Tagungsbericht der Veranstaltung „Islam und Recht II“ am 13. Februar 2019

von Elisa-Sophie Fickenscher

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Am 13. Februar 2019 fand in Berlin in den Räumlichkeiten der Landesvertretung von Rheinland-Pfalz eine rechtspolitisch wie wissenschaftlich spannende Tagung zum Thema „Islam und Recht II“ statt, die vom Landtag Rheinland-Pfalz, dem Deutschen Richterbund und der Gesellschaft für Rechtspolitik (gfr) gemeinsam veranstaltet wurde.

I. Begrüßung und Einführung in die Thematik

Schon in ihrer Begrüßung wies Staatssekretärin Heike Raab, Bevollmächtigte für Medien und Digitales beim Bund und für Europa der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz auf das Spannungsfeld hin, inwieweit öffentliche Religionsausübung in einem säkularen Staat überhaupt Platz finde und bezeichnete es als die Herausforderung des Alltags, die reine Lehre von der Staatsaufgabe Integration in die Praxis umzusetzen.

Auch Jens Gnisa, Vorsitzender des Deutschen Richterbunds sprach von Herausforderungen im Umgang mit Bürgern mit durchaus anderen Wertvorstellungen, wobei man sich allerdings bewusst machen sollte, dass auch unsere Rechtsordnung religiöse Wurzeln hatte, die dann im Zuge der Säkularisierung getrennt wurden – dieses Bewusstsein könne womöglich auch im Umgang mit den Muslimen helfen.

Kyrill-Alexander Schwarz, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Würzburg und zugleich wissenschaftlicher Leiter der Veranstaltung machte in seiner Einführung insbesondere die Unterschiede in der Methodik der Religionen deutlich: Während die Evangelisten etwas überliefert hatten, das der Interpretation zugänglich war, gelte dies nicht für das Wort Allahs. Der Islam erweise sich insoweit als sehr viel schwieriger einer Interpretation zugänglich. Dennoch müsse der Vorrang des staatlichen Rechts gewahrt bleiben und dürfe nicht unter Hinweis auf die Religionsfreiheit als Kampftitel in Frage gestellt werden.

II. Politischer Islam in Deutschland – Herausforderung für eine freiheitlich verfasste Gesellschaft?

Den Auftakt der Referate übernahm der Chefredakteur des politischen Magazins CICERO, Christoph Schwennicke, mit dem Thema „Politischer Islam in Deutschland – Herausforderung für eine freiheitlich verfasste Gesellschaft?“.

Gleich zu Beginn stellte er heraus, dass sein Vortragsthema suggeriere, dass es auch einen nicht-politischen Islam gäbe; der Islam sei jedoch immer politisch, da es eben gerade keine Überlieferungen von Evangelisten gebe, sondern jedes gesprochene Wort gelte.

Insofern sei es bei der Recherche für seinen Vortrag bei einer vergeblichen Suche nach einer säkulareren Auslegung des Islam geblieben, wobei er dennoch nicht ausschließen wolle, dass es auch im Islam säkularere Muslime gebe, die allerdings nicht den öffentlichen Diskurs bestimmten.

III. Die Gretchenfrage der deutschen Politik

Reinhard Müller, Redakteur bei der FAZ, hielt dagegen ein flammendes Plädoyer über die Freiheit, die einem das Grundgesetz im Rahmen der Meinungsfreiheit einräume, die letzten Endes jedem ein Leben nach seinen religiösen Vorstellungen gestatte und dabei keine positive Zuwendung zu den Werten des Grundgesetzes bzw. eine Identifikation mit denselben verlange. So wie der Reichsbürger die Verfassung ablehnen dürfe, so sei dies auch jedem einzelnen Muslim gestattet. Dies sei genau die Kraft der freiheitlichen Verfassung, die auf den öffentlichen Diskurs vertraue – dieser solle bewahrt werden.

IV. Mehrehen, Kinderehen – Vereinbarkeit islamischen Familienrechts mit dem Grundgesetz?

Deutlich kritischer äußerte sich die Soziologin und Frauenrechtlerin Necla Kelek. So werde laut Kelekhäufig bei Debatten zum Thema Diversität gefordert, dass sich die europäischen Werte mehr zurückziehen sollen. Im europäischen Haus finde ein Kampf um die Deutungsmacht dieser Werte statt; insbesondere die Islamverbände nutzten das deutsche Recht und die deutsche Gerichtsbarkeit unter dem Stichwort „Dschihad by Court“ für ihre Interessen.

Dies gelte ganz besonders im Familienrecht, da das islamische Familienrecht von der Auffassung ausgehe, dass die Familie Eigentum des Mannes sei und er bestimme, ob seine Frauen ein Kopftuch tragen sollen oder nicht. Dies mache die Frau ausnahmslos zum sexuellen Objekt und stelle sie ganz unten an.

Islamräte führten den Kampf zur Anerkennung ihres Familienrechts auch in Deutschland, häufig über die Islamschulen, die nicht selten gegenüber ihren Anhängern behaupten, dass das deutsche, staatliche Recht nicht gelte. Deshalb gehören der Islam und das Familienrecht laut Kelek ganz eng zusammen.

