Effektivierung des Gewaltschutzes in Hochrisikofällen

Gesetzentwürfe: 

 

Am 20. Mai 2025 hat das Land Nordrhein-Westfalen einen Gesetzesantrag zur Effektivierung des Gewaltschutzes in Hochrisikofällen in den Bundesrat eingebracht (BR-Drs. 211/25). Der zivilrechtliche Gewaltschutz sei aufgrund langer Vorlaufzeiten nicht immer das optimale Schutzinstrument bei Gewalttaten und Nachstellungen. Insbesondere gebe es Defizite im Hinblick auf die Ermittlungskompetenzen der Familiengerichte. Der Entwurf strebt daher eine Optimierung des behördlichen Zusammenspiels an, indem er die Informationspflichten gegenüber Polizeibehörden ausweitet und eine Unterrichtung bereits mit Antragstellung vorsieht. Gerade im Bereich der Hochrisikofälle bedürfe es wirksamer und abschreckender Interventionsmöglichkeiten, um die gewalttätige Person frühzeitig und konsequent zu stoppen und aktiv zur Verantwortung zu ziehen. Daher wird flankierend eine strafrechtliche Nachschärfung vorgeschlagen: Besonders schwere Verstöße gegen Schutzanordnungen sollen künftig mit dem gleichen Strafrahmen wie dem beim besonders schweren Stalking sanktioniert werden. Des Weiteren soll für diese Fälle die Möglichkeit einer Deeskalationshaft nach § 112a StPO geschaffen werden. Ein besonders schwerer Fall (§ 4 Abs. 2 GewSchG-E) soll in der Regel vorliegen, wenn:

„[…] der Täter

1. eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2. durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht,
3. das Opfer durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt,
4. durch wiederholte oder fortgesetzte Taten die Lebensgestaltung des Opfers nicht unerheblich beeinträchtigt oder
5. die Zuwiderhandlung mittels eines hinterlistigen Überfalls begeht“.

Am 23. Mai 2025 wurde der Gesetzentwurf im Anschluss an die Plenarsitzung zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. 

 

Der Einsatz von V-Personen im Strafverfahren – Warum eine spezialgesetzliche Grundlage erforderlich ist

von Akad. Rat a.Z. Damien Nippen 

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Abstract
Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD plant, die Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden teilweise deutlich auszubauen. Was er indessen nicht vorsieht: Eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz von V-Personen zu schaffen. Ein Einsatz ohne spezielle Rechtsgrundlage ist jedoch verfassungswidrig. Das macht die Entscheidung des BVerfG zur Regelung des Einsatzes von V-Personen im Polizeigesetz Mecklenburg-Vorpommerns deutlich. Um den Kernbereich privater Lebensgestaltung ausreichend zu schützen, sind gesetzliche Vorkehrungen erforderlich, die die Strafprozessordnung momentan nicht bereithält.
 

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K.O.-Tropfen sind kein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB

BGH, Beschl. v. 8.10.2024 – 5 StR 382/24 / Volltext

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[…]

Gründe:

4    Das LG hat den Angeklagten wegen besonders schweren sexuellen Übergriffs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der auf die Sach- und eine Verfahrensrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

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Die Entscheidung des BGH zu den K.O.-Tropfen und die prompte Reaktion der Kriminalpolitik 

von Prof. Dr. Anja Schiemann 

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I. Einführung

Die Entscheidung des BGH ist wenig überraschend und wurde dennoch bereits mehrfach – gerade auch in Ausbildungszeitungen – kommentiert.[1] Zwei Gründe kann man hierfür ins Feld führen. Zum einen argumentiert der 5. Strafsenat lehrbuchmäßig[2] und zwingend[3] anhand der gängigen Auslegungsmethoden, dass K.O. Tropfen sich nicht unter den Begriff des gefährlichen Werkzeugs subsumieren lassen. Zum anderen hat diese Entscheidung sehr schnell zur Reaktion des Gesetzgebers geführt. In seiner 1054. Sitzung beschloss nämlich der Bundesrat am 23.5.2025, den Entwurf eines Gesetzes zur strafrechtlichen Bekämpfung der Verabreichung sogenannter K.O.-Tropfen zur Begehung von Raub- und Sexualdelikten beim Deutschen Bundestag einzubringen.[4] Es scheint sehr wahrscheinlich, dass dieses Gesetz dann auch vom Bundestag entsprechend verabschiedet und somit ein Gleichklang von § 177 Abs. 8 Nr. 2 sowie § 250 Abs. 2 Nr. 2 mit § 224 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB hergestellt wird.

