KriPoZ-RR, Beitrag 79/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 19.08.2020 – 5 StR 558/19: Zum ärztlichen Abrechnungsbetrug

Amtlicher Leitsatz:

Zum Abrechnungsbetrug im Fall eines medizinischen Versorgungszentrums bei unzulässiger Beteiligung eines Apothekers.

Sachverhalt:

Das LG Hamburg hat die Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 13 Fällen, die Angeklagten Z. und D. zusätzlich wegen Betruges in elf weiteren Fällen verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte F. als Alleingesellschafter ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) betrieben. Um das unternehmerische Risiko nicht allein schultern zu müssen, hatte er dem Apotheker Z. eine Beteiligung angeboten. Diese war dem Z. jedoch aufgrund des § 95 Abs. 1a SGB V nicht möglich gewesen, da er als Apotheker kein MVZ betreiben bzw. Anteile daran erwerben hatte dürfen.

Daraufhin hatte Z. den Plan gefasst, mithilfe eines sog. Strohmanns am MVZ beteiligt zu werden. Er hatte dem F. mehrere Darlehen gewährt und als Sicherheit die Übertragung der Gesellschafteranteile auf eine durch ihn zu bestimmende dritte Person vereinbart.

Nach Kündigung des Darlehns hatte Z. die Sicherheit in Anspruch genommen und den D. als neuen Mehrheitsgesellschafter eingesetzt. Dieser hatte als Arzt die Möglichkeit, ein MVZ zu betreiben und handelte von Z. gesteuert als dessen Strohmann.

Dem F. war dieser Plan bekannt gewesen.

Trotz Kenntnis davon, dass das MVZ aufgrund der faktischen Beherrschung durch den Z. nicht zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt gewesen war und somit dessen Leistungen auch gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) nicht abrechnungsfähig gewesen waren, stellten die Angeklagten mehrere Quartalsabrechnungen und hatten sich die Beträge durch die KV auszahlen lassen.

Der Z. hatte zudem als Apotheker bei der Techniker Krankenkasse über eine Verrechnungsstelle mehrere in seiner Apotheke eingelöste Verordnungen abgerechnet, obwohl auch diese von den Ärzten des MVZ ausgestellten Rezepte nicht anrechenbar gewesen waren.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte weitestgehend die Verurteilung der Angeklagten durch das LG.

Das LG habe zu Recht eine konkludente Täuschung der Mitarbeiter der KV darin gesehen, dass die Angeklagten die Abrechnungen eingereicht hatten. Bei der Abrechnung von ärztlichen Leistungen sei es in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Arzt aufgrund seiner Vertrauensstellung durch die vertragsärztliche Zulassung mit der Abrechnung konkludent zum Ausdruck bringe, die rechtlichen Voraussetzungen der Abrechenbarkeit seien eingehalten. Diese erhöhte Erwartungshaltung an ärztliche Abrechnungserklärungen lasse sich schon mit der Bestätigungspflicht aus § 45 Abs. 1 BMV-Ä rechtfertigen, die letztlich eine Garantiepflicht des Vertragsarztes begründe.

Auch die Einmalige Zulassung durch die Kassenärztliche Vereinigung lasse die Pflicht zur Prüfung der Voraussetzungen der Kassenzulassung bei jedem Abrechnungsvorgang nicht entfallen, da eine rechtswidrige Statusentscheidung der KV jederzeit zurücknehmbar sei, so der BGH.

Ebenfalls sei der Vermögensschaden zutreffend vom LG bejaht worden.

Die kassenärztlichen Vereinigungen seien als Körperschaften des öffentlichen Rechts in der Lage, Vermögen zu bilden. Die von den Krankenkassen überwiesenen Vergütungen seien ihnen als eigene zugewiesen was dazu führe, dass ihnen ein eigenes Guthaben entstanden sei. Die Gesamtvergütungen stellten keinen bloßen Durchlaufposten vor der Honorarverteilung an die Ärzte dar.

Da die Angestellten der KV auf eine tatsächlich nicht bestehende Verbindlichkeit an die Ärzte die Vergütungen geleistet hätten, sei der KV auch kein gleichwertiges Äquivalent zugeflossen, sodass ein Vermögensschaden nach der Gesamtsaldierung anzunehmen sei.

