Martin Schäfer: Der Amtsträger als Beschuldigter – Eine Untersuchung zur Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht als Mittel der Verteidigung im Strafverfahren

von Anke Arkenau 

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2018, Duncker & Humblot GmbH, Berlin, ISBN: 978-3-428-15457-9, S. 343, Euro 89,90.

Der Titel „Der Amtsträger als Beschuldigter“ der vorliegenden Dissertation von Schäfer mutet auf den ersten Blick beinahe paradox an, eröffnet bei einem zweiten, intensiveren Blick jedoch ein rechtlich wie tatsächlich spannendes und bereits bis zur höchstrichterlichen Rechtsprechung durchgedrungenes Themenfeld, dessen potenzieller Adressatenkreis auf allen Seiten denkbarer Beteiligter zu suchen und zu finden sein dürfte. Die Initialzündung zur thematischen Befassung verortet Schäfer in einem Aufsatz vonBohnert[1] und dessen Fazit „Manche sitzen zwischen den Stühlen, der beschuldigte Amtsträger zwischen den Grundsätzen. Es geht ihm dort nicht gut. Noch schlechter dem Bestimmtheitsgrundsatz“[2]. Das Spannungsfeld zwischen der strafrechtlich relevanten Pflicht zur Verschwiegenheit und dem mit Verfassungsrang ausgestatteten Recht auf umfassende Verteidigung im Strafverfahren beschreibt Schäfer schlicht aber treffend als „missliche[n] Lage“ (S. 21), aus der er den Amtsträger[3] am Endeseiner Arbeit eindeutig befreien wird. Schäfer beansprucht für sich eine besondere Vielschichtigkeit des zu führenden Diskurses (S. 21 f.), um „überraschend klar“ zu münden (S. 22). Er fokussiert dabei auf den „Geheimnisbruch[s] zu Verteidigungszwecken“ der Verschwiegenheit im öffentlichen Interesse, allenfalls flankierend hinsichtlich individueller Drittinteressen und der Frage einer etwaigen Rechtfertigung und/oder Entschuldigung derselben (S. 23).

Das Gesamtwerk gliedert sich in fünf Kapitel, welche von einer prägnanten und problemorientierten Einleitung (S. 21-25) und einer stichhaltigen Zusammenfassung (S. 310-316) eingerahmt werden. Zunächst beleuchtet Schäfer den facettenreichen Begriff des Amtsträgers gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB (S. 26-58). Was an dieser Stelle als zwar umfassende, dennoch lediglich allgemeine Begriffsbestimmung anmutet, stellt im Fortgang die differenzierte Basis für alle weiteren Untersuchungsschritte dar. Daran anknüpfend werden die spezifischen rechtlichen Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht erläutert (S. 58-89). Mit dem zweiten Kapitel leitet Schäfer „zum gegenständlichen Konflikt der Ausgangsfrage“ (S. 23) über, indem die Stellung des Amtsträgers als Zeuge und im Wesentlichen als Beschuldigter im Strafverfahren diskutiert wird (S. 90-143). Das thematisch einschlägige

Spezifikum der Aussagegenehmigung findet eine exklusive Position. Der Diskurs über potentielle Rechtsschutzmöglichkeiten im Falle der Versagung einer Aussagegenehmigung wird kurz und knapp im dritten Kapitel geführt (S. 144-156). Denkbare Sanktionsmöglichkeiten (S. 157-240) strafrechtlicher (S. 161-223) wie außerstrafrechtlicher (S. 224-237) Natur schließen sich relativ umfassend, jedoch in einer logisch schlüssigen Abfolge des Untersuchungsverlaufs an. Um mit den Worten von Schäfer zu sprechen, „wendet sich das letzte Kapitel [S. 241-309] der entscheidenden Frage zu, ob sich der beschuldigte Amtsträger in dieser Situation auf Rechtsfertigungs- oder Entschuldigungsgründe berufen kann“ (S. 24), um auf der fundierten Basis der bisherigen Ausführungen eine konkrete Lösung anzubieten.

