Beschränkung der Laienverteidigung

Gesetzentwürfe: 

Der Freistaat Bayern hat am 14. Juni 2024 einen Gesetzesantrag zur Beschränkung der Laienverteidigung in den Bundesrat eingebracht (BR-Drs. 206/24). Gem. § 138 Abs. 1 StPO ist es grundsätzlich nur Rechtsanwälten oder Hochschullehrern mit Befähigung zum Richteramt möglich, die Verteidigung in Strafsachen zu übernehmen. Ausnahmsweise kann durch das Gericht auch ein Laienverteidiger zugelassen werden (§ 138 Abs. 2 StPO), sofern die Person als Rechtsanwalt oder Volljurist tätig ist. Sie muss nach Ansicht des Gerichts hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Verteidigung sachkundig und vertrauenswürdig sein und es dürfen keine sonstigen Bedenken gegen die gewählte Person bestehen. Nach Ansicht des Freistaates Bayern berge dies aber die Gefahr, dass aus Unkenntnis Personen als Laienverteidiger zugelassen werden, die eine extremistische oder staatsfeindliche Weltanschauung vertreten und den Gerichtssaal als „Plattform für öffentlichkeitswirksame Propaganda“ nutzen wollen. „Extremisten – etwa aus dem Reichsbürgermilieu –, aber auch manchen Aktivisten geht es in manchen Fällen nicht um eine – zulässigerweise auch hart geführte – sachliche Auseinandersetzung mit der Anklage im Rahmen der Strafprozessordnung, sondern um ein ‚Sprengen‘ der Gerichtsverhandlung, um eine Verurteilung zu verhindern, oder um diese zumindest stark zu verzögern. Oder die Hauptverhandlung und das Rederecht der Verteidigung sollen als Bühne genutzt werden, um – möglichst vor den Augen der Öffentlichkeit – verfahrensfremden politischen Aktivismus darzubieten“, so der Entwurf. Zwar kann auch nachträglich die Zulassung des Verteidigers entzogen werden, allerdings ist dies für das Gericht mit einem hohen Aufwand und mit einem weiteren Eskalationsrisiko verbunden. Um der Gefahr gerecht zu werden, soll das Institut der Laienverteidigung beschränkt werden. Der Entwurf sieht daher vor, die Verteidigungsmöglichkeiten in § 138 Abs. 2 StPO auf geeignete Personen oder Berufsgruppen zu beschränken. 

In § 138 Abs. 2 wird nach Satz 1 folgender Satz 2 eingefügt:

„Eine Genehmigung nach Satz 1 kann nur folgenden Personen erteilt werden:

  1. Volljährigen Angehörigen des Beschuldigten,

  2. Personen mit Befähigung zum Richteramt, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit für den Beschuldigten steht,

  3. Vertretern von Berufsverbänden, Gewerkschaften oder Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Vertreter von Zusammenschlüssen mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder oder

  4. Vertretern von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 3 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit ihrer Vertreter haftet.“

 

 

Gesetzes zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Amts- und Mandatsträgerinnen und -trägern

Gesetzentwürfe: 

 

Der Freistaat Sachsen hat am 10. Mai 2024 unter Anschluss der Länder Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein einen Gesetzesantrag zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Amts- und Mandatsträger:innen in den Bundesrat eingebracht. Diese seien immer wieder Übergriffen oder Einschüchterungen ausgesetzt, die sie bei der Wahrnehmung ihres Amtes hindern. In der Vergangenheit sei es daher gerade bei Lokalpolitiker:innen zu Mandatsniederlegungen gekommen. Ebenso sei eine neue Besetzung der Ämter aus diesen Gründen schwierig. Die aktuelle Rechtslage erfasst ehrverletzende Äußerungen im Rahmen des § 185 StGB, der üblen Nachrede in § 186 StGB und der Verleumdung  in § 187 StGB, sowie die Qualifikation für Taten zum Nachteil „im politischen Leben des Volkes“ stehender Personen in § 188 StGB. Auch die Tatbestände der Volksverhetzung (§ 130 StGB), der Bedrohung (§ 241 StGB) oder der Nötigung (§ 240 StGB) kommen in Betracht. Um die Einschüchterung von Mandatsträger:innen erfassen zu können hängt es jedoch davon ab, dass eben diese Tatbestände verwirklicht werden, die nicht gezielt auf die Einschüchterung ausgerichtet sind. Daher sieht der Gesetzentwurf vor, einzelne Straftatbestände, die die Funktionsfähigkeit der Institutionen des Rechtsstaates sicherstellen und nicht nur den Schutz individueller Rechtsgüter bezwecken, zu erweitern. Auch subtilere Beeinflussungen unterhalb der Nötigungsgrenze sollen dabei einbezogen werden. Dadurch erwirke man insbesondere einen Schutz für Kommunalpolitiker:innen, die Einschüchterungsversuchen in ihren Gemeinden schutzlos ausgeliefert seien. 