Auch der Gegenwert der ärztlichen Leistung könne nicht schadensmindernd in Abzug gebracht werden, da dieser bereits vor der betrugsrelevanten Abrechnung entstanden sei. Strafrechtlich bemakelt sei nicht die Art und Weise der ärztlichen Leistungserbringung, sondern lediglich deren Abrechnung unter Täuschung darüber, dass die sozialrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen vorlägen.

Auch etwaige ersparte Aufwendungen der KV durch die gleiche Behandlung bei einem anderen Arzt seien als hypothetische Annahmen bei der Schadensberechnung nicht relevant.

Auch die Wertungen des LG zum Betrug zu Lasten der Techniker Krankenkasse hielten der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

Der BGH korrigierte im Wesentlichen lediglich die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten durch das LG sowie die Einziehungsentscheidung.

 

Anmerkung der Redaktion:

Zuletzt hatte der BGH 2017 entschieden, dass sog. Kick-Back-Zahlungen und Übermengenbestellungen durch ein MVZ den Betrugstatbestand erfüllen.  Die Entscheidung finden Sie hier.

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 63/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 09.10.2019 – 1 StR 395/19: Geringerer Vermögensschaden oder Schadenskompensation bei § 263 StGB

Leitsatz der Redaktion:

Hat der Täter eines Betruges (§ 263 StGB) einen zumindest teilweisen Anspruch auf die Leistung, verringert dies den Vermögensschaden und stellt keine für den Schuldspruch irrelevante Schadenskompensation dar.

Sachverhalt:

Das LG Stuttgart hat die Angeklagten wegen Betruges verurteilt und die Einziehung in Höhe von 16.678 € und 42.456,29 € gegen die Angeklagten angeordnet.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte die Angeklagte M. für verschiedene gesondert verfolgte Beschuldigte Leistungen der Berufsunfähigkeits- und Rentenversicherung beantragt. Den Leistungsbeziehern hatte sie als Pflegesachverständige in betrügerischer Absicht einen Pflegegrad bescheinigt, obwohl die Versicherten keine Berufsunfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit aufgewiesen hatten.

In einem Fall arbeitete sie dabei mit dem Mitangeklagten Mi. zusammen, dem sie eine Demenz bescheinigte und mit dem sie gemeinsam einen Gutachter der Deutschen Rentenversicherung getäuscht hatte, um eine Erwerbsminderungsrente für Mi. bewilligt zu bekommen.

Das LG hat den gesamten Betrag der erhaltenen Renten als Schaden gewertet und die Einziehung dieses Wertes angeordnet.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, da die Bestimmung des Vermögensschadens nicht rechtsfehlerfrei gewesen sei.

Der Vermögensschaden im Rahmen des § 263 StGB sei nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung zu ermitteln, konkret festzustellen und zu beziffern.

Maßgeblich sei dabei auch die Frage, ob dem Angeklagten zumindest ein teilweiser Anspruch auf die Leistung zugestanden habe. In einem solchen Fall, sei der Schaden fiktiv zu berechnen und um den entsprechenden Anspruch zu mindern. Dies stelle gerade keine für die Schadensberechnung irrelevante Schadenskompensation dar, sondern lasse den Schaden von Anfang an niedriger entstehen, was insbesondere für den Schuldgehalt der Tat relevant sei.

Indem das LG in einem Fall etwaige berechtigte Ansprüche des gesondert verfolgten Versicherten gegen die Versicherung nicht in den Blick genommen habe, habe es den Schaden möglicherweise zu hoch beziffert.

Gleiches gelte für den Fall des Mitangeklagten Mi., da dieser nach 21 Monaten einen Anspruch auf Altersrente gegen die Deutsche Rentenversicherung gehabt habe, was den konkreten Vermögensschaden in diesem Fall mindere. Dabei komme es allein auf das Bestehen des Anspruchs und nicht auf die konkrete Geltendmachung durch den Angeklagten an.

 

Anmerkung der Redaktion:

Eine weitere Entscheidung des BGH zur Schadensberechnung bei Versicherungsleistungen finden Sie hier.

Weitere Urteile zur generellen Schadensbezifferung finden Sie hier und hier.

 

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