KriPoZ-RR, Beitrag 50/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 01.07.2021 – 3 StR 518/19: Ausgedruckte E-Mail als Beweismittel und das Recht der Einziehung bei Ausfuhrtaten

Amtliche Leitsätze:

1. Ausdrucke einer ansonsten nur digital vorhandenen E-Mail stellen präsente Beweismittel im Sinne des § 245 Abs. 2 StPO dar.

2. Die Verjährung der Erwerbstaten ist eine Einwendung gegen den Schuldspruch i.S.d. § 431 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO. Sie unterliegt daher nur dann der Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts, wenn die einschränkenden Voraussetzungen des § 431 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 StPO gegeben sind. Dem stehen verfassungs- und konventionsrechtliche Belange, insbesondere Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und
Art. 13 EMRK, nicht entgegen (Fortführung von BGH, Beschluss vom 10. Juli 2018
– 1 StR 628/17, juris).

3. Führt der Täter Güter ohne die erforderliche Genehmigung aus, umfasst das aus der Tat Erlangte i.S.d. § 73 Abs. 1 StGB nicht nur die für das Genehmigungsverfahren ersparten Aufwendungen, sondern sämtliche aus der Tat bezogenen Vermögenswerte. Dies gilt ungeachtet der Genehmigungsfähigkeit der Ausfuhr (Aufgabe von BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 – 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79 Rn. 14 ff., 19). Diese wirkt sich auch nicht auf die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen nach § 73d Abs. 1 StGB aus.

4. § 73b Abs. 1 Nr. 2 StGB gilt auch für rechtsgeschäftliche Übertragungen im Wege partieller Gesamtrechtsnachfolge. Wird nicht das ursprünglich Erlangte, sondern dessen Wertersatz übertragen, ist die Haftung des Übernehmenden nach § 73b Abs. 2 StGB auf den Wert der übertragenen Vermögenswerte beschränkt und erfordert auch nach der Gesetzesnovelle einen Bereicherungszusammenhang in dem Sinne, dass die Verschiebung mit der Zielrichtung vorgenommen wird, den Wertersatz dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen oder die Tat zu verschleiern.

5. Für die Wertbestimmung des Erlangten können grundsätzlich auch Auslandsgeschäfte in den Blick genommen werden. So finden etwa – unabhängig von dem Sitz der Drittbegünstigten – durch legale Weiterverkäufe im Ausland erzielte Erlöse Berücksichtigung (Aufgabe von BGH, Urteil vom 6. Februar 1953 – 2 StR 714/51, BGHSt 4, 13, und RG, Urteil vom 13. November 1919 – I 460/19, RGSt 54, 45).

6. Das Abzugsverbot des § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB gilt auch für versuchte Taten.

Sachverhalt:

Das LG Kiel hat die Angeklagten wegen Ausfuhr von in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste genannten Gütern ohne Genehmigung, dies teilweise im Versucht, verurteilt und eine Einziehungsentscheidung gegen verschiedene Konzerntochterunternehmen erlassen.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen waren die Angeklagten Ausfuhrverantwortliche der Einziehungsbeteiligten gewesen. In dieser Funktion waren sie dafür verantwortlich gewesen, dass für die Ausfuhr von Pistolen eine Ausfuhrgenehmigung vorliegt. Sie hatten durch mehrere Angestellte Ausfuhrgenehmigungen beantragt, wobei sie einen Letztverbleib der Pistolen in den USA garantiert hatten. Tatsächlich waren die Waffen über die USA nach Kolumbien geliefert worden.

Entscheidung des BGH:

Der BGH verwarf die Revisionen der Einziehungsbeteiligten überwiegend als unbegründet.

Zunächst habe die Geltendmachung des Verfahrenshindernisses der Verjährung der Erwerbstaten der Angeklagten durch die Einziehungsbeteiligten keinen Erfolg. Die Verjährung der Erwerbstaten sei nur dann revisionsgerichtlich zu prüfen, wenn die Voraussetzungen des § 431 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 StPO vorlägen, da es sich um Einwendung gegen rechtskräftige Schuldsprüche handele, so der BGH.

Diese Voraussetzungen lägen bei der Einziehungsbeteiligten jedoch nicht vor.

Weiterhin sei es rechtsfehlerfrei, dass das Tatgericht die Aufwendungen der Einziehungsbeteiligten für Herstellung und Transport der Waffen sowohl bei den vollendeten als auch den versuchten Taten nicht in Abzug gebracht hat.

Die Herstellungs- und Transportkosten der Schusswaffen seien im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB für die Begehung der Tat oder ihre Vorbereitung aufgewendet worden, so der BGH.

