Änderung des Sprengstoffgesetzes

Gesetzentwürfe:

Am 19. Juli 2024 hat das Bundesministerium des Innern und für Heimat in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf  zur Änderung des Sprengstoffgesetzes und weiterer Gesetze auf den Weg gebracht. Die Anzahl von Fällen der missbräuchlichen Verwendung von explosionsgefährlichen Stoffen habe zugenommen. Es sei insbesondere ein erheblicher Anstieg an Fällen zu bemerken, bei denen Geldautomaten gesprengt werden. In 2022 sei diesbezüglich im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von 26,5% zu verzeichnen gewesen. Hierdurch entstünden mitunter auch erhebliche finanzielle Schäden. Die derzeitige Ausgestaltung des § 308 StGB müsse angesichts dieser Faktenlage modifiziert werden, um das spezifische Unrecht hinreichend abzudecken.

Hierzu sieht der Entwurf Änderungen im StGB, in der StPO und im Nebenstrafrecht (insbes. dem SprengG und dem AusgStG) vor. Insbesondere soll der Tatbestand des § 308 StGB um einen Qualifikationstatbestand ergänzt werden, der das spezifische Unrecht von Sprengstoffexplosionen zur Begehung von Diebstahlstaten hinreichend erfasst: 

Nach § 308 Abs. 2 StGB wird folgender Abs. 3 eingefügt: 

(3) „ Wer die Sprengstoffexplosion zur Begehung eines Diebstahls (§ 242), eines Bandendiebstahls (§ 244 Absatz 1 Nummer 2) oder eines schweren Bandendiebstahls (§ 244a) herbeiführt, wird in den Fällen des Absatzes 1 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in den Fällen des Absatzes 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.“ 

Zudem soll auch der Straftatenkatalog für die Telekommunikationsüberwachung gem. § 100a StPO angepasst werden, um eine effektive Strafverfolgung zu ermöglichen.

Am 2. Oktober 2024 hat das Bundeskabinett den vorgelegten Entwurf beschlossen. Erste Stellungnahmen finden Sie hier. Der Gesetzesentwurf wurde am 11. Oktober 2024 dem Bundesrat zugeleitet (BR-Drs. 493/24). Dieser beschäftigte sich am 22. November mit dem Regierungsentwurf. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Rechtsausschuss empfahlen dem Bundesrat zu dem Gesetzentwurf entsprechend Stellung zu nehmen (BR-Drs. 493/1/24). Der Länderkammer gehen die im Regierungsentwurf vorgesehenen Strafschärfungen nicht weit genug. Sie fordert bei Geldautomatensprengungen eine grundsätzliche Mindestfreiheitsstrafe von 5 Jahren. Grund hierfür sei die Vergleichbarkeit mit einem besonders schweren Fall des Raubes. Im Falle einer Explosion in einem Wohngebäude bewege sich die Tat sogar nah am versuchten Mord. Auf eine reine Gesundheitsgefährdung könne es dabei nicht ankommen. Des Weiteren sieht der Bundesrat einen Regelungsbedarf im Sprengstoffgesetz für Sprengstoffe, die im Nachlass eines Verstorbenen gefunden werden. Hier sollten die Erben zeitnah verpflichtet werden, die Stoffe durch einen Berechtigten abholen zu lassen. 

 

 

 

 

 

 

Verbesserung des Opferschutzes, insbesondere für Frauen und verletzliche Personen

Gesetzentwürfe:

Die Fraktion CDU/CSU hat einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Opferschutzes, insbesondere für Frauen und verletzliche Personen in den Bundestag eingebracht. Er wurde am 4. Juli 2024 in erster Lesung debattiert und im Anschluss an den federführenden Rechtsausschuss zur weiteren Beratung überwiesen. Nach Ansicht der Fraktion habe der Staat die Verpflichtung, verletzliche Personen besonders zu schützen. In den vergangenen Jahren nahm die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt immer mehr zu. Sie betrifft alle Formen körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt – also beispielsweise Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung – und umfasst familiäre sowie partnerschaftliche Gewalt, bei der am häufigsten Frauen betroffen sind. Die Dunkelziffer sei hoch, weil viele Betroffenen eine Anzeige scheuten. Dies zeige eine Dunkelfeldbefragung des LKA Niedersachsen zu verschiedenen Kriminalitätsformen mit Schwerpunktsetzung von Paarbeziehungen. Es sei davon auszugehen, dass jede dritte Frau in Deutschland „mindestens einmal imLeben Opfer von Gewalt wird und jede vierte Frau Gewalt im Zusammenhang mit ihrer Partnerschaft erlebt.“ Viele Fälle seien von einer Eskalationsspirale gekennzeichnet. Zu ihrer Durchbrechung sei eine bessere Durchsetzung und „Überwachung von Näherungsverboten durch den Einsatz einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung“ nötig. Auf diese Wiese möchte die Fraktion Täter häuslicher Gewalt sowie Stalker stoppen. Sich an Schwachen, Hilflosen und Wehrlosen zu vergreifen, sei niederträchtig und feige, werde aber gerade nicht bei Mord, beim schweren Raub und der gefährlichen Körperverletzung berücksichtigt. Daher sieht der Gesetzentwurf vor, bei der gefährlichen Körperverletzung, dem schweren Raub und bei Mord als neues Qualifikations- bzw. Mordmerkmal „unter Ausnutzung der körperlichen Überlegenheit“ einzufügen, um Gewalttaten zum Nachteil von Kindern, Frauen, Senioren und Menschen mit Behinderungen angemessen zu bestrafen. Flankierend soll § 211 StGB sprachlich angepasst werden.

