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KriPoZ-RR, Beitrag 46/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 20.01.2021 – GSSt 2/20: Zur Einziehung im Jugendstrafrecht

Amtlicher Leitsatz:

Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c Satz 1 StGB) steht auch bei Anwendung von Jugendstrafrecht nicht im Ermessen des Tatgerichts.

Sachverhalt:

Das LG München II hatte den Angeklagten nach Jugendstrafrecht wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und weiteren Betrugsdelikten verurteilt. Von einer Einziehung der Taterträge hatte es jedoch abgesehen, da die Einziehung nach der Reform des Vermögensabschöpfungsrechts nun im Ermessen des Tatgerichts stünde und es der Erziehungsgedanken in diesem Verfahren geboten hätte, von einer Einziehung abzusehen, um den Angeklagten nicht komplett zu demotivieren.

Der 1. Strafsenat hat dieser Rechtsauffassung folgen wollen. Allerdings hat er sich aufgrund divergierender Rechtsprechung des 4. und 6. Senats daran gehindert gesehen und deshalb dem Großen Strafsenat die Frage vorgelegt, ob die Entscheidung über die Einziehung von Taterträgen nach § 73c Satz 1 StGB im Jugendstrafverfahren im Ermessen des Tatgerichts liege.

Entscheidung des Großen Senats:

Der Große Senat sprach sich gegen einen besonderen jugendstrafrechtlichen Ermessenvorbehalt aus.

Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung habe keine speziellen Auswirkungen auf das Jugendstrafrecht gehabt.

§ 73c Satz 1 StGB sei als zwingendes Recht ausgestaltet und gehöre zu den allgemeinen Vorschriften, die gem. § 2 Abs. 2 JGG direkt auch im Jugendstrafrecht anwendbar seien, wenn dort nichts Anderes bestimmt sei. Eine solche andere Bestimmung ergebe sich nicht aus § 8 Abs. 3 Satz 1 JGG, da dieser lediglich die Kumulation von Rechtsfolgen betreffe.

Bereits die frühere gesetzliche Regelung habe für eine obligatorische Verfallsanordnung im Jugendstrafrecht gesorgt. Bei der Reform habe der Gesetzgeber dieses Regelungskonzept beibehalten und sich für eine Härtefallklause im Vollstreckungsrecht entschieden. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber dieses Regelungskonzept nicht auf das Jugendstrafverfahren zur Anwendung kommen lassen wollte. Würde man nun besondere Ermessenstatbestände im JGG annehmen, würde die Härtefallklausel im Vollstreckungsrecht für das Jugendstrafverfahren leerlaufen.

Es sei auch mit den Prinzipien des Jugendstrafverfahrens zu vereinbaren, dass das gesetzgeberische Regelungskonzept der Vermögensabschöpfung auf diesen Bereich übertragen und bei jugendlichen Straftätern ebenfalls zur Anwendung komme.

Indem das Hauptverfahren so von aufwendigen Finanzermittlungen freigehalten werde, streite dieses Regelungskonzept sogar für den im Jugendstrafverfahren so gewichtigen Beschleunigungsgrundsatz, so der BGH.

Zudem könnte nicht von der Unzulässigkeit der Geldstrafe im Jugendstrafrecht auf eine Unzulässigkeit der Vermögensabschöpfung geschlossen werden, da diese keinen strafähnlichen Charakter aufweise.

Da der Verurteilte durch die Härtefallklausel des § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO wirksam geschützt sei und diese auch im Jugendstrafverfahren anwendbar sei, bestünden keine Gründe für einen Ermessensvorbehalt der Einziehungsentscheidung.

 

Anmerkung der Redaktion:

Der Gesetzgeber hatte das Recht der Vermögensabschöpfung im  Jahr 2017 umfassend reformiert. Auf besondere Anpassungen im Jugendstrafrecht verzichtete er dabei. Die Historie des Reformvorhabens finden Sie hier.

Am 10. März 2020 beschloss der vierte Senat (Beschl. v. 10.03.2020 – 4 ARs 10/19), dass er an seiner Rechtsprechung festhalte und damit dem Anfragebeschluss des ersten Senats (Beschl. v. 11.07.2019 – 1 StR 467/18) nicht stattgebe. Der sechste Senat beschloss am 1. Dezember 2020 ebenfalls, dass er sich der Meinung des vierten Senats anschließe und von keinem besonderen Ermessensvorbehalt ausgehe (BGH, Beschl. v. 01.12.2020 – 6 ARs 15/20).

Daraufhin beschloss der erste Senat, dem großen Senat für Strafsachen folgende Frage vorzulegen:

Steht die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c Satz 1 StGB im Jugendstrafverfahren im Ermessen des Tatgerichts (§ 8 Abs. 3 Satz 1 JGG)?

Den Vorlagebeschluss finden Sie hier: Beschl. v. 08.07.2020 – 1 StR 467/18.

 

 

 

 

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