Um den Begriff des Amtsträgers in seinen Details zu erhellen, nutzt Schäfer die durch § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB vorgegebene Struktur. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf dem spezifischen Dienst-, Amts- bzw. Anstellungsverhältnis zum jeweiligen Dienstherrn als Fundament der Folgediskussion. Nach Schäfer „[hängt] die Beantwortung der zentralen Frage der Untersuchung […] maßgeblich von diesem Befund ab“ (S. 26). Dass die Begriffe Beamter und Richter deutlich mehr Aspekte umfassen, wie die Einfachheit der Begrifflichkeiten selbst den Eindruck erweckt, überrascht hierbei nicht. Schäferführt die innewohnende Komplexität derselben detailgetreu vor Augen (S. 28-32). Die relative Klarheit, mit der die vorstehenden Begrifflichkeiten umrissen werden können, wird im Folgenden zu dem darüberhinausgehenden Diskurs einer etwaigen Amtsträgereigenschaft gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 b) und c) zutreffend aufgegeben (S. 32 ff.). So hätten sich die Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerwG (S. 33) zumindest kasuistisch herausgebildet (S. 35). Nach Aufzählung zutreffender und Abgrenzung unzutreffender Konstellationen stellt Schäfer letztendlich die „Vielzahl an Einzelfällen“ fest (S. 36). Mit dem Folgediskurs um die Amtsträgereigenschaft im Rahmen der Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung scheint die Unschärfe der begrifflichen Bestimmtheit nochmals zuzunehmen, die Schäfer im Rahmen einer ausdifferenzierten Erörterung von Grundsätzlichem und Speziellem in gelungener Art und Weise wiederherstellt (S. 36-58). Aus Sicht der Rezensentin gelingt es Schäfer sehr gut, aus der relativ diffusen und durchlässigen Materie ein durchaus greifbares Verständnis von der Amtsträgereigenschaft herzustellen, um im Weiteren auf die erarbeiteten Charakteristika abzustellen.

Je nach Rechtsverhältnis, in dem der Amtsträger zu seinem Dienstherrn steht, ergebe sich eine spezifische Systematik und Reichweite der rechtlich verankerten Verschwiegenheitspflicht, die Schäfer nunmehr herausarbeitet (S. 58-89). Die Pflicht von Amtsträgern zur Verschwiegenheit im öffentlichen Interesse solle nicht mehr, aber insbesondere auch nicht weniger als die „Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung absichern“ (S. 58). Je nach Amtsträger konstatiert Schäfer die Einschlägigkeit „unterschiedliche[r] Regelwerke“ (S. 60), die er im Anschluss detailliert herausstellt. Hierzu bleibt Schäfer in der Systematik des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB und stellt fest, dass die „Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers […] nicht für alle vom Amtsträgerbegriff umfassten Personen einheitlich beurteilt werden“ könne (S. 88). Wirkt der Diskurs um die beamtenrechtlichen Regelungen zur Verschwiegenheitspflicht des Beamten nebst Ausnahmen relativ eindeutig (S. 69-74), sei selbiger in Bezug auf den Richter im Grundsatz übertragbar und dabei lediglich um das Beratungsgeheimnis zu erweitern (S. 74-77). Die Verschwiegenheitspflicht der Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes (S. 77-81) wird keiner erkennbaren Systematik zugeführt, was mangels derselben in der Natur der Sache begründet liegt. Hierzu betrachtet Schäfer einschlägige Einzelfälle, die eine thematische Orientierung ermöglichen, womit er in Teilen gleichsam eine Nähe zu den beamtenrechtlichen Vorschriften herstellt (S. 78/80). Die Diskussion um die sonstigen Amtsträger führt Schäfer im Wesentlichen in Bezug auf die vertraglichen Regelungen und der dort manifestierten oder niederzulegenden Verschwiegenheitspflicht (S. 81-86). Darüber hinausgehende spezielle Verschwiegenheitspflichten, die sich aus gesonderten Vorschriften, wie z. B. der Abgabenordnung oder dem Datenschutzrecht ergäben (S 86/87), runden die sehr detailtiefen Ausführungen an dieser Stelle ab.