Außerdem soll angepasst werden:

  • Strafrahmen für Gruppenvergewaltigungen: die gemeinschaftliche Tatbegehung soll in § 177 Abs. 8 StGB verschoben werden, womit sie eine Mindeststrafe von 3 bis 5 Jahre Freiheitsstrafe erhält
  • ungewollte Schwangerschaft soll als Tatfolge zur Qualifikation in § 177 Abs. 7 StGB hinzugefügt werden
  • § 223 StGB soll eine Mindeststrafe von 3 Monaten erhalten (für geringfügige Taten soll ein minder schwerer Fall eingefügt werden)
  • Ahndung von Körperverletzungen mittels einer Waffe oder eines Messers als Verbrechen, gleichzeitige Anhebung des Strafrahmens auf ein Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe 
  • die Höchststrafe der Nachstellung soll auf 5 Jahre erhöht und der Katalog der besonders schweren Fälle erweitert werden, so dass gegen Täter, die zugleich einer in § 4 S. 1 GewSchG bezeichneten (vollstreckbaren) Anordnung oder Verpflichtung zuwiderhandeln, auch die Anordnung der Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr (§ 112a Abs. 1 Nr. 1 StPO) möglich wird
  • Einführung der „elektronischen Fußfessel“ im GewSchG
  • Erhöhung der Höchststrafe nach dem GewSchG von 2 auf 5 Jahre
  • Angleichung der Voraussetzungen für die Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung nach § 247a StPO für minderjährige Zeugen an die Voraussetzungen der Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal nach § 247 StPO 

Am 4. Dezember 2024 fand im Rechtsausschuss eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Der Fraktionsentwurf stieß bei den Expert:innen überwiegend auf Kritik. Dilken Çelebi vom Deutschen Juristinnenbund hielt den Gesetzentwurf für ineffektiv und symbolhaft und bezeichnete ihn „in Teilen für verfassungsrechtlich bedenklich“. Sie erläuterte, dass Strafschärfungen kriminologisch betrachtet nicht den gewünschten generalpräventiven Effekt hätten. Insbesondere das neue Mordmerkmal sei verfassungsrechtlich bedenklich und verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot. Ähnlich sah dies Prof. Dr. Jörg Kinzig von der Universität Tübingen. Auch er kritisierte, dass der Entwurf keine evidenzbasierte Kriminalpolitik im Sinn habe. „Wie eine derart repressive Vorgehensweise zu einem besseren Opferschutz beitragen kann, wird leider nicht begründet“, so Kinzig. Die Gleichung „höhere Strafen gleich weniger Strafen“ gehe nicht auf. Dem schloss sich Holger-C. Rohde vom Deutschen Anwaltverein an und erinnerte an das Ultima-Ratio-Prinzip des Strafrechts. Aus seiner Sicht müssten erst einmal Vollzugsdefizite gestoppt werden. Prof. Dr. Jörg Eisele von der Universität Tübingen begrüßte hingegen den Vorschlag, die Körperverletzung mit gefährlichen Gegenständen als Verbrechen zu ahnden und bei der Nachstellung eine Strafschärfung vorzunehmen. Um das Mordmerkmal „unter Ausnutzung einer körperlichen Überlegenheit“ zielgenauer und auf das Opfer auszurichten, schlug er vor, stattdessen die Formulierung „Ausnutzung einer Schutzlosigkeit des Opfers“ zu nutzen. Für Undine Segebarth von der Gewerkschaft der Polizei ging der Entwurf nicht weit genug. Eine elektronische Aufenthaltsüberwachung sei nur dann effektiv, wenn das Opfer auch über einen Näherungsalarm gewarnt werden könne. Sie sprach sich dafür aus, das vorgeschlagene Gewaltschutzgesetz noch vor Ende der Legislaturperiode zu verabschieden. Für die Wichtigkeit von Prävention und Täterarbeit warb Isabella Spiesberger von der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit HG e.V. Die zur Verfügung stehenden Strafrahmen würden schon jetzt nicht ausgeschöpft, weshalb eine Strafrahmenerhöhung nicht zielführend sei. Dies sah Dorothea Hecht von der Frauenhauskoordinierung e.V. ähnlich. „Strafverschärfungen sind nicht die Antwort auf Femizide und Gewalt an Frauen. Das Strafrecht setzt viel zu spät an. Die Verurteilung zum Mord macht eine getötete Frau nicht wieder lebendig“, so Hecht. Rainer Wendt von der Deutschen Polizeigewerkschaft betonte ebenfalls die Wichtigkeit von Opferschutz und Prävention. Er verwies auf die steigenden Opferzahlen und begrüßte daher die vorgeschlagenen Strafschärfungen. Er kritisierte, dass man jahrzehntelang „Verständnis und Nachsicht“ mit Tätern gehabt habe. Die Beauftragte für den Opferschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Barbara Havliza sprach sich für eine Stärkung der Hilfe- und Beratungsangebote für Opfer aus. Sie sah zudem Bedarf in der Ausweitung der psychosozialen Prozessbegleitung. 

 

 

 

Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften sowie sonstigen dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten

Gesetzentwürfe: 

 

