KriPoZ-RR 2/2024

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

Leitsatz der Redaktion:

Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion ist im Grundsatz nur dann anzunehmen, wenn der Unrechtsgehalt eines Verhaltens durch einen der anzuwendenden Straftatbestände bereits abschließend erfasst wird.

Sachverhalt:

Das LG hat den Angeklagten der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und der Beihilfe zur versuchten Nötigung in Tateinheit mit Beihilfe zur Bedrohung schuldig gesprochen. Zudem hat die Kammer ihm deswegen eine Geldauflage erteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte im Auftrag einer anderweitig verfolgten Person einem Zeugen eine Nachricht dieser zeigte, in der der Zeuge dazu aufgefordert wurde, zu der von ihm beobachteten Tat keine Angaben bei der Polizei zu machen. Anderenfalls würde der Zeuge Opfer einer gefährlichen Körperverletzung werden. Der Zeuge ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken.

Entscheidung des BGH:

Der Senat hat aus prozessökonomischen Gründen das Verfahren mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf der Beihilfe zur versuchten Nötigung beschränkt. Dieser hatte in der Antragsschrift eine Schuldspruchänderung beantragt, da die tateinheitliche Verurteilung wegen Beihilfe zur Bedrohung neben der Beihilfe zur versuchten Nötigung nicht der einschlägigen Rechtsprechung des BGH zum Konkurrenzverhältnis entspreche. Nach ständiger Rechtsprechung trete die Bedrohung hinter eine nur versuchten Nötigung zurück, wenn die Nötigungshandlung in einer Bedrohung mit einem gegen den Genötigten gerichteten Verbrechen bestand.

Der 5. Senat betont, dass er – wie bereits der 4. Strafsenat – zur Annahme von Tateinheit zwischen einer Bedrohung und einer nur versuchten Nötigung tendiere. Hierzu führt der Senat aus, dass eine Konsumtion grundsätzlich nur anzunehmen sei, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen der anzuwendenden Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst werde. Er bezweifelt, dass eine Bedrohung von einer nur versuchten Nötigung erschöpfend erfasst wird. Hierzu führt er aus, dass die Strafrahmenobergrenze des § 241 Abs. 2 StGB durch die Novellierung der Vorschrift im Zuge des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität (BGBI. I, S. 441) auf zwei Jahre Freiheitsstrafe erhöht wurde. Zudem intendieren beide Straftatbestände den Schutz unterschiedlicher Rechtsgüter. § 240 StGB schütze die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung, während § 241 StGB den Schutz des subjektiven Rechtsfriedens bezwecke. Dies spreche dafür, zwischen beiden Straftatbeständen eine Idealkonkurrenz anzunehmen.

Der Senat weist jedoch darauf hin, dass einer Rechtsprechungsänderung möglicherweise eine Entscheidung des 3. Strafsenats (3 StR 161/22 Rn. 4) entgegenstehen könnte.

Anmerkung der Redaktion:

Der 5. Senat lässt (vorsichtig) seine Ablehnung der bisherigen Rechtsprechung hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses zwischen § 240 und § 241 StGB erkennen. Es bleibt nun abzuwarten, ob sich zukünftig der 3. Senat zu dieser Rechtsfrage äußert und ggf. seine Ansicht hierzu klarstellt.

 

KriPoZ-RR, Beitrag 21/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 09.02.2021 – 3 StR 382/20: Konkurrenzrechtliches Verhältnis von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und § 226 Abs. 1 StGB

Leitsatz der Redaktion:

Eine (vollendete) gefährliche Körperverletzung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB steht mit einer (vollendeten) schweren Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 StGB) in Tateinheit.

Sachverhalt:

Das LG Oldenburg hat den Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung verurteilt und eine ebenfalls verwirklichte gefährliche Körperverletzung dahinter zurücktreten lassen.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte das Opfer mit einer Waffe oder einem gefährlichen Werkzeug und mit anderen Beteiligten gemeinschaftlich sowie mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung verletzt. Dabei hatte das Opfer eine schwere Folge i.S.d. § 226 Abs. 1 StGB erlitten.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf die Revision der Nebenklage hin nicht auf, da keine Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten ersichtlich gewesen seien.