Neben Änderungen der §§ 105 und 106 StGB soll ein neuer § 106a StGB eingefügt werden: 

„§ 106a – Beeinflussung von Amts- und Mandatsträgern

Wer die Lebensgestaltung einer in § 106 Absatz 1 genannten Person, eines Mitglieds eines in unmittelbarer und allgemeiner Wahl von der Bevölkerung gewählten Gremiums einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit, eines Amtsträgers oder eines Europäischen Amtsträgers in einer Weise unbefugt nicht unerheblich beeinträchtigt, die, auch in Verbindung mit weiteren ihm bekannten gleichartigen vorgenommenen oder geplanten Handlungen, geeignet ist, die Person dazu zu bewegen, ihre Befugnisse nicht oder in einer bestimmten Weise auszuüben oder ihr Amt oder Mandat ganz oder teilweise aufzugeben, indem er

    1. ihre räumliche Nähe oder die eines ihrer Angehörigen oder einer ihr nahestehenden Person oder die Nähe einer von diesen Personen privat genutzten Wohnung aufsucht,

    2. unter Verwendung von Kommunikationsmitteln oder über Dritte privat Kontakt zu ihr, einem ihrer Angehörigen oder einer ihr nahestehenden Person herzustellen versucht,

    3. unter missbräuchlicher Verwendung ihrer personenbezogenen Daten oder derjenigen eines ihrer Angehörigen oder einer ihr nahestehenden Person Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für die jeweilige Person aufgibt oder Dritte veranlasst, Kontakt mit der jeweiligen Person aufzunehmen,

    4. eine Tat nach § 202a, § 202b oder § 202c begeht, die sich auf private Daten von ihr, eines ihrer Angehörigen oder einer ihr nahestehenden Person bezieht,

    5. mit der Begehung einer gegen sie, einen ihrer Angehörigen oder eine ihr nahestehende Person gerichteten in § 241 Absatz 1 und 2 genannten rechtswidrigen Tat droht oder eine solche rechtswidrige Tat begeht oder

    6. eine andere zu den Nummern 1 bis 5 vergleichbare und ebenso schwerwiegende Handlung vornimmt,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In besonders schweren Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 5 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.“

Am 17. Mai 2024 wurde der Gesetzesantrag des Freistaates Sachsen im Bundesrat vorgestellt und im Anschluss zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. 

 

 

 

 

Gesetzes zum strafrechtlichen Schutz von Persönlichkeitsrechten vor Deepfakes

Gesetzentwürfe: 

 

Der Freistaat Bayern hat am 14. Mai 2024 einen Gesetzesantrag zum strafrechtlichen Schutz von Persönlichkeitsrechten vor Deepfakes in den Bundesrat eingebracht. Die mit Hilfe von KI erzeugten und manipulierten Inhalte bergen erhebliche Gefahren für individuelle Persönlichkeitsrechte und Vermögenswerte sowie für den demokratischen Willensbildungsprozess und seien damit eine besonders gefährliche Form der Informationsmanipulation, heißt es in dem Entwurf. Diese Manipulation werde zunehmend von Straftäter:innen missbräuchlich eigesetzt, bspw. bei Bild- und Videoaufnahmen. Den Täter:innen komme es darauf an, Rache- und Machtbedürfnisse auszuleben. Auch im politischen Bereich würden Deepfakes genutzt, um im Meinungswettstreit Personen effektiv zu diskreditieren und eine nachteilige Stimmung zu schüren. Im Einzelfall können persönlichkeitsrechtsverletzende Deepfakes durch bestehende strafrechtliche Regelungen in Teilaspekten erfasst sein. Dies umfasse aber nicht den eigentlichen Unrechtskern. Eine betroffene Person habe ein berechtigtes Interesse, „ohne ihre Zustimmung nicht in eine künstlich erzeugte, aber scheinbar authentische ‚Wirklichkeit‘ hineingestellt zu werden mit Äußerungen, die sie selbst nicht getätigt hat, oder mit Handlungen, die sie selbst nicht vorgenommen hat.“ Sie sehe sich in einer Situation, „in der sie die Selbstbestimmung und die Kontrolle über das eigene Erscheinungsbild und Auftreten verliert und ihre identitätsprägenden Merkmale mit Außenwirkung ge- oder verfälscht oder in einen falschen Kontext gestellt werden“. Eine bloße Kennzeichnungspflicht von Deepfakes werde den gravierenden Auswirkungen für die Betroffenen nicht gerecht. Daher sieht der Entwurf vor, einen eigenen Tatbestand einzuführen: 

„§ 201b – Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch digitale Fälschung

(1) Wer das Persönlichkeitsrecht einer anderen Person verletzt, indem er einen mit computertechnischen Mitteln hergestellten oder veränderten Medieninhalt, der den Anschein einer wirklichkeitsgetreuen Bild- oder Tonaufnahme des äußeren Erscheinungsbildes, des Verhaltens oder mündlicher Äußerungen dieser Person erweckt, einer dritten Person zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Gleiches gilt, wenn sich die Tat nach Satz 1 auf eine verstorbene Person bezieht und deren Persönlichkeitsrecht dadurch schwerwiegend verletzt wird.

(2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 den Medieninhalt der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einen Medieninhalt zugänglich macht, der einen Vorgang des höchstpersönlichen Lebensbereichs zum Gegenstand hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2, gilt nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.

(4) Die Bild- oder Tonträger oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.“

Am 17. Mai 2024 wurde der Entwurf im Bundesrat vorgestellt und im Anschluss zur Beratung an die Ausschüsse überwiesen. 