Am 5. Juli 2024 brachte das BMJ einen Referentenentwurf zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften sowie sonstigen dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten auf den Weg. Angriffe auf diesen Personenkreis seien von Verrohungstendenzen geprägt, die gravierende Auswirkungen haben können. Dabei seien nicht nur die individuellen Folgen für die Opfer in den Blick zu nehmen, denn solche Angriffe beeinträchtigen die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens gravierend und erschüttern den gesellschaftlichen Zusammenhalt, so der Entwurf. Es sei zu befürchten, dass im Gemeinwohl tätige Personen sich von solchen Tätigkeiten zurückziehen oder solche Ämter per se gemieden werden. Über die bereits im StGB enthaltenen Einzeltatbestände hinaus, soll der erhöhte Unrechtsgehalt bei Taten gegen Personen, die sich für das Gemeinwohl engagieren, in den allgemeinen Vorschriften zur Strafzumessung berücksichtigt werden. Gezielt sieht der Entwurf auch die Verbesserung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten:innen und Personen, die Vollstreckungsbeamten:innen gleichstehen vor. Angriffe auf diesen Personenkreis seien nicht hinnehmbar und müssten konsequent strafrechtlich verfolgt werden. Zudem seien sie in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, was unterstreiche, dass es ein klares rechtspolitisches Signal bedürfe, das die besondere Verwerflichkeit verdeutliche und so den Schutz von Vollstreckungsbeamten:innen und Rettungskräften weiter stärke. Der Entwurf sieht daher vor, § 46 Abs. 2 S. 2 StGB dahingehend zu ergänzen, dass hinsichtlich der verschuldeten Auswirkungen der Tat auch solche von Belang sein können, die geeignet sind, „eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit nicht nur unerheblich“ zu beeinträchtigen. Zudem sollen die Regelbeispiele für besonders schwere Fälle in § 113 Abs. 2 S. 2 StGB ergänzt werden. „Ein besonders schwerer Fall soll regelmäßig auch dann vorliegen, wenn die Tat mittels eines hinterlistigen Überfalls begangen wird. Diese Begehungsweise ist als besonders gefährlich etwa für die angegriffenen Polizei- und Rettungskräfte und als besonders verwerflich zu bewerten.“ Daher soll künftig „unabhängig vom Vorliegen anderer Regelbeispiele regelmäßig der erhöhte Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe Anwendung finden.“ So komme der spezifische Unrechtsgehalt deutlicher zum Ausdruck. 

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann dazu: „Wer sich in den Dienst unserer Gesellschaft stellt, verdient unseren Schutz. Das gilt im Beruf, zum Beispiel als Rettungskraft oder Polizist, und auch im Ehrenamt, etwa beim Engagement in einer Partei oder Bürgerinitiative. Deshalb werden wir das Strafgesetzbuch anpassen, um Angriffe auf diese Personengruppen künftig noch effektiver sanktionieren zu können. So stärken wir den Schutz für die Menschen, die sich besonders für unsere Gesellschaft und ihre Mitmenschen einsetzen.“

Am 4. September 2024 veröffentlichte das BMJ einen Regierungsentwurf zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften sowie sonstigen dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten. Der Regierungsentwurf orientiert sich weitgehend an dem Inhalt des Referentenentwurfs, beinhaltet aber einzelne Modifikationen.

Der Regierungsentwurf hält an der geplanten Ergänzung des § 46 Abs. 2 S. 2 StGB fest. Danach sollen Gerichte bei der Strafzumessung auch die Auswirkungen der Tat auf eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit berücksichtigen. Diese Aspekte können de lege lata jedoch bereits von Gerichten bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, wodurch die Ergänzung allein zur Klarstellung und Bekräftigung der geltenden Rechtslage diene. Vielmehr soll die Ergänzung die Gerichte und Ermittlungsbehörden tiefergehend für die konkreten Tatauswirkungen sensibilisieren. Zudem soll auch an der geplanten Ergänzung des § 113 Abs. 2 StGB festgehalten werden, wonach zukünftig ein neues Regelbeispiel in § 113 Abs. 2 S. 2 StGB eingefügt wird. Dadurch soll eine Tatbegehung mittels hinterlistigen Überfalls, die regelmäßig einen besonders schweren Fall des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte darstelle, mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden. Die Vorschrift ist trotz ihrer Verortung in § 113 Abs. 2 S. 2 StGB nicht nur auf Vollstreckungsbeamte anwendbar; vielmehr gelten gem. § 115 StGB die Vorschriften der §§ 113 f. für andere, den Vollstreckungsbeamten gleichgestellte Personengruppen entsprechend. Die Ergänzung soll unter anderem den Respekt und die Wertschätzung für die jeweiligen Personengruppen unterstreichen.

Eine im Referentenentwurf noch nicht enthaltene, jedoch im Regierungsentwurf postulierte Änderung ist die Erweiterung des Anwendungsbereiches der §§ 105 und 106 StGB auch die europäische und kommunale Ebene. Danach sollen auch europäische und kommunale Organe gesondert geschützt werden, um die Funktionsfähigkeit und -freiheit dieser Ebenen der Demokratie zu gewährleisten. Abschließend will der Regierungsentwurf nunmehr den Weg für den Einsatz von Tasern bei Ausübung öffentlicher Gewalt ebnen. Der Regierungsentwurf schlägt eine Ergänzung des § 2 Abs. 4 S. 1 UzwG vor, wonach Distanz-Elektroimpulsgeräte (DEIG) ausdrücklich in der genannten Rechtsvorschrift benannt werden sollen. Bisher wurde in der rechtswissenschaftlichen Forschung in Frage gestellt, inwiefern sich DEIG unter die bislang in § 2 Abs. 4 UZwG genannten Waffengruppen fassen lassen. Durch die Ergänzung soll eine rechtssichere Grundlage zur Nutzung von Tasern bereitgestellt werden.

Nunmehr hat der Bundesrat am 27. September 2024 zu den geplanten Änderungen durch den Regierungsentwurf Stellung bezogen (BR-Drs. 423/24[B]). Hierbei fordert der Bundesrat zahlreiche Ausweitungen des bisherigen Entwurfs. Dies gilt insbesondere für die erfassten Personengruppen sowie für die Ausgestaltung einzelner Straftatbestände. Auch Bezirksverordnetenvertreter in Berlin sollen hinreichend durch die Änderungen erfasst werden. Zudem soll der Straftatbestand der Nötigung des Bundespräsidenten oder von Mitgliedern von Verfassungsorganen erweitert werden. Künftig soll es auch strafbar sein, wenn Mitglieder von Verfassungsorganen dazu genötigt werden, teilweise oder ganz ihr Mandat aufzugeben. Der Bundesrat schlägt zudem einen neuen Straftatbestand vor, der das sog. politische Stalking erfassen soll. Dadurch solle eine Einflussnahme durch bedrohliche Übergriffe in das Privatleben von politischen Entscheidungsträgern verhindert werden. Die Bundesregierung soll sich nun mit der Stellungnahme des Bundesrates befassen. Der Gesetzentwurf wird von der Bundesregierung mit ihrer Antwort auf die Stellungnahme des Bundesrates dem Bundestag weitergeleitet.  

