KriPoZ-RR, Beitrag 42/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BVerfG, Beschl. v. 23.09.2019 – 2 BvR 903/18: Verstoß gegen Rechtsschutzgarantie bei unzureichender Beweiserhebung im Verfahren eines Maßregelvollzugspatienten

Leitsatz der Redaktion:

Rügt ein Patient die Zustände und Beschränkungen in einer Maßregelvollzugsanstalt, haben die Instanzgerichte den Sachverhalt hinreichend aufzuklären, um der Rechtschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG Genüge zu tun.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer war in einer forensischen Psychiatrie im Maßregelvollzug untergebracht worden.

Nach seinem Vortrag habe er dort für den Hofgang im November nur ein T-Shirt, eine Jogginghose und Badelatschen ohne Socken bekommen, sodass er es draußen nicht lange ausgehalten habe. Zudem sei ihm Schreibmaterial verweigert und er für Anwaltsgespräche auf das Telefon verwiesen worden.

Gegen diese Maßnahmen der Klinik hatte sich der Beschwerdeführer an das LG Marburg gewandt und Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahmen beantragt.

Die Klinik hatte erwidert, dass die Beschränkungen nach einem noch nicht aufgeklärten Fluchtversuch des Beschuldigten erforderlich gewesen seien und ihm für den Hofgang auch Straßenkleidung zur Verfügung gestanden hätte.

Das LG hat den Antrag des Patienten abgelehnt und auch das zuständige OLG Frankfurt a. M. hat die vom Beschwerdeführer erhobene Rechtsbeschwerde als unzulässig und ohne Begründung verworfen.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde zum BVerfG erhoben.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG hob die Entscheidungen des LG und OLG auf und verwies die Sache zu neuer Entscheidung zurück an das LG.

Zur Begründung führte es an, dass Art. 19 Abs. 4 GG jedem einen Anspruch auf effektive gerichtliche Kontrolle von grundrechtsrelevanten Maßnahmen zugestehe. Diese Kontrolle sei jedoch nur möglich, wenn sie auf einer hinreichenden Sachverhaltsaufklärung beruhe.

Diesen Ansprüchen werde der Beschluss des LG nicht gerecht, da das Gericht nicht aufgeklärt habe, welche Kleidung dem Beschwerdeführer tatsächlich zur Verfügung gestanden habe. Auch die in sich widersprüchliche Stellungnahme der Klinik (einerseits habe dem Patienten Straßenkleidung zur Verfügung gestanden andererseits habe er die Badelatschen zur Fluchthemmung tragen müssen) habe das Gericht nicht zu eignen Nachforschungen angeregt. Zudem habe das Gericht nicht aufgeklärt, ob dem Beschwerdeführer tatsächlich verboten worden war, Kontakt mit der Staatsanwaltschaft oder den Gerichten aufzunehmen.

Nur weil der Beschluss des OLG ohne Begründung abgelehnt worden sei, entziehe er sich keinesfalls einer Prüfung durch das BVerfG, sondern sei schon aufzuheben, wenn an der Verfassungsmäßigkeit erhebliche Zweifel bestünden. Dies treffe hier zu, weshalb auch der Beschluss des OLG aufzuheben gewesen sei.

 

Anmerkung der Redaktion:

Bereits am 5. Juli 2019 hatte das Verfassungsgericht ein Urteil aufgrund mangelnder Sachverhaltsaufklärung im Zusammenhang mit einer Maßregel aufgehoben. Die Entscheidung finden Sie hier: KriPoZ-RR, Beitrag 16/2019.

 

 

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