 

 

Gesetz zur Erhöhung der Transparenz von Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft

Gesetzentwürfe: 

 

Das BMJ hat am 2. Mai 2024 einen Referentenentwurf zur Erhöhung der Transparenz von Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft auf den Weg gebracht. Das Aufsichtsrecht ist derzeit geteilt. Während gem. § 147 Nr. 1 GVG der Generalbundesanwalt der Aufsicht des BMJ unterliegt, unterliegen die Staatsanwält:innen der Länder der Aufsicht der Landesjustizverwaltungen (§ 147 Nr. 2 GVG).  Das damit verbundene Weisungsrecht kann in engen rechtlichen Grenzen im Rahmen des Legalitätsprinzips ausgeübt werden. Eine konkrete rechtliche Ausgestaltung, wie bspw. eine Schriftform oder eine Begründungspflicht, gibt es hierfür jedoch nicht.  Dies kritisierte bereits der EuGH in seinem Urteil vom 27. Mai 2019 (C-508/18 und C-82/19 PPU) im Zusammenhang mit der Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls. Aufgrund der fehlenden konkreten Regelung zum existierenden Weisungsrecht, biete Deutschland keine Gewähr für unabhängiges Handeln. Der Gesetzentwurf verzichtet nicht auf ein Weisungsrecht, sieht allerdings eine ausdrückliche Regelung in § 146 GVG vor. Unter anderem soll ein Schriftform- und Begründungserfordernis eingeführt werden.

§ 146 GVG sollen die folgenden Absätze 2 und 3 werden angefügt werden:

(2) „ Weisungen zur Sachleitung durch Vorgesetzte nach § 147 haben den Legalitätsgrundsatz (§ 152 Absatz 2 der Strafprozessordnung) zu beachten und sind nur zulässig

  1. zur Verhinderung rechtswidriger Entscheidungen,
  2. soweit in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ein Entscheidungs- oder Beurteilungsspielraum besteht oder
  3. im Bereich der Ermessensausübung.

Sie ergehen frei von justizfremden Erwägungen.

(3) Weisungen zur Sachleitung durch Vorgesetzte nach § 147 Nummer 1 und 2 sollen in Textform (§ 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erteilt und begründet werden. Wird die Weisung aus besonderen Gründen nur mündlich oder ohne Begründung erteilt, ist sie spätestens am folgenden Tag in Textform zu bestätigen und zu begründen.“

 

 

 

Gesetz zur Einführung einer Mindestspeicherung von IP-Adressen für die Bekämpfung schwerer Kriminalität

Gesetzentwürfe: 

 

Das Land Hessen hat einen Gesetzesantrag zur Einführung einer Mindestspeicherung von IP-Adressen für die Bekämpfung schwerer Kriminalität in den Bundesrat eingebracht. Der Entwurf wurde nach erster Beratung am 26. April 2024 den Ausschüssen zugewiesen. Hessen möchte die vom Europäischen Gerichtshof eröffneten Spielräume für die Verkehrsdatenspeicherung nutzen (EuGH, Urt. v. 20.9.2022 – C-793/19 und C-794/19) und die unionsrechtswidrigen nationalen Regelungen der §§ 175, 176 TKG an die Rechtsprechung des EuGH, des BVerfG sowie des BVerwG anpassen, so dass eine einmonatige Speicherung von IP-Adressen samt eventuell vergebener Port-Nummern zum Zwecke der Bekämpfung schwerer Kriminalität möglich wird. So könne der oft einzige Ermittlungsansatz zur Identifizierung eines unbekannten Täters genutzt werden. Insbesondere betreffe dies die Weitergabe oder die Bereitstellung von Kinderpornografie im Internet. Daneben soll die Neuregelung auch der Verfolgung allgemeiner Kriminalität und dem Schutz der öffentlichen Sicherheit dienen. So soll es weiterhin „möglich sein, dass Internetzugangsdienste mindestgespeicherte IP-Adressen für eine Bestandsdatenauskunft anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen IP-Adresse verwenden dürfen, um den Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden die Identitätsdaten des relevanten Anschlussinhabers zu übermitteln.“ Eine anlasslose Speicherung zum Zwecke der Gefahrenabwehr sieht der Entwurf nicht vor. Folgeänderungen entstehen durch die Neuregelung in §§ 177, 180 TKG und in den §§ 100g, 101a StPO.

 

 

 

Gesetz zur Absenkung der Hürden für eine audiovisuelle Vernehmung von minderjährigen Zeugen

Gesetzentwürfe: 

 

Das Land Niedersachsen hat am 20. März 2024 einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der sich mit den Hürden für die Vornahme einer audiovisuellen Vernehmung von minderjährigen Zeugen beschäftigt und diese zukünftig absenkt. 

Die geplante Novellierung beruht insbesondere auf einem zu geringen Schutzniveau von minderjährigen Zeugen bei audiovisuellen Vernehmungen gemäß § 247a StPO. Dies ergebe sich aus einem Vergleich mit den Möglichkeiten, den Angeklagten gemäß § 247 StPO aus dem Sitzungssaal zu entfernen. Während für die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal bei einer Vernehmung eines Minderjährigen gemäß § 247 S. 2 StPO bereits bei der Befürchtung eines erheblichen Nachteils für diesen möglich ist, ist eine audiovisuelle Vernehmung erst bei einer dringenden Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen möglich. Dieser Wertungswiderspruch soll aufgelöst und dadurch eine kindergerechte Justiz gewährleistet werden.