Am 27. September 2024 hat die Bundesregierung den Gesetzesentwurf dem Bundestag vorgelegt. Er wurde am 10. Oktober 2024 neben einem weiteren Entwurf der Faktion CDU/CSU in erster Lesung im Bundestag beraten. Der Entwurf der Oppositionsfraktion geht inhaltlich weiter als der vorgelegte Regierungsentwurf und sieht vor: 

  • den Strafrahmen von § 113 Abs. 1 StGB auf 3 Monate bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe und von § 113 Abs. 2 StGB auf bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe anzuheben 
  • in § 113 StGB einen neuen Abs. 3 einzufügen, der die Begehung „mittels eines hinterlistigen Überfalls bzw. bei Verwendung einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs oder wenn der Täter den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung
    bringt“ mit einer Mindeststrafe von 1 Jahr Freiheitsstrafe bestraft
  • den Tatbestand des § 114 StGB auszuweiten, so dass der geschützte Personenkreis auch außerhalb des Dienstes erfasst wird und die Tat auch „in Beziehung auf den Dienst“ begangen werden kann 
  • die Mindeststrafe in § 114 StGB auf 6 Monate Freiheitsstrafe anzuheben
  • über eine Ergänzung in § 115 StGB den Schutzbereich des § 114 auf Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten sowie sonstige Angehörige der Gesundheitsberufe zu erweitern
  • in § 145 Abs. 3 StGB einen Qualifikationstatbestand für den Fall zu ergänzen, dass „der Täter sich bei der Tat bewusst ist, dass im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Tat eine real bestehende Gefährdungslage gegeben ist“ und
  • den Strafrahmen des § 323c Abs. 2 StGB auf eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren anzuheben. 

Am 14. Oktober 2024 fand im Rechtsausschuss eine öffentliche Anhörung statt. Die Sachverständigenliste bestand zur einer Hälfte aus Vertretern des geschützten Personenkreises und zur anderen Hälfte aus Jurist:innen. Letztere warnten eingehend vor einer Überregulierung. Prof. Dr. Anja Schiemann von der Universität zu Köln erklärte, dass eine Erhöhung des Strafrahmens für den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nicht zielführend sei. Dies habe bereits die vergangene Strafschärfung gezeigt, die zu keinem Rückgang der Fallzahlen geführt habe. Zudem sei eine Klarstellung, dass im Rahmen der Strafzumessung die „Eignung der Tat, eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen“ zu berücksichtigen sei, nach aktueller Gesetzeslage nicht erforderlich. Auch Dr. Johannes Schrägle von der Neuen Richtervereinigung kritisierte die geplante Klarstellung. Die Formulierung „dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit“ sei zu unbestimmt, so dass Rechtsunsicherheiten entstehen könnten. Rechtsanwältin Dr. Lara Wolf fand noch klarere Worte und erklärte, dass eine solche Berücksichtigung in der Strafzumessung gegen das Doppelbestrafungsverbot verstoße und „klar gesetzeswidrig“ sei. Dr. Rainer Spatscheck vom Deutschen Anwaltverein sprach sich für eine Erweiterung des Personenkreises auf europäische und kommunale Funktionsträger aus, sah aber keinen Grund für die Erweiterung der Tathandlungen, da bereits alle entsprechenden Handlungen mit „Strafe belegt“ seien. Wolf ergänzte, dass es sich bei Taten wie dem hinterlistigen Überfall um „Spontanreaktionen“ handle, denen eben kein planmäßiges Vorgehen zugrunde liege. Daher seien Strafschärfungen in diesem Zusammenhang ohne Wirkung. Richterin am BGH Dr. Angelika Allgayer überzeugte die Aufnahme des hinterlistigen Überfalls in den Straftatbestand. Dies sei gesetzessystematisch und zielgerichtet. Auch die Anhebung des Strafrahmens sei angemessen. Weitere Änderungen lehnte sie jedoch ebenfalls ab. Die Vertreter aus dem medizinischen Bereich berichteten von immer mehr gezielten Angriffen auf Rettungskräfte. René Burfeindt vom Deutschen Roten Kreuz betonte, dass es meist zu Verfahrenseinstellungen komme, da zunächst der Patient im Vordergrund stehe und es hinterher schwierig sei, den Beweis für den Angriff zu erbringen. Andreas Gassen von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung erläuterte, dass auch die Gewalt in Arztpraxen immer weiter zunehme und ähnliche Ausmaße angenommen habe, wie die Angriffe auf Rettungskräfte. Auch er beklagte häufige Verfahrenseinstellungen. Der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt ergänzte, dass die Drohungen in den häufigsten Fällen von Männern ausgingen und sich besonders gegen Mitarbeiterinnen richteten. Dies erfordere den Einsatz von Sicherheitsdiensten, was zum einen Kosten verursache und zum anderen eigentlich Aufgabe des Staates sei. Dr. Christoph Weltecke vom Deutschen Feuerwehrverband berichtete von einer zunehmenden Respektlosigkeit und Aggression gegenüber Rettungskräften und mahnte, dass die bestehenden Regelungen besser angewendet werden müssten. Sven Tetzlaff von der Körber-Stiftung erläuterte, dass nach einer Umfrage der Stiftung 40 % der ehrenamtlichen Bürgermeister:innen angaben, bereits einmal einen Angriff gegen sich oder eine nahestehende Person erlebt zu haben. Daher begrüßte er besonders die Einbeziehung von Kommunalpolitikern.