Im zweiten Kapitel soll nunmehr die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren beleuchtet werden (S. 90-143). Schäferselbst bezeichnet dieses Kapitel als „grundlegend für die zu untersuchende Frage, weil sie zum gegenständlichen Konflikt zwischen der Pflicht des Amtsträgers zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit und der Stellung als Beschuldigter überleiten wird“ (S. 90). Ein Augenmerk legt Schäfer dabei auf diejenigen Rechte des Amtsträgers als Beschuldigter, die potenziell in den direkten Konflikt mit der Verschwiegenheitspflicht treten, namentlich der Anspruch auf rechtliches Gehör, das Recht auf ein faires Verfahren, das Recht auf den gesetzlichen Richter sowie das Recht auf effektive Verteidigung (S. 90).

Die einleitende und zur Abgrenzung gedachte Betrachtung des Amtsträgers als Zeuge im Strafverfahren mündet umgehend in Ausführungen zur Aussagegenehmigung (S. 92-103). Damit „wird der Exekutive die Möglichkeit eröffnet, auf das Strafverfahren Einfluss zu nehmen“ (S. 93), da der Zeuge zu den von der Aussagegenehmigung umfassten Aspekten im Grundsatz nicht vernommen werden dürfe (S. 94, 97, 98). Der personelle Anwendungsbereich bietet unter Bezugnahme auf die Darstellungen zu der Amtsträgereigenschaft dabei Anlass zur Diskussion (S. 94-98). Kern der Ausführungen sollen jedoch die Genehmigungsvoraussetzungen bilden (S. 100-102), um das Ergebnis im Weiteren sinngemäß in Bezug auf den Beschuldigten und der Frage einer Verweigerung einer Aussagegenehmigung zu dessen Lasten einbinden zu können. Diese Voraussetzungen sind im Grundsatz in § 37 Abs. 3 S. 1 BeamtStG und § 68 Abs. 1 BBG mit den dortigen Gefährdungstatbeständen umrissen und erfahren durch Schäfer vor dem Hintergrund einer grundsätzlich notwendigen Güterabwägung eine zutreffende generelle Auslegung.

Mit Augenmerk auf den Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren (S. 104-141) führt Schäfer seine Untersuchung fort, um zunächst die Debatte um verfassungsmäßig garantierte Rechte und solche aus der EMRK zu führen. Der grundsätzliche und in seiner Bedeutung maßgebliche Anspruch auf rechtliches Gehör (S. 106-112) kollidiere mit der Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers. Soweit der Dienstherr die Verschwiegenheitspflicht des beschuldigten Amtsträgers nicht aufhebe, „kann sich [Zusatz der Rezensentin: der Amtsträger] somit nicht zu den Vorwürfen äußern, ohne sich gleichzeitig der Gefahr einer erneuten Sanktionsfolge auszusetzen“ (S. 110), zumal sich diese Problematik durch den gleichsam geltenden Mündlichkeitsgrundsatz nochmals verstärke (S. 110). Auch sei das verfassungsmäßig garantierte und zum Wesen des Rechtsstaates gehörende Recht auf Verteidigung tangiert, der Verteidigerkontakt gem. EMRK in seiner Ausgestaltung eingeschränkt (S. 112). Trotz fehlender ausgeschärfter Konturen des grundgesetzlich manifestierten Rechts auf ein faires Verfahren (S. 114) und deren Wirkungshorizont auch auf staatlicher Seite, sei für den Amtsträger als Beschuldigter eine solche „gleichberechtige Verfahrensstellung“ zu fordern (S. 115). Einen Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter lehnt Schäfer nach kurzer Erörterung eindeutig ab (S. 116/117).

