KriPoZ-RR, Beitrag 25/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 28.01.2021 – 3 StR 564/19: Zur Immunität  und Folter im Völkerstrafrecht

Amtlicher Leitsatz:

1. Nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts ist die strafrechtliche Ahndung von Kriegsverbrechen der Folter und der in schwerwiegender Weise entwürdigenden oder erniedrigenden Behandlung sowie wegen damit zugleich verwirklichter allgemeiner Straftatbestände wie gefährlicher Körperverletzung und Nötigung durch ein inländisches Gericht nicht wegen des Verfahrenshindernisses der funktionellen Immunität ausgeschlossen, wenn die Taten von einem ausländischen nachrangigen Hoheitsträger in Ausübung seiner hoheitlichen Tätigkeit im Ausland zum Nachteil von nicht inländischen Personen begangen wurden.

2. Zu den Voraussetzungen des Kriegsverbrechens der Folter.

Sachverhalt:

Das OLG München hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung und in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchter Nötigung, sowie wegen eines Kriegsverbrechens gegen Personen verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen war der Angeklagte als Oberleutnant der afghanischen Armee an einem Verhör beteiligt gewesen, in dessen Verlauf er zusammen mit dem stellvertretenden Kommandeur mittels Drohungen und leichter bis mittelgradiger Gewalt, Informationen über die Taliban hatte erhalten wollen.

Darüber hinaus hatte der Angeklagte den Leichnam eines im Gefecht getöteten Talibankommandeurs mit verschiedenen Handlungen herabgewürdigt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH änderte das Urteil im Schuldspruch zu einer Verurteilung wegen des Kriegsverbrechens gegen Personen durch Folter in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit Nötigung und mit versuchter Nötigung sowie wegen des Kriegsverbrechens gegen Personen durch entwürdigende oder erniedrigende Behandlung und hob es im Strafausspruch auf.

Zunächst stünde einer Sachentscheidung nicht das Verfahrenshindernis der funktionellen Immunität entgegen. Zwar bestehe eine völkergewohnheitsrechtliche Einigkeit darüber, dass Staaten aufgrund ihrer souveränen Gleichheit in Bezug auf Hoheitsakte keiner fremden staatlichen Gerichtsbarkeit unterworfen seien. Allerdings müsse bei der persönlichen Verfolgung von Kriegsverbrechern zwischen einer solchen funktionellen Immunität und einer personellen Immunität (ratione personae) unterschieden werden. Da im vorliegenden Verfahren nicht das hoheitliche Handeln eines fremden Staates im Allgemeinen, sondern die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit einer natürlichen Person Anknüpfungspunkt einer etwaigen Immunität sei, entspreche es der Staatenpraxis in solchen Fällen, eine Strafverfolgung durch ein fremdes nationales Gericht als möglich anzusehen.

Selbst wenn eine solche funktionelle Immunität anzunehmen sei, gelte sie nur für hochrangige staatliche Vertreter und gerade nicht für niederrangige Hoheitsträger, so der BGH.

Eine Entscheidung des BVerfG gem. Art. 100 Abs. 2 GG sei nicht einzuholen gewesen, da keine maßgeblichen Zweifel zur Frage der Immunität des Angeklagten bestünden.

Auf materiellrechtlicher Ebene entschied der Senat, dass die Handlungen des Angeklagten durchaus die Erheblichkeitsschwelle überschritten hätten und damit als Folter i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB zu werten sei.

Für das Annehmen von Folter müsse die Intensität deutlich über eine einfache Körperverletzung hinausgehen, wenn auch eine solche bei lediglich psychisch vermittelter Folter nicht zwingend erforderlich sei.

Diese Anforderungen seien erfüllt, da die Situation von besonderer Aggressivität geprägt gewesen sei, den Verhörten mit erheblichen Folgen gedroht worden sei und sie gefesselt und mit verbundenen Augen schutzlos ausgeliefert gewesen seien.

 

Anmerkung der Redaktion:

Bereits 2016 hatte der dritte Senat entschieden, dass eine zu schützende Person im Sinne des Völkerrechts auch ein Verstorbener sein kann. Die Entscheidung finden Sie hier.

 

 

 

 

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