Zwar habe das LG eine tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und schwerer Körperverletzung nur auf die Verwirklichung der Tatbestandsvarianten Nr. 4 und 5 gestützt und die ebenfalls verwirklichte Verurteilung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 zurücktreten lassen. Dieser Rechtsfehler begünstige den Angeklagten jedoch allenfalls im Schuldgehalt der Tat und damit im Strafausspruch, der allerdings von der Nebenklagerevision nicht umfasst sein könne.

Da dennoch eine tateinheitliche Verurteilung aufgrund der § 224 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 StGB erfolgt sei, sei es in diesem Fall nicht zu entscheiden gewesen, ob § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB tatsächlich hinter § 226 Abs. 1 StGB zurücktrete.

Allerdings ließ sich der Senat zu einem Hinweis hinreißen, wonach er auch zwischen diesen beiden Tatbestandsvarianten eine tateinheitliche Verurteilung für vorzugswürdig halte.

Lasse man § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB hinter § 226 Abs. 1 StGB zurücktreten, komme das spezifische Tatunrecht, das mit dem wissentlichen und willentlichen Einsatz einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs verbunden sei, nicht angemessen zum Ausdruck. Insoweit müsse also aus Klarstellungsgründen eine tateinheitliche Verurteilung erfolgen, da nur so ersichtlich werde, dass die schwere Folge i.S.d. § 226 Abs. 1 StGB mittels einer Waffe bzw. eines gefährlichen Werkzeugs beigebracht worden sei.

 

Anmerkung der Redaktion:

Für das Verhältnis von § 224 Abs. 1 Nr. 4 und 5 StGB zu § 226 Abs. 1 StGB hatte der BGH dies bereits 2008 so entschieden: BGH, Beschl. v. 21.10.2008 – 3 StR 408/08.

 

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 45/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 11.06.2020 – 5 StR 157/20: Konkurrenzen bei §§ 113, 114, 223 StGB

Amtlicher Leitsatz:

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und versuchte Körperverletzung können zueinander im Verhältnis der Tateinheit stehen; Gesetzeskonkurrenz besteht nicht.

Sachverhalt:

Das LG Leipzig hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit tätlichem Angriff gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte mit seinem beschuhten Fuß in Verletzungsabsicht nach einem seiner Mitbewohner getreten. Um weitere Angriffsversuche dieser Art zu unterbinden, hatten die inzwischen eingetroffenen Polizeibeamten den Angeklagten nach hinten gezogen. Dadurch provoziert hatte sich der Angeklagte von diesem Moment an auf die Beamten konzentriert und versucht sie mit Schlägen und Tritten zu verletzen. Den Beamten war es daraufhin gelungen den Angeklagten trotz Gegenwehr zu Boden zu bringen. Verletzungen hatten sie nicht erlitten.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Verurteilung wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung (jeweils in zwei tateinheitlichen Fällen).

Mit den Tritten gegen die Polizeibeamten habe der Angeklagte zumindest konkludent mit der Anwendung von Gewalt gedroht. Dies sei auch bei Vornahme einer Vollstreckungshandlung (Festhalten) gegen die Amtsträger erfolgt.

Zugleich erfüllten die Tritte auch § 114 Abs. 1 StGB, da das Verhalten des Angeklagten einen tätlichen Angriff auf die beiden dienstlich tätigen Polizisten dargestellt habe.

Ein tätlicher Angriff sei jede mit feindseligem Willen unmittelbar auf den Körper des Beamten zielende Einwirkung, unabhängig von ihrem Erfolg. Die Einwirkung auf den Körper müsse zwar Ziel der Handlung sein, ein Körperverletzungsvorsatz sei jedoch nicht erforderlich. Ein Abweichen von dieser Definition sei auch nach der Gesetzesreform durch das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften vom 23. Mai 2017 nicht angezeigt, so der BGH.

Der Gesetzgeber habe lediglich die Begehungsweise des tätlichen Angriffs aus § 113 StGB ausgliedern und dadurch auf allgemeine dienstliche Handlungen erstrecken wollen. Eine Änderung des Bedeutungsgehalts des Tatbestandsmerkmals sei damit nicht bezweckt gewesen. Auch eine restriktivere Auslegung sei nach der Strafschärfung nicht geboten, da der offensichtliche Wille des Gesetzgebers dies nicht vorsehe. Ob die angedrohten Strafen für solche Taten aus kriminalpolitischen Gründen zu hoch angesetzt seien, habe der Senat nicht zu bewerten.

