KriPoZ-RR 3/2024

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

Leitsatz der Redaktion:

Ein bedingter Tötungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Tod des Tatopfers als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt und diese mögliche Folge seiner Handlung billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein. Im Rahmen der Beweiswürdigung sind insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung sowie die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. 

Sachverhalt:

Das LG hat den Angeklagten L. wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Raub, versuchtem Raub mit Todesfolge und mit gefährlicher Körperverletzung (Fall 5), versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall 3), Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall 3), Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fall 4), gefährlicher Körperverletzung (Fall 7) und Bedrohung (Fall 2) zu einer Jugendstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Den Angeklagten Y. hat es wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall 3), Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall 8), versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall 10), versuchter schwerer räuberischer Erpressung (Fall 1), gefährlicher Körperverletzung (Fall 7) und Diebstahls (Fall 9) zu einer Jugendstrafe von 6 Jahren verurteilt.

Betreffend Fall 3 ereignete sich folgendes: Am 31. Oktober 2021 hielten sich die Angeklagten, die Brüder sind, in der Innenstadt der Stadt A. auf. Sie liefen an einer Gruppe vorbei, die sich zu diesem Zeitpunkt einen Videofilm auf dem Handy anschauten. Beim Vorbeigehen bezeichnete Zeugin D. eine Person aus dem Video als „Nuttenbengel“. Diese Äußerung bezog der Angeklagte Y. auf sich. Die beiden Angeklagten konfrontierten D., wobei sich der Nebenkläger N. schützend vor diese stellte und die beiden Angeklagten darum bat, weiterzugehen. Die Auseinandersetzung mündete darin, dass N durch die Angeklagten körperlich misshandelt wurde. Dies hörte erst auf, nachdem der Zeuge Ö. sich einschaltete und einer der Angeklagten mit dem Einsatz eines Messers drohte, woraufhin sich N. und der Zeuge Ö. entfernten.

Die beiden Angeklagten sahen den Konflikt jedoch noch nicht als abgeschlossen. Sie bewaffneten sich mit leeren Flaschen und folgten N. Dabei nahmen sie jedenfalls billigend in Kauf, dass N. durch derartige Einwirkungen tödlich verletzt wird. Der Angeklagte Y. schlug N. mit einer Glasflasche in den linken Gesichts- und Halsbereich. Ö. erkannte, dass N. erheblich verletzt war, und stellte sich schützend zwischen diesen und die Angeklagten, wobei er durch wildes Gestikulieren und ggf. einen Schlag ins Gesicht des Angeklagten L. diese in Schach hielt. Die Angeklagten erkannten die stark blutende Wunde des N. und sahen den Todeseintritt als möglich an. Sie entschieden sich dann zur Flucht.

Entscheidung des BGH:

Die Revision der Angeklagten hat teilweise Erfolg. Das LG hat die Tat als versuchten Totschlag in Tateinheit mit einer gefährlichen Körperverletzung bewertet. Diese Bewertung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

Zwar habe die Jugendkammer den richtigen rechtlichen Ansatz zur Feststellung von bedingtem Tötungsvorsatz herangezogen. Danach sei ein bedingter Tötungsvorsatz gegeben, wenn der Täter den Tod des Tatopfers als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt und diese mögliche Folge seiner Handlung billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein. Im Rahmen der Beweiswürdigung sei hierbei insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator für das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes. Jedoch sei dies nicht das allein bestimmende Kriterien; vielmehr müssen trotzdem die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt werden.

Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen läge es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit des Todeserfolgs rechne und dies billigend in Kauf nehme. Das LG gehe im zugrundeliegenden Fall jedoch ohne ausreichenden Beleg davon aus, dass das Zerbrechen der Bierflasche infolge des Schlages derart nahegelegen hätte, dass die Angeklagten diese Möglichkeit mit der Folge von lebensgefährlichen Stich- oder Schnittverletzungen erkannten und billigten. Dass eine Flasche bei einem Schlag in den Gesichts- und Halsbereich zerbreche sei aber nicht selbstverständlich. Die Ausführungen des LG ließen befürchten, dass die Kammer durch das tatsächlich eingetretene Zersplittern der Flasche darauf schloß, dies habe von vornherein nahegelegen und sei deshalb von den Angeklagten erkannt und gebilligt worden. Die Vorsatzfeststellung des LG sei insoweit lückenhaft.