Den damit hergeleiteten grundsätzlichen Äußerungsrechten des Beschuldigten stellt Schäfer nunmehr die im Falle der Versagung einschränkende Aussagegenehmigung gegenüber (S. 118-136), deren Erfordernis sich mangels Regelungen in der StPO reinweg aus beamtenrechtlichen Vorschriften herleiten lasse (S. 118/119). Hierzu wird erneut auf die bereits herausgearbeiteten Amtsträgerbegriffe abgestellt. Die detailtiefe Erörterung des personellen Anwendungsbereichs der Aussagegenehmigung (S. 119-126) mündet in dem eindeutigen Ergebnis, „dass innerhalb des Amtsträgerbegriffs nur die Personengruppe der Beamten und Richter auf das Erfordernis der Aussagegenehmigung angewiesen“ seien (S. 126). Vorbehaltlich etwaiger vertraglicher Pflichtverletzungen seien die Amtsträger gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 b) und c) StGB (im Folgenden nichtbeamtete Amtsträger genannt) nicht erfasst. Nochmal deutlich herauszustellen ist der Hinweis, dass die Rechte des Beschuldigten aus letztgenanntem Adressatenkreis auch vertraglich nicht einschränkbar seien (S. 126). Zudem sei vor dem Hintergrund der Selbstbelastungsfreiheit des Beschuldigten bedenklich, dass der Beamte bzw. Richter zur Einholung der Aussagegenehmigung verpflichtet sei, was den unmittelbaren Anlass zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens darstellen könne (S. 127). Versagensgründe der Aussagegenehmigung für den Beschuldigten seien deutlich strenger als bei Zeugen (S. 127/128). Über die bekannten Versagensgründe hinaus, „müssen im Fall des Beschuldigten dienstliche Rücksichten die Versagung unabweisbar erfordern“ (S. 128), wobei der Begriff der dienstlichen Rücksicht nur eingeschränkt bestimmt sei und die Voraussetzungen in diesem Kontext „nur mit größter Vorsicht anzunehmen“ seien (S. 131). Die Folgen einer Versagung der Aussagegenehmigung seien je nach Amtsträger, Wirkung und Strafverfahrensbezug differenziert zu betrachten, wobei sich letztes Kriterium unmittelbar auf die Frage der Rechtfertigung auswirke (S. 132/133). Gleichgelagerter Erörterungen um strafbewehrte Verschwiegenheitspflichten von Unternehmensbeschäftigten und Berufsgeheimnisträgern fügt sich als Exkurs mit erkennbaren Schnittmengen aber auch Unterschieden flüssig in die Untersuchung ein (S. 133-141).

Dass der Amtsträger der Ablehnung einer Aussagegenehmigung nicht rechtsschutzlos ausgeliefert ist, zeigt Schäfer im dritten Kapitel seines Werkes auf (S. 144-156). Hierzu sei zutreffend begründet der Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten (S. 145-147). Erscheint das Rechtsmittel des Beamten mit der Verpflichtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO in Form der Versagungsgegenklage klar umrissen (S. 147/148), gelingt es Schäfer gleichsam, die Grenzen der Darstellung der Versagungsgründe bis hin zum In-Camera-Verfahren im Sinne des Beamten praktikabel zu ziehen (S. 148-151). Für die Personengruppe der Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes konstatiert Schäfer eine Nähe zum beamtenrechtlichen Dienstverhältnis mit einer daraus herzuleitenden Fürsorgepflicht, lässt die Frage nach einem eventuellen Anspruch nebst Rechtsweg jedoch offen (S. 151-153). Die gleichgelagerte Frage sei in Bezug auf nichtbeamtete Amtsträger gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB hingegen klar zu beantworten (S. 153-155), um im Ergebnis der Frage um die Konsequenz einer etwaigen Aussetzung des Strafverfahrens relativ offen zu bleiben (S. 155-156).

