Gesetzentwürfe:
- Gesetzentwurf der Fraktion der FDP: BT-Drs. 20/14258
Am 17. Dezember 2024 hat die Fraktion der FDP einen Gesetzentwurf zur modernen und praxistauglichen Ausgestaltung des Strafverfahrens, zur Modernisierung der Zeugnisverweigerungsrechte in gerichtlichen Verfahren und zur Überarbeitung von Vermögensabschöpfung und Unterbringung im Jugendstrafrecht in den Bundestag eingebracht. Um die Bürger:innen selbst und ihr Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen, seien die Mittel des Strafrechts unerlässlich. Dazu gehöre aber auch, Strafverfahren in angemessener Dauer durchzuführen und dabei Beschuldigtenrechte zu wahren. Um das Strafverfahren an moderne Entwicklungen anzupassen, sollen bestimmte Aspekte praxistauglicher gestaltet werden. Ein zeitgemäßes Strafverfahren erfordere die Stärkung einer effektiven Verteidigung, eine transparente Verfahrensführung sowie eine zielgerichtete Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten und den Einsatz moderner Technik. Hinsichtlich moderner Entwicklungen seien insbesondere die Zeugnisverweigerungsrechte von Angehörigen nicht mehr zeitgemäß. Sie bilden die modernen Formen der Familie und des Zusammenlebens nicht mehr ausreichend ab. So habe das Verlöbnis an Bedeutung verloren und Kinder würden in vielfältigeren Familienkonstellationen und Lebensmodellen aufwachsen, die ein ebenso starkes Vertrauensverhältnis begründen, wie zwischen Ehegatten oder Verwandten. Dementsprechend könne dieses Vertrauensverhältnis auch zu einer vergleichbaren Konfliktlage führen. Ebenfalls seien Anpassungen im Jugendstrafrecht erforderlich. Im Rahmen von Reformen der StPO und der Vermögensabschöpfung seien flankierend Änderungen im Jugendstrafrecht vorgenommen worden, die letztlich dazu geführt hätten, dass die erforderliche Ausrichtung aller Rechtsfolgen am spezialpräventiven Ziel des Jugendstrafrechts in Einzelfällen erschwert worden sei. Weiteren Reformbedarf sieht der Entwurf im Rahmen des Jugendstrafrechts bei der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und dem Vorbehalt der Sicherungsverwahrung sowie bei der vollstreckungsrechtlichen Entscheidung über die Fortdauer dieser Maßregeln. Hinsichtlich der gerichtlichen Zuständigkeit bestehe hier eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Jugendlichen und Heranwachsenden gegenüber Erwachsenen. Eine Entscheidung über die Unterbringung nach § 63 StGB wird im allgemeinen Strafrecht von drei Berufsrichtern gefällt, während sie im Jugendstrafrecht vom Jugendschöffengericht gefällt werden kann, das nur mit einem Berufsrichter besetzt ist. Gleiches gilt für den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung.
Der Entwurf sieht daher in den einzelnen Bereichen vor:
Recht der Verteidigung
- konzentriertere Durchführung von Strafverfahren
- Wegfall des Antragserfordernisses bei der notwendigen Verteidigung und Bestellung eines Pflichtverteidigers in allen Fällen der notwendigen Verteidigung ab der ersten Vernehmung oder Gegenüberstellung von Amts wegen
- Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung von Verweigerungen zur Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft
- Recht zur Anwesenheit bei Tatortrekonstruktionen
- Gewährleistung der Vertraulichkeit von Gesprächen inhaftierter Beschuldigter mit einem potentiellen Verteidiger bereits bei Gesprächen über die Begründung eines Mandatsverhältnisses
Beweiserhebung und Beweisaufnahme
- Möglichkeit der Bezugnahme auf Abbildungen und Videomaterial, das sich auf elektronischen Speichermedien befindet
- Möglichkeit der audiovisuellen Aufzeichnung der Vernehmung von Zeug:innen im Ermittlungsverfahren
- Überarbeitung der Vorschriften über eine Trennung von beschuldigter Person und Zeug:innen während der Vernehmung im Ermittlungs- und Hauptverfahren
- Ausweitung der Regelungen des sogenannten Selbstleseverfahrens auf Augenscheinsobjekte, die zugleich Urkunden sind
- Möglichkeit der Zulassung englischsprachiger Urkunden ohne Übersetzung als Beweismittel, wenn alle Verfahrensbeteiligten über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen
- Beweisverwertungsverbot für belastende Angaben aus einem Verwaltungsverfahren
Förderung der Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten
- Möglichkeit der Unterbrechung der Hauptverhandlung von bis zu zwei Monaten
- Erweiterung der Möglichkeit einer Eröffnungserklärung der Verteidigung
- Einführung einer Hinweispflicht des Gerichts im Rahmen der Beweisaufnahme bei unterschiedlicher Beurteilung von Beweis- oder Rechtslage
Anpassungen im Bereich des Rechtsmittelrechts
- Ergänzung zum Rechtsmittelverzicht bei der strafprozessualen Verständigung
- Stärkere Berücksichtigung des Einzelnen bei Revisionsverfahren von Mitverurteilten
Änderung des Zeugnisverweigerungsrechts der Angehörigen des Beschuldigten
- Zeugnisverweigerungsrecht für Verlobte entfällt
- neue Zeugnisverweigerungsrechte für Partner:innen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, oder Partner:innen, deren Eheschließungstermin bereits amtlich festgesetzt wurde
- Zeugnisverweigerungsrecht für Personen, die durch eine soziale Eltern-Kind Beziehung oder soziale Geschwisterbeziehung verbunden sind
Änderung des JGG
- Möglichkeit des (teilweise) Absehens von der obligatorischen Anordnung der Wertersatzeinziehung i.R.d. § 73c StGB i.V.m. § 2 Abs. 2 JGG
- sachliche Zuständigkeit der Jugendkammer bei einer zu erwartenden Unterbringung nach § 63 StGB
- Anpassung von § 33b JGG, so dass sichergestellt ist, dass die künftig ausnahmslos zuständige Jugendkammer in einschlägigen Fällen stets mit drei Berufsrichtern besetzt ist
- Zuständigkeit der Jugendkammer für Entscheidungen über die Fortdauer der Vollstreckung der Maßregel