Dies gelte auch für die bloß versuchten Taten, da auch Versuchstaten als Anknüpfungstat einer Einziehung in Betracht kämen, wenn dem Begünstigten schon aus dieser ein Vermögensvorteil zugeflossen sei. Das Abzugsverbot des § 73d StGB gelte damit auch für versuchte Taten, was sich bereits aus dem Wortlaut ableiten lasse, der von der „Begehung der Tat“, also auch ihrem Versuch spreche. Ebenfalls kämen eine historische und teleologische Auslegung zu diesem Ergebnis.

Zudem entschied der BGH, dass im Prozess eingebrachte ausgedruckte E-Mails präsente Beweismittel im Sinne des § 245 Abs. 2 StPO darstellten. Es sei nicht erforderlich, dem Tatgericht die beweisgegenständlichen digitalen Urkunden ebenfalls digital zu übermitteln. Dass die Neuregelung des § 249 Abs. 1 Satz 2 StPO die ausschließliche elektronische Übermittlung fordere, sei nicht ersichtlich, so der BGH.

Die tatsächliche Genehmigungsfähigkeit der Ausfuhren sei darüber hinaus für die Einziehung nicht von Bedeutung, da nach der Neuregelung des Rechts der Einziehung eine normative Betrachtung zur Bestimmung des erlangten Vorteils nicht mehr stattfinde. Damit sei auch bei einer genehmigungsfähigen Ausfuhr der volle Verkaufserlös durch die Tat erlangt. Auch bei der grundsätzlich normativ zu betrachtenden Abzugsentscheidung nach § 73d StGB sei eine etwaige Genehmigungsfähigkeit irrelevant, da die Aufwendungen bewusst und willentlich für die Tat getätigt worden seien und ihr Abzug demnach gegen den Wortlaut des § 73d Abs. 1 Satz 2 HS 1 StGB verstieße.

 

Anmerkung der Redaktion:

Der Gesetzgeber hat das Recht der Einziehung in §§ 73 ff. StGB umfassend reformiert. Alle Informationen zu der Reform finden Sie hier.

 

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 11/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 28.11.2019 – 3 StR 294/19: Zur Wertersatzeinziehung bei Zahlungen an eine Gesellschaft

Amtliche Leitsätze:

  1. Nutzt der Täter die durch seine rechtswidrigen Taten bereicherte Gesellschaft nur als formalen Mantel, ohne dass deren Vermögenssphäre von seiner eigenen getrennt ist, oder leitet die Gesellschaft die Erträge aus den Taten stets zeitnah an den Täter weiter, so erlangt er selbst im Sinne des §73 Abs.1 StGB die betreffenden Vermögenwerte bereits dann, wenn sie der Gesellschaft zufließen.

  2. Unabhängig von einer solchen Zurechnung der bei der drittbegünstigten Gesellschaft eingetretenen Vermögensmehrung aufgrund faktischer Verschmelzung der Vermögensmassen kann der Täter etwas durch die Tat erlangen, soweit die Gesellschaft die inkriminierten Vermögenswerte nachfolgend -ganz oder teilweise- an ihn weiterleitet und sie ihm auf diese Weise persönlich zufließen.

  3. Lag einem solchen Vermögenstransfer ein nicht bemakelter Vertrag zugrunde, der mit der Straftat in keinem Zusammenhang stand, so ist die (Wertersatz-) Einziehung regelmäßig ausgeschlossen.

Sachverhalt:

Das LG Düsseldorf hatte den Angeklagten wegen Vorteilsnahme und Untreue verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 348.267,24€ angeordnet. Dieses Urteil war vom BGH aufgehoben worden. Nun hat das LG den Angeklagten (im Schuldspruch rechtskräftig) wegen Vorteilsnahme und Untreue verurteilt und von der Einziehung des Wertes von Taterträgen abgesehen.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen war der Angeklagte Angestellter einer Aktiengesellschaft in städtischem Eigentum gewesen, die den Personennahverkehr in der betreffenden Gemeinde betrieben hatte. In dieser Position war er dafür zuständig gewesen, die Werbeanzeigen zu kontrollieren, die ein externes Unternehmen (M. GmbH) im Rahmen eines Exklusivvertrages in den städtischen Verkehrsmitteln hatte veröffentlichen wollen. Zudem war es in seinen Aufgabenbereich gefallen, zum Zwecke des Anbringens der genehmigten Werbeanzeigen, Betretungsberechtigungen für die städtischen Werkstätten zu erteilen.

