Gesetzentwürfe:
- Referentenentwurf
- Synopse zum Referentenentwurf
- Stellungnahmen zum Referentenentwurf
- Regierungsentwurf
- Informationspapier zum Regierungsentwurf
- Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drs. 20/12608)
Am 5. Juli 2024 brachte das BMJ einen Referentenentwurf zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften sowie sonstigen dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten auf den Weg. Angriffe auf diesen Personenkreis seien von Verrohungstendenzen geprägt, die gravierende Auswirkungen haben können. Dabei seien nicht nur die individuellen Folgen für die Opfer in den Blick zu nehmen, denn solche Angriffe beeinträchtigen die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens gravierend und erschüttern den gesellschaftlichen Zusammenhalt, so der Entwurf. Es sei zu befürchten, dass im Gemeinwohl tätige Personen sich von solchen Tätigkeiten zurückziehen oder solche Ämter per se gemieden werden. Über die bereits im StGB enthaltenen Einzeltatbestände hinaus, soll der erhöhte Unrechtsgehalt bei Taten gegen Personen, die sich für das Gemeinwohl engagieren, in den allgemeinen Vorschriften zur Strafzumessung berücksichtigt werden. Gezielt sieht der Entwurf auch die Verbesserung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten:innen und Personen, die Vollstreckungsbeamten:innen gleichstehen vor. Angriffe auf diesen Personenkreis seien nicht hinnehmbar und müssten konsequent strafrechtlich verfolgt werden. Zudem seien sie in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, was unterstreiche, dass es ein klares rechtspolitisches Signal bedürfe, das die besondere Verwerflichkeit verdeutliche und so den Schutz von Vollstreckungsbeamten:innen und Rettungskräften weiter stärke. Der Entwurf sieht daher vor, § 46 Abs. 2 S. 2 StGB dahingehend zu ergänzen, dass hinsichtlich der verschuldeten Auswirkungen der Tat auch solche von Belang sein können, die geeignet sind, „eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit nicht nur unerheblich“ zu beeinträchtigen. Zudem sollen die Regelbeispiele für besonders schwere Fälle in § 113 Abs. 2 S. 2 StGB ergänzt werden. „Ein besonders schwerer Fall soll regelmäßig auch dann vorliegen, wenn die Tat mittels eines hinterlistigen Überfalls begangen wird. Diese Begehungsweise ist als besonders gefährlich etwa für die angegriffenen Polizei- und Rettungskräfte und als besonders verwerflich zu bewerten.“ Daher soll künftig „unabhängig vom Vorliegen anderer Regelbeispiele regelmäßig der erhöhte Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe Anwendung finden.“ So komme der spezifische Unrechtsgehalt deutlicher zum Ausdruck.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann dazu: „Wer sich in den Dienst unserer Gesellschaft stellt, verdient unseren Schutz. Das gilt im Beruf, zum Beispiel als Rettungskraft oder Polizist, und auch im Ehrenamt, etwa beim Engagement in einer Partei oder Bürgerinitiative. Deshalb werden wir das Strafgesetzbuch anpassen, um Angriffe auf diese Personengruppen künftig noch effektiver sanktionieren zu können. So stärken wir den Schutz für die Menschen, die sich besonders für unsere Gesellschaft und ihre Mitmenschen einsetzen.“
Am 4. September 2024 veröffentlichte das BMJ einen Regierungsentwurf zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften sowie sonstigen dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten. Der Regierungsentwurf orientiert sich weitgehend an dem Inhalt des Referentenentwurfs, beinhaltet aber einzelne Modifikationen.
Der Regierungsentwurf hält an der geplanten Ergänzung des § 46 Abs. 2 S. 2 StGB fest. Danach sollen Gerichte bei der Strafzumessung auch die Auswirkungen der Tat auf eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit berücksichtigen. Diese Aspekte können de lege lata jedoch bereits von Gerichten bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, wodurch die Ergänzung allein zur Klarstellung und Bekräftigung der geltenden Rechtslage diene. Vielmehr soll die Ergänzung die Gerichte und Ermittlungsbehörden tiefergehend für die konkreten Tatauswirkungen sensibilisieren. Zudem soll auch an der geplanten Ergänzung des § 113 Abs. 2 StGB festgehalten werden, wonach zukünftig ein neues Regelbeispiel in § 113 Abs. 2 S. 2 StGB eingefügt wird. Dadurch soll eine Tatbegehung mittels hinterlistigen Überfalls, die regelmäßig einen besonders schweren Fall des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte darstelle, mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden. Die Vorschrift ist trotz ihrer Verortung in § 113 Abs. 2 S. 2 StGB nicht nur auf Vollstreckungsbeamte anwendbar; vielmehr gelten gem. § 115 StGB die Vorschriften der §§ 113 f. für andere, den Vollstreckungsbeamten gleichgestellte Personengruppen entsprechend. Die Ergänzung soll unter anderem den Respekt und die Wertschätzung für die jeweiligen Personengruppen unterstreichen.
Eine im Referentenentwurf noch nicht enthaltene, jedoch im Regierungsentwurf postulierte Änderung ist die Erweiterung des Anwendungsbereiches der §§ 105 und 106 StGB auch die europäische und kommunale Ebene. Danach sollen auch europäische und kommunale Organe gesondert geschützt werden, um die Funktionsfähigkeit und -freiheit dieser Ebenen der Demokratie zu gewährleisten. Abschließend will der Regierungsentwurf nunmehr den Weg für den Einsatz von Tasern bei Ausübung öffentlicher Gewalt ebnen. Der Regierungsentwurf schlägt eine Ergänzung des § 2 Abs. 4 S. 1 UzwG vor, wonach Distanz-Elektroimpulsgeräte (DEIG) ausdrücklich in der genannten Rechtsvorschrift benannt werden sollen. Bisher wurde in der rechtswissenschaftlichen Forschung in Frage gestellt, inwiefern sich DEIG unter die bislang in § 2 Abs. 4 UZwG genannten Waffengruppen fassen lassen. Durch die Ergänzung soll eine rechtssichere Grundlage zur Nutzung von Tasern bereitgestellt werden.
Der Bundesrat hat am 10.9.2024 den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Amts- und Mandatsträgerinnen und -trägern dem Bundestag vorgelegt (BT-Drs. 20/12608). Derzeit sei die gezielte Einschüchterung von Amts- und Mandatsträgern nicht hinreichend vom Strafrecht erfasst; vielmehr sei der strafrechtliche Schutz überwiegend auf individuelle Rechtsgüter von Geschädigten fokussiert. Daher sollen die vorgeschlagenen strafrechtlichen Änderungen bzw. Ergänzungen darüber hinaus gehen und auch die Funktionsfähigkeit der rechtsstaatlichen Institutionen sicherstellen. Zudem soll dieser Schutz auch auf die europäische und kommunale Ebene ausgeweitet werden, wo bisher nur ein selektiver Schutz gewährleistet wird.
Die Bundesregierung zeigte sich im Rahmen ihrer Stellungnahme offen gegenüber den vorgeschlagenen Änderungen. Jedoch wurde bereits darauf hingewiesen, dass bestimmte, zu schützende Personenkreise im Entwurf nicht hinreichend konkretisiert worden sind (z.B. „Europäische Amtsträger“). Es sei hierbei unklar, inwieweit dadurch eine EU-weite Zuständigkeit ausgelöst werde.