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BGH, Urt. v. 21.09.2022 – 6 StR 47/22: Kein Totschlag durch Unterlassen im “Flutkanal-Prozess“
Sachverhalt:
Die Angeklagten hatten zusammen mit dem Geschädigten erhebliche Mengen Alkohol konsumiert. Der Geschädigte begab sich zum Flußkanal hinab, der sich in der Nähe befand. Allen Angeklagten war bewusst, dass sich der Geschädigte in einer hilflosen Lage befand. Dieser schluchzte und bat um Hilfe. Schließlich fiel der Geschädigte in den Flutkanal und ertrank. Die Angeklagten wurden wegen Aussetzung mit Todesfolge bzw. unterlassener Hilfeleistung zu Freiheitsstrafen verurteilt, deren Vollstreckung das LG Weiden i.d. Opf. im Falle des Angeklagten Go zur Bewährung aussetzte.
Entscheidung des BGH:
Der BGH verwarf die Revisionen der Angeklagten und der Nebenkläger. Die Angeklagten rechneten nicht damit, dass sich die Gefahr des Todes realisieren würde. Auch war der Tod des Geschädigten den Angeklagten nicht gleichgültig noch fanden sie sich damit ab, womit der Senat das Urteil des LG bestätigt.
Der Angeklagte Go habe keine Garantenstellung i.S.d. § 13 StGB gehabt, weshalb auch die Verurteilung gemäß § 323c Abs. 1 StGB keine Rechtsfehler aufweise. Der Senat verweist auf die Grundsätze der Garantenstellung im Bereich der unechten Unterlassungsdelikte, die im vorliegenden Fall heranzuziehen waren. Für jedermann geltende Hilfspflichten (§ 323c Abs. 1 StGB) seien zu unterscheiden von der Beistandspflicht i.S.d. § 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Letztere entfalle erst in folgenden Fällen:
- eine anderweitige Gefahrenvorsorge kann getroffen werden
- die hilflose Lage entfällt
- Hilfe ist erkennbar nicht gewollt.
Auf die Angeklagten habe keine der Fälle zugetroffen. Der Geschädigte habe sich durch seine erhebliche Intoxikation bereits in einer lebensgefährlichen Lage befunden, bevor er in den Kanal fiel. Die der Aussetzung typischen Gefahr habe sich durch den Eintritt der schweren Folge verwirklicht.