Tatbestandsmerkmal „als Zeuge“ in § 153 StGB als besonderes persönliches Merkmal

BGH, Beschl. v. 5.2.2024 – 3 StR 470/23 (Vollversion)

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Das die Strafbarkeit begründende Tatbestandsmerkmal „als Zeuge“ in § 153 StGB ist kein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28Abs. 1 StGB, sondern ein tatbezogenes persönliches Merkmal, auf welches die Norm keine Anwendung findet.

Gründe:

 I. 

1      Das Landgericht Aurich hatte den Angeklagten mit Urteil vom 3. Juni 2021 wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Auf seine Revision hatte der Senat mit Beschluss vom 8. März 2022 (3 StR 398/21, NStZ-RR 2022, 133) das Urteil im Strafausspruch unterAufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2      Im zweiten Rechtsgang hatte das Landgericht Aurich den Angeklagten mit Urteil vom 19. September 2022 auf Grundlage des rechtskräftigen Schuldspruchs zu derselben Freiheitsstrafe wie zuvor verurteilt. Auf seine Revision hatte der Senat mit Beschluss vom 11. Januar 2023 (3 StR445/22, NStZ 2024, 154) das Urteil unter Aufrechterhaltung der Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidungan eine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückverwiesen.

3      Nunmehr hat das Landgericht Oldenburg den Angeklagten im dritten Rechtsgang zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

II. 

4      Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils hat zum noch allein in Rede stehenden Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

5      Das Landgericht hat insbesondere rechtsfehlerfrei den sich aus den §§ 153, 26 StGB ergebenden Strafrahmen zu Grunde gelegt und keine Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen. Denn das die Strafbarkeit begründende und vom Angeklagten als Anstifter nicht verwirklichte Tatbestandsmerkmal „als Zeuge“ in § 153 StGB ist kein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB, sondernein tatbezogenes persönliches Merkmal, auf welches die Norm keine Anwendung findet (vgl. ohne ausdrückliche Erörterung BGH, Urt. v.18.3.1976 – 4 StR 77/76, BGHSt 27, 74, 76; v. 18.10.1978 – 2 StR 368/78, BGHSt 28, 155, 156; v. 5..4.2007 – 4 StR 5/07, wistra 2007, 341,342; Besch. v. 11.12.2013 – 2 StR 478/13, NJW 2014, 1403; v. 29.8.2017 – 4 StR 116/17, juris Rn. 7 f.).

6      Hierzu gilt:

7      1. Im Ausgangspunkt ist zwischen täterbezogenen persönlichen Merkmalen, die als besondere persönliche Merkmale im Sinne des § 28 Abs. 1StGB behandelt werden, und tatbezogenen persönlichen Merkmalen, auf welche die Vorschrift keine Anwendung findet, zu unterscheiden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v.  29.9.1993 – 2 StR 336/93, BGHSt 39, 326, 327 f.; v.  25.1.1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1 f. mwN; v.  23.10.2018 – 1 StR454/17, BGHSt 63, 282 Rn. 15; Besch. v. 24.3.2021 – 4 StR 416/20, BGHSt 66, 66 Rn. 8; kritisch Herzberg, ZStW 88 [1976], 68 [79 ff.]; Geppert, ZStW 82 [1970], 40 [57 f.]; Langer, in: FS-Lange, 1976, S. 241 [258]; vgl. auch Fischer, StGB, 71. Aufl. [2024], § 28 Rn. 3 f.).

8      Die Abgrenzung hängt davon ab, ob das betreffende Merkmal im Schwergewicht die Tat oder die Persönlichkeit des Täters kennzeichnet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 29.9.1993 – 2 StR 336/93, BGHSt 39, 326, 328; v. 25.1.1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 2 mwN; v. 23.10.2018 – 1 StR454/17, BGHSt 63, 282 Rn. 16; Besch. v. 22.1.2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 117 f.; v. 24.3.2021 – 4 StR 416/20, BGHSt 66, 66 Rn. 9).Umstände, die eine besondere Gefährlichkeit des Täterverhaltens anzeigen oder die Ausführungsart des Delikts beschreiben, sind in der Regeltatbezogen. Die Einordnung muss in wertender Betrachtung unter Beachtung des Charakters und der Schutzrichtung des jeweiligen Tatbestandes erfolgen (vgl. BGH, Urt. v.  23.10.2018 – 1 StR 454/17, BGHSt 63, 282 Rn. 16 mwN).

