Zu den Kommentaren springen

Herausforderungen und Hindernisse einer evidenzbasierten Kriminalpolitik

von Prof. Dr. Bernd-Dieter Meier

Beitrag als PDF Version 

Abstract
Der Koalitionsvertrag vom 19.3.2018 beeindruckt mit einer klaren Aussage zur Kriminalpolitik: „Wir treten für eine evidenzbasierte Kriminalpolitik ein. Wir wollen, dass kriminologische Evidenzen sowohl bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen als auch bei deren Evaluation berücksichtigt werden.“[1] So klar und sympathisch die Aussage auf den ersten Blick erscheint, so sehr mag sich das Bild doch beim genaueren Hinsehen verunklaren: Was genau muss man sich unter einer „evidenzbasierten Kriminalpolitik“ vorstellen? Was ergibt sich aus der Selbstverpflichtung der Koalitionsparteien auf eine evidenzbasierte Kriminalpolitik für die Rolle der Kriminologie bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen und deren Evaluation? Diesen und weiteren Fragen zum Verhältnis von Kriminologie und Kriminalpolitik soll im Folgenden genauer nachgegangen werden.

The coalition agreement of 19.3.2018 impresses with a clear statement on criminal policy: „We advocate an evidence-based criminal policy. We want criminological evidence to be taken into account both when drafting bills and when evaluating them“. As clear and sympathetic as the statement may appear at first glance, the picture may become blurred on closer inspection: What exactly is an „evidence-based crime policy“? What results from the coalition parties‘ self -commitment to an evidence-based criminal policy for the role of criminology in the drafting of bills and their evaluation? These and other questions on the relationship between criminology and crime policy will be examined in more detail in the following.

I. Entwicklung der evidenzbasierten Kriminalpolitik

Die Evidenzbasierung von kriminalpolitischen Handlungen und Entscheidungen durch die systematische Aufarbeitung des empirischen Forschungsstands zu einzelnen Fragen ist in der Kriminologie keine Unbekannte. Im Kontext des „Sherman Reports“ aus dem Jahr 1997[2] erschien 2002 ein in der Kriminologie viel beachteter Sammelband namhafter US-Autorinnen und Autoren, der den damaligen Forschungsstand zur kriminalpräventiven Wirksamkeit einzelner Maßnahmen in unterschiedlichen Bereichen der Prävention, auch im Bereich Polizei und Justiz, zusammenfasste.[3] In Deutschland stellte Lösel 2005 die 9. Jahrestagung der Kriminologischen Gesellschaft unter das Motto „Kriminologie und wissensbasierte Kriminalpolitik: Entwicklungs- und Evaluationsforschung“.[4] In der Folgezeit hielt das Bemühen um die systematischere Erfassung und Bewertung kriminologischer Forschungsbefunde Einzug in breitere Teile der Kriminologie. Die Entwicklung wurde dabei von Anfang an auch kritisch begleitet.[5] In der Konsequenz dieser verstärkten Hinwendung zum Konzept einer Evidenzbasierung lag es, dass in den Jahren 2011/12 von Teilen der Wissenschaft die Idee eines Nationalen Zentrums für Kriminalprävention entwickelt wurde, in dem die Generierung entsprechenden Wissens und die Aufbereitung für die Politik erfolgen sollten[6] – eine Idee, die von der Politik aufgegriffen und mit der Gründung des Nationalen Zentrums für Kriminalprävention im Jahr 2016 politisch umgesetzt wurde.[7] Dass der Gedanke der Evidenzbasierung im Koalitionsvertrag von 2018 erneut aufgegriffen und zum Leitbild einer „evidenzbasierten Kriminalpolitik“ fortentwickelt wurde, ist vor diesem Hintergrund eine keineswegs überraschende Novität.

Es wäre ein Missverständnis anzunehmen, dass die Selbstverpflichtung der Koalitionsparteien auf den Leitgedanken einer evidenzbasierten Kriminalpolitik die Gewichte zwischen Kriminologie und Kriminalpolitik fundamental verschieben soll. Die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Selbstverpflichtung geht nicht dahin, Kriminalpolitik von kriminologischen Befunden abhängig zu machen; die Kriminologie soll nicht in die Rolle eines kriminalpolitischen Akteurs erhoben werden, der Kriminalpolitikerinnen und -politikern den Weg weist. Empirisches, kriminologisches Wissen soll in der kriminalpolitischen Debatte lediglich „berücksichtigt“ werden; die grundsätzliche Rollenverteilung zwischen Wissenschaft und Politik soll durch den Koalitionsvertrag keineswegs aufgehoben werden. (Kriminal-)politisches Handeln soll sich auch künftig keineswegs nur nach empirischen Befunden richten, vielmehr sollen wie bisher auch andere Parameter in die Überlegungen mit einfließen. Meist geht es dabei um wirtschaftliche Aspekte wie Kosten und Ressourcen, häufig spielen europa- oder verfassungsrechtliche Überlegungen eine Rolle, fast immer geht es um politische Entscheidungsparameter wie insbesondere die Rücksichtnahme auf die Medien sowie um Machtfragen.[8] Politik, auch Kriminalpolitik, folgt vielfach einer Eigenlogik, die von empirisch-kriminologischen Befunden zu weiten Teilen unabhängig ist.[9]

