Eine Erwartungshaltung an die Beantwortung solcher oder ähnlicher Fragestellungen wird bereits auf dem Titelblatt geweckt und es sei an dieser Stelle nicht zu viel verraten, dass es der Autorin durchaus gelingt, Antworten zu finden. Maßgeblicher Betrachtungsgegenstand der Arbeit ist die Stadtpolizei in Frankfurt am Main, welche die Autorin einer rechtlichen, begrifflichen wie sicherheitspolitischen Problemanalyse und –aufarbeitung unterzieht (S. 12).

Nach einer kurzen Einführung (S. 11 ff.) nimmt Tuchscherer zunächst eine Einordnung der Stadtpolizei Frankfurt am Main in das Gefüge verschiedenster Sicherheitsakteure vor (S. 16 ff.) Die Genese des Namens Stadtpolizei bietet hinreichenden Anlass für einen Blick in die Historie, dem sich die Autorin im darauf folgenden Kapitel widmet (S. 29 ff.). Im Weiteren befasst sich Tuchscherer mit dem Begriff „Polizei“ als solches und dessen Anwendbarkeit auf die Stadtpolizei (S. 41 ff.). Losgelöst von der Begrifflichkeit widmet sich die Autorin im Folgenden dem äußeren Erscheinungsbild von Polizei und Stadtpolizei und den damit einhergehenden Problemstellungen (S. 69 ff.). Anschließend beschreibt Tuchscherer den indiziell sicherheitspolitischen Wandel (S. 88 ff.). Abgerundet durch einen rechtlichen Diskurs (S. 114 ff.) mündet das Werk von Tuchscherer in der Betrachtung ähnlicher Modelle anderer Bundesländer (S. 150 ff.) und einem zusammenfassenden Fazit (S. 165 ff.).

Mit der prägnanten Fragestellung „ist überall, wo Polizei draufsteht, auch Polizei drin?“ (S. 11) eröffnet Tuchscherer ihre Einführung in das Thema und formuliert damit den Leitgedanken, der sich wie ein roter Faden durch die vollständige Arbeit zieht. Bereits an dieser Stelle konstatiert die Autorin eine auf verschiedenen Faktoren beruhende ‚neue Unübersichtlichkeit‘ der verschiedensten Sicherheitsakteure, die sie den hehren Zielen eines gesteigerten Sicherheitsgefühls sowie der Demonstration politischer Handlungsfähigkeit gegenüberstellt (S. 11/12).

Zunächst widmet sich Tuchscherer der Einordnung der Stadtpolizei in das Gefüge der Sicherheitsakteure (S. 16 ff.). Polizei ist Ländersache (S. 16). Die Bundesländer seien entweder nach dem Einheits- oder nach dem Trennungssystem organisiert. In Hessen gelte das Trennungssystem mit einem gemeinsamen Gesetz für die Polizei- und Ordnungsbehörden (S. 17 f.). Nach einem kurzen Diskurs spricht sich die Autorin für die Beibehaltung einer gemeinsamen gesetzlichen Grundlage in Hessen aus (S. 18/19). Im Weiteren stellt Tuchscherer die Gefährdung des Einheits- und Trennungssystems durch Hilfspolizeibeamte[1] der Ordnungsbehörden als Trend zur „erneuten Verpolizeilichung“ einer anderen Meinung, die einen solchen Trend gerade mit dem Trennungssystem begründet, gegenüber (S. 19 ff.). Dieser Diskurs bleibt unentschieden.

Die Stadtpolizei in Frankfurt am Main ist 2007 eingerichtet worden (S. 22). Tuchscherer gibt dazu einen umfassenden statistischen Überblick über Arbeitsaufkommen, Kosten, welche sich auf ca. 30 Mio. Euro pro Jahr belaufen, deren Organisationsstruktur und Tätigkeitsfelder (S. 22 ff.). Erklärte Ziele seien die Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls sowie der objektiven Sicherheit und Ordnung (S. 25). Die Schnittmengen zu den klassischen polizeilichen Aufgaben werden bei der Auflistung typischer Einsatzfelder der Stadtpolizei deutlich – Zwangsbefugnisse sowie ein fallspezifisches Betretungsrecht von Wohnungen inklusive (S. 25/26). Als Teil eines umfassenden Sicherheitsnetzwerkes kooperiere die Stadtpolizei mit anderen Sicherheitsakteuren, u. a. der Landespolizei, was einerseits Autorität, Legitimität und insbesondere das Image privater Sicherheitsakteure steigere, andererseits eine quasi illusorische polizeilicher Präsenz erhöhe (S. 27 f.).