Am 22. November 2022 beschäftigte sich der Bundesrat mit einem Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg (BR-Drs. 456/24) zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften. Aufgrund eines zahlenmäßig kontinuierlichen Anstiegs von Gewalttaten gegen Polizeibeamt:innen innerhalb der letzten 10 Jahre mit besorgniserregenden Höchstwerten, sei dringend Handlung geboten. In jedem zweiten Fall handele es sich um einen tätlichen Angriff, der wiederum für zwei Drittel aller verletzter Polizeibeamte:innen im Land verantwortlich sei. Das dem tätlichen Angriff innewohnende erhöhte Gefährdungspotential sollte auf Vorschlag Baden-Württemberg stärker sanktioniert werden. Der Gesetzentwurf sah daher vor, die Strafandrohung des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gemäß § 114 Abs. 1 StGB auf eine Mindeststrafe von 6 Monaten Freiheitsstrafe anzuheben. Die Strafrahmenobergrenze von 5 Jahren Freiheitsstrafe sollte unangetastet bleiben. Zudem sollte die Mindeststrafe in besonders schweren Fällen (§ 113 Abs. 2 S. 1, ggf. i.V.m. § 114 Abs. 2 StGB) von 6 Monaten Freiheitsstrafe auf ein Jahr Freiheitsstrafe angehoben werden. Der Antrag erhielt jedoch nicht die erforderliche Mehrheit. 

 

 

 

Strafbarkeit des Werbens für terroristische Vereinigungen

Gesetzentwürfe: 

Das Land Baden-Württemberg hat am 5. Juli 2024 einen Gesetzesantrag zur Strafbarkeit des Werbens für terroristische Vereinigungen in den Bundesrat eingebracht (BR-Drs. 320/24). Da Handlungen von terroristischen Vereinigungen gesellschaftliche Spannungen verstärken, soll zur Verteidigung der freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung der Straftatbestand des § 129 StGB geändert werden. So soll das Werben für terroristische Vereinigungen auch dann erfasst sein, wenn es nicht explizit auf die Gewinnung neuer Mitglieder gerichtet ist. Der Staat trage eine besondere Verantwortung den Gefahren der öffentlichen Sicherheit frühzeitig entgegenzutreten und zu bekämpfen. Die Länderinitiative nimmt Bezug auf den tödlichen Messerangriff in Mannheim vom 31. Mai 2024. Dies zeige, dass es staatlichen Maßnahmen bedürfe, um eine Radikalisierung der Gesellschaft einzudämmen. Auch Sympathiewerbung könne „zu erheblichen Gefahren für den öffentlichen Frieden und die innere Sicherheit führen“. Eine große Bedeutung komme dabei auch den sozialen Medien zu. Auf diese Weise würden besonders jugendliche Personen beeinflusst, die bei der Suche nach Orientierung dafür besonders anfällig seien. Es sei daher „erforderlich und geboten bereits die Verbreitung und Etablierung von Propaganda zugunsten terroristischer Vereinigungen zu verhindern, um die Bevölkerung vor diesen Ideologien zu schützen, bevor diese bei einzelnen Personen auf fruchtbaren Boden fallen und die Agitation“ verfange. Der Gesetzentwurf sieht daher vor, in § 129 Abs. 5 S. 2 StGB die Wörter „um Mitglieder und Unterstützer“ zu streichen und damit den Zustand vor der Gesetzesänderung im Jahr 2002 wiederherzustellen. 

 

 

 

Beschränkung der Laienverteidigung

Gesetzentwürfe: 

Der Freistaat Bayern hat am 14. Juni 2024 einen Gesetzesantrag zur Beschränkung der Laienverteidigung in den Bundesrat eingebracht (BR-Drs. 206/24). Gem. § 138 Abs. 1 StPO ist es grundsätzlich nur Rechtsanwälten oder Hochschullehrern mit Befähigung zum Richteramt möglich, die Verteidigung in Strafsachen zu übernehmen. Ausnahmsweise kann durch das Gericht auch ein Laienverteidiger zugelassen werden (§ 138 Abs. 2 StPO), sofern die Person als Rechtsanwalt oder Volljurist tätig ist. Sie muss nach Ansicht des Gerichts hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Verteidigung sachkundig und vertrauenswürdig sein und es dürfen keine sonstigen Bedenken gegen die gewählte Person bestehen. Nach Ansicht des Freistaates Bayern berge dies aber die Gefahr, dass aus Unkenntnis Personen als Laienverteidiger zugelassen werden, die eine extremistische oder staatsfeindliche Weltanschauung vertreten und den Gerichtssaal als „Plattform für öffentlichkeitswirksame Propaganda“ nutzen wollen. „Extremisten – etwa aus dem Reichsbürgermilieu –, aber auch manchen Aktivisten geht es in manchen Fällen nicht um eine – zulässigerweise auch hart geführte – sachliche Auseinandersetzung mit der Anklage im Rahmen der Strafprozessordnung, sondern um ein ‚Sprengen‘ der Gerichtsverhandlung, um eine Verurteilung zu verhindern, oder um diese zumindest stark zu verzögern. Oder die Hauptverhandlung und das Rederecht der Verteidigung sollen als Bühne genutzt werden, um – möglichst vor den Augen der Öffentlichkeit – verfahrensfremden politischen Aktivismus darzubieten“, so der Entwurf. Zwar kann auch nachträglich die Zulassung des Verteidigers entzogen werden, allerdings ist dies für das Gericht mit einem hohen Aufwand und mit einem weiteren Eskalationsrisiko verbunden. Um der Gefahr gerecht zu werden, soll das Institut der Laienverteidigung beschränkt werden. Der Entwurf sieht daher vor, die Verteidigungsmöglichkeiten in § 138 Abs. 2 StPO auf geeignete Personen oder Berufsgruppen zu beschränken. 