Dennoch ist die Kriminologie für die Kriminalpolitik nicht entbehrlich, und eben dieser Umstand wird durch die besagte Formulierung im Koalitionsvertrag ausdrücklich anerkannt. Die Berücksichtigung kriminologischer Evidenzen ist zwar keine hinreichende, wohl aber eine notwendige Bedingung kriminalpolitischen Handelns. Kriminalpolitisches Handeln ohne oder gar gegen gesicherte empirische Befunde ist immer nur bis zu einem gewissen Grad sinnvoll. Dies dürfte gerade in Zeiten gelten, die durch starke gesellschaftliche Veränderungen gekennzeichnet sind. In einer sich ausdifferenzierenden Gesellschaft, in der unterschiedliche Werte, Werthaltungen und Lebensstile miteinander konkurrieren und in der dem Strafrecht nicht wegen seiner Härte, wohl aber wegen seiner Verbindlichkeit eine gewachsene Bedeutung zukommt, ist die Bezugnahme auf die Empirie politisch durchaus angeraten, um die gesellschaftliche Vielfalt in ihrer Breite zu garantieren und weitere Entwicklungen zu ermöglichen. Nur dann, wenn die Vielfalt unterschiedlicher Wertvorstellungen und Lebensentwürfe, Meinungen und Glaubenssätze bei kriminalpolitischen Entscheidungen angemessen berücksichtigt wird und mit dem Strafrecht unvermeidbar einhergehende Freiheitseinschränkungen auf das für ein gedeihliches Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft nachweisbar notwendige Maß reduziert werden, kann die Kriminalpolitik in breiteren Kreisen mit Akzeptanz rechnen. Gerade in einer durch Individualisierung und Anonymisierung der Sozialbeziehungen geprägten Gesellschaft erscheint das von der Politik gegebene Versprechen der Berücksichtigung systematisch gewonnenen empirischen Wissens als ein folgerichtiges, unverzichtbares Korrelat der verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, namentlich der Grundrechte und der allgemeinen Handlungsfreiheit.[10]

II. Welchen Beitrag kann die Kriminologie leisten?

Wenn es um die Konkretisierung dieser nur sehr allgemein gehaltenen Überlegungen geht, ist zunächst nach dem Leistungsprofil der Kriminologie zu fragen. Was genau kann die Kriminologie in den Diskurs mit der Kriminalpolitik einbringen?

Der Versuch einer Beantwortung ist schwierig, weil es „die Kriminologie“ nicht gibt. Es gibt in Deutschland wenigstens zwei sehr unterschiedliche Vorstellungen von Kriminologie.[11] Zum einen gibt es eine stark empirisch ausgerichtete Kriminologie, die mit unterschiedlichen Methoden versucht, den Gegenstandsbereich aufzuhellen und die Wissensbasis zu verbreitern. Von der kritischen Literatur wird sie typischerweise als „Bedarfsforschung“ bezeichnet und unterstellt, dass sich diese Kriminologie ihre Fragestellungen vom Strafrechtssystem vorgeben lasse. Das ist mitnichten richtig, weil es der empirischen Kriminologie gerade auch um die Erforschung solcher Fragestellungen geht, derer sich das Strafrechtssystem gerade nicht berühmt und die von Köbel jüngst als „die dunkle Seite des Strafrechts“ bezeichnet worden sind, womit Kölbel vor allem auf Phänomene wie die Selektivität des Systems, das Ausblenden des Handlungskontextes bei der strafrechtlichen Beurteilung und die Dysfunktionalität der Hauptstrafen hinweist.[12] Zum anderen gibt es eine ausschließlich theoretisch arbeitende Kriminologie, die die Kritik am Strafrechtssystem in den Mittelpunkt stellt und die sich selbst als „kritische“ oder „autonome“ Kriminologie bezeichnet. Im Kontext des labeling approach werden die Kriminalisierungsprozesse, nicht das individuelle sozialschädliche Verhalten, analysiert und zum Anknüpfungspunkt für weitergehende Betrachtungen über Regierungshandeln und Herrschaft gemacht. Es liegt auf der Hand, dass für eine evidenzbasierte Kriminalpolitik nur die erste Sichtweise von Bedeutung ist. Die „kritische“ Kriminologie versteht sich selbst zwar vielfach als „politisch“, ist aber politisch bedeutungslos.

Nimmt man vor diesem Hintergrund allein die empirisch arbeitende Kriminologie in den Blick, gibt es für den Diskurs von Kriminologie und Kriminalpolitik eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten. Im Grundsatz gilt, dass die Kriminologie diejenige Wissenschaft ist, die in den Handlungsfeldern der Kriminalpolitik – vornehmlich also beim Umgang mit sozialschädlichem Verhalten und der Reaktion hierauf – empirisches Wissen und Erklärungsangebote bereitstellen kann. Die empirische Kriminologie arbeitet dabei im Wesentlichen mit zwei Formen: der Deskription von Sachverhalten und der Analyse von Zusammenhängen. Typischerweise werden von der empirischen Kriminologie Problemlagen identifiziert, die, beispielsweise weil sie dem eigenen Anspruch des Strafrechtssystems nicht entsprechen (z.B. dem Gleichheitssatz, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder den allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts), gewinnbringend in den Diskurs mit der Kriminalpolitik eingebracht werden können. Empirisch-kriminologisches Wissen kann so auch zum Zulieferer für die Legitimierung von möglichen staatlichen Eingriffen werden, beispielsweise wenn die empirische Forschung auf das Volumen der Fehlsteuerung hinweist, die eintreten kann, wenn Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen nicht bei Strafe verboten werden.[13] Die empirisch arbeitende Kriminologie steht der Kriminalpolitik aber auch als Dienstleister zur Verfügung, wenn der Gesetzgeber und die Behörden beispielsweise für den Umgang mit jungen Strafgefangenen auf die vom BVerfG aus dem Grundgesetz abgeleitete Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht hingewiesen werden.[14] Die empirische Kriminologie orientiert sich dabei ausschließlich an wissenschaftlichen Kriterien, gleich ob es sich um quantitative oder qualitative Forschung handelt. Aus der Sicht der Kriminalpolitik hat sie damit den Vorzug der parteipolitischen Neutralität auf ihrer Seite.