9      Im Bereich der durch Pflichten gekennzeichneten Merkmale ist für die Abgrenzung letztlich maßgeblich, welche Art von Pflicht das Merkmal umschreibt. Handelt es sich um eine vorstrafrechtliche Sonderpflicht, wird eher die Persönlichkeit des Täters gekennzeichnet und ist daher dasMerkmal täterbezogen. Handelt es sich dagegen um ein strafrechtliches, an jedermann gerichtetes Gebot, wird eher die Tat gekennzeichnet und ist damit das Merkmal tatbezogen (vgl. BGH, Urt. v. 25.1.1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 4 f. mwN; v. 23.10.2018 – 1 StR 454/17, BGHSt 63, 282Rn. 17 mwN; Besch. v. 22.1.2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115 Rn. 8 ff.; v. 24.3.2021 – 4 StR 416/20, BGHSt 66, 66 Rn. 9).

10    2. Nach diesem Maßstab, der eine dem jeweiligen Tatbestand gerecht werdende Bestimmung des Unrechtsgehalts der Teilnahmehandlungermöglicht, ist das Merkmal „als Zeuge“ in § 153 StGB ein tatbezogenes persönliches Merkmal, auf welches § 28 Abs. 1 StGB keine Anwendungfindet (im Ergebnis ebenso Müller, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 4. Aufl. [2021], Vor § 153 Rn. 19; Wolters/Ruß, in: LK-StGB, Bd. 9, 13. Aufl. [2022], Vor § 153 Rn. 7; Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. [2019], Vor §§ 153 ff. Rn. 42; Fischer, StGB, 71. Aufl. [2024], Vor§ 153 Rn. 2; Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl. [2023], § 153 Rn. 7; Norouzi, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. [2020], Vor § 153 Rn.3; Sinn, in: SSW-StGB, 6. Aufl. [2024], § 153 Rn. 4; Müller, Falsche Zeugenaussage und Beteiligungslehre, 2000, S. 339 ff.; Grünwald, in: GS-Kaufmann, 1989, S. 555 [563]; Heidland, Die besonderen persönlichen Merkmale im Sinne des § 50 Abs. 2 StGB, 1971, S. 93 ff.; Gerl, Die besonderen persönlichen Merkmale im Sinne des § 28 StGB, 1975, S. 147 ff.; Otto, Grundkurs Strafrecht 2, 7. Aufl. [2004], § 97 Rn. 31; Stein, Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, 1988, S. 338; Roeder, ZStW 69 [1957], 223 [252]; anders dagegen Schünemann/Greco, in: LK-StGB, Bd. 2, 13. Aufl. (2021), § 28 Rn. 63 ff.; Joecks/Scheinfeld, in: MüKo-StGB, Bd. 1, 4. Aufl. [2020], § 28 Rn. 32; Vormbaum, in: NK-StGB, 6. Aufl. [2023], § 153 Rn. 111; Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, 1987, S. 282 ff.; Puppe, in: NK-StGB, § 28 Rn. 70; Hoyer,in: SK-StGB, Bd. 1, 9. Aufl. [2019], § 29 Rn. 37; Zöller, in: SK-StGB, Bd. 3, 9. Aufl. [2019], Vor § 153 Rn. 10; Deichmann, Grenzfälleder Sonderstraftat, 1994, S. 108 f.; Herzberg, GA 1991, 145 [182]; ders., ZStW 88 [1976], 68 [103]; Langer, in: FS-Wolf, 1985, S. 335 [345ff.]; ders., in: FS-Lange, S. 241 ff.; Hake, Beteiligungsstrafbarkeit und „besondere persönliche Merkmale“, 1994, S. 111 f.; Hirsch, ZStW 88 [1976], 752 [771].

