Gesetzentwürfe:
- Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke: BT Drs. 20/2081
Am 16. Juni 2022 brachte die Fraktion Die Linke einen Gesetzentwurf zur Straffreiheit für Fahren ohne Fahrschein in den Bundestag ein (BT Drs. 20/2081) und startet damit erneut die Diskussion um die Entkriminalisierung des Schwarzfahrens. Der Entwurf ist wortgleich zu der Initiative aus 2018 (BT Drs. 19/1115). Die Fraktion zog bereits damals einen Vergleich zum Falschparken heran, welches nur als eine Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Sie lehnt es im Zuge dessen ab, den Straftatbestand des § 265a StGB zu einer Ordnungswidrigkeit herab zu stufen. Dies begründet sie mit dem erhöhten Beförderungsentgelt, das mit 60 EUR höher liege, als die meisten „Knollen“ für Parksünder. Schließlich würde zu guter Letzt durch die geforderte Entkriminalisierung des Schwarzfahrens Polizei und Justiz sowie die Staatskasse entlastet.
Am 26. Januar 2023 wurde der Gesetzentwurf zusammen mit einem Entwurf zur Entkriminalisierung des Containerns erstmals im Bundestag beraten und im Anschluss an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen.
19. Legislaturperiode:
- Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE: BT Drs. 19/1115
- Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BT Drs. 19/1690
- Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz: BT Drs. 19/26271
- Gesetzesantrag des Freistaats Thüringen: BR Drs. 424/19
Am 12. März 2018 brachte die Fraktion DIE LINKE einen Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches – Straffreiheit für Fahren ohne Fahrschein (BT Drs. 19/1115) in den Bundestag ein. Mit dem Entwurf soll der Straftatbestand des § 265a StGB gestrichen und das Fahren ohne Fahrschein nunmehr nicht mehr strafrechtlich sanktioniert werden.
Wer ohne gültigen Fahrschein ein öffentliches Verkehrsmittel nutzt, macht sich bislang gem. § 265a Abs. 1 StGB wegen Beförderungserschleichung strafbar. Dies kann eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe nach sich ziehen. Nicht selten können die Geldstrafen wegen Zahlungsunfähigkeit nicht beglichen werden und es kommt im Ergebnis dann zu einer Ersatzfreiheitsstrafe.
Nach Ansicht der Fraktion treffe dies am häufigsten arme und hilfsbedürftige Menschen sowie Obdachlose, die sich einen Fahrschein nicht leisten können und denen dann zudem eine Eintragung ins Strafregister mit weiterer stigmatisierender Wirkung drohe. Des Weiteren komme es einer Doppelbestrafung gleich, wenn die Verkehrsbetriebe zusätzlich ein nicht unerheblich erhöhtes Beförderungsentgelt erheben. Die dadurch intendierte abschreckende Wirkung könne sich nie entfalten, weil die Gelder für die Beförderung schlichtweg nicht aufgebracht werden können. Das Strafrecht mit seiner Ultima-Ratio-Funktion dürfe daher hier nicht unverhältnismäßig hart zur Anwendung gelangen. Da bei der Beförderungserschleichung weder Personen noch Sachen zu schaden kommen, reiche es aus, wenn die Verkehrsbetriebe selbst für einen Ausgleich des finanziellen Schadens sorgen. Dies solle nicht den staatlichen Stellen aufgebürdet werden, da eine solche Privilegierung der Verkehrsbetriebe gegenüber anderen Gläubigern zudem auch nicht gerechtfertigt sei.
Als Vergleich zieht die Fraktion das Falschparken heran, welches nur als eine Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Sie lehnt es im Zuge dessen jedoch ab, den Straftatbestand des § 265a StGB zu einer Ordnungswidrigkeit herab zu stufen. Dies begründet sie mit dem erhöhten Beförderungsentgelt, das mit 60 EUR höher liege, als die meisten „Knollen“ für Parksünder. Schließlich würden zu guter Letzt durch eine Entkriminalisierung auch Polizei und Justiz sowie die Staatskasse entlastet.
Am 18. April 2018 brachte auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung des Schwarzfahrens in den Bundestag ein (BT Drs. 19/1690). Auch die Grünen ziehen einen Vergleich zu den Parkverstößen. Die Fraktion betont jedoch, dass eine Entkriminalisierung des Schwarzfahrens nicht mir einer Legalisierung gleichzusetzen sei. Darum sieht der Gesetzentwurf der Grünen die Aufhebung des Tatbestandes der Beförderungserschleichung in § 265a Abs. 1 StGB in Verbindung mit der Schaffung eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes vor. Damit seien die Strafverfolgungsbehörden und die Justiz und schließlich durch den Wegfall von Ersatzfreiheitsstrafen auch der Strafvollzug entlastet.
Beide Entwürfe wurden am 20. April 2018 im Plenum diskutiert und zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen.
Am 7.11.2018 fand eine öffentliche Anhörung zur Strafbarkeit des Schwarzfahrens im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz statt. Sachverständige aus Wissenschaft, Justiz und Verbänden legten ihre Sicht auf Gesetzentwürfe der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen dar. Die beiden Entwürfe wurden kontrovers diskutiert. Die Staatsanwälte sprachen sich dafür aus, den Gesetzestext beizubehalten. Die Richter zeigten sich dagegen für Änderungen offen.
Die Abgeordneten interessierten sich vor allem für die Unterschiede zwischen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht und deren Bedeutung für die Ahndung der Beförderungserschleichung. Auch die Frage der besseren Kontrolle der Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr wurde erörtert.
Die Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.
Mit der Entkriminalisierung des Schwarzfahrens beschäftigten sich auch schon Lorenz/Sebastian in KriPoZ 6/2017. Den Beitrag finden Sie hier.
Am 10. September 2019 brachte der Freistaat Thüringen einen Gesetzesantrag zum „Fahren ohne Fahrschein“ als Ordnungswidrigkeit (BR Drs. 424/19) in den Bundesrat ein. Auch er sieht vor, die Tatbestandsalternative der Beförderungserschleichung zu streichen und einen neuen Ordnungswidrigkeitentatbestand der unbefugten Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels einzuführen. Die Landesinitiative wurde am 20. September im Bundesrat vorgestellt und im Anschluss an die Ausschüsse überwiesen.
Am 27. Januar 2021 hat der Rechtsausschuss seine Beschlussempfehlung (BT Drs. 19/26271) zu den Entwürfen der Linken und der Grünen vorgelegt und empfahl dem Bundestag beide Entwürfe abzulehnen. Ein gleichlautender Beschluss erging am 23. Juni 2021 ohne weitere Aussprache.