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BGH bestätigt Verurteilung wegen Volksverhetzung aufgrund der Veröffentlichung einer Abbildung des Eingangs eines Konzentrationslagers mit der Aufschrift „Impfen macht frei“

BGH, Beschl. v. 4.2.2025 – 3 StR 468/24 / Volltext 

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[…]

Gründe:

 1      Das LG hat den Angeklagten wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 50 EUR verurteilt. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf allein der Schuldspruch:

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Katharina Funcke: Die Zulässigkeit der Legendierten Kontrolle unter besonderer Berücksichtigung der Legendierten Aktenführung

von Prof. Dr. Anja Schiemann 

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2024, Verlag Duncker & Humblot, ISBN: 978-3-428-19004-1, S. 348, Euro 89,90.

Es ist schon ein paar Jahre her, seit der 2. Strafsenat sich sehr grundsätzlich zur Rechtmäßigkeit Legendierter Kontrollen positionierte (NStZ 2017, 651) und diese grundsätzlich für zulässig erklärte. Die kritischen Stimmen sind gleichwohl – zu Recht – nicht abgerissen und von Schefer ist auch bereits eine Dissertation zu diesem Thema erschienen (Rezension KriPoZ 2020, 303). Jetzt liegt eine weitere Dissertation vor, die sich nicht nur mit der rechtlichen Zulässigkeit der Legendierten Kontrolle, sondern auch mit der Legendierten Aktenführung beschäftigt. Genau wie in der Arbeit von Schefer wird ein eigener de lege ferenda Vorschlag unterbreitet, aber auch Praxishinweise in Form von Mindeststandards gegeben. Im Einzelnen:

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Eva Kiel: Risiko als Konstruktion. Studien zu einer interdisziplinären Risikodogmatik im Strafrecht

von Prof. Dr. Anja Schiemann 

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2024, Verlag Nomos, ISBN: 978-3-7560-1184-1, S. 433, Euro 129,00

Was hat das Strafrecht mit dem Konstruktivismus zu tun? Alles, möchte man antworten und ist erstaunt, dass erst die Habilitationsschrift von Kieleinen erkenntnistheoretischen Zugang über den Konstruktivismus zum heutigen Risikostrafrecht sucht. Erklärtes Ziel der Studie ist dann schon auf S. 19, „über die Erschließung von Argumentationsräumen neue Ansätze für die Lösung von Einzelfragen anzubieten, um auf diese Weise einen Beitrag zur Vermessung eindeutiger Strafbarkeitsgrenzen in einem durchlässigen Risikostrafrecht zu leisten“.

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Erlanger Cybercrime Tag 2024 – Hate Speech im Netz und die strafrechtliche Verfolgung

von Ass. iur. Tabea Seum und Prof. Dr. Christian Rückert

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I. Einleitung

Veranstalter Prof. Dr. Christoph Safferling, LL.M. (LSE) und sein ICLU-Team luden zum achten Erlanger Cybercrime Tag am 21.3.2024 in den Wassersaal der Orangerie in Erlangen ein. Ganz im Sinne des hybriden Tagungskonzepts konnten sowohl 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor Ort als auch viele weitere Interessierte virtuell teilnehmen, diskutieren, sich austauschen und vernetzen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzten sich aus Vertretern der Wissenschaft, Strafrechts- und IT-Praxis, der Justiz, der Anwaltschaft und weiteren Fachvertreterinnen und Fachvertretern, sowie Studierenden zusammen und bereicherten den interdisziplinären Austausch und das Wesen der Veranstaltung. Das Veranstaltungsteam freut sich, dass durch die Vorträge und die sich anschließenden Q&A-Sessions das Thema Hate Speech im Netz und die strafrechtliche Verfolgung umfassend beleuchtet werden konnte.