11    a) Der Wortlaut des § 153 StGB ermöglicht dieses Auslegungsergebnis. Die Formulierung „als Zeuge“ lässt sich ohne Weiteres sprachlich dahininterpretieren, dass sie denjenigen bezeichnet, der in einer zeugenschaftlichen Vernehmung falsch aussagt. So verstanden, kennzeichnet das Merkmal nicht die Persönlichkeit des Täters, es ist vielmehr Element der Deliktshandlung.

12    b) Dieses Verständnis deckt sich mit der Entstehungsgeschichte der Norm. Das Strafgesetzbuch sah ursprünglich nur die Strafbarkeit der beeidigten Falschaussage vor. Da die ursprünglich obligatorische Beeidigung von Aussagen auf Grund von Neuregelungen in der Straf- und Zivilprozessordnung nicht mehr in jedem Fall erforderlich war, kam es zu straflosen uneidlichen Falschaussagen, weil ein entsprechender Straftatbestand fehlte. Vor diesem Hintergrund wurde durch die Strafrechtsangleichungsverordnung vom 29. Mai 1943 (RGBl. I, 339, 340) der Straftatbestand der falschen uneidlichen Aussage in das Strafgesetzbuch eingefügt. Anlass für dessen Schaffung war mithin allein die Gefahr, die durch unwahre Aussagen von Zeugen (und Sachverständigen) für das Rechtsgut ausgeht, und nicht, dass ihnen eine persönliche Sonderpflicht fürdas Rechtsgut der Rechtspflege zukommt (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.1966 – 4 StR 178/66, BGHSt 21, 116, 117; Gerl, Die besonderen persönlichen Merkmale im Sinne des § 28 StGB, S. 148 f.; Heidland, Die besonderen persönlichen Merkmale im Sinne des § 50 Abs. 2 StGB, S. 94; jeweils mwN).

13    c) Systematische Erwägungen stützen dieses Auslegungsergebnis.

14    aa) Dies gilt zunächst mit Blick auf Struktur und Regelungsgehalt von § 154 StGB. Danach macht sich strafbar, wer vor Gericht oder voreiner anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle falsch schwört. Der Täterkreis ist im Gegensatz zu § 153 StGB nicht beschränkt, sondernerfasst neben dem Meineid des Zeugen als Qualifikationstatbestand (vgl. BGH, Besch. v. 24.10.1955 – GSSt 1/55, BGHSt 8, 301, 309 ff.; Fischer, StGB, § 154 Rn. 1) unter anderem die beeidete Aussage einer Partei im Zivilprozess nach § 452 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 16.2.1968 – 4 StR562/67, JZ 1968, 570; Müller, in: MüKo-StGB, § 153 Rn. 4). Das Gesetz nimmt somit in diesem Zusammenhang keine Strafrahmenabstufung zwischen dem Meineid von Zeugen und von Parteien vor; nach dem Willen des Gesetzgebers verwirklichen sie vielmehr gleichwertiges Unrecht.

15    Im Fall der Teilnahme am Parteienmeineid gemäß § 154 Abs. 1 StGB ergäben sich aus der Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB beim Zeugen im Rahmen der falschen uneidlichen Aussage gemäß § 153 StGB erhebliche Wertungs-widersprüche. Denn es fehlt im Tatbestand des § 154 Abs. 1StGB, der ausdrücklich nur „falsches Schwören“ voraussetzt, ein besonderes persönliches Merkmal, das den Zivilprozessparteien eineSonderpflicht zur Wahrheit auferlegt. Zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung müsste die Gegenauffassung entweder auf die Anwendung des §28 Abs. 1 StGB in Fällen des § 154 StGB gänzlich verzichten oder auch für die Zivilprozesspartei eine Pflichtenstellung hinsichtlich der Wahrheitspflicht annehmen (vgl. Müller, Falsche Zeugenaussage und Beteiligungslehre, S. 358).

16    bb) Eine Rechtfertigung für die Abweichung von der vollakzessorischen Zurechnung als Regelfall ergibt sich weiter nicht aus derStrafrahmendiskrepanz zwischen einer Anstiftung zur eidlichen Falschaussage gemäß §§ 154, 26 StGB und der Verleitung zur Falschaussage gemäß § 160 Hs. 1 StGB.