Ebenfalls bestätigte der BGH die konkurrenzrechtliche Bewertung des LG, alle Delikte zueinander in Tateinheit stehen zu lassen. Keines der ideal konkurrierenden Delikte trete gesetzeskonkurrierend zurück, da weder ein Fall der Spezialität, Subsidiarität oder Konsumtion vorlägen.

Spezialität sei nicht gegeben, da keiner der Tatbestände alle Merkmale eines anderen und noch ein weiteres enthalte. Bei § 113 StGB und § 114 StGB unterschieden sich schon die Tathandlungen. Nach Auslegung der Normen sei auch kein Fall der Subsidiarität anzunehmen.

Schließlich sei auch ein Fall der Konsumtion, also des vollständigen Erfassens des Unrechtsgehalts der Tat schon durch einen der erfüllten Tatbestände, nicht einschlägig, da die Schutzrichtungen der Tatbestände unterschiedlich seien.

§ 223 StGB schütze die körperliche Unversehrtheit, wohingegen § 113 StGB dem Schutz der Autorität staatlicher Vollstreckungsakte und des Gewaltmonopols des Staates diene. § 114 StGB schütze zwar ebenfalls den individuellen Vollstreckungsbeamten und nur mittelbar das Interesse an der Dienstausübung, allerdings umfasse dieser Schutz nicht nur die körperliche Unversehrtheit, sondern alle Rechtsgüter des Beamten, die durch einen tätlichen Angriff betroffen sein können.

Damit sei, auch wenn bei einer Widerstandshandlung typischerweise oft alle drei Delikte verwirklicht würden, eine erschöpfende Erfassung des Unrechtsgehalts der Tat nur bei einer tateinheitlichen Verurteilung möglich.

 

Anmerkung der Redaktion:

Informationen zum Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften finden Sie hier.

Die in dieser Entscheidung vertretene Ansicht des 5. Senats wird auch vom 3. Senat geteilt, der eine ähnliche Argumentation anführte. Den Beschluss finden Sie hier.

Ebenfalls zum Begriffsverständnis des tätlichen Angriffs hat der 4. Senat kürzlich einen Beschluss erlassen: KriPoZ-RR, Beitrag 42/2020.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 12/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 26.11.2019 – 3 StR 485/19: Zum Verhältnis der §§ 211, 212 zu § 218 StGB

Leitsatz der Redaktion:

Die Strafbarkeit eines (zumindest) versuchten Tötungsdeliktes zum Nachteil der Mutter deckt nicht vollumfänglich den Unrechtsgehalt eines versuchten oder vollendeten Schwangerschaftsabbruch gegen ihren Willen ab.

Sachverhalt:

Das LG Duisburg hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem Schwangerschaftsabbruch und mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen war das Opfer in einer sexuellen Beziehung mit dem Angeklagten gewesen, aus der eine vom Angeklagten ungewollte Schwangerschaft resultiert hatte. Dies hatte ihn dazu veranlasst die Nebenklägerin und ihr ungeborenes Kind töten zu wollen. Zu diesem Zweck hatte er sie an einen unbewohnten Ort am Rhein gelockt und mit mehreren Mittätern mit Messern auf sie eingestochen. Die Frau und das Kind hatten den Angriff überlebt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Entscheidung des LG und nutzte die Gelegenheit das Verhältnis der §§ 211, 212 StGB zu § 218 StGB zu präzisieren.

Die §§ 211 f. StGB und § 218 StGB stünden in Idealkonkurrenz (§ 52 StGB) zueinander, da bei den verschiedenen Tötungsdelikten unterschiedliche höchstpersönliche Rechtsgüter betroffen seien.

Ebenfalls begegne die strafschärfende Berücksichtigung der Verwirklichung beider Regelbeispiele des § 218 Abs. 2 Satz 2 StGB keinen rechtlichen Bedenken.

Die Tötung des ungeborenen Kindes gegen den Willen der Schwangeren gehe in ihrem Unrechtsgehalt über das Tötungsdelikt an der Mutter hinaus, so der BGH.

Damit weicht der Senat von seiner bisherigen Rechtsprechung ab, die in einer Verurteilung wegen eines Tötungsdelikts an der Mutter den – den Schwangerschaftsabbruch übersteigenden – Unrechtsgehalt als vollständig erfasst ansah.