Wenn man den Ausgangspunkt teilt und Kriminologie und Kriminalpolitik als zwei Systeme betrachtet, die zwar denselben Bezugsgegenstand haben – sozialschädliches Verhalten und Sanktion – die aber voneinander unabhängig agieren, dann richtet sich das Interesse vor allem auf diejenigen Konstellationen, in denen die empirische Befundlage und das gesetzte Recht voneinander abweichen. Beispiele hierfür gibt es viele, wobei das prominenteste vermutlich das des Geschwisterinzests ist, der zwar keinen empirisch nachweisbaren Schaden anrichtet, der vom Gesetzgeber aber aus kulturellen Gründen mit Strafe bedroht wird.[15] Ein anderes, sehr viel praktischeres Beispiel für eine Rechtsetzung, die politisch vielleicht richtig gewesen sein mag, die empirisch aber eindeutig falsch ist, findet sich im Sanktionsrecht. Wenn es in § 43 S. 2 StGB heißt: „Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe“, dann mag man das politisch zwar so sehen, empirisch ist es dennoch falsch. Zu den Schwereverhältnissen von Geldstrafe, Strafaussetzung zur Bewährung und vollstreckter Freiheitsstrafe zueinander wurden schon vor einem Vierteljahrhundert Richterbefragungen durchgeführt. Das eindeutige Ergebnis war, dass die vollstreckte Freiheitsstrafe nach Meinung der Befragten deutlich schwerer wiegt als die Geldstrafe; wenn man es mathematisieren will, könnte man etwa an den Faktor 1,5 denken.[16] Im Klartext heißt das, dass derjenige, der in die Ersatzfreiheitsstrafe geht, eine Strafe verbüßt, die etwa 1,5 mal schwerer ist als die Strafe, die das Gericht eigentlich für angemessen hielt. Dass diese Form der Gesetzgebung und der darauf aufbauende Gesetzesvollzug von den Betroffenen als ungerecht empfunden werden, liegt auf der Hand. Und in der Tat wird man dem Argument der Betroffenen, dass sie nur deshalb, weil sie arm seien, nicht anders, sondern härter bestraft würden als diejenigen, die ceteris paribus dieselbe Schuld auf sich geladen hätten, normativ kaum etwas entgegensetzen können.

Wenn man das Bild teilt, dass Kriminologie und Kriminalpolitik zwei unabhängig voneinander agierende Systeme sind, dann ergibt sich hieraus zugleich eine eindeutige Aufteilung der Verantwortung: So wie die Kriminologie für die Qualität ihrer Forschung selbst verantwortlich ist, ist die Kriminalpolitik für die Qualität der Gesetze und den Gesetzesvollzug verantwortlich; über die Qualität von Strafgesetzen entscheidet der Gesetzgeber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit selbst.[17] Soweit es im Gesetzgebungsverfahren und im Gesetzesvollzug um die empirische Befundlage geht, hat die Kriminologie deshalb –  zivilrechtlich gesprochen – keine Bringschuld, wohl aber hat die Kriminalpolitik eine Holschuld.

III. Holschuld der Kriminalpolitik

Um ihre Holschuld zu erfüllen, stehen der Kriminalpolitik unterschiedliche Wege zur Verfügung. Häufig gewählt wird die Anhörung von Sachverständigen nach § 70 GOBT. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens werden die Verhandlungen im Plenum durch Beratungen in Ausschüssen vorbereitet. Um sich die gegebenenfalls fehlende Sachkenntnis zu verschaffen, können in den Ausschüssen Anhörungen von Sachverständigen, Interessenvertretern und anderen Auskunftspersonen durchgeführt werden. Für eine evidenzbasierte Kriminalpolitik ist dieser Weg der Wissensvermittlung allerdings weitgehend ungeeignet. In der gelebten Praxis ist es regelmäßig so, dass den für die Anhörung eingeladenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nur sehr wenig Zeit zur Vorbereitung bleibt, da der Politikbetrieb nach eigenen zeitlichen Regeln arbeitet, die mit denen des Wissenschaftsbetriebs nicht kongruent sind. In der gelebten Praxis zeigt sich zudem, dass die Abgeordneten in der Anhörung nicht selten den Eindruck vermitteln, an der Sachinformation gar nicht interessiert zu sein, weil über die Frage ohnehin nach anderen, nämlich politischen Kriterien entschieden werde. Hinzu kommt aber vor allem ein struktureller Aspekt: Für die problemangemessene Verarbeitung empirischer Befunde ist es im förmlichen Gesetzgebungsverfahren regelmäßig zu spät, da die Eckpunkte des Gesetzes zu diesem Zeitpunkt bereits weitgehend festgelegt sind. Die Anhörungen nach § 70 GOBT dienen lediglich der (De-)Legitimierung der zu diesem Zeitpunkt bereits festgelegten politischen Positionen.