Um dieser „Islamisierung des Familienrechts“ Einhalt zu gebieten, müsse man die Frauen fördern und fordern, man müsse schon bei den Kindern beginnen und sie aufklären, um ihnen die Werte unserer freien Gesellschaft zu vermitteln.

V. Verbot der Finanzierung islamischer Religionsverbände aus dem Ausland – ein Beitrag zu Transparenz und Integration?

Die zweite Hälfte der Tagung leitete schließlich Georg Lienbacher, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien und Mitglied des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs ein, der mit seinem Vortrag über das „Verbot der Finanzierung islamischer Religionsverbände aus dem Ausland“ eine höchstaktuelle Kontroverse aus Österreich darlegte.

So sei die Einführung des österreichischen Islamgesetzes (IslamG) und vor allem des darin enthaltenen § 6 Abs. 2, der sich auf die Finanzierung bezieht, höchst umstritten gewesen und habe viele verfassungsrechtliche Debatten ausgelöst.

Zwar verbiete § 6 Abs. 2 österreichisches IslamG nicht generell die Finanzierung von Religionsgemeinschaften mit Mitteln aus dem Ausland, regle aber, dass die für die gewöhnliche Ausübung der Religion notwendigen Mittel aus dem Inland aufgebracht werden müssen. Indes erhielten Imame aber beispielsweise ihr Gehalt vom türkischen Generalkonsulat und seien somit aus dem Ausland finanziert, sodass hier bereits nach herrschender Meinung ein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 österreichisches IslamG vorläge.

Von Kritikern und Islamverbänden werde dem Gesetz allerdings vorgeworfen, dass es nur eine Stigmatisierung des Islam vornähme, obwohl ein Grund für die sachliche Ungleichbehandlung in den Gesetzesbegründungen nicht hinreichend thematisiert worden sei. Insofern stelle sich die Frage, ob insoweit ein Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bestehe oder ob der Gesetzgeber diesen im Falle des IslamG überschritten habe.

Laut Lienbacher sei der Islam grundsätzlich eine Religionsgemeinschaft wie alle anderen auch und der Staat habe grundsätzlich eine Neutralitätspflicht ihr gegenüber. Allerdings seien ausländische Zuwendungen ja nicht per se verboten, sodass laut Lienbacher kein Verfassungsverstoß vorliege – entsprechende Verfahren seien allerdings derzeit noch anhängig und es bliebe auch Österreich derzeit nur abzuwarten.

Er sähe es jedoch als zwingende Pflicht zum Selbststand eines Gemeinwesens an, eine Fremdsteuerung ohne entsprechende Kontrollmechanismen zu unterbinden.

VI. Integration als Staatsaufgabe

Volker Beck, ehemaliges Mitglied des Bundestages und ehemaliger religionspolitischer Sprecher der Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ verweist schließlich darauf, dass Integration, also das Hineinholen von Minderheiten, Staatsaufgabe sei, allerdings den Willen zu Veränderung und Integrationsbereitschaft erforderlich mache. Hierfür sei insbesondere ein Dialog mit allen Beteiligten erforderlich, da diese nach wie vor viel zu wenig voneinander wüssten.

Was hier Islamverbände seien, seien in ihrem Herkunftsland politische Parteien. Insofern müsse äußerste Sorgfalt bei Entscheidungen gewährleistet sein, ob z.B. DTIP eine Religionsgemeinschaft im Sinne des Religionsunterrichts darstelle, wie dies jüngst voreilig in Hessen entschieden worden sei.

Hierbei müssten Bund und Länder aktiver werden, um die Aufklärungsarbeit gerichtsfest zu machen. Zu denken wäre dafür an eine Religionsministerkonferenz, damit alle Religionsgemeinschaften gleich behandelt würden.

VII. Diskussion / Ende der Veranstaltung

Bei den an die Veranstaltungsblöcke anschließenden Diskussionsrunden und der am Ende der Veranstaltung stattfindenden Podiumsdiskussion zum Thema „Gehört der Islam zu Deutschland?“, deren Teilnehmer Christian Hillgruber, Professor für Rechtswissenschaft an der Universität Bonn, Burhan Kesici, Vorsitzender des Islamrats, Werner Schiffauer, Professor emeritus für Kultur- und Sozialanthropologie an der Europa-Universität Viadrina und Volker Beckwaren, wurde zum einen betont, dass der Integrationsaspekt viel stärker betrieben werden müsse, da ansonsten der Rechtsstaat zu erodieren drohe, wenn nicht ein Minimalkonsens gefunden werden könne, unter dem alle friedlich miteinander leben können. Zum anderen wäre nicht das Problem der islamischen Gemeinden im Grundgesetz oder im Familienrecht zu sehen, sondern in dem, was als Grundgesetz plus bezeichnet würde, dem sogenannten Wertekonsens des Grundgesetzes, der mehr fordere, als der Verfassung tatsächlich zu entnehmen sei und somit die Identifikation mit derselben erschwere.

Doch auch die Vertreter der Islamverbände betonten, dass zum einen zwischen der Theologie des Islam und der politischen Debatte sorgfältig unterschieden werden müsse und zum anderen auch der Islam entwicklungsfähig sei und sich unter der Geltung des Grundgesetzes auch schon fortentwickelt habe. Wichtig sei diesbezüglich allerdings immer ein gegenseitiger Austausch, den Tagungen wie die gegenständliche lebendig hielten.

 

 

 

 

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