Der Entwurf sieht daher vor, § 247a Abs. 1 StPO dahingehend zu ergänzen, dass eine audiovisuelle Vernehmung bereits möglich sein soll, wenn bei Anwesenheit des Zeugen in der Hauptverhandlung ein erheblicher Nachteil für das Zeugenwohl zu befürchten ist. Der Schutz soll sich nicht nur auf Situationen beschränken, in denen der Nachteil auf die Anwesenheit des Angeklagten zurückzuführen ist. Zudem berücksichtige § 247a StPO im Gegensatz zu § 247 StPO auch Verfahrensvorgänge in Zusammenhang mit der Vernehmung (z.B. Vereidigung bzw. Verhandlung und Entscheidung über die Vereidigung), wodurch ein Kontakt mit dem Angeklagten vollständig vermieden werden kann. Dies werde den Interessen des kindlichen Opfers gerecht.

In § 247a Abs. 1 StPO soll nach Satz 1 folgender Satz 2 hinzugefügt werden: 

„Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist.“

Am 26. April 2024 hat der Bundesrat auf Empfehlung der Ausschüsse die Einbringung des Antrags in den Bundestag beschlossen und am 3. Juni 2024 einen Gesetzesentwurf vorgelegt (BT-Drs. 20/11557). In der Begründung des Entwurfs wird betont, dass durch die geplante Änderung die Belastung des kindlichen Zeugen erheblich gemindert wird. In einer ersten Stellungnahme begrüßt die Bundesregierung die Änderung, wünscht sich jedoch, dass die Vorschrift des § 247a StPO in einem größeren Kontext betrachtet und dementsprechend angepasst wird. 

 

 

 

 

Gesetz zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes

Gesetzentwürfe: 

 

Die Bundesregierung hat im März 2024 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes auf den Weg gebracht. Der Entwurf war im Bundestag bereits am 10. April 2024 Teil der Debatte und wurde im Anschluss zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen.

Schwangere, die sich zur Vorsorge oder Beratung an eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle wenden, haben zunehmend das Problem, dass vor diesen Örtlichkeiten Protestaktionen von Abtreibungsgegner:innen stattfinden und diese versuchen, auf die Schwangeren einzuwirken. Sie werden auf belästigende Art und Weise angesprochen oder mit Abbildungen und Schriften mit der Thematik des Schwangerschaftsabbruchs konfrontiert. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es sich bei solchen Gehsteigbelästigungen um nicht hinnehmbare Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Schwangeren handle. Die Betroffenen gerieten dadurch unter erheblichen psychischen Druck und seien nachhaltig verunsichert. Gleiches gelte für die Mitarbeitenden der Einrichtungen. Insgesamt führe die Situation zu einer Störung des gesamten Beratungskonzepts. Durch die durch den Staat auferlegte Pflicht zur Beratung bei einem Schwangerschaftsabbruch, trage der Staat wiederum auch die Sorge dafür, dass diese ohne wesentliche Hindernisse durchgeführt werden kann. Daher verfolgt der Gesetzentwurf das Ziel, „einen bundeseinheitlichen und rechtssicheren Umgang mit den sogenannten Gehsteigbelästigungen sicherzustellen. Übergeordnetes Ziel ist hierbei die Sicherstellung der Verwirklichung des gesetzlichen Schutzkonzepts, das die Schwangere als letztverantwortliche Entscheidungsträgerin respektiert und ihre Rechte wahrt.“ Hierzu soll das SchKG ergänzt werden. In den §§ 8 und 13 SchKG wird eine Klarstellung dahingehend erfolgen, dass die Länder verpflichtet sind, einen ungehinderten Zugang zu den Beratungsstellen sicherzustellen. Es sollen Verbote von Gehsteigbelästigungen von Schwangeren und Mitarbeitenden vor den Einrichtungen normiert und mit entsprechenden Bußgeldtatbeständen flankiert werden. Es ist weiterhin geplant, die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 EUR zu ahnden. 

