„Null Toleranz – Bagatellen bestrafen?“

von Prof. Dr. Elisa Hoven, GenStA Hans Strobl und Prof. Dr. Jörg Kinzig

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A. Einführung

von Prof. Dr. Elisa Hoven[1]

Am 8. Mai 2019 fanden die zweiten „Rechtspolitischen Gespräche“ an der Universität Leipzig statt. Die Gespräche widmen sich aktuellen rechtspolitischen Fragen und richten sich sowohl an Studierende als auch an die interessierte Öffentlichkeit. Ziel der Gespräche ist es, gesellschaftlich relevante und kontroverse juristische Fragen mit einem breiten Publikum zu diskutieren. Anlass für die Rechtspolitischen Gespräche in diesem Semester war eine Rundverfügung des sächsischen Generalstaatsanwalts Hans Strobl, mit der er ein konsequenteres Vorgehen gegen Bagatellstraftaten forderte. Mit Herrn Strobl diskutierte Professor Dr. Jörg Kinzig, der die Rundverfügung aus kriminologischer Perspektive – kritisch – betrachtete. Die Vorträge von Herrn Strobl und Herrn Kinzig sind im Folgenden abgedruckt. Zuvor soll jedoch ein kurzer Blick auf den Umgang des deutschen Strafrechts mit Bagatelldelikten geworfen werden.

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Bemerkungen zu § 219a StGB in seiner neuen Fassung

von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch

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Abstract
Am 21. Februar 2019 hat der Deutsche Bundestag mit der Mehrheit der Abgeordneten von CDU/CSU und SPD die Ergänzung des § 219a StGB um einen Absatz 4 auf der Grundlage eines Gesetzesentwurfs der Koalition[1] beschlossen. Nicht nur dieser neue Gesetzestext, sondern auch die unverändert fortbestehenden älteren Bestandteile des § 219a StGB sind diskussionsbedürftig, zumal die Forderung nach ersatzloser Streichung des Paragraphen weiterhin im Raum steht. Die Forderung erscheint mir nicht nur aus (kriminal)politischen, sondern auch aus strafrechtsdogmatischen Gründen berechtigt. Letzterer Aspekt wird jedoch in der Debatte vernachlässigt. Das ist hoffentlich kein Symptom für wachsende Geringschätzung der wichtigen Begrenzungsfunktion, die Strafrechtsdogmatik gegenüber der Kriminalpolitik hat. Allerdings weckt der unreflektierte Umgang mit der Figur „abstraktes Gefährdungsdelikt“ kombiniert mit einem offenbar recht elastischen Verständnis vom strafrechtlich zu schützenden „Rechtsgut“ Bedenken. Nicht mehr der Schutz eines Rechtsgutes, sondern die Befriedigung eines (angeblichen) gesellschaftlichen Bedürfnisses nach Organisation des Zusammenlebens zum Zwecke der Vorbeugung gegenüber künftigen Rechtsgutsverletzungen wird zur Legitimationsbasis einer Strafvorschrift erklärt und dem pönalisierten Verhalten zwecks Anschluss an die Dogmatik das offenbar grenzenlos verwendbare Etikett „abstraktes Gefährdungsdelikt“ angeheftet.  Mancher zu § 219a StGB veröffentlichte Text klingt wie ein – von der Autorin möglicherweise so gar nicht gemeintes – Plädoyer für eine moralische Ertüchtigung der Gesellschaft mittels  Strafrecht. Das wäre eine Zweckentfremdung des Strafrechts, da der Staat nicht das Recht hat, den Bürgern ein bestimmtes moralisches Verhalten vorzuschreiben. Zwang zu ethisch hochwertigem Verhalten mittels Strafrecht ist nur legitim, wenn es in Wirklichkeit um die Verhinderung strafwürdiger Rechtsgutsverletzungen geht.

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Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in der digitalen Welt – Kritische Betrachtung des Referentenentwurfs zum IT-Sicherheitsgesetz 2.0 unter systematischen Gesichtspunkten

von Ass. iur. Nicole Selzer 

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Abstract
Die vom Referentenentwurf vorgesehenen Änderungen, insbesondere die Anpassung der Strafrahmen der §§ 202a ff., 303a f. StGB sowie die Erweiterung um Qualifikationstatbestände, würden die Computer- und Internetdelikte von ihrem bagatellhaften Gewand befreien. Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in der digitalen Welt würde hierdurch deutlich verbessert werden. Die Betrachtung des Referentenentwurfs unter systematischen Gesichtspunkten offenbart allerdings auch einigen Anpassungsbedarf.

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„Containern“ – Strafbar aber nicht strafwürdig?

von Prof. Dr. Anja Schiemann

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Abstract
Die Diskussion um die Strafwürdigkeit des sog. Containerns ist seit einer Entscheidung des AG Fürstenfeldbruck, in der zwei Studentinnen zu 8 Stunden Sozialarbeit und einer Geldstrafe unter Strafvorbehalt verurteilt wurden,[1] neu entbrannt. Auf einer Petitionsplattform wurden bereits über 100.000 Unterschriften für eine Gesetzesänderung gesammelt.[2] Im April dieses Jahres hat die Fraktion Die Linke anlässlich des Falls einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, einen „Gesetzentwurf vorzulegen, durch den die Aneignung entsorgter Lebensmittelabfälle von der Strafverfolgung ausgenommen wird“.[3] Die Diskussion ist nicht neu und wird regelmäßig nach Verurteilungen geführt – häufig sind Verurteilungen glücklicherweise nicht, oftmals wird das Verfahren eingestellt. Dennoch birgt das Containern gerade wegen der unterschiedlichen Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften Strafbarkeitsrisiken, obwohl die Strafwürdigkeit eines solchen Verhaltens mehr als fraglich ist. Der Beitrag beleuchtet die geltende Rechtslage und setzt sich mit der Frage auseinander, ob de lege ferenda eine Ergänzung des § 242 StGB Not tut oder andere Möglichkeiten bestehen, das Containern an sich einzudämmen, hat es doch häufig ideologische Hintergründe und soll ein Zeichen setzen gegen Lebensmittelverschwendung.