Diesen organisatorischen Ausführungen schließt sich ein Ausblick in die Historie an, der seine Existenzberechtigung über den Prozess der Namensgebung erfährt. Tuchscherer knüpft daran an, dass der Außendienst des Ordnungsamtes Hessen im Jahre 2004 per Gesetz zur „Ordnungspolizei“ umbenannt worden sei, was nach erheblichen Protesten im Jahre 2005 rückgängig gemacht worden sei (S. 21/22). Der geschichtliche Rückblick in die Zeiten des Nationalsozialismus ist damit opportun (S. 29 ff.), um für die Problematik um die Namensgebung im Sinne einer negativen Vorbelastung zu sensibilisieren. Sei es nach dem zweiten Weltkrieg das Anliegen der Alliierten gewesen, „das öffentliche Leben wieder zu entpolizeilichen“, entwirft Tuchscherer mit der Einrichtung der Stadtpolizei die These der „Rückkehr zu Strukturen der Verpolizeilichung“ und damit das „Ende der Entpolizeilichung“ (S. 32/33). Als logischen Schluss des soeben Gesagten stellt Tuchscherer im Folgenden Entpolizeilichungstendenzen der Vergangenheit in drei maßgeblichen Entwicklungsschritten seit dem 19. Jahrhundert vor, wobei der letzte Schritt von der Autorin in der Gegenwart verortet wird (S. 34 ff.). Entpolizeilichung in der Gegenwart beschreibt Tuchscherer im Schwerpunkt als Privatisierung von Sicherheitsaufgaben und zweifelt die Legitimität vor dem Hintergrund des in Art. 33 Abs. 4 GG formulierten Funktionsvorbehaltes nachvollziehbar an (S. 37 ff.). Dieses Kapitel schließt Tuchscherer ab mit der Feststellung einer gleichsam stattfindenden Verpolizeilichungstendenz im Sinne einer Annäherung von Ordnungsbehörden und Polizei in Begriff, Aufgaben und äußerem Erscheinungsbild (S. 39 f.).

Das nächste Kapitel eröffnet Tuchscherer mit der angenommenen Attraktivität des Begriffes „Polizei“ und entwirft die These, dass „sich die Befugnisse der Hilfspolizeibeamten erst durch die Benennung als Polizei rechtfertigen“ lassen würden, wodurch sich gleichsam der Wirkungskreis der Stadtpolizei erweitert habe und sich eine scheinbare Legitimation für polizeinahe Aufgaben herleiten ließe. Dazu stellt Tuchscherer fest, dass die derzeitige Regelungslage, nämlich § 99 HSOG, den notwendigen Anforderungen einer „klaren, bestimmten und widerspruchsfreien gesetzlichen Regelung“, welche die Aufgaben und Befugnisse klar definiert, nicht gerecht würde (S. 41). Die oben aufgeführte Begriffsproblematik „Ordnungspolizei“ wird weniger unter semantischen, sondern vielmehr vor dem Hintergrund gegensätzlicher kommunalpolitischer Erwägungen erneut diskutiert (S. 42 ff.). Vor dem Hintergrund der Diskussion um Begrifflichkeiten gibt Tuchscherer nunmehr einen Überblick über konkrete Sicherheitsakteure in Hessen, deren Bezeichnungen, organisatorische Anbindung, Befugnisse, Einstellungs- und Ausbildungsmodalitäten. Daraus leitet die Verfasserin sich in der Folge ergebende Problemstellungen und deutlich erkennbares Irritationspotenzial ab (S. 45 ff.). Hilfspolizeibeamte, Stadtpolizei und Wachpolizei als Unterkategorie der Hilfspolizeibeamten sowie die Hilfspolizei bzw. der freiwillige Polizeidienst werden vor diesem Hintergrund diskutiert. Insbesondere zu der Stadtpolizei in Frankfurt am Main konstatiert Tuchscherer einen Wandel der „Zuständigkeit für die öffentliche Sicherheit und Ordnung langsam aber sicher zu Stadtpolizei statt Polizei“ (S. 46/47). Zu der Hilfspolizei stellt Tuchscherer etwaig vorüberlegte personelle und haushalterische Vorteile rechtlichen Bedenken und einer objektiven Ineffektivität bezüglich einem Mehr an Sicherheit gegenüber (S. 52 ff.). Diese Ausführungen machen insgesamt sehr deutlich, dass nicht überall, wo Polizei draufsteht, auch Polizei drin ist und die Sinnhaftigkeit bezüglich der Zielsetzungen teilweise fragwürdig erscheint. Ein anschließender Diskurs anhand konkreter Beispiele um die richtige Benennung bzw. Umbenennung der Außendienste der Ordnungsämter wird facettenreich geführt, bleibt mit einer Tendenz zum Begriff „Kommunalpolizei“ seitens der Autorin im Ergebnis jedoch unentschieden (S. 55 ff).