17    Nach § 160 Hs. 1 StGB ist strafbar, wer einen anderen zur Ableistung eines falschen Eides verleitet. Die Vorschrift soll die Lücke schließen, die sich daraus ergibt, dass es sich bei den §§ 153 ff. StGB um eigenhändige Delikte handelt, die deshalb nicht in mittelbarer Täterschaft begangen werden können (Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 160 Rn. 1; Fischer, StGB, § 160 Rn. 2; kritisch Küper, JZ 2012, 992 [996 f.]).

18    Mit Blick darauf, dass sich die Norm ohnehin nicht bruchlos in die Gesetzessystematik der Aussagedelikte einfügt, können Folgerungen aus ihrjedenfalls nicht ohne Weiteres gezogen werden (vgl. Heidland, Die besonderen persön- lichen Merkmale im Sinne des § 50 Abs. 2 StGB, S. 97; Müller, Falsche Zeugenaussage und Beteiligungslehre, S. 383 f.). So lässt die geringere Strafandrohung in § 160 Hs. 1 StGB für den Nichtzeugen, der täterschaftlich auf das Rechtsgut einwirkt, nicht den Schluss zu, dass die bewusste Falschaussage gemäß § 153 StGB eine besondere Pflichtwidrigkeit des zur Aussage Verpflichteten darstellt, in der ein personaler Unwert zu sehen ist, der die Anstiftung zur Falschaussage gemäߧ§ 153, 26 StGB strafwürdiger erscheinen lässt als eine Verleitung nach § 160 StGB (aA Hoyer, in: SK-StGB, § 28 Rn. 37; Herzberg, GA 1991,145 [182]; ders., ZStW 88 [1976], 68 [103 f.]; Gallas, in: FS-Engisch, 1969, S. 600 [607 ff., 614 f.]; Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 283; Deichmann, Grenzfälle der Sonderstraftat, S. 60 ff.; Hake, Beteiligungsstrafbarkeit und „besondere persönliche Merkmale“, S.112). Vielmehr ist der Strafrahmen des § 160 StGB, der den mittelbaren Täter erheblich privilegiert, historisch zu erklären. Er knüpft an die Vorstellung des Meineids als Sakraldelikt an (vgl. BGH, Besch. v. 24.10.1955 – GSSt 1/55, BGHSt 8, 301, 309; Urt. v. 13.7.1966 – 4 StR 178/66,BGHSt 21, 116, 117). Danach bestand zwischen einem vorsätzlichen Meineid gemäß § 154 StGB und einem nur unvorsätzlichen Falscheid im Sinne von § 160 Hs. 1 StGB ein erheblicher Wertungsunterschied. Denn das im sakralen Moment der Vereidigung liegende Schutzgut war im letzteren Fall nicht betroffen. Daher erschien die Verleitung zu diesen Delikten weniger strafwürdig als die Anstiftung zu jenen (Joecks/Scheinfeld, in: MüKo-StGB, § 28 Rn. 32; Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 160 Rn. 3/4; Fischer, StGB, Vor § 153 ff. Rn. 1; Heidland, Die besonderen persönlichen Merkmale im Sinne des § 50 Abs. 2 StGB, S. 95 ff.; Müller, Falsche Zeugenaussage und Beteiligungslehre, S. 354 ff., 381 ff.).

19    d) Das Verständnis als tatbezogenes persönliches Merkmal deckt sich weiter mit der Schutzrichtung des § 153 StGB.