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Datenschutzrechtliche Schattengewächse in den Ländern – Herausforderungen bei der Umsetzung der JI-Richtlinie für die Polizei –

von Dr. Sebastian J. Golla

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Abstract
Dieser Beitrag untersucht die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 (JIRL) durch die neuen Polizei- und Datenschutzgesetze der Länder. Er gibt einen kurzen Überblick über die abgeschlossenen und laufenden Verfahren hierzu und untersucht einige Problemschwerpunkte bei der Umsetzung. Defizite weisen die Regelungen zur Einwilligung, den Ausnahmen von Betroffenenrechten sowie zu den Befugnissen der Datenschutzaufsicht auf.

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Frank Schmidt: Polizeiliche Videoüberwachung durch den Einsatz von Bodycams

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Arno Glauch 

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2018, Nomos, Baden Baden, ISBN:978-3-8487-5106-8, S. 520, Euro 119,00

I. Einleitung

Aufgrund der bestehenden technischen Möglichkeiten kommt zunehmend der Einsatz von Bodycams durch Polizeibeamte in Betracht. Anknüpfungspunkt der Untersuchung ist die von den Gesetzgebern zur Begründung behaupteten präventiven Wirkungen zur Deeskalation von Konflikten. Dabei stellen sich die Fragen nach der rechtlichen Zulässigkeit und den damit verbundenen Grenzen. In diesem Rahmen werden die verfassungsrechtlichen Anforderungen auch unter Berücksichtigung des zu schützenden Kernbereichs privater Lebensgestaltung geprüft.

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Benno Zabel (Hrsg.): Strafrechtspolitik – Über den Zusammenhang von Strafgesetzgebung, Strafrechtwissenschaft und Strafgerechtigkeit

von Prof. Dr. Anja Schiemann

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2018, Nomos, Baden-Baden, ISBN: 978-3-8487-4706-1,    S. 263, Euro 69,00.

Obwohl der Tagungsband erst 2018 erschienen ist, sind die darin enthaltenen Beiträge aus einer Tagung hervorgegangen, die bereits im Juni 2016 an der Universität Bonn stattfand. Da es sich aber um grundlegende Aufsätze rund um das Thema Strafrechtspolitik und nicht um die Aufarbeitung von – damals – aktuellen kriminalpolitischen Gesetzesvorhaben handelt, kommt ihnen auch aktuell Bedeutung zu.

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Martin Schäfer: Der Amtsträger als Beschuldigter – Eine Untersuchung zur Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht als Mittel der Verteidigung im Strafverfahren

von Anke Arkenau 

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2018, Duncker & Humblot GmbH, Berlin, ISBN: 978-3-428-15457-9, S. 343, Euro 89,90.

Der Titel „Der Amtsträger als Beschuldigter“ der vorliegenden Dissertation von Schäfer mutet auf den ersten Blick beinahe paradox an, eröffnet bei einem zweiten, intensiveren Blick jedoch ein rechtlich wie tatsächlich spannendes und bereits bis zur höchstrichterlichen Rechtsprechung durchgedrungenes Themenfeld, dessen potenzieller Adressatenkreis auf allen Seiten denkbarer Beteiligter zu suchen und zu finden sein dürfte. Die Initialzündung zur thematischen Befassung verortet Schäfer in einem Aufsatz vonBohnert[1] und dessen Fazit „Manche sitzen zwischen den Stühlen, der beschuldigte Amtsträger zwischen den Grundsätzen. Es geht ihm dort nicht gut. Noch schlechter dem Bestimmtheitsgrundsatz“[2]. Das Spannungsfeld zwischen der strafrechtlich relevanten Pflicht zur Verschwiegenheit und dem mit Verfassungsrang ausgestatteten Recht auf umfassende Verteidigung im Strafverfahren beschreibt Schäfer schlicht aber treffend als „missliche[n] Lage“ (S. 21), aus der er den Amtsträger[3] am Endeseiner Arbeit eindeutig befreien wird. Schäfer beansprucht für sich eine besondere Vielschichtigkeit des zu führenden Diskurses (S. 21 f.), um „überraschend klar“ zu münden (S. 22). Er fokussiert dabei auf den „Geheimnisbruch[s] zu Verteidigungszwecken“ der Verschwiegenheit im öffentlichen Interesse, allenfalls flankierend hinsichtlich individueller Drittinteressen und der Frage einer etwaigen Rechtfertigung und/oder Entschuldigung derselben (S. 23).

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Bericht zur Tagung des Arbeitskreises Empirische Polizeiforschung

von Ass. iur. Maren Wegner, M.A.

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I. Einleitung

Vom 4. bis 6. Juli 2019 fand die 23. Fachtagung des Arbeitskreises der Empirischen Polizeiforschung[1] als interdisziplinäres Forum mit dem diesjährigen Themenschwerpunkt „Polizei und Migration“ statt. 80 Wissenschaftler*innen aus Deutschland und Österreich diskutierten über aktuelle Forschungsprojekte und neueste Erkenntnisse zur Migrationsforschung mit polizeilichem Themenbezug. Als Gastgeber der in der Historie des Arbeitskreises teilnehmerreichsten Veranstaltung fungierte die Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres (SIAK) – die Bildungs- und Forschungseinrichtung für die Bediensteten des Bundesministeriums in Österreich.[2]

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Deckblatt - Heft - 4-2019

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