Ein besserer Weg für eine evidenzbasierte Kriminalpolitik ist die Ausschreibung von Forschungsvorhaben, ehe es zur Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens kommt. Die für die Erfüllung der Holschuld Verantwortlichen können sich auf diesem Weg die für das Gesetzgebungsverfahren notwendigen empirischen Befunde und Problemanalysen verschaffen, auf deren Grundlage die Gesetzesinitiative dann entfaltet werden kann. Aus der Sicht einer evidenzbasierten Kriminalpolitik dürfte dies der „Goldstandard“ sein. Das Ausschreibungsverfahren garantiert, dass die ausgewählten Forscherinnen und Forscher nicht nur hohe, sondern die im Vergleich besten fachlichen Standards aufweisen. Die förmliche Ausschreibung stellt zudem sicher, dass das Forschungsvorhaben nicht unter dem Druck spezifischer, informell kommunizierter politischer Erwartungen steht. Die in der Praxis ebenfalls übliche „freihändige“ Vergabe von Forschungsaufträgen durch die Ministerien kann im Einzelfall zwar ebenfalls zu guten Ergebnissen führen, ist aber mit dem Stigma behaftet, dass für das Forschungsvorhaben nicht diejenigen Forscherinnen und Forscher ausgewählt werden, die sich in der Konkurrenz als die relativ besten gezeigt haben, sondern diejenigen, die der Hausleitung oder den jeweiligen Fachabteilungen aus anderen Zusammenhängen bereits bekannt sind. „Forschungsaufträge“ müssen im Übrigen nicht immer dahin gehen, eine neue, eigene Primärforschung durchzuführen, sondern können auch dahin gehen, zu einer Frage den empirischen Forschungsstand zusammenzustellen. Wenn es zu einer Frage national und international bereits empirisches Material gibt, können auch systematisch durchgeführte Forschungssynthesen einen substantiellen Beitrag zur Wissensvermittlung leisten.

Zur Erfüllung ihrer Holschuld steht der Kriminalpolitik ein breites Spektrum leistungsstarker Akteure zur Verfügung. Dies besonders zu erwähnen scheint wichtig, da auch im universitären Wissenschaftsbetrieb über „die Kriminologie“ meist nur verschwommene Vorstellungen existieren. „Die Kriminologie“, bei der sich die Kriminalpolitik mit empirischem Wissen versorgen kann, gibt es in Deutschland nicht nur als Universitätskriminologie. Natürlich gibt es heute (noch) an etlichen Universitätsstand- orten Institute und Lehrstühle, die mit zum Teil sehr beträchtlicher Forschungsleistung am Diskurs teilnehmen. Für „die Kriminologie“ stehen in Deutschland aber auch die drei großen Forschungsinstitute, das Max-Planck-Institut, das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen und die kriminologische Zentralstelle, die schon wegen ihrer interdisziplinären Zusammensetzung Forschungsleistungen erbringen können, die an den Universitäten heute kaum noch möglich sind. Zu nennen ist hier aber auch eine Vielzahl weiterer Einrichtungen, die aus dem üblichen Raster wissenschaftlicher Einrichtungen herausfallen. Das gilt etwa für das bereits erwähnte Nationale Zentrum Kriminalprävention, aber auch für die Deutsche Hochschule der Polizei, dort namentlich das Fachgebiet Kriminologie und interdisziplinäre Kriminalprävention, ferner für manche der von den Justizverwaltungen der Länder eingerichteten kriminologischen Dienste sowie für die beim Bundeskriminalamt und den Landeskriminalämtern eingerichteten kriminalistisch-kriminologischen Forschungsstellen. Aus der Sicht einer evidenzbasierten Kriminalpolitik ist der zwischen den Einrichtungen bestehende Wettbewerb um Fördergelder durchaus günstig.

IV. Herausforderungen und Hindernisse

Darüber wie der Wissenstransfer aktuell tatsächlich verläuft, wie die Kommunikation von Kriminologie und Kriminalpolitik qualitativ einzuordnen ist und an welchen Stellen es in der Kommunikation immer wieder zu Hindernissen und Problemen kommt, gibt es auf beiden Seiten sicherlich ganz unterschiedliche Einschätzungen. Wie die Kriminalpolitik die deutsche Kriminologie und ihre Leistungsfähigkeit beurteilt, kann hier naturgemäß nicht gesagt werden.[18] Die Bedingungen für eine evidenzbasierte Kriminalpolitik müssten aus der Sicht der Kriminalpolitik eigentlich günstig sein.[19] Es gibt nicht nur mehr Akteure, auch die Kommunikationsbasis ist eine andere als etwa mit der Strafrechtswissenschaft. Für die empirische Kriminologie gibt es deutlich mehr peer reviewed-Zeitschriften als etwa für die Strafrechtswissenschaft; die Artikel sind meist der Forschungslogik folgend aufgebaut, haben eine klare, wenn auch gelegentlich statistisch-fremde Sprache und verfügen in der Regel über ein vorangestelltes Abstract, dem sich die wesentlichen Kerninformationen schnell entnehmen lassen. All dies kann freilich nur vermutet werden; empirische Untersuchungen darüber, wie die empirische Kriminologie auf Dritte – die Kriminalpolitik – wirkt, fehlen.