Zudem sei auch die Zurechnung des vom LG angenommenen Totschlags auf den Angeklagten L. fehlerhaft. Ein mittäterschaftlich begangenes Tötungsdelikt setze voraus, dass der gemeinsame Tatentschluss auf die Tötung eines Menschen durch arbeitsteiliges Zusammenwirken gerichtet ist. Es reiche nicht aus, dass sich die Täter lediglich zu einem gemeinsamen Unternehmen entschließen, bei dem ein Mensch stirbt. Der durch die Angeklagten gemeinsam gefasste Tatentschluss bezog sich zunächst nur auf eine körperliche Züchtigung des Nebenklägers N., nicht auf dessen Tötung. Zudem sei auch das Tatinteresse des Angeklagten L. nicht ohne weiteres mit demjenigen des Bruders identisch, da nur der Angeklagte Y. sich durch die Bemerkung beleidigt fühlte. Insoweit sei eine differenzierende Beweiswürdigung geboten gewesen.

 

 

Majaani Hachmeister: Die Reform der Tötungsdelikte. Unter Berücksichtigung der Gesetzesinitiative des Jahres 2014 und des Referentenentwurfs des Jahres 2016

von Prof. Dr. Anja Schiemann 

Beitrag als PDF Version

2023, Nomos, ISBN: 978-3-7560-0493-5, S. 365, Euro 109,00.

Um die Reform der Tötungsdelikte ist es ruhig geworden. Nachdem der damalige Justizminister Heiko Maas 2014 eine Expertenkommission zur Reform der Tötungsdelikte eingesetzt hatte und die Ergebnisse in einen Referentenentwurf überführt wurden, kam es zum Stillstand, da dieser nicht mehrheitsfähig war. Nun wird ein zaghafter Vorstoß durch das Eckpunktepapier zur Modernisierung des Strafgesetzbuches vorgenommen, in dem aber ersichtlich keine inhaltliche, sondern nur eine sprachliche Anpassung erfolgen soll. Brauchen wir dann überhaupt noch eine Dissertation zur Reform der Tötungsdelikte? Ja! Denn Hachmeister arbeitet nicht nur im historischen Rückblick die beiden Reformbemühungen aus den Jahren 2014 und 2016 auf, sondern analysiert auch die Gründe ihres Scheiterns. Schließlich plädiert sie für eine Neuauflage der Reformbestrebungen und stellt eigene „Reformgedanken“ an (S. 321).

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KriPoZ-RR 2/2024

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

Leitsatz der Redaktion:

Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion ist im Grundsatz nur dann anzunehmen, wenn der Unrechtsgehalt eines Verhaltens durch einen der anzuwendenden Straftatbestände bereits abschließend erfasst wird.

Sachverhalt:

Das LG hat den Angeklagten der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und der Beihilfe zur versuchten Nötigung in Tateinheit mit Beihilfe zur Bedrohung schuldig gesprochen. Zudem hat die Kammer ihm deswegen eine Geldauflage erteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte im Auftrag einer anderweitig verfolgten Person einem Zeugen eine Nachricht dieser zeigte, in der der Zeuge dazu aufgefordert wurde, zu der von ihm beobachteten Tat keine Angaben bei der Polizei zu machen. Anderenfalls würde der Zeuge Opfer einer gefährlichen Körperverletzung werden. Der Zeuge ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken.

Entscheidung des BGH:

Der Senat hat aus prozessökonomischen Gründen das Verfahren mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf der Beihilfe zur versuchten Nötigung beschränkt. Dieser hatte in der Antragsschrift eine Schuldspruchänderung beantragt, da die tateinheitliche Verurteilung wegen Beihilfe zur Bedrohung neben der Beihilfe zur versuchten Nötigung nicht der einschlägigen Rechtsprechung des BGH zum Konkurrenzverhältnis entspreche. Nach ständiger Rechtsprechung trete die Bedrohung hinter eine nur versuchten Nötigung zurück, wenn die Nötigungshandlung in einer Bedrohung mit einem gegen den Genötigten gerichteten Verbrechen bestand.