Am 13. Mai 2024 fand im Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Sachverständigen bewerteten den Entwurf unterschiedlich. Prof. Dr. Steffen Augsberg von der Justus-Liebig-Universität Gießen sah in der geplanten Neuregelung keine Notwendigkeit, da Bedrohungen, Nötigungen und Beleidigungen durch das StGB bereits erfasst seien. Zudem stehe den protestierenden Personen ihrerseits das Grundrecht der Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu, in das nicht unzulässig eingegriffen werden dürfe. Dem stimmte Tomislav Čunović vom Verein „40 Daysfor Life International“ zu. Er brachte den Eingriff in die Versammlungsfreiheit mit einer „nicht erforderlichen Abstandsregelung von 100 Metern“ in Verbindung. In einem nach beiderseitigem Einverständnis stattfindenden Gespräch zwischen einer Schwangeren und einer „Gehsteigberaterin“ sah er keine nötigende Situation. Einen Eingriff in das Grundrecht der Versammlungs- und Meinungsfreiheit konnte Prof. Dr. Sigrid Boysen von der Universität der Bundeswehr nicht erkennen. Es gehe im Falle der Gehsteigbelästigungen nicht um einen Meinungskampf, sondern der Gesetzgeber versuche die Beratungslösung zu schützen. Gleicher Ansicht war Céline Feldmann vom Deutschen Juristinnenbund. Präventive Maßnahmen seien erforderlich, um den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen und die Rechte von Schwangeren zu stärken. Prof. Dr. Sina Fontana von der Universität Augsburg betonte, dass durch die geplante Regelung Rechtssicherheit geschaffen werde. Sie erfülle die Schutzpflicht für das Persönlichkeitsrecht der Schwangeren und sichere zudem das staatliche Beratungskonzept ab. Bei einer Abwägung der kollidierenden Interessen mit den Abbruchsgegnern, müsse diese zugunsten der Schwangeren ausgehen. Die von Fontana angeführte Rechtssicherheit stellte Prof. Dr. Helmut Frister von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in Frage. Der Versuch, jedem Einzelfall gerecht zu werden, lege den Vollzugsbehörden letztlich beim Umgang mit Gehsteigbelästigung Steine in den Weg. Eine Abwägung der Interessen werde dadurch auf die Vollzugsbehörden und die Gerichte verlagert. Prof. Dr. Christian Hillgruber von der Universität Bonn kritisierte ebenfalls die angestrebte Einzelfallabwägung und erklärte, dass dem Bund zudem für die Sicherstellung des ungehinderten Zugangs zu Beratungsstellen und den Behinderungs- und Belästigungsverboten die Gesetzgebungskompetenz fehle. Die Vertreter:innen der Vereine und Verbände begrüßten den Gesetzentwurf und unterstützten die geplante Einführung von Belästigungsverboten. Karsten Scholz von der Bundesärztekammer schlug vor, dass das Personal der Einrichtungen nicht nur vor einer Behinderung ihrer Arbeit, sondern ebenfalls vor Belästigungen geschützt werden sollte.

 

 

 

 

 

Regierungsentwurf zur weiteren Digitalisierung der Justiz

Gesetzentwürfe: 

 

Am 10. April 2024 hat die Bundesregierung ihren Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz in den Bundestag eingebracht. Dort war er am selben Tag bereits Teil in der Debatte „zur weiteren Digitalisierung der Justiz“ und wurde zur weiteren Beratung an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen. Die Regierung sieht im Bereich der Straf- und Zivilverfahren einen weitergehenden Reformbedarf. Im Bereich der Strafverfahren gab es bereits in der 19. Legislaturperiode einige Modernisierungen, wie das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I, S. 2121) oder das Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juni 2021 (BGBl. I, S. 2099). Durch zusätzliche Rechtsanpassungen soll nun der elektronische Rechtsverkehr sowie die elektronische Aktenführung in der Zukunft weiter gefördert werden. Insbesondere soll die Strafantragstellung erleichtert und die Teilnahme an der Revisionshauptverhandlung per Videokonferenz eingeführt werden.

Die Vorschläge zur weiteren Digitalisierung der Justiz umfassen konkret:

  • „die Einführung einer Hybridaktenführung in allen Verfahrensordnungen für geheimhaltungsbedürftige Aktenbestandteile, für vor der verpflichtenden Einführung der elektro-nischen Aktenführung in Papier begonnene Akten sowie – während der Pilotierungsphase – für elektronisch begonnene Akten;
  • die Möglichkeit für Bevollmächtigte, (gesetzliche) Vertreter und Beistände (für die Strafprozessordnung beschränkt auf professionelle Verfahrensbeteiligte), auch Scans von schriftlich einzureichenden Anträgen und Erklärungen der Naturalbeteiligten oder Dritten formwahrend elektronisch an das Gericht zu übermitteln;
  • die Einführung einer Formfiktion für empfangsbedürftige Willenserklärungen, die in elektronisch bei Gericht eingereichten Schriftsätzen enthalten sind;
  • die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Pflicht zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten für Verteidigerinnen und Verteidiger sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Straf- und Bußgeldsachen;
  • Erleichterungen bei der Strafantragstellung;
  • die Abschaffung des Unterschriftserfordernisses für schriftliche Erklärungen von Bürgerinnen und Bürgern bei entsprechender Dokumentation durch die Strafverfolgungsbehörden;
  • die Möglichkeit, in der Revisionshauptverhandlung die physische Anwesenheit von Verfahrensbeteiligten durch eine Zuschaltung im Rahmen einer Videokonferenz zu ersetzen;
  • eine Ausnahme von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung bei Verschlusssachen;
  • die Einführung der Textform für die anwaltliche Vergütungsberechnung;
  • Ausnahmen von der elektronischen Aktenübermittlung bei umfänglichen Akten;
  • die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung einheitliche technische Standards für die Übermittlung von elektronischen Akten zwischen Behörden und Gerichten – insbesondere den Verwaltungs- und Sozialgerichten – festzulegen, sowie
  • die beschränkte Zulassung des Identifizierungsverfahrens ELSTER im elektronischen Rechtsverkehr.“

Zahlreiche Verbände haben bereits zum Referentenentwurf Stellung genommen. Eine Übersicht der Stellungnahmen finden Sie hier

Am 26. April 2024 beschäftigte sich der Bundesrat erstmals mit dem Regierungsentwurf und nahm entsprechend der Empfehlungen der Ausschüsse Stellung dazu. 