Aus der Gegenrichtung betrachtet, aus der Sicht der Kriminologie, ist die Kommunikationsbeziehung jedenfalls weniger positiv einzuschätzen. Dabei geht es gar nicht einmal darum, dass Forscherinnen und Forscher nachvollziehbar enttäuscht sind, wenn ihre möglicherweise mit großem Aufwand gefundenen Ergebnisse in den politischen Prozess keinen Eingang finden; dass diese Enttäuschung unvermeidbar ist, weil die Politik nicht nur nach der empirischen Befundlage, sondern auch nach anderen, insbesondere politischen Parametern entscheidet, wurde bereits gesagt. Die Beziehung zwischen Kriminologie und Kriminalpolitik wird daneben aber auch und nicht selten durch Hindernisse und Probleme belastet, die sich aus falschen Vorstellungen und Erwartungen auf der Seite der Kriminalpolitik ergeben.

Beispiele mögen das Gesagte verdeutlichen. Bei der Erteilung von Forschungsaufträgen, die typischerweise mit der Zuweisung von Sachmitteln namentlich für die Finanzierung von Personal verbunden ist, haben die die Holschuld der Kriminalpolitik einlösenden Verantwortlichen oft keine oder falsche Vorstellungen von den Produktionsbedingungen und -abläufen empirischer Forschung. Dass dies nicht nur bei der „freihändigen“ Vergabe von Forschungsaufträgen, sondern auch bei deren professionalisierter Form, nämlich der Einschaltung von Projektträgern, vorkommt, zeigte sich etwa bei dem vom BMBF geförderten Verbundprojekt „Radikalisierung im digitalen Zeitalter (RadigZ)“:[20] Der Bewilligungsbescheid wurde hier am 13.2.2017 erlassen; das Projekt sollte am 15.2.2017 beginnen, die Laufzeit sollte drei Jahre betragen. Wenn man in dieser Situation nicht bereits über Personal verfügt, das unmittelbar nach dem Projektstart mit der Forschungstätigkeit beginnen kann, sondern wenn Personal erst gesucht werden muss, was, wie universitätsseitig erforderlich, nur über eine öffentliche Ausschreibung erfolgen kann, verliert man bis zum realen Start des Projekts wertvolle Zeit, die nicht zwingend auch zu einer Verlängerung der Förderdauer führt. Ergebnis: Die im Förderantrag versprochene eigentliche Forschungsleistung muss innerhalb eines kürzeren Zeitraums erbracht werden.

Abgesehen von diesen eher organisatorischen Ungeschicklichkeiten der institutionalisierten Forschungsförderung lässt sich nicht selten auch beobachten, dass auf der Seite der ihre Holschuld erfüllenden Auftraggeber unklare – und oft falsche – Vorstellungen über den Zugang zu den für die Forschung ausgewählten Daten, namentlich über die Dauer von Genehmigungsverfahren für Akteneinsicht und Interviews, existieren.

Dass in der kriminologischen Forschung allein die Erwirkung des Datenzugangs manchmal über Gebühr viel Zeit beansprucht, ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass derartige Anträge in den beforschten Praxisfeldern außerordentlich unbeliebt sind und – so ist jedenfalls zu vermuten – vielfach nicht nach Eingang bearbeitet werden, sondern in Abwägung mit den übrigen am jeweiligen Arbeitsplatz zu erfüllenden Aufgaben, kurz: Die Bearbeitung wird gerne zurückgestellt. Selbstverständlich kann und darf man diese Aussage nicht verallgemeinern; es gibt immer wieder Fälle, in denen beispielsweise Anträge auf Akteneinsicht nach § 476 StPO zügig und zielführend bearbeitet werden. Nicht selten ist aber – gerade bei empirischer Forschung in der Justiz – auch das Gegenteil zu beobachten, nämlich das Heraufreichen von Anträgen über die Behördenhierarchie an das Ministerium m.d.B. um Stellungnahme und das anschließende Wiederherunterreichen mit dem Hinweis, dass über die Anfrage vor Ort entschieden werden könne. Nur erwähnt sei – ohne die Benennung von Ortsnamen –, dass es auch Staatsanwaltschaften gibt, die über Akteneinsichtsanträge aus dem Wissenschaftsbetrieb grundsätzlich gar nicht entscheiden, sondern bei telefonischen Nachfragen mit immer neuen Hinweisen darauf, dass die Anträge nicht eingegangen, bedauerlicherweise unvollständig oder eben einfach noch nicht entscheidungsreif seien, das Verfahren hinauszögern, bis die unter Zeitdruck stehende Forschungseinrichtung den besagten Ort aus der Stichprobe herausnimmt.