Der 5. Senat betont, dass er – wie bereits der 4. Strafsenat – zur Annahme von Tateinheit zwischen einer Bedrohung und einer nur versuchten Nötigung tendiere. Hierzu führt der Senat aus, dass eine Konsumtion grundsätzlich nur anzunehmen sei, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen der anzuwendenden Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst werde. Er bezweifelt, dass eine Bedrohung von einer nur versuchten Nötigung erschöpfend erfasst wird. Hierzu führt er aus, dass die Strafrahmenobergrenze des § 241 Abs. 2 StGB durch die Novellierung der Vorschrift im Zuge des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität (BGBI. I, S. 441) auf zwei Jahre Freiheitsstrafe erhöht wurde. Zudem intendieren beide Straftatbestände den Schutz unterschiedlicher Rechtsgüter. § 240 StGB schütze die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung, während § 241 StGB den Schutz des subjektiven Rechtsfriedens bezwecke. Dies spreche dafür, zwischen beiden Straftatbeständen eine Idealkonkurrenz anzunehmen.

Der Senat weist jedoch darauf hin, dass einer Rechtsprechungsänderung möglicherweise eine Entscheidung des 3. Strafsenats (3 StR 161/22 Rn. 4) entgegenstehen könnte.

Anmerkung der Redaktion:

Der 5. Senat lässt (vorsichtig) seine Ablehnung der bisherigen Rechtsprechung hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses zwischen § 240 und § 241 StGB erkennen. Es bleibt nun abzuwarten, ob sich zukünftig der 3. Senat zu dieser Rechtsfrage äußert und ggf. seine Ansicht hierzu klarstellt.

 

KriPoZ-RR 1/2024

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

Leitsatz der Redaktion:

Die Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat ist für die Annahme der Kausalität nur ausreichend, wenn sie quantitativ andere Ursachen überwiegt. Eine Mitursächlichkeit des Hangs für die Anlasstat unterhalb dieser Schwelle reicht für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals nicht mehr aus. Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht positiv festzustellen.

Sachverhalt:

Das LG hat den Angeklagten am 4. Mai 2022 wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung vorheriger Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Zudem wurde der Angeklagte am 11. Juli 2023 wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie Erpressung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Die Kammer hat mit der Verurteilung am 11. Juli 2023 die Unterbringung in eine Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass 3 Jahre und 10 Monate der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen sind.

Entscheidung des BGH:

Die Revision des Angeklagten hat hinsichtlich der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt Erfolg.

Nach Auffassung des 5. Senats belegen die Ausführungen des LG nicht, dass die Voraussetzungen der § 64 StGB n.F. bei der Unterbringungsanordnung beachtet wurden. Zwar läge bei dem Angeklagten eine Polytoxikomanie vor, die grundsätzlich für eine Substanzkonsumstörung i.S.d. § 64 S. 1 StGB sprechen könne, jedoch werde aus den Feststellungen des LG nicht ersichtlich, dass die Tatbegehung durch den Angeklagten überwiegend auf einen Hang zurückgehe.

Der Senat führt in der Folge aus, dass der Gesetzgeber durch die Ergänzung des Wortes „überwiegend“ in § 64 S. 1 StGB konkretisiert habe, dass zwischen dem Hang und der Anlasstat ein kausaler Zusammenhang vorliegen müsse. Ein Hang sei dann überwiegend für die Anlasstat, wenn dieser mehr als andere Umstände für die Begehung der Tat ausschlaggebend war. Der Hang müsse demnach quantitativ andere Ursachen überwiegen. Eine Mitursächlichkeit des Hangs unterhalb dieser Schwelle reiche für eine Unterbringung nach § 64 S. 1 StGB nicht aus. Das Vorliegen des Kausalzusammenhangs müsse von dem Tatgericht positiv festgestellt werden.

Das LG habe bei seiner Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen den aktualisierten, strengeren Maßstab nicht berücksichtigt. Die Feststellungen belegten gerade nicht, dass die Taten überwiegend auf den Hang zurückgingen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Angeklagte die Taten zur Finanzierung der Drogensucht als auch des Lebensunterhalts beging. Die Unterbringungsanordnung bedürfe einer erneuten Prüfung und Entscheidung des Senats. Hierbei müsse bei der Prüfung und Entscheidung der durch die Neufassung des § 64 StGB veränderte und von dem Senat nach § 2 Abs. 5 StGB und § 354a StPO zu berücksichtigende Anordnungsmaßstab berücksichtigt werden. Der Senat wird hierbei auch zu berücksichtigen haben, dass nach § 64 S. 2 StGB n.F. das Erreichen des Unterbringungsziels erwartbar sein muss; dies müsse durch tatsächliche Anhaltspunkte belegt werden.

 

 

 

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