 

Das nunmehr folgende vierte Kapitel nimmt den größten Raum im Zuge der Untersuchung von Schäfer ein (S. 157-240). Schon der Umfang der Ausführungen legt nahe, dass diese hier nicht umfassend dargestellt werden sollen, zumal die in den Erläuterungen von Schäfer erreichte Detailtiefe sich in einer punktuellen Wiedergabe nicht ansatzweise wiederfinden lassen würde. Mit einem besonderen Augenmerk auf die Sanktionsnormen des StGB, speziell § 353b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB (S. 158), versäumt es Schäfer indes keineswegs, über den strafrechtlich relevanten Tellerrand zu schauen und sich zudem auch außerstrafrechtlichen Sanktionsfolgen zu widmen, „die für ihn [Hinweis der Rezensentin: den Beamten] auch disziplinarrechtliche Folgen nach sich ziehen [kann], die für ihn sogar weitaus gravierender sein können als das Urteil im Strafverfahren“ (S. 159). Die Differenzierung in Anlehnung an die spezifischen Amtsträger ist dabei obligatorisch.

Gleich zu Beginn stellt Schäfer fest, „dass spezielle Verschwiegenheitspflichten auch einen gesonderten strafrechtlichen Schutz erfahren“ (S. 161), um sich sogleich intensiv der Strafrechtsnorm § 353b Abs. 1 StGB zu widmen (S. 162-212), der unter Nr. 1 „auch und gerade die Gruppe der Amtsträger“ umfasse (S. 162). Einigkeit bestehe zumindest dahingehend, dass das Schutzgut der Norm in klarer Abgrenzung von § 203 Abs. 2 StGB – Verletzung von Privatgeheimnissen – nicht Individualinteressen, sondern ein Gemeingut umfasse (S. 165). Die von § 353b Abs. 1 StGB umfasste Tathandlung wird von Schäfer in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand allumfassend kritisch beleuchtet (S. 166-212). Zu untersuchen sei insbesondere, „ob die Offenbarung eines Geheimnisses zu Verteidigungszwecken im Strafverfahren das Merkmal ‚unbefugt’ erfüllt und ob in diesem Fall von einer konkreten Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen ausgegangen werden kann“ (S. 166). Es gelingt Schäfer aus Sicht der Rezensentin sehr gut, den einzelnen quasi Tatbestandsmerkmalen des § 353b Abs. 1 StGB stets mit Blick auf die zu Grunde liegende Untersuchung argumentationsstark und veranschaulichend klare Strukturen zu verleihen und die Diskussion an den Stellen zu vertiefen, die einer tiefergehenden Betrachtung tatsächlich auch bedürfen.

Das Merkmal „unbefugt“ erfährt eine erkennbar intensive Betrachtung (S. 170-202), die hier nur punktuell skizziert werden soll. Zunächst wird es durch Schäfer in den Stand eines Tatbestandmerkmals gehoben (S. 172). Soweit eine Aussagegenehmigung als Beamtenspezifikum bzw. darüber hinaus eine Zustimmung des Berechtigten vorliege, sei dieses Tatbestandsmerkmal nicht gegeben, vielmehr liege ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor (S. 173). In Ermangelung einer Aussagegenehmigung bzw. Zustimmung sei die unbefugte Offenbarung im Grundsatz zu bejahen (S. 174). Auch wenn die Offenbarung im eigenen Verteidigungsinteresse des Amtsträgers liege, lasse sich dieses Tatbestandsmerkmal nicht derart einschränkend auslegen, als dass sich daraus eine legitimierende Verteidigungsbefugnis herleiten lasse (S. 174-181). Schäfer stellt zudem die Verwaltungsakzessorietät des Merkmals „unbefugt“ fest, um daran anknüpfend unterschiedliche Fallkonstellationen zu diskutieren und zu entscheiden (S. 182-184). Zudem verortet Schäfer nach treffender Erörterung ein legalisierendes Potenzial bei der aktiven behördlichen Duldung, spricht dieser aber zeitgleich die Praxisrelevanz ab (S. 195-201). Ein Hinweis der möglichen Einschränkbarkeit auf Rechtswidrigkeitsebene erfolgt auch an dieser Stelle (S. 202).