In § 138 Abs. 2 wird nach Satz 1 folgender Satz 2 eingefügt:

„Eine Genehmigung nach Satz 1 kann nur folgenden Personen erteilt werden:

  1. Volljährigen Angehörigen des Beschuldigten,

  2. Personen mit Befähigung zum Richteramt, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit für den Beschuldigten steht,

  3. Vertretern von Berufsverbänden, Gewerkschaften oder Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Vertreter von Zusammenschlüssen mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder oder

  4. Vertretern von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 3 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit ihrer Vertreter haftet.“

 

 

Gesetzes zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Amts- und Mandatsträgerinnen und -trägern

Gesetzentwürfe: 

 

Der Freistaat Sachsen hat am 10. Mai 2024 unter Anschluss der Länder Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein einen Gesetzesantrag zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Amts- und Mandatsträger:innen in den Bundesrat eingebracht. Diese seien immer wieder Übergriffen oder Einschüchterungen ausgesetzt, die sie bei der Wahrnehmung ihres Amtes hindern. In der Vergangenheit sei es daher gerade bei Lokalpolitiker:innen zu Mandatsniederlegungen gekommen. Ebenso sei eine neue Besetzung der Ämter aus diesen Gründen schwierig. Die aktuelle Rechtslage erfasst ehrverletzende Äußerungen im Rahmen des § 185 StGB, der üblen Nachrede in § 186 StGB und der Verleumdung  in § 187 StGB, sowie die Qualifikation für Taten zum Nachteil „im politischen Leben des Volkes“ stehender Personen in § 188 StGB. Auch die Tatbestände der Volksverhetzung (§ 130 StGB), der Bedrohung (§ 241 StGB) oder der Nötigung (§ 240 StGB) kommen in Betracht. Um die Einschüchterung von Mandatsträger:innen erfassen zu können hängt es jedoch davon ab, dass eben diese Tatbestände verwirklicht werden, die nicht gezielt auf die Einschüchterung ausgerichtet sind. Daher sieht der Gesetzentwurf vor, einzelne Straftatbestände, die die Funktionsfähigkeit der Institutionen des Rechtsstaates sicherstellen und nicht nur den Schutz individueller Rechtsgüter bezwecken, zu erweitern. Auch subtilere Beeinflussungen unterhalb der Nötigungsgrenze sollen dabei einbezogen werden. Dadurch erwirke man insbesondere einen Schutz für Kommunalpolitiker:innen, die Einschüchterungsversuchen in ihren Gemeinden schutzlos ausgeliefert seien. 

Neben Änderungen der §§ 105 und 106 StGB soll ein neuer § 106a StGB eingefügt werden: 

„§ 106a – Beeinflussung von Amts- und Mandatsträgern

Wer die Lebensgestaltung einer in § 106 Absatz 1 genannten Person, eines Mitglieds eines in unmittelbarer und allgemeiner Wahl von der Bevölkerung gewählten Gremiums einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit, eines Amtsträgers oder eines Europäischen Amtsträgers in einer Weise unbefugt nicht unerheblich beeinträchtigt, die, auch in Verbindung mit weiteren ihm bekannten gleichartigen vorgenommenen oder geplanten Handlungen, geeignet ist, die Person dazu zu bewegen, ihre Befugnisse nicht oder in einer bestimmten Weise auszuüben oder ihr Amt oder Mandat ganz oder teilweise aufzugeben, indem er

    1. ihre räumliche Nähe oder die eines ihrer Angehörigen oder einer ihr nahestehenden Person oder die Nähe einer von diesen Personen privat genutzten Wohnung aufsucht,

    2. unter Verwendung von Kommunikationsmitteln oder über Dritte privat Kontakt zu ihr, einem ihrer Angehörigen oder einer ihr nahestehenden Person herzustellen versucht,

    3. unter missbräuchlicher Verwendung ihrer personenbezogenen Daten oder derjenigen eines ihrer Angehörigen oder einer ihr nahestehenden Person Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für die jeweilige Person aufgibt oder Dritte veranlasst, Kontakt mit der jeweiligen Person aufzunehmen,

    4. eine Tat nach § 202a, § 202b oder § 202c begeht, die sich auf private Daten von ihr, eines ihrer Angehörigen oder einer ihr nahestehenden Person bezieht,

    5. mit der Begehung einer gegen sie, einen ihrer Angehörigen oder eine ihr nahestehende Person gerichteten in § 241 Absatz 1 und 2 genannten rechtswidrigen Tat droht oder eine solche rechtswidrige Tat begeht oder

    6. eine andere zu den Nummern 1 bis 5 vergleichbare und ebenso schwerwiegende Handlung vornimmt,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In besonders schweren Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 5 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.“

Am 17. Mai 2024 wurde der Gesetzesantrag des Freistaates Sachsen im Bundesrat vorgestellt und im Anschluss zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Der federführende Rechtsausschuss empfahl dem Bundesrat den Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen. Der Entschluss hierzu wurde am 5. Juli 2024 im Plenum gefasst. 

 

 

 

 

Gesetzes zum strafrechtlichen Schutz von Persönlichkeitsrechten vor Deepfakes

Gesetzentwürfe: 

 