20    aa) Den Straftatbeständen der §§ 153 und 154 StGB liegt das zum Schutze der Rechtspflege aufgestellte Verbot zugrunde, die Feststellung des Sachverhalts durch unwahre Aussagen zu gefährden. Deshalb ist das die Strafbarkeit begründende Element die unwahre Aussage als solche (vgl. BGH, Besch. v. 24.10.1955 – GSSt 1/55, BGHSt 8, 301, 309; Urt. v.  15.2.1957 – 1 StR 471/56, BGHSt 10, 142, 143; v. 13.7.1966 – 4 StR 178/66, BGHSt 21, 116, 117). Strafgrund des § 153 StGB ist somit nicht die Verletzung einer besonderen, den Täter treffenden Pflicht zurBewahrung eines ihm anvertrauten Rechtsgutes, wie dies beispielsweise bei der Amtsträgereigenschaft der Fall ist (vgl. hierzu BGH, Urt. v.24.10.1990 – 3 StR 196/90, BGHSt 37, 207, 213; v. 25.1.1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 4), sondern der objektive Eingriff in das geschützte Rechtsgut. Das Tatbestandsmerk- mal „als Zeuge“ kennzeichnet gerade diesen Rechtsgutangriff. Der Teilnehmer wirkt an dieser Rechtsgutverletzung mit. Die hieraus folgende Rechtsgutbezogenheit des Merkmals begründet somit die akzessorische Zurechnung (Bosch/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, Vor §§ 153 ff. Rn. 42; Geppert, ZStW 82 [1970], 40 [71 f.]; Müller, Falsche Zeugenaussageund Beteiligungslehre, S. 342; Grünwald, in: GS-Kaufmann, S. 555 [559, 563]).

21    bb) Den Zeugen trifft zudem keine besondere Verantwortung für das geschützte Rechtsgut, die einen qualitativen Unterschied zwischen dem Unrecht des Täters einerseits sowie des Teilnehmers andererseits und damit eine Lockerung der vollakzessorischen Zurechnung begründen könnte. Denn das geschützte Rechtsgut der Rechtspflege wird dem Zeugen nicht persönlich „anvertraut“. Der Zeugenbegriff des § 153 StGB ist vielmehr ein formell-prozessualer. Der Status eines Zeugen besteht unabhängig davon, ob dieser Angaben zur Beweisfrage machen kann. Seine Verpflichtung beschränkt sich darauf, zu einem ihm gestellten Beweisthema Tatsachen zu bekunden. Umstände, die mit diesen nicht imZusammenhang stehen, kann der Zeuge von sich aus nicht zum Gegenstand der Vernehmung machen. Überdies hat er bei der Wahrheitsfindungkeine rechtliche, sondern nur eine tatsächliche Stellung. Er erhält keine rechtliche Dispositionsbefugnis über den Inhalt seiner Bekundung und damit über das Rechtsgut, denn die Beweiswürdigung seiner Angaben obliegt allein dem Gericht (Müller, in: MüKo-StGB, Vor § 153 Rn. 19; Müller, Falsche Zeugenaussage und Beteiligungslehre, S. 352; Norouzi, in: Matt/Renzikowski, StGB, Vor § 153 Rn. 3; Gerl, Die besonderenpersönlichen Merkmale im Sinne des § 28 StGB, S. 148; Stein, Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, S. 337 f.; aA Langer, in: FS-Wolf, S.335 [353 ff.]).

22    cc) Die Formulierung „als Zeuge“ macht darüber hinaus deutlich, dass es sich allein um eine vom Zeugen im Zeitpunkt seiner Vernehmung zu erfüllende Pflicht handelt. Außerhalb der Vernehmung wird er wieder zum „jedermann“, der im selben Umfang wie jede andere Person der Rechtspflege verpflichtet ist (vgl. Wolters/Ruß, in: LK-StGB, Vor § 153 Rn. 7; Müller, in: MüKo-StGB, Vor § 153 Rn. 19; Müller, Falsche Zeugenaussage und Beteiligungslehre, S. 351 f.). So macht sich der Zeuge ohne Weiteres strafbar, wenn er auf andere Weise das Rechtsgut gefährdet, indem er beispielsweise außerhalb des Gerichtsgebäudes auf Zeugen einwirkt, gefälschte Urkunden bei Gericht einreicht oder unwahre Zwischenrufe im Sitzungssaal außerhalb seiner Vernehmung unternimmt. Auch dies unterscheidet Fälle der vorliegenden Art von den durch persönliche Pflichten gekennzeichneten Tatbeständen der Untreue und der Amtsdelikte.

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