Folgend unternimmt Tuchscherer den Versuch, die Stadtpolizei unter dem materiellen, institutionellen und formellen Polizeibegriff dogmatisch einzuordnen (S. 58 ff.). Wird die Stadtpolizei etwa bereits vom Polizeibegriff erfasst oder ist vielmehr eine Verpolizeilichung erkennbar? Oder genügen die bestehenden Kategorien womöglich nicht mehr, um die Stadtpolizei darunter zu subsumieren? Tuchscherer stellt fest, dass die kommunalen Ordnungsdienste, damit auch die Stadtpolizei, je nach Lesart zumindest auch unter die verschiedenen Polizeibegriffe subsumiert werden könnten. Die Entwicklung eines eigenen Polizeibegriffs sei damit obsolet (S. 66), die klare Abgrenzbarkeit zwischen Polizei und Außendienst der Ordnungsämter hinsichtlich Zuständigkeiten und Befugnissen ginge jedoch verloren (S. 67). Tuchscherer entwirft die Argumentationskette „Wer Polizei heißt, der darf auch das, was die Polizei darf“ und kommt im Ergebnis ihrer dogmatischen Betrachtung zu der Bestätigung ihrer Ausgangsthese, dass „die Stadtpolizei die Vollzugspolizei gleichwertig ersetzt“ (S. 68). Eine Gegenansicht, die sich insbesondere aus der restriktiven Auslegung des institutionellen Polizeibegriffs hätte herleiten lassen, wird an dieser Stelle nicht weiter verfolgt.

Das nächste Kapitel widmet sich der These „[…] dass alles Polizei ist, was auch Polizei heißt oder als solche erkannt wird“ mit Blick auf die äußere Wahrnehmung und der sich daraus ergebenden Erwartungshaltung der Bevölkerung bezüglich Kompetenzen, Befugnisse und Zuständigkeiten (S. 69 f.). An die sich im äußeren Erscheinungsbild angleichenden Uniformen verschiedenster Sicherheitsakteure bis auf die europäische Ebene habe sich die Erwartungshaltung der Bürger angepasst (S. 70 ff.). Mit der Illusion Polizei verbindet Tuchscherer die Erwartung professionellen Handelns (S. 74) und die „Aufwertung ihres Ansehens“ auf Seiten der Hilfspolizeibeamten (S. 75). Dazu führt Tuchscherer aus, dass traditionelle polizeiliche Ausstattungsattribute wie Blaulicht, Martinshorn und Schusswaffen, mit denen die Stadtpolizei in Frankfurt am Main ausgestattet sei, die Deutungsprobleme verstärken (S. 75 ff.). Tuchscherer führt in diesem Kontext ein Urteil des OVG Münster an, wonach die Ausstattung der ordnungsbehördlichen Fahrzeuge mit Blaulicht verboten bzw. untersagt worden sei. Diesem stellt die Autorin den logischen Schluss, dass die Befugnisse die Ausrüstung erforderlich machen würden, gegenüber (S. 76/77). Dieser Rückschluss wirkt zu kurz gegriffen. Der Streitstand bleibt im Ergebnis unentschieden.