Die Strafbarkeit eines (zumindest) versuchten Tötungsdeliktes zum Nachteil der Mutter decke nicht vollumfänglich den Unrechtsgehalt eines versuchten oder vollendeten Schwangerschaftsabbruchs gegen ihren Willen ab, da der Telos des § 218 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB schwerpunktmäßig in der gesteigerten Verwerflichkeit der Tat liege.

Diese Argumentation greife auch bei § 218 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB. Derjenige, der nicht nur leichtfertig sondern vorsätzlich die Todesgefahr oder Gesundheitsgefahr der Schwangeren herbeiführe, verwirkliche die Strafschärfung erst recht.

Offengelassen hat der BGH die Frage, ob die Regelbeispiele auch bei einer vollendeten vorsätzlichen Tötung der Schwangeren zur Anwendung kommen können oder subsidiär zurücktreten. Insoweit bestehe die Gefahr, dass der Tötungserfolg ansonsten dem Angeklagten doppelt zur Last gelegt werde.

Anmerkung der Redaktion:

Die überholte Senatsrechtsprechung finden Sie hier.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 01/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 11.07.2019 – 1 StR 634/18: Verhältnis von Steuerhehlerei zur Anstiftung zur Steuerhinterziehung

Amtlicher Leitsatz:

Anstiftungshandlungen, die auf eine Verbringung von mit Verbrauchsteuern belasteten Waren gerichtet sind, an denen der Täter eine Steuerhehlerei begeht, sind regelmäßig nicht als Anstiftung zur Steuerhinterziehung strafbar; im Verhältnis zur Steuerhehlerei stellt sich die Anstiftung zur Steuerhinterziehung als mitbestrafte Vortat dar.

Sachverhalt:

Das LG Frankfurt (Oder) hat den Angeklagten jeweils in Tatmehrheit wegen Anstiftung zur Steuerhinterziehung, wegen Anstiftung zur Steuerhehlerei, wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei sowie wegen Steuerhinterziehung verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte bei mehreren Lieferanten, die teils in Polen und teils in Deutschland ansässig gewesen waren, unverzollte Zigaretten zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestellt und in den meisten Fällen auch innerhalb einer kurzen Zeitspanne geliefert bekommen.

Die Bestellvorgänge bei den Lieferanten in Polen hat das LG als Anstiftung zur Steuerhinterziehung gewertet, den Bestellvorgang bei den Lieferanten in Deutschland als Anstiftung zur Steuerhehlerei. Wegen der Fälle, bei denen eine Übergabe der Zigaretten stattgefunden hatte, hat das LG den Angeklagten zusätzlich tatmehrheitlich wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei (aufgrund des Ankaufens) sowie Steuerhinterziehung (aufgrund der unterlassenen Verwendung von Steuerzeichen) verurteilt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil teilweise auf, da die konkurrenzrechtliche Bewertung rechtsfehlerhaft gewesen sei.

In den Fällen, die das LG als Anstiftung zur Steuerhinterziehung und gewerbsmäßiger Steuerhehlerei gewertet habe, stelle sich die Anstiftung zur Steuerhinterziehung lediglich als mitbestrafte Vortat dar.

Als Begründung führt der BGH an, dass die Bestellung der Zigaretten als Durchgangsdelikt für die darauffolgende Steuerhehlerei zu werten sei. Die Anstiftung zur Steuerhinterziehung weise keinen höheren Unrechtsgehalt auf, als die Steuerhinterziehung selbst und bereite damit lediglich einen intensiveren Angriff auf dasselbe Rechtsgut vor. Außerdem habe ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Bestellung und Lieferung bestanden und beide Taten seien von einem einheitlichen Willen getragen gewesen. In dieser Betrachtungsweise liege auch kein Widerspruch zur konkurrenzrechtlichen Behandlung der allgemeinen Hehlerei nach § 259 StGB, da beide Vorschriften unterschiedliche Rechtsgutsinhaber schützten, so der BGH.