Um nicht missverstanden zu werden: Es soll keineswegs kritisiert werden, dass Gerichte oder Behörden eingegangene Anträge kritisch, und zwar auch im Hinblick auf die stets zu wahrenden Belange des Datenschutzes prüfen. Kriminologische Justizforschung beschäftigt sich immer mit höchst sensiblen Daten aus dem persönlichen oder institutionellen Geheimnisbereich, so dass die Prüfung nicht nur angemessen, sondern aus verfassungsrechtlichen Gründen geradezu unverzichtbar ist. Was indes aus kriminologischer Sicht problematisch ist und sich Auftraggebern aus der Kriminalpolitik nur schwer vermitteln lässt, ist die manchmal offen dilatorische Behandlung von Anträgen in der Justizpraxis, aber auch bei übergeordneten Justizbehörden wie dem Bundesamt für Justiz, die die innerhalb eines vorgegebenen Rahmens zu erbringende empirische Forschung schwierig macht.

Unrealistische Vorstellungen und Erwartungen, die sich seitens der Kriminalpolitik mit der Erteilung von Forschungsaufträgen verbinden, lassen sich nicht immer durch sachliche Aufklärung korrigieren. Dies betrifft etwa die Qualität mancher Daten, die im staatlichen Bereich zur Verfügung stehen. Besonders auffällig, wenn auch nur schwer erklärlich, ist es beispielsweise, dass die Daten in der Strafverfolgungsstatistik nicht mit den Daten im Bundeszentralregister übereinstimmen. Exemplarisch wurde dies bereits von Höynck und Ernst für den Bereich des Warnschussarrestes gezeigt,[21] konnte so aber ebenfalls in einer von Kunze durchgeführten Untersuchung zur Strafzumessung bei Mord ermittelt werden: Während sich aus der Strafverfolgungsstatistik ergab, dass in den Jahren 2013 und 2014 insgesamt 247 Personen wegen vollendeten Mordes nach allgemeinem Strafrecht verurteilt wurden, konnten bei einer Recherche, die über das Bundeszentralregister erfolgte, insgesamt 258 Personen ermittelt werden, die in den beiden Jahren wegen vollendeten Mordes nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden waren.[22] Auch methodische Fragen lassen sich mit den in der Kriminalpolitik für die Erteilung von Forschungsaufträgen Verantwortlichen nicht immer klären. Dies gilt etwa für die Frage, wie empirische Untersuchungen angelegt sein müssen, wenn nach der Wirksamkeit von Gesetzen, insbesondere von Sanktionen oder einzelnen Behandlungsmaßnahmen gefragt wird. Bei den Verantwortlichen lässt sich meist vergleichsweise schnell ein Gespür dafür entwickeln, wo etwa die Unterschiede zwischen einer Prozess- und einer Ergebnisevaluation liegen, warum für die Wirkungsmessung Kontrollgruppen gebildet werden müssen und dass nicht nur nach distalen Wirkungen wie etwa der Legalbewährung innerhalb eines vorgegebenen Beobachtungszeitraums, sondern auch nach proximalen Wirkungen, die sich an einzelne Behandlungsmaßnahmen anschließen, sowie nach den Verbindungslinien („Wirkungsketten“) zwischen proximalen und distalen Wirkungen gefragt werden muss.[23] Nur schwer Verständnis wecken lässt sich indes für alle Besonderheiten in einer Untersuchungskonzeption, die mit zeitlichen Verzögerungen und entsprechendem Mehraufwand verbunden sind. Praktische Hindernisse und Probleme, die aus der Sicht kriminologischer Forschung zwar als lästig, aber unvermeidbar erscheinen, können in der Kommunikation mit der Kriminalpolitik schnell zu unangenehmen Stolpersteinen werden.

V. Rechtliche Hürden

Die Herausforderungen und Hindernisse sind keineswegs nur praktischer Natur. Bei der Evidenzschaffung begegnet die Kriminologie auch rechtlichen Hürden, die die empirische Forschung im Bereich von Kriminalität und Strafe behindern.

Eine erste rechtliche Hürde, die der empirischen Forschung entgegenstehen kann, ergibt sich dann, wenn eine Untersuchung nicht nur mit Strafakten durchgeführt werden soll, sondern auch mit Behördenakten oder den Akten anderer Gerichte. Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: In einem Forschungsprojekt, in dem Vermögensstraftaten von rechtlichen Betreuern analysiert werden sollten, waren nicht nur die Strafakten von Interesse, in denen das Strafverfahren – meist wegen Untreue – dokumentiert wurde. Von mindestens ebenso großem Interesse waren die Akten der Betreuungsgerichte, da analysiert werden sollte, auf welche Weise die rechtlichen Betreuer von den Gerichten kontrolliert worden waren. Und auch die Akten der Betreuungsbehörden waren von Interesse, da es für die Erkennbarkeit von Risikolagen auch darauf ankam, die Auswahl- und Kontrollprozesse der Betreuungsbehörden nachzuzeichnen.[24] Eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage, auf die das Begehren nach Akteneinsicht gestützt werden kann, gibt es für die empirische Forschung allerdings nur in § 476 StPO. Außerhalb der StPO gibt es für Dritte nur allgemein gehaltene Akteneinsichtsrechte, wie etwa in § 299 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht vollzieht sich außerhalb der StPO damit weitgehend nach Ermessen, was aus kriminologischer Sicht wegen der damit verbundenen Unvorhersehbarkeit von Argumentationen und Entscheidungen problematisch ist.[25]