Auch das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen, welches aus der unbefugten Offenbarung eines Dienstgeheimnisses herrührt, erfährt eine umfassendere Betrachtung (S. 202-210). Es bedürfe einer gesondert festzustellenden konkreten Gefahr, das Institut der mittelbaren Gefährdung sei laut Schäfer abzulehnen (S. 204). Die Beurteilung des Merkmals der „wichtige[n] öffentliche[n] Interessen“ laufe nach Schäfer „schlussendlich auf eine Wertungsfrage“ hinaus (S. 205), wobei reine Privatinteressen auszuschließen seien (S. 204). Je nach Amtsträger erfülle dieses Tatbestandsmerkmal vor dem Hintergrund, dass § 353b Abs. 1 StGB spezifisch eine Verhaltens- oder eine Verhaltens- und Sanktionsnorm darstelle, ein wichtiges Abgrenzungskriterium zur möglichen Strafbarkeit (S. 206/207). Soweit eine Versagung der Aussagegenehmigung möglich sei, indiziere dies das Vorliegen eines wichtigen öffentlichen Interesses (S. 207/208). Zwar könne ein Ausschluss der Öffentlichkeit unter bestimmten Voraussetzungen eine Strafbarkeit gem. § 353b Abs. 1 StGB abwenden, die Einschlägigkeit der zu Grunde liegenden Vorschrift gehe aber nicht zwingend mit denen der Versagung einer Aussagegenehmigung konform (S. 209/210), so dass hierin kein Patentrezept liegt.

Die sich anschließenden Ausführungen zu weiteren denkbaren Strafbarkeiten nach dem StGB bzw. dem BDSG fallen wünschenswert und angemessen kurz aus (S. 212-223), auch wenn eine thematische Nähe zu Verschwiegenheitspflichten und auch punktuelle Überschneidungen nicht abzustreiten sind. Auch Schäfer selbst bescheinigt diesen Darstellungen durch Formulierungen wie „soll im Rahmen dieser Darstellung nur sehr eingeschränkt eingegangen [werden]“ (S. 213), „in gebotener Kürze“ (S. 217) und „Auf diesen Tatbestand soll nur der Vollständigkeit halber hingewiesen werden“ (S. 220) eine Relevanz am äußersten Rande.

Mit Blick auf außerstrafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten differenziert Schäfer wiederum nach den herausgearbeiteten Personengruppen der Amtsträger (S. 224-237). Die denkbaren Folgen „können für ihn [Hinweis der Rezensentin: den Amtsträger] unter Umständen sogar gravierender sein als die strafrechtlichen Rechtsfolgen der Tat“ (S. 224). Denkbare Rechtfertigungsgründe entfalten ihre Wirkung auch hier (S. 224). Ausschließlich Beamte und Richter können Adressat disziplinarrechtlicher Maßnahmen sein (S. 224). Der Beamte könne auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze seine Dienstpflicht verletzen (S. 225). Die Verschwiegenheitspflicht sei „selbstredend“ als solche einzustufen, gelte bei schuldhafter Verletzung auch für Ruhestandsbeamte, wirke in stets gleichem Maße auch außerdienstlich (S. 227), stelle eine Kernpflicht dar und besitze Verfassungsrang (S. 230). Schäfer stellt fest, dass einzelfallabhängig disziplinarrechtliche Maßnahmen bis hin zu einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bei Vorliegen eines schweren Dienstvergehens gerechtfertigt sein können. Auch § 353b Abs. 1 StGB lege ab einer Verurteilung von mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe die Annahme desselben nahe (S. 230-232). Die Entscheidung über Disziplinarmaßnahmen gegen den Richter falle in die Zuständigkeit des jeweiligen Dienstgerichts (S. 234), ehrenamtliche Richter seien vom Disziplinarrecht nicht erfasst (S. 235). Der Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes unterliege einer nicht generalisierbaren Einzelfallbetrachtung, die außerstrafrechtliche Konsequenzen in weiten Teilen verbiete (S. 235). Vertragliche bestellte oder beauftragte Amtsträger gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2c) StGB seien den denkbaren Konsequenzen einer Abmahnung, Vertragskündigung und ggf. sogar Schadensersatzforderungen ausgesetzt (S. 236).