Der Freistaat Bayern hat am 14. Mai 2024 einen Gesetzesantrag zum strafrechtlichen Schutz von Persönlichkeitsrechten vor Deepfakes in den Bundesrat eingebracht. Die mit Hilfe von KI erzeugten und manipulierten Inhalte bergen erhebliche Gefahren für individuelle Persönlichkeitsrechte und Vermögenswerte sowie für den demokratischen Willensbildungsprozess und seien damit eine besonders gefährliche Form der Informationsmanipulation, heißt es in dem Entwurf. Diese Manipulation werde zunehmend von Straftäter:innen missbräuchlich eigesetzt, bspw. bei Bild- und Videoaufnahmen. Den Täter:innen komme es darauf an, Rache- und Machtbedürfnisse auszuleben. Auch im politischen Bereich würden Deepfakes genutzt, um im Meinungswettstreit Personen effektiv zu diskreditieren und eine nachteilige Stimmung zu schüren. Im Einzelfall können persönlichkeitsrechtsverletzende Deepfakes durch bestehende strafrechtliche Regelungen in Teilaspekten erfasst sein. Dies umfasse aber nicht den eigentlichen Unrechtskern. Eine betroffene Person habe ein berechtigtes Interesse, „ohne ihre Zustimmung nicht in eine künstlich erzeugte, aber scheinbar authentische ‚Wirklichkeit‘ hineingestellt zu werden mit Äußerungen, die sie selbst nicht getätigt hat, oder mit Handlungen, die sie selbst nicht vorgenommen hat.“ Sie sehe sich in einer Situation, „in der sie die Selbstbestimmung und die Kontrolle über das eigene Erscheinungsbild und Auftreten verliert und ihre identitätsprägenden Merkmale mit Außenwirkung ge- oder verfälscht oder in einen falschen Kontext gestellt werden“. Eine bloße Kennzeichnungspflicht von Deepfakes werde den gravierenden Auswirkungen für die Betroffenen nicht gerecht. Daher sieht der Entwurf vor, einen eigenen Tatbestand einzuführen: 

„§ 201b – Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch digitale Fälschung

(1) Wer das Persönlichkeitsrecht einer anderen Person verletzt, indem er einen mit computertechnischen Mitteln hergestellten oder veränderten Medieninhalt, der den Anschein einer wirklichkeitsgetreuen Bild- oder Tonaufnahme des äußeren Erscheinungsbildes, des Verhaltens oder mündlicher Äußerungen dieser Person erweckt, einer dritten Person zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Gleiches gilt, wenn sich die Tat nach Satz 1 auf eine verstorbene Person bezieht und deren Persönlichkeitsrecht dadurch schwerwiegend verletzt wird.

(2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 den Medieninhalt der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einen Medieninhalt zugänglich macht, der einen Vorgang des höchstpersönlichen Lebensbereichs zum Gegenstand hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2, gilt nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.

(4) Die Bild- oder Tonträger oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.“

Am 17. Mai 2024 wurde der Entwurf im Bundesrat vorgestellt und im Anschluss zur Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Der federführende Rechtsausschuss empfahl dem Bundesrat, den Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen. Der Entschluss hierzu wurde am 5. Juli 2024 im Plenum gefasst. 

Am 10. September 2024 hat der Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes zum strafrechtlichen Schutz von Persönlichkeitsrechten von Deepfakes dem Bundestag vorgelegt (BT-Drs. 20/12605). Die Begründung verweist insbesondere auf den Umstand, dass bisher noch keine strafrechtliche Regelung gegen missbräuchliche Deepfakes existiert; insbesondere werden etwaige Kennzeichnungspflichten der potenziellen Auswirkungen dieser Praxis nicht gerecht. Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer Stellungnahme jedoch darauf hingewiesen, dass bereits strafrechtliche Vorschriften vorhanden sind, die diese Sachverhaltskonstellationen erfassen. Zudem sei anzumerken, dass der vorgeschlagene § 201b StGB angesichts des vorausgesetzten Verletzungserfolgs deutlich enger gefasst sei als § 187 StGB. Gleichzeitig sei das Erfordernis des Verletzungserfolgs angesichts der Weite und Offenheit des Rechtsgutes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts möglicherweise nicht vereinbar mit dem Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG).

Gesetz zur Erhöhung der Transparenz von Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft

Gesetzentwürfe: 

 

Das BMJ hat am 2. Mai 2024 einen Referentenentwurf zur Erhöhung der Transparenz von Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft auf den Weg gebracht. Das Aufsichtsrecht ist derzeit geteilt. Während gem. § 147 Nr. 1 GVG der Generalbundesanwalt der Aufsicht des BMJ unterliegt, unterliegen die Staatsanwält:innen der Länder der Aufsicht der Landesjustizverwaltungen (§ 147 Nr. 2 GVG).  Das damit verbundene Weisungsrecht kann in engen rechtlichen Grenzen im Rahmen des Legalitätsprinzips ausgeübt werden. Eine konkrete rechtliche Ausgestaltung, wie bspw. eine Schriftform oder eine Begründungspflicht, gibt es hierfür jedoch nicht.  Dies kritisierte bereits der EuGH in seinem Urteil vom 27. Mai 2019 (C-508/18 und C-82/19 PPU) im Zusammenhang mit der Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls. Aufgrund der fehlenden konkreten Regelung zum existierenden Weisungsrecht, biete Deutschland keine Gewähr für unabhängiges Handeln. Der Gesetzentwurf verzichtet nicht auf ein Weisungsrecht, sieht allerdings eine ausdrückliche Regelung in § 146 GVG vor. Unter anderem soll ein Schriftform- und Begründungserfordernis eingeführt werden.

§ 146 GVG sollen die folgenden Absätze 2 und 3 werden angefügt werden:

(2) „ Weisungen zur Sachleitung durch Vorgesetzte nach § 147 haben den Legalitätsgrundsatz (§ 152 Absatz 2 der Strafprozessordnung) zu beachten und sind nur zulässig

  1. zur Verhinderung rechtswidriger Entscheidungen,
  2. soweit in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ein Entscheidungs- oder Beurteilungsspielraum besteht oder
  3. im Bereich der Ermessensausübung.

Sie ergehen frei von justizfremden Erwägungen.