Eine zweite rechtliche Hürde tritt dann auf, wenn in Registern geforscht werden muss, bei denen es sich nicht um das Bundeszentralregister handelt. Für die Erteilung von Auskünften aus dem Bundeszentralregister gibt es für die wissenschaftliche, empirisch-kriminologische Forschung eine spezielle Ermächtigungsgrundlage (§ 42a BZRG). Entsprechende spezialgesetzliche Regelungen fehlen indes für die Register der Staatsanwaltschaft und der Polizei. Gerade die polizeilichen Vorgangsbearbeitungssysteme sind für die kriminologische Forschung von hohem Interesse. Auch hier kann als Beispiel auf die erwähnte Untersuchung zur Vermögenskriminalität von rechtlichen Betreuern verwiesen werden: Da der Umstand, dass eine Straftat von einem rechtlichen Betreuer (§ 1896 BGB) begangen worden ist, aus dem Bundeszentralregister nicht ersichtlich ist, kann die Stichprobe mit Strafverfahren gegen rechtliche Betreuer nicht über das Bundeszentralregister generiert werden, sondern nur über die informationsreicheren Register der Staatsanwaltschaft oder der Polizei, in denen auch das Aktenzeichen der Strafakte vermerkt ist, in die die Einsichtnahme dann bei der aktenführenden Stelle nach § 476 StPO beantragt werden kann. Auch insoweit ist die Forschung im geltenden Recht nur auf der Grundlage von Ermessensentscheidungen der registerführenden Behörden möglich, was die entsprechenden Argumentationen und Entscheidungen wieder schwer vorhersehbar macht.

Eine dritte rechtliche Hürde ist das nach wie vor fehlende Zeugnisverweigerungsrecht für empirische Forscherinnen und Forscher. Dass ein Zeugnisverweigerungsrecht fehlt, ist in der Vergangenheit wiederholt beklagt worden, und vom Arbeitskreis Alternativ-Entwurf ist hierzu schon vor fast einem Vierteljahrhundert ein ausformulierter Gesetzesvorschlag vorgelegt worden (§ 53a S. 1 Nr. 3 AE-ZVR).[26] Das Problem ist in der Politik mithin bekannt, gleichwohl ist ein irgendwie geartetes Bemühen zur Etablierung eines solchen Rechts nirgendwo erkennbar. Dass es eines solchen Rechtes bedarf, ist heute vielleicht noch drängender als zu der Zeit, als sich der Arbeitskreis Alternativ-Entwurf mit der Frage beschäftigte. Was seit dieser Zeit nämlich stattgefunden hat, ist ein massiver Methodenwandel in der empirischen Kriminologie. Qualitative Forschungen gab es zwar auch schon in den 1990er Jahren, aber heute nehmen die qualitativen Methoden, etwa biografisch-narrative Interviews, einen deutlich höheren Stellenwert ein als früher. Bei narrativen Interviews geht es darum, den Interviewpartner nicht mit standardisierten Fragen zu konfrontieren, sondern ganz frei zum Erzählen zu animieren, um so subjektive Bedeutungsstrukturen freizulegen.[27] In der Sache ähneln narrative Interviews dem Berichtsteil von Vernehmungen. Es liegt auf der Hand, dass bei diesem Verfahren Informationen generiert werden können, die auch aus der Sicht der Strafverfolgungsorgane interessant sein können. Um die Befragten vor unangenehmen Überraschungen zu schützen, werden sie heute deshalb typischerweise vor Beginn des Interviews über das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht belehrt. Das Interview kann vor diesem Hintergrund heute meist nur mit „angezogener Bremse“ durchgeführt werden, weil der Interviewpartner nach der Belehrung vermutlich keine strafrechtlich relevanten Informationen mehr preisgeben wird. Der Informationsfluss könnte deutlich gesteigert werden, wenn die betreffenden Forscherinnen und Forscher über ein eigenes Zeugnisverweigerungsrecht verfügen würden.

Eine an kriminologischen Evidenzen interessierte Kriminalpolitik hätte mithin eine Reihe von konkreten Ansatzpunkten, um die Strukturen für die Evidenzschaffung deutlich zu verbessern. Das hierfür Konflikte mit den Institutionen, die die Etablierung der genannten Rechte bislang verhindert haben, politisch in Kauf genommen werden müssten, ist offensichtlich. Gleichzeitig liegt hierin aber auch ein Gradmesser, an dem sich ablesen lässt, wie ernst die im Koalitionsvertrag abgegebene Selbstverpflichtung tatsächlich gemeint ist.

VI. Fazit

Das im Koalitionsvertrag abgegebene Versprechen einer „evidenzbasierten Kriminalpolitik“ ist ehrenwert. Wenn Kriminalpolitik zu guten Gesetzen führen soll, darf sie sich nicht nur an Werten orientieren, sondern muss gerade in einer sich beständig ändernden Gesellschaft auch die Lebenswirklichkeit im Blick behalten. Die Berücksichtigung systematisch gewonnenen empirischen Wissens über Kriminalität und Strafe führt die mit der Gründung des Nationalen Zentrums Kriminalprävention politisch eingeschlagene Linie fort und erscheint als unverzichtbare Voraussetzung für die Gewährleistung größtmöglicher Freiheit. Kriminalpolitik darf sich nicht an Gefühlen und vermeintlichen Sicherheitsbedürfnissen, sondern muss sich so weit wie möglich an mess- und nachweisbaren Risiken und Gefährdungslagen orientieren.