Arbeitet Tuchscherer die Berechtigung zur Nutzung des Blaulichts durch die Stadtpolizei relativ kurz ab, widmet sie sich dem Aspekt der Ausstattung der Stadtpolizei mit Schusswaffen aus nachvollziehbaren Gründen intensiver, da sie selbiger „in der Außendarstellung und Wahrnehmung [den] größten Effekt“ einräumt (S. 77 ff). Auch bei engen Voraussetzungen und vorgeschriebener umfassender Ausbildung zweifelt Tuchscherer an, dass „eine mit der Ausbildung der Vollzugspolizei vergleichbare Erfahrung und Sicherheit im Umgang mit der Schusswaffe in physisch und psychisch belastenden Situationen in gleichem Maße gewährleistet werden kann“ (S. 78) und verlangt, die diesbezüglich legitimierende Regelungslage zu überdenken und die Ausbildung einer Neuregelung zuzuführen (S. 79). Bei allen erhobenen Zweifeln über die Eignung von Stadtpolizisten zum Führen einer Schusswaffe entscheidet sich Tuchscherer im Diskurs tendenziell gegen ein gänzliches Verbot von Schusswaffen für Hilfspolizeibeamte mit dem Hinweis auf eine damit einhergehende Verminderung der Handlungsfähigkeit (S. 82). Diese Diskussion ließe zumindest Raum für die Abwägung weniger eingriffsintensiver Zwangsmittel zu, zumal die Abwägung zwischen den Schutzgütern Leib und / oder Leben versus Machtsymbolik auch gegenteilig entschieden und die Diskussion auch über eine etwaige Reduzierung von Befugnissen hätte geführt werden können.

Im Folgekapitel widmet sich Tuchscherer dem Wandel der Sicherheitsverantwortung durch Rekommunalisierung polizeilicher Aufgaben. Sie konstatiert in diesem Zusammenhang die Entwicklung einer „neue[n] polizeiliche[n] Unterschicht mit gleichen Aufgaben und Befugnissen, aber keineswegs vergleichbaren Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen“ (S. 88). Über die Annäherung zwischen Vollzugspolizei des Landes und der Hilfspolizeibeamten, namentlich der Stadtpolizei, hinsichtlich Benennung, Kompetenzen und Ausstattung gelangt Tuchscherer an dieser Stelle zu einem Diskurs über Image, Anerkennung, Selbstbewusstsein, Autorität und Respekt dieser Sicherheitsakteure, der insbesondere für die Stadtpolizei einen positiven Verlauf nehme (S. 89 f.). Da Macht jedoch einer Rechtfertigung bedürfe und sich nicht über Name und Auftreten legitimiere, sei Transparenz, die eine Unterscheidung zwischen den Sicherheitsakteuren ermögliche, ein Muss (S. 92). Mit der Zielsetzung, dass durch die Stadtpolizei das relativ unbestimmbare Sicherheitsgefühl der Bevölkerung erhöht werden solle, führt Tuchscherer folglich eine Debatte um eine etwaige Legitimation der Annäherung und der damit einhergehenden Befugnis zur Vornahme von Eingriffen in die Grundrechte der Bürger auf diesem Wege. Tuchscherer konstatiert im Ergebnis die Ungeeignetheit solcher Maßnahmen zur Verbesserung der objektiven Sicherheit sowie einen Trend weg von der „Sicherheitspolitik“ hin zu einer „Sicherheitsgefühlspolitik“ und rät vielmehr zu städtebaulichen Maßnahmen sowie Maßnahmen zur Stärkung der Sozialkontrolle (S. 98).

Mit der prägnanten Aussage „Sicherheit wird heute als Dienstleistung verstanden“ leitet Tuchscherer im Weiteren einen Diskurs im Spannungsfeld zwischen „Entprofessionalisierungstendenzen“ polizeilicher Aufgaben und „Professionalisierung ihrer [der Vollzugspolizei] Tätigkeitsfelder“ ein (S. 99/100). Das Ziel der Präsenzerhöhung und Steigerung des Sicherheitsgefühls sei dadurch erreicht worden. Eine solche „Umschichtung der polizeilichen Aufgaben“ gehe jedoch mit dem eindeutigen Appell nach festen Organisationsstrukturen und einer verbesserten Ausbildung einher (S. 102), da Letztere „wohl [den] gravierendste[n] und ausschlaggebende[n] Unterschied zwischen den beiden Sicherheitsakteuren“ ausmache (S. 106). Bei annähernd gleicher Aufgabenübertragung und teilweise identischen Befugnissen sei die Ausbildung von Polizeivollzugsbeamten länger, umfassender und intensiver, ohne dass ein sachlicher Grund erkennbar sei (S. 108). Dieses Defizit schlage sich insbesondere auch mit Blick auf eine Aufgabenübertragung an Nichtbeamte oder Private nieder, so dass Tuchscherer eine diesbezügliche Unvereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 2 GG feststellt (S.111) und die Gefahr einer „Selbstüberschätzung“ in Erwägung zieht (S. 112). Ebenfalls sei hinsichtlich der Arbeits- und Ruhestandsregelungen ein Unterschied zum Nachteil der Hilfspolizeibeamten festzustellen (S. 112 f.).

