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Reform des § 142 StGB – Herabstufung der Unfallflucht nach reinen Sachschäden zur Ordnungswidrigkeit

 

Das BMJ plant, den Straftatbestand der Unfallflucht zu reformieren. Um nicht das Strafrecht zum Schutz zivilrechtlicher Ansprüche einzusetzen, soll das unerlaubte Entfernen vom Unfallort bei Sachschäden nur noch als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Eine Vielzahl von Verbänden wurden daher um eine Stellungnahme bis zum 23. Mai 2023 gebeten. Die veröffentlichten Stellungnahmen finden Sie hier

Bereits 2018 haben die Experten des Arbeitskreises III des 56. Verkehrsgerichtstages diesbezüglich Empfehlungen ausgesprochen (die komplette Dokumentation des 56. Verkehrsgerichtstages finden Sie hier): 

„Arbeitskreis III
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

  1. Die strafrechtlichen und versicherungsvertragsrechtlichen Regelungen zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort führen zu gewichtigen Rechtsunsicherheiten. Dadurch können Verkehrsteilnehmer überfordert werden. Vor diesem Hintergrund erinnert der Arbeitskreis daran, dass § 142 StGB ausschließlich dem Schutz Unfallbeteiligter und Geschädigter an der Durchsetzung berechtigter und der Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche dient.
  2. Der Arbeitskreis empfiehlt mit überwiegender Mehrheit dem Gesetzgeber zu prüfen, wie eine bessere Verständlichkeit des § 142 StGB erreicht werden kann, insbesondere durch eine Begrenzung des Unfallbegriffs auf Fortbewegungsvorgänge und eine Präzisierung der Wartezeit bei Unfällen mit Sachschäden bei einer telefonischen Meldung, etwa bei einer einzurichtenden neutralen Meldestelle.
  3. Der Arbeitskreis fordert mit überwiegender Mehrheit den Gesetzgeber auf, die Möglichkeiten der Strafmilderung oder des Absehens von Strafe bei tätiger Reue in § 142 Abs. 4 StGB zu reformieren. Dabei sollte die Begrenzung auf Unfälle außerhalb des fließenden Verkehrs entfallen und die Regelung auf alle Sach- und Personenschäden erweitert werden.
  4. Der Arbeitskreis fordert mit knapper Mehrheit, dass das unerlaubte Entfernen vom Unfallort bei Sachschäden nicht mehr im Regelfall zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis führt. Die Worte »oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden« in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB sollten gestrichen werden. Der Arbeitskreis empfiehlt, bis zu einer gesetzlichen Änderung einen Regelfall der Entziehung der Fahrerlaubnis nur noch bei erheblichen Personen- und besonders hohen Sachschäden (ab 10.000 EUR) anzunehmen.
  5. Der Arbeitskreis hält es für notwendig, den Inhalt der auf das Verbleiben an der Unfallstelle bezogenen versicherungsvertraglichen Aufklärungsobliegenheit den strafrechtlichen Pflichten nach § 142 StGB entsprechend zu verstehen. Er fordert die Versicherer auf, dies durch unmittelbare Bezugnahme auf § 142 StGB in den AKB klarzustellen.“

Im Januar 2024 hat sich der Arbeitskreis V des 62. Verkehrsgerichtstages mit der Frage „Weniger Strafe bei Unfallflucht?“ beschäftigt und folgende Empfehlungen ausgesprochen: 

  1. Der Arbeitskreis ist einheitlich der Auffassung, dass die Vorschrift des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) reformiert werden sollte. Angesichts der Komplexität der Vorschrift sind Verkehrsteilnehmer und Geschädigte vielfach überfordert. Der Arbeitskreis empfiehlt, die Vorschrift im Hinblick auf die Rechte und Pflichten verständlicher und praxistauglicher zu formulieren.
  2. Der Arbeitskreis ist mit großer Mehrheit der Ansicht, dass auch nach Unfällen mit Sachschäden das unerlaubte Entfernen vom Unfallort weiterhin strafbar bleiben soll. Eine Abstufung solcher Fälle zur Ordnungswidrigkeit wird abgelehnt.
  3. Der Arbeitskreis empfiehlt mit großer Mehrheit die Festlegung einer Mindestwartezeit.
  4. Der Arbeitskreis empfiehlt mit großer Mehrheit, dass Unfallbeteiligte ihren Verpflichtungen am Unfallort bzw. den nachträglichen Mitwirkungspflichten auch durch Information bei einer einzurichtenden, zentralen und neutralen Meldestelle nachkommen können. Bei dieser sind die für die Schadensregulierung notwendigen Angaben zu hinterlassen.
  5. Der Arbeitskreis empfiehlt mehrheitlich erneut, die Voraussetzungen der tätigen Reue in § 142 Abs. 4 StGB zu ändern:
    a) Die Begrenzung auf Unfälle außerhalb des fließenden Verkehrs soll entfallen.
    b) Tätige Reue soll bei jeder Unfallflucht innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall möglich sein.
    c) Die Freiwilligkeit der nachträglichen Meldung bei der tätigen Reue sollte beibehalten werden.
    d) Tätige Reue soll zur Straffreiheit führen.
  6. Der Arbeitskreis ist mehrheitlich der Ansicht, dass das unerlaubte Entfernen vom Unfallort bei Sachschäden nicht als Regelfall für die Entziehung der Fahrerlaubnis geeignet ist. Er empfiehlt deshalb, die Regelvermutung in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB auf die Fälle zu beschränken, bei denen ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden ist.

 

 

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