Ebenfalls halte die tatmehrheitliche Verurteilung wegen Anstiftung zur Steuerhehlerei und Steuerhehlerei, bezüglich der in Deutschland bestellten und gelieferten Zigaretten, der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

In diesen Fällen habe es mangels Verbringung der Zigaretten ins Inland schon an einer teilnahmefähigen Steuerhinterziehung des Lieferanten gefehlt. Die Anstiftung zu der Steuerhehlerei des Lieferanten sei alleinig auf die Besitzverschaffung ausgerichtet und greife daher kein zusätzliches Rechtsgut an. Somit komme es auch nicht darauf an, ob die Absatzhandlungen des Verkäufers tatbestandslos oder als mitbestrafte Nachtat anzusehen seien.

Denn jedenfalls sei eine tatmehrheitliche Verurteilung des Käufers wegen Anstiftung zur Steuerhehlerei und seiner späteren eigenen Steuerhehlerei nicht möglich, da entweder eine teilnahmefähige Haupttat fehle oder die Anstiftung lediglich eine mitbestrafte Vortat darstelle.

Schließlich halte auch die tatmehrheitliche Verurteilung wegen Steuerhinterziehung (aufgrund des Unterlassens der Verwendung von Steuerzeichen) nicht stand, da der Tatbestand der Steuerhehlerei entwertet würde, würde dieser Sachverhalt alleinig für eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung genügen.

Daher sprach der BGH den Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung frei und verwies die Sache im Umfang der restlichen Aufhebungen zurück an das LG.

 

Anmerkung der Redaktion:

Eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 TabStG kam ebenfalls nicht in Betracht, da der BGH bereits im Mai 2019 entschieden hatte, dass das Unterlassen der Abgabe einer Tabaksteuererklärung nach einer schon begangenen Steuerhehlerei nicht strafbar ist. Die Entscheidung finden Sie hier.

KriPoZ-RR, Beitrag 58/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 21.08.2019 – 3 StR 7/19: Konkurrenzverhältnis Urkundenfälschung und –unterdrückung

Leitsatz der Redaktion:

Die durch Beschädigen einer echten Urkunde begangene Urkundenunterdrückung nach § 274 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB tritt hinter der Urkundenfälschung im Sinne des § 267 Abs. 1 Var. 2 StGB im Wege der Konsumtion zurück.

Sachverhalt:

Das LG Verden hat den Angeklagten wegen Geldfälschung in Tateinheit mit Betrug in zwei Fällen, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Urkundenunterdrückung in acht Fällen verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Beschuldigte mit anderen Mittätern Bescheinigungen der DEKRA und des TÜV gefälscht, um Autofahrern, die sich einer MPU unterziehen mussten, bei der Wiedererlangung ihres Führerscheins zu helfen. Dazu hatten sie sich Papier in der Art besorgt, wie es von den Prüfstellen verwendet wird und auf diesem Papier eine bestandene MPU bescheinigt. Anschließend waren die Vernietung und das Siegel des originalen Zeugnisses gelöst und auf dem von ihnen erstellten Zeugnis angebracht worden.

Entscheidung des BGH:

Der BGH gab der Revision des Angeklagten statt, da die rechtliche Würdigung des LG rechtsfehlerhaft sei.

Verwirkliche dieselbe Handlung eines Täter die Verletzung mehrerer Gesetze, sei grundsätzlich von Tateinheit (§ 52 StGB) auszugehen.

Ausnahmen von diesem Grundsatz seien nur in den Fällen der Gesetzeskonkurrenz zu machen, also in Fällen der Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion.

Typisch für die Konsumtion sei es, dass die verschiedenen Tatbestände in einem kriminologischen Zusammenhang stünden und der Schuldgehalt der Tat schon durch die Nennung des schwereren Delikts im Schuldspruch genügend zum Ausdruck komme. Insofern bestehe gerade kein Rangverhältnis zwischen den verschiedenen Delikten wie beispielsweise bei der Subsidiarität.

Die Konsumtion erfasse somit typische Begleittaten, selbst wenn diese ein anderes Rechtsgut schützten, so der BGH.

Auch in dem zu entscheidenden Fall sprächen die Unterschiedlichen Rechtsgüter der §§ 274 und 267 StGB zwar für die Annahme von Tateinheit, allerdings sei die Urkundenunterdrückung eine typische Begleittat bei der Verfälschung einer echten Urkunde, denn es sei kein Fall denkbar, bei dem eine echte Urkunde verfälscht werde, ohne das zugleich eine Beschädigung dieser Urkunde stattfinde. Auch die unterschiedlichen Vorsatzgrade hätten für die konkurrenzrechtliche Bewertung keine Relevanz. Somit enthalte das Beschädigen einer Urkunde keinen eigenständigen und über die Verfälschung hinausgehenden Unrechtsgehalt.