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Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen

Gesetz zur Stärkung des Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen: BGBl. I Nr. 107

Gesetzentwürfe: 

 

Im Oktober 2024 hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen auf den Weg gebracht. Grund waren die steigenden Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik in diesem Bereich. Nach empirische Studien und Schätzungen der WHO sei die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher. Bereits am 24. März 2010 setzte die Bundesregierung als Reaktion auf zahlreiche bekannt gewordene Fälle sexueller Gewalt eine Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs ein. In den vergangenen Jahren nahm diese Funktion eine bedeutende Rolle ein. Dennoch fehlt bis heute eine gesetzliche Grundlage für die Arbeit der:s Unabhängigen Beauftragten, ebenso wie eine verbindliche Berichtspflicht. Betroffene, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexuelle Gewalt erlitten haben, sollen individuelle Unterstützung bei der Aufarbeitung erhalten. Aber auch Prävention durch Sensibilisierung, Aufklärung sowie Qualifizierung von Akteur:innen sieht der Entwurf vor. 

Am 21. März 2025 hat sich der Bundesrat mit dem Regierungsentwurf beschäftigt und keine Einwände erhoben. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen werden u.a. folgende Punkte umgesetzt: 

  • Gesetzliche Verankerung der Struktur der:s Unabhängigen Bundesbeauftragten gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, die:der in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht.
  • Implementierung  eines Arbeitsstabs für die:den Bundesbeauftragten, sowie ein dort angesiedelter Betroffenenrat und eine Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs.
  • Einführung einer Berichtspflicht mit einem wiederkehrenden Lagebericht zum Ausmaß sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zur Identifizierung von Lücken und Bedarfen für wirkungsvolle Ansätze zur Prävention und Intervention sowie zur Forschung und Aufarbeitung. 
  • Bereitstellung eines Beratungssystems für Betroffene.

Das Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen wurde am 8. April 2025 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I Nr. 107) verkündet und tritt vorbehaltlich des Absatzes 2 am 1. Juli 2025 in Kraft. 

 

 

 

 

 

 

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ALLGEMEINE BEITRÄGE

Nicht schon wieder! Verschärfung der Widerstandsdelikte auf dem Prüfstand
von Prof. Dr. Anja Schiemann

Erlaubtes Gray-Hat-Hacking und neue Strafrahmen im Computerstrafrecht? Überlegungen zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Modernisierung des Computerstrafrechts 
von Wiss. Mit. Mathis Ohlig

Eine Theorie der Integrität der Strafrechtspflege 
von Wiss. Mit. Bedirhan Erdem, LL.M. (Bikent), LL.M. (HU Berlin) 

Eine Lücke im Haftbefehl gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher?
von Wiss. Mit. Rosa-Lena Lauterbach

Was ist Postkolonialismus? Eine kriminalpolitische Notiz
von Leonardo Braguinski 

AUSLANDSBEITRAG

Die Debatte über die Einwilligung in sexuelle Handlungen als strafrechtlicher Standard. Eine Analyse im Licht des spanischen "Nur ja heißt Ja"-Gesetzes  
von Ane Rodríguez Barrueta

ENTSCHEIDUNGEN/ANMERKUNGEN

Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Kostentragung für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen
BVerfG, Urt. v. 14.1.2025 - 1 BvR 548/22

Kostspieliges Kicken - Das "letzte Wort" des BVerfG zur Kostentragungspflicht bei Hochrisiko-Fußballspielen?
von Prof. Dr. Dr. Markus Thiel

Verurteilung einer ehemaligen Zivilangestellten des Konzentrationslagers Sutthof wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 10.000 Fällen
BGH, Urt. v. 20.8.2024 - 5 StR 326/23

Bemerkungen zu BGH, Urteil. v. 20.8.2024 - 5 StR 326/23
von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch

BUCHBESPRECHUNGEN

Alina Ehlers: Die strafbewehrte Missbilligung der Tötung auf Verlangen im Sinne des § 216 StGB. Zur Zukunft einer Strafvorschrift nach dem Urteil des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit des § 217 StGB
von Prof. Dr. Anja Schiemann 

Janick Haas: Zur Notwendigkeit und Umsetzung einer eigenständigen Strafbarkeit des Betreibens von digitalen Handelsplattformen. Eine kritische Analyse von § 127 StGB n.F. im Lichte des Vorbereitungsstrafrechts 
von Prof. Dr. Anja Schiemann 

 

 

 

 

 

 

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