In dem folgenden Kapitel widmet sich Tuchscherer den rechtlichen Rahmenbedingungen zum Einsatz der Hilfspolizeibeamten in Hessen. Sie weist bereits einleitend auf die aus ihrer Sicht ungenügende Regelungslage zum Einsatz von Hilfspolizeibeamten hin, da es maßgeblich an einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage fehle, die Aufgaben und Befugnisse regele, was die Autorin im Weiteren nachvollziehbar begründet. Die derzeitigen Regelungen in Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften würden nicht genügen (S. 114/115). Nach eigenen Abwägungen entscheidet sich Tuchscherer für die Einordnung der Bestellung von Hilfspolizeibeamten als Verwaltungsintegration und gerade nicht als Beleihung oder Verwaltungshilfe (S. 116 ff.). Neben § 99 HSOG enthalte auch eine entsprechende Durchführungs- bzw. Rechtsverordnung Regelungen zu den Aufgaben und Befugnissen von Hilfspolizeibeamten in Hessen (S. 123). Einstellungsvoraussetzungen, Ausrüstung und die Ermächtigung zur unmittelbaren Zwangsanwendung durch Schusswaffengebrauch nebst Ausbildungsmodalitäten seien mittels Verwaltungsvorschrift geregelt (S. 123/124). Für die Wachpolizei gelten gesonderte Regelungen (S. 124). Der Funktionsvorbehalt gem. Art. 33 Abs. 4 GG formuliere kein Privatisierungsverbot (S. 125). Nach eingehender Prüfung subsumiert Tuchscherer die Hilfspolizeibeamten als potenziell mögliche Ausnahme vom Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG, soweit eine Beschränkung auf „Randaufgaben der öffentlichen Gefahrenabwehr“ bei einer „den Aufgaben angemessene[n] Ausbildung“ gewährleistet sei (S. 131). Nach einer alternativen Abwägung zieht Tuchscherer die Übertragung solcher Aufgaben auf Angestellte des öffentlichen Dienstes, namentlich auf Hilfspolizeibeamte, der Übertragung auf private Sicherheitsdienste vor (S. 133). Den Einsatz Privater zur Verkehrsüberwachung nach § 99 HSOG, der in Frankfurt am Main routinemäßig vollzogen werde, bewertet Tuchscherer vor dem Hintergrund des Funktionsvorbehaltes aus Art. 33 Abs. 4 GG als unzulässig (S. 140).

Hinsichtlich einer klaren Aufgaben- und Befugnisnorm für Hilfspolizeibeamte bewertet Tuchscherer § 99 HSOG als defizitär. Hierzu sei lediglich die individuelle Bestellungsurkunde bzw. Bestellungsverfügung einschlägig, woraus Tuchscherer einen „Widerspruch zu dem sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Gebot der Transparenz in der Verwaltungsorganisation“ und etwaiger Irritationen hinsichtlich bestehender Rechtsschutzmöglichkeiten herleite (S. 141). Die Autorin schließt sich der Meinung an, wonach diese fehlende Transparenz als verfassungswidrig beurteilt wird und fordert eine gesetzliche Ausweispflicht für Hilfspolizeibeamte (S. 142). Die Übertragung von Zwangsbefugnissen an Hilfspolizeibeamte sei im Rahmen der vorgenannten Verwaltungsintegration unproblematisch (S. 144). Damit ginge vielmehr eine Verschiebung des Sicherheitsmonopols, nicht aber des Gewaltmonopols der Vollzugspolizei einher (S. 145). Mit Blick auf den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes erkennt Tuchscherer bei Betrachtung der Regelungen des § 99 HSOG nebst Verwaltungsvorschrift keinen Verstoß, kritisiert jedoch weiterhin Defizite in der Bestimmtheit nach außen (S. 146). Auch wenn Fragen zum etwaigen Rechtsschutz in der Regelung nach innen eindeutig beantwortet werden können, sei die Erkennbarkeit der bestellenden Behörde nach außen wiederum nicht grundsätzlich gewährleistet (S. 148).