Unter dem Versprechen einer evidenzbasierten Kriminalpolitik wächst der Kriminologie eine neue, gewachsene Bedeutung zu. Die empirische Kriminologie ist diejenige fachnächste Wissenschaft, die in den Handlungsfeldern der Kriminalpolitik mit empirischem Wissen und Erklärungsangeboten aufwartet. Die empirische Erforschung von kriminalpolitisch relevanten Sachverhalten ist indes nicht nur mit rein praktischen Hindernissen und Herausforderungen konfrontiert, sondern auch mit kaum überwindbaren Hürden, die sich aus den rechtlichen Rahmenbedingungen für die Forschung ergeben. Wenn die Kriminalpolitik die im Koalitionsvertrag ausgesprochene Selbstverpflichtung zur Berücksichtigung kriminologischer Evidenzen ernst meint, ist sie aufgefordert, die rechtlichen Rahmenbedingungen für kriminologische Forschung zu verbessern.

 

[1]      Koalitionsvertrag vom 19.3.2018 zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode im Bund, Zeile 6289-6291.
[2]      Sherman et al., Preventing Crime – What Works, What Doesn´t, What´s Promising, 1997.
[3]      Sherman et al., Evidence-Based Crime Prevention, 2002.
[4]      Vgl. Lösel, Bender & Jehle (Hrsg.), Kriminologie und wissensbasierte Kriminalpolitik, 2007.
[5]      Vgl. nur Graebsch, KrimJ 2004, 266 ff.
[6]      Dialog über Deutschlands Zukunft. Ergebnisbericht des Expertendialogs der Bundeskanzlerin 2011/2012, S. 36 ff.
[7]      Armborst, forum kriminalprävention 2019 (1), 4 ff.; wichtigste Veröffentlichung des NZK bislang Walsh u.a. (Hrsg.), Evidenzorientierte Kriminalprävention in Deutschland. Ein Leitfaden für Politik und Praxis, 2018.
[8]      Zuletzt Goeckenjan, in: Zabel (Hrsg.), Strafrechtspolitik, 2018, S. 252 f.
[9]      Kölbel, NK 2019, 256.
[10]    Höffler, in: Zabel (Hrsg.), Strafrechtspolitik, 2018, S. 234 f.
[11]    Kunz/Singelnstein, Kriminologie, 7. Aufl. (2016), S. 1 ff.; zusammenfassend Goeckenjan, in: Zabel (Fn. 8), S. 246 ff.
[12]    Kölbel, NK 2019, 249.
[13]    Vertiefend Kölbel, in: Kölbel (Hrsg.), Institutionelle Korruption und Arzneimittelvertrieb, 2019, S. 93 ff.
[14]    BVerfGE 116, 69 (91).
[15]    BVerfGE 120, 224 (248 f.).
[16]    Oswald, Psychologie des richterlichen Strafens, 1994, S. 106; Langer, Staatsanwälte und Richter: justitielles Entscheidungsverhalten zwischen Sachzwang und lokaler Justizkultur, 1994, S. 87.
[17]    BVerfGE 120, 224 (241).
[18]    Vgl. allerdings Becker, MschrKrim 96 (2013), 207 ff.
[19]    Kritischer insoweit Höffler (Fn. 10), S. 237 ff.
[20]    Förderkennzeichen: 13N14286; allgemein zum Projekt Kudlacek u.a., forum kriminalprävention 3/2017, 23 ff.; NK 4/2017 (Schwerpunktheft).
[21]    Höynck/Ernst, in: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (Hrsg.), Berliner Symposium zum Jugendkriminalrecht und seiner Praxis, 2017, S. 164 f.
[22]    Kunze, Strafzumessung bei Mord. Eine empirische Untersuchung zur Rechtsfolgenentscheidung bei Verurteilungen wegen vollendeten Mordes nach allgemeinem Strafrecht in den Jahren 2013 und 2014, jur. Diss. Hannover, 2017, S. 104 f.
[23]    Suhling, in: Wischka, Pecher & van den Boogaart (Hrsg.), Behandlung von Straftätern, 2012, S. 167 ff.
[24]    Kurzdarstellung des Projekts bei Meier/Peikert/Görgen, BtPrax 2019, 175 ff.
[25]    Vertiefend Klopp, MschrKrim 102 (2019), 119 ff. 
[26]    Baumann u.a., Alternativ-Entwurf Zeugnisverweigerungsrechte und Beschlagnahmefreiheit (AE-ZVR), 1996, S. 47 ff.
[27]    Mayring, Einführung in die qualitative Sozialforschung, 6. Aufl., (2016), S. 72.

 

 

 

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Durch Abschicken des Formulares wird dein Name, E-Mail-Adresse und eingegebene Text in der Datenbank gespeichert. Für weitere Informationen lesen Sie bitte unsere Datenschutzerklärung.

Unsere Webseite verwendet sog. Cookies. Durch die weitere Verwendung stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Informationen zum Datenschutz

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen.
Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklären Sie sich damit einverstanden.

Weitere Informationen zum Datenschutz entnehmen Sie bitte unserer Datenschutzerklärung. Hier können Sie der Verwendung von Cookies auch widersprechen.

Schließen