Mit dem Hinweis, dass etwaige Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe sowohl im Strafrechtsurteil gleichsam im Rahmen der außerstrafrechtlichen Sanktionsoptionen Berücksichtigung zu finden haben, leitet Schäfer in das fünfte Kapitel über, in welchem er sich in logischer Abfolge seiner Untersuchung mit der „Rechtfertigung oder Entschuldigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht“ befasst (S. 242-309). Der herausgearbeitet umfassende Schutz der Verschwiegenheitspflicht der Amtsträger soll nunmehr dahingehend geprüft werden, „ob sich der Amtsträger als Beschuldigter eines Strafverfahrens auf Rechtfertigungsgründe berufen kann, wenn er seine Verschwiegenheitspflicht im Strafverfahren bricht, um sich gegen die erhobenen Vorwürfe verteidigen zu können“ (S. 242). Bei zwar anderslautender Begründung sei das Ergebnis für alle Amtsträger gleichermaßen gültig und wirke sowohl auf die strafrechtlichen wie auf die außerstrafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten (S. 242).

Prägnant aber dennoch präzise kommt Schäfer zu dem unkritischen Schluss, dass sowohl die Notwehr gem. § 32 StGB als auch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 193 StGB nicht einschlägig seien, einen Bruch der Verschwiegenheitspflicht zu rechtfertigen (S. 245-250), um sich sodann intensiv dem potentiell einschlägigen rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB zu widmen (S. 250-304).

Nach umfassender und durchaus horizonterweiternder Erörterung rechtsphilosophischer Grundlagen des rechtfertigenden Notstandes gelangt Schäfer zu der Auffassung, dass sich aus dem Utilitaritätsprinzip bezüglich des Untersuchungsgegenstandes keine Rechtfertigung herleiten lasse (S. 258). Im Weiteren legt er das Solidaritätsprinzip zu Grunde, welches es erlaube, „weitere Erwägungen dahingehend anzustellen, ob der Amtsträger das Amtsgeheimnis brechen darf, um sich zu verteidigen“ (S. 262). Zur differenzierten Betrachtung bedient sich Schäfer derjenigen Fallkonstellationen, welche im Diskurs um das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ bereits Berücksichtigung fanden. In Voraussetzung des Vorrangs gesetzlicher Verfahren (S. 262-267) gelangt Schäfer diskursiv zu der Auffassung, dass die verfahrensrechtlich geregelten Rechtsmittel gegen die Versagung einer Aussagegenehmigung einen Rückgriff auf den rechtfertigenden Notstand ausschließen (S. 268/269). Gleiches gelte bei einer derart gelagerten gerichtlichen Entscheidung, die eine „institutionalisierte Duldungspflicht des Amtsträgers“ begründe (S. 269). Die Konstellation der noch fehlenden gerichtlichen Überprüfung der Aussagegenehmigung, die dem Beschuldigten nicht ermöglicht würde, sei als Verfahrenshindernis zu deklarieren, womit eine Rechtfertigung nicht von Belang sei (S. 271/272). Zur Frage der Voraussetzungen, unter denen dieses Verfahrenshindernis bestehe, stellt Schäfer sich gegen die falldifferenzierende Ansicht des BGH, welche er als „unzulässige Abwägung“ einstufe, um sodann eine generelle Annahme desselben zu konstatieren (S. 274). Das bewusste, entgegen besseren Wissens um die Notwendigkeit, Absehen des Beschuldigten von der Einholung einer Aussagegenehmigung ermögliche weder den Rückgriff auf das Notstandsrecht, noch stelle es ein Verfahrenshindernis dar (S. 275-277). Soweit der Beschuldigte es unterlasse, eine gerichtliche Überprüfung einer Versagung zu veranlassen, greife das Notstandsrecht ebenfalls nicht (S. 277/278). Mit gleichgelagertem Ergebnis in Ergänzung eines etwaigen Verfahrenshindernisses sei der Fall zu entscheiden, in dem die Behörde bei entsprechendem Antrag schlichtweg untätig bleibe (S. 278). Mangels Erfordernisses einer Aussagegenehmigung gelten die verfahrensrechtlichen Einschränkungen für nichtbeamtete Amtsträger als Beschuldigte mangels Konkurrenzsituation gerade nicht, auch ein Verfahrenshindernis lasse sich nicht herleiten (S. 279, 281).