(3) Weisungen zur Sachleitung durch Vorgesetzte nach § 147 Nummer 1 und 2 sollen in Textform (§ 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erteilt und begründet werden. Wird die Weisung aus besonderen Gründen nur mündlich oder ohne Begründung erteilt, ist sie spätestens am folgenden Tag in Textform zu bestätigen und zu begründen.“

 

 

 

Gesetz zur Einführung einer Mindestspeicherung von IP-Adressen

Gesetzentwürfe: 

 

Das Land Hessen hat einen Gesetzesantrag zur Einführung einer Mindestspeicherung von IP-Adressen für die Bekämpfung schwerer Kriminalität in den Bundesrat eingebracht. Der Entwurf wurde nach erster Beratung am 26. April 2024 den Ausschüssen zugewiesen. Hessen möchte die vom Europäischen Gerichtshof eröffneten Spielräume für die Verkehrsdatenspeicherung nutzen (EuGH, Urt. v. 20.9.2022 – C-793/19 und C-794/19) und die unionsrechtswidrigen nationalen Regelungen der §§ 175, 176 TKG an die Rechtsprechung des EuGH, des BVerfG sowie des BVerwG anpassen, so dass eine einmonatige Speicherung von IP-Adressen samt eventuell vergebener Port-Nummern zum Zwecke der Bekämpfung schwerer Kriminalität möglich wird. So könne der oft einzige Ermittlungsansatz zur Identifizierung eines unbekannten Täters genutzt werden. Insbesondere betreffe dies die Weitergabe oder die Bereitstellung von Kinderpornografie im Internet. Daneben soll die Neuregelung auch der Verfolgung allgemeiner Kriminalität und dem Schutz der öffentlichen Sicherheit dienen. So soll es weiterhin „möglich sein, dass Internetzugangsdienste mindestgespeicherte IP-Adressen für eine Bestandsdatenauskunft anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen IP-Adresse verwenden dürfen, um den Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden die Identitätsdaten des relevanten Anschlussinhabers zu übermitteln.“ Eine anlasslose Speicherung zum Zwecke der Gefahrenabwehr sieht der Entwurf nicht vor. Folgeänderungen entstehen durch die Neuregelung in §§ 177, 180 TKG und in den §§ 100g, 101a StPO. Am 27. September 2024 hat der Bundesrat  beschlossen, einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen. 

Die Fraktion der CDU/CSU hat am 15. Oktober 2024 ebenfalls einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Mindestspeicherfrist von IP Adressen und Wiederherstellung der Funkzellenabfragemöglichkeit in den Bundestag eingebracht (BT-Drs. 20/13366). Auch sie möchte die vom EuGH geschaffenen Spielräume nutzen und eine „unionsrechtskonforme und rechtssichere Mindestspeicherung von IP-Adressen und eventuell vergebenen Port-Nummern bei Telekommunikationsunternehmen“ einführen, um zum Zwecke der Bekämpfung schwerer Kriminalität darauf zugreifen zu können. Anders als die Landesinitiative aus Hessen, sieht der Entwurf eine angepasste dreimonatige Speicherung von IP-Adressen samt eventuell vergebener Port Nummern vor. „Eine weitergehende und eingriffsintensivere Verpflichtung zur zusätzlichen Mindestspeicherung von Standortdaten bei mobiler Internetnutzung ist nicht vorgesehen.“ Zudem soll in § 100g StPO eine Klarstellung zur Funkzellenabfrage aufgenommen werden, um das Ermittlungsinstrument wieder zur Verfügung zu stellen. 

 

 

 

 

 

Gesetz zur Absenkung der Hürden für eine audiovisuelle Vernehmung von minderjährigen Zeugen

Gesetzentwürfe: 

 

Das Land Niedersachsen hat am 20. März 2024 einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der sich mit den Hürden für die Vornahme einer audiovisuellen Vernehmung von minderjährigen Zeugen beschäftigt und diese zukünftig absenkt. 

Die geplante Novellierung beruht insbesondere auf einem zu geringen Schutzniveau von minderjährigen Zeugen bei audiovisuellen Vernehmungen gemäß § 247a StPO. Dies ergebe sich aus einem Vergleich mit den Möglichkeiten, den Angeklagten gemäß § 247 StPO aus dem Sitzungssaal zu entfernen. Während für die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal bei einer Vernehmung eines Minderjährigen gemäß § 247 S. 2 StPO bereits bei der Befürchtung eines erheblichen Nachteils für diesen möglich ist, ist eine audiovisuelle Vernehmung erst bei einer dringenden Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen möglich. Dieser Wertungswiderspruch soll aufgelöst und dadurch eine kindergerechte Justiz gewährleistet werden.

Der Entwurf sieht daher vor, § 247a Abs. 1 StPO dahingehend zu ergänzen, dass eine audiovisuelle Vernehmung bereits möglich sein soll, wenn bei Anwesenheit des Zeugen in der Hauptverhandlung ein erheblicher Nachteil für das Zeugenwohl zu befürchten ist. Der Schutz soll sich nicht nur auf Situationen beschränken, in denen der Nachteil auf die Anwesenheit des Angeklagten zurückzuführen ist. Zudem berücksichtige § 247a StPO im Gegensatz zu § 247 StPO auch Verfahrensvorgänge in Zusammenhang mit der Vernehmung (z.B. Vereidigung bzw. Verhandlung und Entscheidung über die Vereidigung), wodurch ein Kontakt mit dem Angeklagten vollständig vermieden werden kann. Dies werde den Interessen des kindlichen Opfers gerecht.

In § 247a Abs. 1 StPO soll nach Satz 1 folgender Satz 2 hinzugefügt werden: 

„Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist.“

Am 26. April 2024 hat der Bundesrat auf Empfehlung der Ausschüsse die Einbringung des Antrags in den Bundestag beschlossen und am 3. Juni 2024 einen Gesetzesentwurf vorgelegt (BT-Drs. 20/11557). In der Begründung des Entwurfs wird betont, dass durch die geplante Änderung die Belastung des kindlichen Zeugen erheblich gemindert wird. In einer ersten Stellungnahme begrüßt die Bundesregierung die Änderung, wünscht sich jedoch, dass die Vorschrift des § 247a StPO in einem größeren Kontext betrachtet und dementsprechend angepasst wird. 

 

 

 

 

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