KriPoZ-RR, Beitrag 31/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 24.03.2021 – 6 StR 240/20: Zum gewerblichen Zweck bei der Nutzung von Cannabis i.S.d. Anlage I zum BtMG

Leitsatz der Redaktion:

Bei der Nutzung von Cannabis privilegierter Herkunft zu gewerblichen Zwecken im Sinne der Anlage I (Buchst. b) zu § 1 Abs. 1 BtMG kommt es für ein Eingreifen der Ausnahmeregelung nicht darauf an, ob der Endabnehmer ebenfalls einen solchen gewerblichen Zweck verfolgt.

Sachverhalt:

Das LG Braunschweig hat die Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatten die Angeklagten Cannabispflanzenteile bestellt und diese in Ladenlokalen als Hanfblütentee an Endabnehmer verkauft. Dabei waren sie davon ausgegangen, dass der THC-Gehalt im Pflanzenmaterial im Durchschnitt bei 0,1% gelegen habe.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, da das LG ein zu enges Verständnis des gewerblichen Zwecks gezeigt habe.

Das LG war davon ausgegangen, dass gewerbliche Zwecke auch beim Endabnehmer Erwerbsgrund sein müssten, um so eine Nutzung des Cannabis zu Konsumzwecken auszuschließen.

Diese Ansicht finde im Wortlaut der Anlage jedoch keine Stütze, so der BGH.

Auch entspräche eine solche enge Auslegung nicht der gesetzgeberischen Zielsetzung. Dadurch, dass der Gesetzgeber explizit im Wortlaut die Ausnahme nur eingreifen lasse, wenn durch den Zweck der gewerblichen Nutzung ein Missbrauch zu Rauschzwecken auszuschließen sei, stelle er klar, dass beim Endabnehmer gerade keine gewerblichen Zwecke vorliegen müssten. Wäre auch beim Endabnehmer eine gewerbliche Nutzung zu verlangen, wäre dieses Einschränkende Tatbestandsmerkmal, welches nachträglich in die Anlage eingefügt worden war, redundant, so der BGH.

Darüber hinaus würde man auch beim Endabnehmer eine gewerbliche Nutzung fordern, so würde man – zumindest objektiv – den am Beginn der Lieferkette stehenden Lieferanten von Nutzhanf für einen von ihm nicht bezweckten Konsum durch den Endabnehmer strafrechtlich zur Verantwortung ziehen.

Da sich die Verurteilung auf das Merkmal des gewerblichen Zwecks gestützt habe, sei sie aufzuheben gewesen. Für das tatsächlich nicht erfüllte Merkmal des Auschlusses eines Missbrauchs zu Rauschzwecken, fehle es an Feststellungen zur subjektiven Tatseite.

 

Anmerkung der Redaktion:

Die Ausnahmeregelung der Anlage I zum BtMG war am 29. März 1996 dahingehend geändert worden, dass nur noch ein solcher gewerbliche Gebrauch verboten sein sollte, der einen Missbrauch zu Rauschzwecken ermöglicht. Die Änderungsverordnung finden Sie hier.

 

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 73/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 01.09.2020 – 3 StR 469/19: Strafrahmenwahl bei § 30a Abs. 3 BtMG und § 29a Abs. 1 BtMG

Amtlicher Leitsatz:

Der Senat schließt sich der Rechtsprechung an, wonach ausschließlich die Strafrahmenuntergrenze des § 29a Abs. 1 BtMG eine Sperrwirkung entfaltet, die Strafrahmenobergrenze jedoch dem § 30a Abs. 3 BtMG zu entnehmen ist, wenn zwar ein minder schwerer Fall gemäß § 30a Abs. 3 BtMG, nicht aber ein solcher gemäß § 29a Abs. 1 BtMG vorliegt; an seiner abweichenden Auffassung hält er nicht mehr fest (Aufgabe BGH, Beschlüsse vom 25. Juli 2013 – 3 StR 143/13; vom 3. Februar 2015 – 3 StR 632/14; Urteil vom 7. September 2017 – 3 StR 278/17).

Sachverhalt:

Das LG Hannover hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition verurteilt, wobei es die Strafe dem Strafrahmen von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe entnommen hat. Einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG hat es bejaht, einen nach § 29a Abs. 2 BtMG jedoch verneint.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob den Strafausspruch auf, da das LG von einer Sperrwirkung sowohl der Strafrahmenober- als auch der Strafrahmenuntergrenze des § 29a Abs. 1 BtMG ausgegangen sei.

Dies entspreche auch durchaus der früheren Rechtsprechung des Senats, an der dieser jedoch nicht mehr festhalten wolle. Er schließe sich nunmehr den anderen Senaten an, die von einer Sperrwirkung lediglich der Strafrahmenuntergrenze des § 29a Abs. 1 BtMG ausgingen und die Strafrahmenobergrenze dem § 30a Abs. 3 BtMG entnähmen, wenn nach diesem ein minder schwerer Fall vorliege, aber nach § 29a Abs. 1 BtMG gerade nicht.

 

Anmerkung der Redaktion:

Bereits 2013 hatte der 2. Strafsenat nach dieser Maßgabe entschieden (BGH, Beschl. v. 14.08.2013 – 2 StR 143/13). Die anderen Senate waren dieser Auffassung gefolgt (BGH, Beschl. v. 07.11.2017 – 1 StR 515/17; Beschl. v. 26.09.2019 – 4 StR 133/19; Urt. v. 12.02.2015 – 5 StR 536/14). Mit seiner Entscheidung schließt sich der 3. Strafsenat nun dieser gemeinsamen Linie an.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 35/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 24.07.2019 – 3 StR 257/19: § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG verdrängt § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, nicht jedoch den § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG

Leitsatz der Redaktion:

Zwar verdrängt eine Strafbarkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG regelmäßig den ebenfalls verwirklichten § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, liegt allerdings ein Fall des Handeltreibens mit einer nicht geringen Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vor, steht dieser zu § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG in Tateinheit.

Sachverhalt:

Das LG Stade hat den Angeklagten u.a. wegen Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der über 21 Jahre alte Angeklagte eine nicht geringe Menge Marihuana regelmäßig an Personen unter und über 18 Jahren veräußert, um sich dadurch eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.

Entscheidung des BGH:

Der GBA schlug dem Senat vor, die Strafbarkeit gem. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG tateinheitlich neben den verwirklichten § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG treten zu lassen.

§ 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG verdränge zwar das einfache Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, da dessen Unrechtsgehalt vollständig von § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG mitabgebildet werde. Allerdings bestehe im Falle der gleichzeitigen Verwirklichung des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ein zusätzlicher bzw. höherer Unrechtsgehalt durch die größere Menge an gehandelten Betäubungsmitteln. Dieser müsse durch eine tateinheitliche Verurteilung zum Ausdruck kommen.

Dieser Bewertung schloss sich der BGH an.

Anmerkung der Redaktion:

Zuletzt entschied der BGH zur Klammerwirkung des Besitzes von Betäubungsmitteln bei ansonsten selbstständigen Beihilfehandlungen. Die Entscheidung finden Sie hier.

 

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