Nach eingehender, multiperspektivisch abwägender und insbesondere auch untersuchungsspezifischer Prüfung der Voraussetzungen des § 34 StGB (S. 281-304) gelangt Schäfer zu der Einschätzung, dass der Amtsträger, namentlich der Beamte und der Richter, sich, mit Ausnahme der Fälle des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses, auch nicht auf den rechtfertigenden Notstand berufen könne (S. 304). Bei abweichender Begründung gelte auch für die nichtbeamteten Amtsträger das gleichlautende Ergebnis (S. 309). Auch andere Rechtfertigungsgründe bzw. der entschuldigende Notstand seien nicht einschlägig (S. 304-309). Der Erwartung einer eindeutigen Antwort auf die Untersuchungsfrage wird Schäfer bei all den herausgearbeiteten Spezifika der einzelnen Amtsträgercharaktere  mit  der Feststellung „Der  Amtsträger  darf  seine Verschwiegenheitspflicht nicht verletzen, um sich zu verteidigen“ (S. 310) damit vollends gerecht. Zudem sei anzuführen, dass „die denkbaren Konstellationen, in denen die Frage tatsächlich Bedeutung erlangen wird, äußerst begrenzt sind“ (S. 316).

Aus Sicht der Rezensentin zeichnet sich die Arbeit von Schäfer durch einen erheblichen Grad an Facettenreichtum, Detailtiefe und Begründungsumfängen aus, die im Ergebnis aufgrund ausgeprägter Argumentationsstärke kaum ein anderes Ergebnis als das dargestellte zulassen. Zumindest bedürfte es einer intensiven Befassung mit der besprochenen Materie, um argumentativ gegenzuhalten, wofür keinerlei Anlass besteht. Zudem gelingt es Schäfer sehr gut, den Spannungsbogen seiner fachlich anspruchsvollen Darstellungen konsequent hochzuhalten, indem er punktuell wiederkehrend auf das zu erwartende Ergebnis reflektiert, ohne selbiges vorwegzunehmen. Die Leserschaft findet durch eine logische und aufeinander aufbauende Struktur stets Orientierung, die fortlaufende thematische Anknüpfung an vorangegangene und folgende Diskurse schafft eine in sich geschlossene Architektur. Dabei versäumt es Schäfer nicht, auch den Blick über den thematischen Tellerrand hinaus zu wagen, um sogleich zum Kern zurückzukehren und am Ende der Arbeit die Untersuchungsfrage mit einem Satz zu beantworten, der bei aller Komplexität des Diskussionsgegenstandes für den Amtsträger als Beschuldigter vielleicht nicht zufriedenstellend, im Ergebnis aber eindeutig ist. Insofern wird hier eine eindeutige Empfehlung für die thematische interessierte Leserschaft ausgesprochen.

 

 

[1]     Der Aufsatz ist zu finden unter Bohnert, NStZ 2004, 301.
[2]     Bohnert, NStZ 2004, 301 (309).
[3]     Allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden ausschließlich männliche Begriffsbezeichnungen verwendet. Diese sind so zu verstehen, als dass sowohl weibliche, als auch männliche Personen sowie diverse Geschlechtsformen gemeint sind.

 

 

 

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