Parallel zu dieser Tätigkeit hatte der Angeklagte mit seiner Frau eine gemeinsam und arbeitsteilig geführte Gesellschaft gegründet, die sich ebenfalls mit dem Anbringen von Werbeanzeigen befasst hatte. Diese Gesellschaft war mehrfach von der M. GmbH mit der Verklebung der Werbefolien beauftragt worden, um sich das Wohlwollen des Angeklagten zu sichern. Die Aufträge hatten ein Umsatzvolumen von 1.278.442,28€ erreicht. Das Konto der Gesellschaft wurde von der Frau des Angeklagten geführt, die auch allein verfügungsbefugt gewesen war. Die Zahlungen der M. GmbH auf dieses Konto hatten sich auf 1.202.060,13€ aufsummiert. Von dem Gesellschaftskonto waren fünf Zahlungen auf das Konto des Angeklagten erfolgt, die insgesamt eine Höhe von 301.962,50€ erreicht hatten.

Nach Ansicht des LG sei eine Einziehung des Wertes von Taterträgen gem. §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB aufgrund dieses Sachverhalts bei dem Angeklagten nicht möglich gewesen, da die Gesellschaft weder als Deckmantel fungiere und eine tatsächliche Trennung der Vermögensmassen von Gesellschaft und Täter nicht existiere, noch etwaige Vermögenszuwächse von der Gesellschaft unverzüglich an den Angeklagten weitergeleitet worden seien. Die Gesellschaft habe Werkverträge zu marktüblichen Preisen abgeschlossen und dadurch Einnahmen auf dem Firmenkonto erzielt. Die Zahlungen auf das Konto des Angeklagten könnten auch Auszahlungen aus den Gesellschafteranteilen oder Vergütung für geleistete Arbeit sein und stünden nicht zwangsläufig mit den Zahlungen der M. GmbH in Zusammenhang.

Gegen die unterbliebene Wertersatzeinziehung hat sich die StA mit der Revision zum BGH gewendet.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, soweit die Einziehung unterblieben ist, da das Absehen von der Einziehung des Wertes von Taterträgen sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht standhalte.

Zwar sei die Annahme des LG zutreffend, dass grundsätzlich bei Zahlungen an eine Gesellschaft der Anwendungsbereich des § 73 Abs. 1 StGB nicht eröffnet sei. In solchen Fällen komme regelmäßig aufgrund der selbstständigen Vermögensmasse der juristischen Person oder rechtsfähigen Personengesellschaft lediglich eine Einziehung nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB in Betracht. Ebenfalls zutreffend sei die Wertung, dass eine Einziehung beim Täter ausnahmsweise möglich sei, wenn der Täter die Gesellschaft als formalen Mantel benutze und faktisch keine Trennung zwischen den Vermögensmassen bestünde oder die Gesellschaft den erhaltenen Vorteil aus der Tat umgehend an den Täter weiterleite. In diesen Fällen erlange der Täter den Vermögenswert im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB schon dann, wenn er der Gesellschaft zufließe, so der BGH.

Das LG habe jedoch nicht bedacht, dass der Täter auch dann einen Vorteil aus der Tat erlange, wenn die rechtsfähige Personengesellschaft den Taterlös ganz oder teilweise tatsächlich an den Täter auszahle. Eine solche Weiterleitung des Vermögensvorteils könne auch dann Anknüpfungspunkt für eine Einziehung sein, wenn die Auszahlung unter dem Deckmantel einer Vergütung des Täters vorgenommen werde, so der BGH. Diese Wertung sei bereits dem alten Recht der Vermögensabschöpfung zu entnehmen gewesen und gelte erst recht nach der Reform der §§ 73 ff. StGB. Somit könne es ausreichend sein, wenn nur ein Teil des Taterlöses indirekt und ohne engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat an den Täter fließe.

Dass der Zuwendung der Gesellschaft ein nicht bemakelter Vertrag oder ein anderer legaler Rechtsgrund zugrunde liegen könnte, was eine Einziehung ausschließen würde, sei eine Tatfrage und müsse vom Tatgericht hinreichend aufgeklärt werden. Die in diesem Zusammenhang vom LG getroffenen Feststellungen seien dafür nicht ausreichend. Gerade weil sämtliche Einkünfte der Gesellschaft aus den Geschäften mit der M. GmbH stammten, sei eine starke Vermutung gegeben, dass die Gesellschaft Taterträge an den Täter weitergeleitet habe. Zudem seien keine tragfähigen Feststellungen getroffen worden, die einen legalen Rechtsgrund hinreichend belegen könnten, so der BGH.

 

Anmerkung der Redaktion:

Alle Informationen zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung finden Sie hier.

 

 

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