Im letzten Kapitel geht Tuchscherer der Frage zu ähnlichen Regelungen anderer Länder bzw. des Bundes analog zu § 99 HSOG nach. Bei Betrachtung der länderspezifischen Regelungen, die allesamt die Einrichtung von Hilfspolizeibeamten, Hilfspolizeien oder sonstigen kommunalen Ordnungsdiensten normierten (S. 151), erscheine insbesondere bemerkenswert, dass nur die Bundesländer Hamburg, Saarland, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt die Befugnis zum (Schuss)Waffengebrauch explizit ausschließen (S. 153). Die grundsätzliche Regelungslage in Berlin wird in Bezug auf den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts von Tuchscherer mangels einer entsprechenden Regelung im Gefahrenabwehrgesetz für unvereinbar erklärt (S. 154/155). Im Ergebnis dieser länderübergreifenden Betrachtung stuft Tuchscherer den § 99 HSOG nebst Durchführungsverordnung und Verwaltungsvorschrift als „die ausführlichste“ ein, gleichzeitig seien der Stadtpolizei die umfangreichsten polizeilichen Aufgaben und Befugnisse inkl. Schusswaffengebrauch übertragen (S. 156). Schon allein dieser Umstand ließe eine Angleichung an die Regelungen anderer Länder nicht zu. Die Forderung nach einer Ausweispflicht wird an dieser Stelle von der Autorin erneut erhoben (S. 157).

Ergänzend unterzieht Tuchscherer die Bundespolizei einem direkten Vergleich mit Hilfspolizeibeamten, insbesondere  der  Stadtpolizei  (S. 158 ff.).  Diesem  Gedanken kann, auch vor dem Hintergrund eines etwaigen Verwechselungspotenzials mit Länderpolizeien, nicht gefolgt werden, da es sich gerade nicht um Hilfspolizeibeamte, sondern eine eigenständige polizeiliche Vollzugsbehörde handelt. Allein der Wortteil „Polizei“ und die ähnliche Uniform rechtfertigen diesen Vergleich ausdrücklich nicht. Die Ausführungen zu der Möglichkeit der Bundespolizei, nach dem BPolG Hilfspolizeibeamte zu bestellen, was dann wieder themenspezifisch sinnvoll ist, werden ausschließlich allgemein gehalten (S. 160/161).

Die vorgenannten länderspezifischen Varianten kommunaler Sicherheitsakteure strukturiert Tuchscherer in drei grundlegende Modelle. Dabei ordnet sie die Stadtpolizei Frankfurt in das Modell ‚Polizei light‘ ein, welches „nicht die Ergänzung, sondern den sukzessiven Ersatz der Polizei vorsieht“ (S. 162).

In ihrer Zusammenfassung kommt Tuchscherer zu dem Schluss, dass kommunale Ordnungsdienste Polizeiarbeit in Gemeinden und Städten zunehmend ersetzen. Eine tatsächliche Verbesserung der Sicherheitslage könne allerdings nicht belegt werden (S. 165). Gegen die Bezeichnung Stadtpolizei als „Polizei“ seien keine Einwände zu erheben. Die Ausbildung derselben sei jedoch defizitär. Es sei ein Trend der „Verhilfspolizeilichung“, jedoch nicht der „Entpolizeilichung“ erkennbar (S. 166). Rechtliche wie sicherheitspolitische Mängel müssten behoben werden (S. 167 f.).

Die vorliegende Arbeit von Tuchscherer besticht durch ein im Kontext der immerwährenden Debatte um mehr Sicherheit spannendes Thema. Auch wenn der Gedanke etwaiger Synergien verschiedener Sicherheitsakteure zunächst attraktiv erscheint, wird hinsichtlich bestehender Problematiken umfassend sensibilisiert. Das Werk ist facettenreich gestaltet, in Umfang und Sprachgebrauch gut lesbar. Die fehlende Tiefe zu einzelnen Themenbereichen wird deutlich zu Gunsten der Breite bei der Auswahl der Unterthemen entschieden. Die einzelnen Kapitel leiten im Wesentlichen logisch ineinander über, wenn auch teilweise beim Lesen der Eindruck etwaiger Wiederholungen auftritt. Aussagen bzw. Annahme aus vorangegangenen Kapiteln werden teilweise an späterer Stelle nach eingehender Prüfung revidiert bzw. bestätigt, was den inneren Zusammenhang der Arbeit verdeutlicht. Streitstände, die durch die Darstellungen unterschiedlicher Ansichten entstehen, bleiben teilweise leider unentschieden, was der Qualität der Arbeit als Ganzes jedoch keinen Abbruch tut. Insofern lohnt sich eine Lektüre allemal und wird der thematisch geneigten Leserschaft empfohlen.

 

[1]      Zur besseren Lesbarkeit und aus Vereinfachungsgründen wird lediglich die maskuline Begriffsform genannt. Damit sind sowohl Männer als auch Frauen gemeint.

 

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