 

Anmerkung der Redaktion:

Den Streit, ob die Gutachten den begutachteten Personen gehören oder auch den Fahrerlaubnisbehörden (vgl. BGH, Urt. v. 29.01.1980 – 1 StR 683/79), brauchte der BGH in diesem Fall nicht zu entscheiden.

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 35/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 24.07.2019 – 3 StR 257/19: § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG verdrängt § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, nicht jedoch den § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG

Leitsatz der Redaktion:

Zwar verdrängt eine Strafbarkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG regelmäßig den ebenfalls verwirklichten § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, liegt allerdings ein Fall des Handeltreibens mit einer nicht geringen Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vor, steht dieser zu § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG in Tateinheit.

Sachverhalt:

Das LG Stade hat den Angeklagten u.a. wegen Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der über 21 Jahre alte Angeklagte eine nicht geringe Menge Marihuana regelmäßig an Personen unter und über 18 Jahren veräußert, um sich dadurch eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.

Entscheidung des BGH:

Der GBA schlug dem Senat vor, die Strafbarkeit gem. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG tateinheitlich neben den verwirklichten § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG treten zu lassen.

§ 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG verdränge zwar das einfache Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, da dessen Unrechtsgehalt vollständig von § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG mitabgebildet werde. Allerdings bestehe im Falle der gleichzeitigen Verwirklichung des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ein zusätzlicher bzw. höherer Unrechtsgehalt durch die größere Menge an gehandelten Betäubungsmitteln. Dieser müsse durch eine tateinheitliche Verurteilung zum Ausdruck kommen.

Dieser Bewertung schloss sich der BGH an.

Anmerkung der Redaktion:

Zuletzt entschied der BGH zur Klammerwirkung des Besitzes von Betäubungsmitteln bei ansonsten selbstständigen Beihilfehandlungen. Die Entscheidung finden Sie hier.

 

KriPoZ-RR, Beitrag 01/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 16.04.2019 – 3 StR 48/19: Grundsätzlich Tatmehrheit bei nacheinander erfolgenden Angriffen auf einzelne Menschen

Leitsatz der Redaktion:

Greift ein Täter nacheinander einzelne Menschen an und verletzt deren höchstpersönliche Rechtsgüter, stehen diese Taten grundsätzlich in Tatmehrheit zueinander, selbst dann, wenn sie auf einem einheitlichen Tatentschluss beruhen und in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen.

Sachverhalt:

Die zwei Angeklagten versetzten dem Opfer K im bewussten und gewollten Zusammenwirken auf offener Straße Faustschläge gegen Kopf und Oberkörper. Als einer der beiden Täter ein Messer aus seiner Hosentasche zog, kam die Freundin des Opfers F ihm aus Angst um dessen Leben zu Hilfe. Daraufhin rammte der Angeklagte ihr das Messer mit bedingtem Tötungsvorsatz wuchtig in den linken Oberbauch und floh anschließend in der Vorstellung, ihr möglicherweise tödliche Verletzungen zugefügt zu haben.

Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit (§ 52 StGB) mit zwei Fällen gefährlicher Körperverletzung (zum Nachteil des K und der F).

Entscheidung des BGH:

Die Beurteilung der Konkurrenzen durch das Landgericht halte sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Werden einzelne Menschen nacheinander angegriffen und in ihren höchstpersönlichen Rechtsgütern beeinträchtigt, so bestehe sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise – selbst bei einheitlichem Tatentschluss sowie engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang – regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen. Eine Ausnahme könne dann gegeben sein, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierte Personenmehrheit gerichteten Angriff, willkürlich und gekünstelt erschiene. Eine solche Ausnahme sah der BGH in diesem Fall allerdings nicht als einschlägig an.

Daher verurteilte er den Beschwerdeführer wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (zum Nachteil der F) und gefährlicher Körperverletzung (zum Nachteil des K) in Tatmehrheit (§ 53 StGB).

Anmerkung der Redaktion:

Ähnliche Entscheidung des 2. Strafsenats: BGH, Beschl. v. 10.02.2016 – 2 StR 391/15

 

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