Am 15. Mai 2024 fand im Rechtsausschuss eine Öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Expert:innen bewerteten den Gesetzentwurf in den Einzelheiten unterschiedlich. Dr. Angelika Allgayer, Richterin am BGH, begrüßte die vorgeschlagenen Änderungen hinsichtlich des weiteren Ausbaus des elektronischen Schriftverkehrs, insbesondere auch zur Aufnahme von Strafanträgen. Kritisch sah sie die vorgeschlagene Änderung der StPO hinsichtlich der regelhaften digitalen Teilnahme an einer Revisionshauptverhandlung. Ihrer Ansicht nach sollte die als „Herzstück“ des Strafverfahrens weiterhin regulär in Präsenz stattfinden. Prof. Dr. Wilfried Bernhardt vom Deutschen EDV-Gerichtstag erklärte, dass eine Modernisierung der Prozessordnungen unumgänglich sei, damit einerseits komplexe Verfahren sowie Massenverfahren besser bewältigt werden und andererseits eine bürgernahe moderne Justiz geschaffen werden könne. Jacqueline Sittig vom DJB begrüßte insbesondere die im Entwurf enthaltenen strafprozessualen Aspekte. Ein niedrigschwelliger Zugang zur Strafverfolgung sei in Fällen digitaler Gewalt unabdingbar. Die Maßnahmen zur elektronischen Anzeigeerstattung seien im Entwurf jedoch ausbaufähig. Dem stimmte Franziska Benning von HaitAid zu. Dr. Jana Zapf vom Deutschen Richterbund betonte, dass der Erfolg der Digitalisierung letztlich von der Ausstattung der Justiz abhänge. Die Änderungen der StPO bewertete sie als keinen wirklichen Mehrwert für die Angeklagten. Der Richterbund habe insbesondere Bedenken hinsichtlich einer Schwächung der Revisionshauptverhandlung sowie hinsichtlich des elektronischen Strafantrags.

Am 12. Juni 2024 hat der Rechtsausschuss den Regierungsentwurf  in geänderter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und CDU/CSU bei Ablehnung von AfD und BSW und Enthaltung der Gruppe Die Linke beschlossen. Am 14. Juni 2024 hat die Bundesregierung den Entwurf in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 20/11557) angenommen. 

 

 

 

 

Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass und Hetze

Gesetzentwürfe: 

Die Fraktion CDU/CSU hat im November 2023 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass und Hetze auf den Weg gebracht (BT-Drs. 20/9310).

Hintergrund ist der Angriff der palästinensischen Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober 2023. Infolge dessen kam es in Deutschland zu Pro-Palästina-Demonstrationen. Es sei „unerträglich und nicht hinnehmbar, dass der Hamas-Terrorismus und Antisemitismus auf deutschen Straßen und Schulhöfen bejubelt und propagiert, auf Demonstrationen das Existenzrecht Israels öffentlich geleugnet bzw. zur Zerstörung des Staates Israel aufgerufen wird und es auf den propalästinensischen Demonstrationen – wie beispielsweise in Berlin-Neukölln – zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt“, so der Entwurf. Auch ein versuchter Brandanschlag auf eine Synagoge in Berlin am 18. Oktober 2023 sowie Davidstern-Markierungen an Berliner Wohnhäusern von Jüdinnen und Juden sei ein Alarmsignal. Zudem bewege sich die Anzahl der antisemitischen Straftaten in Deutschland auf einem hohen Niveau. Der Schutz jüdischen Lebens sei Staatsaufgabe und unverhandelbar. Deutschland trage aufgrund der nationalsozialistischen Verbrechen eine besondere geschichtliche Verantwortung und Verpflichtung dafür, den Antisemitismus zu bekämpfen. Daher seien durch den Gesetzgeber bestehende Schutzlücken zu schließen und ein Zeichen gegen Antisemitismus und judenfeindliche Tendenzen zu setzen. Zudem sollen unter generalpräventiven Gesichtspunkten antisemitische Straftaten „konsequent verfolgt und schulangemessen geahndet werden“.

Konkret sollen folgende Maßnahmen umgesetzt werden:

  • „Schließung der Schutzlücken beim Landfriedensbruch und Erhöhung des bisherigen Strafrahmens.“

Die Regelung des Landfriedensbruchs sei zu eng ausgestaltet. Strafbar macht sich nur, wer als Täter oder Teilnehmer Teil einer feindseligen Menschenmenge ist. Die Täter seien aber meist durch die umherstehende Mengen abgeschirmt, so dass dies gar nicht feststellbar ist. Nach § 125 Abs. 1 StGB sollen daher die folgenden Absätze 2 und 3 ergänzt werden:

„(2) Wer sich einer Menschenmenge, die die öffentliche Sicherheit bedroht, anschließt oder sich nicht unverzüglich aus ihr entfernt, obwohl aus der Menge mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit begangen werden und er dies erkennen kann, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Absatz 2 ist nicht anzuwenden auf Personen, die in Ausübung dienstlicher oder beruflicher Pflichten handeln, es sei denn, dass sie das Verhalten der Menge unterstützen.“

Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 4 und wird wie folgt gefasst:

„(4) Soweit die in Absatz 1 Nummer 1 und 2 und Absatz 2 bezeichneten Handlungen in § 113 mit Strafe bedroht sind, gilt § 113 Absatz 3 und 4 sinngemäß. Dies gilt auch in Fällen des § 114, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.“

  • „Wiederherstellung der Strafbarkeit der sogenannten Sympathiewerbung im Rahmen von § 129 Abs. 1 und § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB.“
  • „Schließung der Schutzlücken bei der Volksverhetzung (Strafbarkeit für das Leugnen des Existenzrechts des Staates Israel und für den Aufruf zur Beseitigung des Staates Israel) und Erhöhung des Strafrahmens der Volksverhetzung; insbesondere durch Einführung eines besonders schweren Falls.“

Bislang ist das Leugnen des Existenzrechts Israels und der Aufruf zur Beseitigung des Staates Israel nicht durch § 130 StGB erfasst. Zudem sei der Strafrahmen der Volksverhetzung teilweise zu niedrig. Der Fall, dass ein:e Täer:in antisemitisch handelt, wird nun durch einen besonders schweren Fall erfasst.

§ 130 Abs. 1 StGB soll wie folgt gefasst werden:

„(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

    1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen auffordert,
    1. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet oder
    1. das Existenzrecht des Staates Israel leugnet oder zur Beseitigung des Staates Israel aufruft,

wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter antisemitisch handelt.“

Am 15. Januar 2024 fand im Rechtsausschuss eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.

Die Expert:innen begrüßten grundsätzlich die Zielsetzung des Entwurfs, der konkrete Gesetzentwurf der Fraktion CDU/CSU traf jedoch nur bei einigen auf Zustimmung. Kritisiert wurden u.a. verfassungsrechtliche Probleme. So werde bspw. durch den Vorschlag, das Leugnen des Existenzrechts des Staates Israel und den Aufruf zur Beseitigung des Staates Israel als Volksverhetzung zu bestrafen, die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Prof. Dr. Elisa Hoven kritisierte, dass der entsprechende Normvorschlag unzulässigerweise an einen Meinungsinhalt anknüpfe. Daher sei eher eine grundlegende Überarbeitung des § 130 StGB sinnvoll, um Strafbarkeitslücken zu schließen. Dem stimmte Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung zu. Andreas Franck von der GenStA München sowie Prof. Dr. Michael Kubiciel von der Universität Augsburg sahen dies anders. Bei der von der Fraktion vorgeschlagenen Neuregelung handele es sich um ein allgemeines Gesetz, dass die Meinungsfreiheit beschränke und keinen Meinungsinhalt verbiete. Es sei vielmehr eine Gelegenheit „jüdisches Leben in Deutschland zu schützen“, so Franck. Die vorgesehene Verschärfung des Landfriedensbruchs warf ebenfalls verfassungsrechtliche Fragen auf. Stefan Conen vom DAV betonte, dass das grundrechtlich verankerte Recht der Versammlungsfreiheit tangiert werde und schlug eine Verbindung zum Brokdorf-Beschluss des BVerfG. Rechtsanwältin Kati Lang und Prof. Dr. Ulrike Lembke von der Humboldt-Universität Berlin lehnten den Gesetzentwurf allgemein ab. Bei der Bekämpfung antisemitischer Straftaten bestehe ein „Vollzugs- und nicht ein Regelungsdefizit“, so Lang. Dies liege an der „Mut- und Willenlosigkeit der Justiz“. Auch Lembke betonte, dass das Strafrecht vorhanden sei, es aber eher um eine konsistente und konsequente Anwendung dessen gehe. Lang schlug zudem vor, die Beteiligungsrechte bei antisemitischen Straftaten, bspw. durch eine Nebenklagemöglichkeit, zu stärken.

 

 

Entwurf eines Gesetzes zur Neustrukturierung des Bundespolizeigesetzes

Gesetzentwürfe: 

 

Am 20. Dezember 2023 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Neustrukturierung des Bundespolizeigesetzes beschlossen. Er sieht vor, das Bundespolizeigesetz umfassen neu zu bearbeiten und zu strukturieren, insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 20.4.2016 (1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09), in der Teile des BKAG für verfassungswidrig erklärt wurden. Entsprechende Regelungen im BPolG sollen daher angepasst werden.

Unter anderem sieht der Regierungsentwurf die Erweiterung der Befugnisse zur effektiven Aufgabenerfüllung im Bereich der Gefahrenabwehr vor:

  • Möglichkeit zur Telekommunikationsüberwachung und Erhebung von Verkehrs- und Nutzerdaten zum Schutz von Leib und Leben sowie Identifikation und Lokalisation von Mobilfunkkarten nach richterlichem Beschluss
  • Schaffung einer Rechtsgrundlage für zeitlich befristete Aufenthaltsverbote oder Meldeauflagen
  • Schaffung einer Rechtsgrundlage zur Speicherung von DNA-Identifizierungsmuster

Des Weiteren soll eine Regelung für eine einfache Sicherheitsüberprüfung aller Beschäftigter bei der Bundespolizei zum Schutz vor Extremist:innen, die als Innentäter:innen agieren könnten, geschaffen werden. Um das Vertrauen in die Arbeit der Bundespolizei zu stärken und mehr Transparenz zu schaffen, ist eine Legitimations- und Kennzeichnungsplicht für Bundespolizeibeamt:innen und die Einführung von Kontrollquittungen vorgesehen. Auch Gewahrsamsräume sollen künftig mit Bild und Ton überwacht werden können. Flankierend werden datenschutzrechtliche Aspekte umgesetzt. So erhält u.a. der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit bei besonders eingriffsintensiven Maßnahmen zusätzliche Aufsichtsbefugnisse.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser dazu:„Wir haben heute die Reform eines der wichtigsten Sicherheitsgesetze unseres Landes auf den Weg gebracht und ein weiteres Vorhaben des Koalitionsvertrags umgesetzt. Unsere Reform bringt das Bundespolizeigesetz auf die Höhe der Zeit. Wir schaffen die besten Voraussetzungen, um den aktuellen Gefährdungslagen konsequent zu begegnen. Mit neuen Befugnissen geben wir der Bundespolizei alles Notwendige an die Hand, um ihre Aufgaben bestmöglich erfüllen zu können. Darüber hinaus stärken wir Bürgernähe und Transparenz.“

Am 26. Februar 2024 wurde der Regierungsentwurf in den Bundestag eingebracht, am 14. März erstmals im Plenum beraten und im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Innenausschuss überwiesen. Dort fand am 22. April 2024 eine Öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier

Die Expert:innen beurteilten den Regierungsentwurf unterschiedlich. Insbesondere das Vorhaben, eine Kennzeichnungspflicht für Bundespolizeibeamt:innen einzuführen, damit sog. Kontrollquittungen ausgestellt werden können, wurde von den Vertreter:innen der Gewerkschaften abgelehnt. Andreas Roßkopf von der GdP kritisierte, dass das geplante Vorgehen das Vertrauen der Kolleg:innen gegenüber dem Gesetzgeber schwinden ließe, da der Eindruck erweckt werde, dass bei der Bundespolizei in Teilbereichen von strukturellen Problemen gesprochen werden müsse. Stattdessen forderte er ein modernes Polizeigesetz, das es ermögliche, „auf Augenhöhe rechtssicher arbeiten zu können“. Hinsichtlich der Kennzeichnungspflicht und der Kontrollquittungen stimmte Heiko Teggatz von der DPolG Roßkopf zu. Darüber hinaus vermisse er in dem Regierungsentwurf Regelungen zur Gesichtserkennung, zur anonymisierten Verhaltenserkennung an Bahnhöfen, zur Quellen-TKÜ, zur Online-Durchsuchung und zur Erweiterung der Grenzzuständigkeit im Inland von 30 km auf 50 km. Letzteres sei seiner Ansicht nach dringend geboten. Auch Prof. Dr. Dr. Markus Thiel von der Deutschen Hochschule der Polizei sprach sich gegen eine allgemeine Kennzeichnungspflicht der Bundespolizeibeamt:innen und Kontrollquittungen aus. Er äußerte sich ebenfalls wie Teggatz dahingehend kritisch, dass versäumt werde, Rechtsgrundlagen für die Quellen-TKÜ sowie für die Online-Durchsuchung zu schaffen, obwohl gerade diese Befugnisse „anerkanntermaßen und von der Verfassungsgerichtsbarkeit bestätigt, verfassungskonform geregelt werden können“. Bei einer Ausweitung der bundespolizeilichen Befugnisse warnte Uta Schröder, Referatsleiterin im Ministerium für Inneres und Sport Niedersachsen, vor einer Erosion der Zuständigkeit der Länderpolizeien, insbesondere im Bereich der Aufenthaltsverbote und Meldeauflagen. Lea Voigt vom DAV riet ebenfalls in Bezug auf die Ausweitung der Befugnisse der Bundespolizei zur Zurückhaltung. Sie beurteilte die Eingriffsschwelle bei der TKÜ als zu niedrig angesetzt für eine „sehr eingriffsintensive Maßnahme“, die bereits bei Bagatellverfahren eingesetzt werden könne. Prof. Dr. Hartmut Aden von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin sprach sich dafür aus, die Eingriffsbefugnisse für anlassunabhängige Personenkontrollen zu reduzieren und Kontrollquittungen schon von Amts wegen bei allen Kontrollen auszugeben und nicht nur auf Verlangen. Dr. Felix Ruppert von der Ludwig-Maximilians-Universität München ergänzte, dass die Kontrollquittungen und die Kennzeichnungspflicht im Zusammenhang mit dem Verbot von Racial Profiling die Transparenz der Bundespolizei stärke und damit den Willkürvorwürfen entgegentrete. Uli Grötsch, Polizeibeauftragter des Bundes beim Deutschen Bundestag, bewertete den Gesetzentwurf insgesamt als gutes Signal an die Beamt:innen sowie an die Öffentlichkeit. Die vorgesehene Klarstellung zum Racial Profiling ordnete er nicht als Generalverdacht ein und begrüßte zudem ebenfalls die Einführung von Kontrollquittungen.

 

 

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