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Besorgter Brief an einen künftigen Wohnungseinbrecher

von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch

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Abstract
Am 10.5.2017 hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Verschärfung der Strafe bei Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft privat genutzte Wohnung beschlossen. Der Entwurf fügt § 244 StGB einen neuen Absatz 4 hinzu, in dem die Tat mit einer Mindeststrafe von einem Jahr zu einem Verbrechen aufgewertet wird. Zugleich wird die Möglichkeit der Strafmilderung in minder schweren Fällen für diese Kategorie von Wohnungseinbruchsdiebstahl aufgehoben. Da keine weiteren Gesetzesänderungen im Besonderen Teil des StGB vorgesehen sind, ergeben sich aus dieser Strafverschärfung zahlreiche Ungereimtheiten. Auf diese will der vorliegende Beitrag aufmerksam machen.

I. Reginhardus Muraquensis-Monacensis

Gäbe es einen Wettbewerb der witzigsten und zugleich intelligentesten Texte mit strafrechtswissenschaftlicher Thematik, hätte der „Besorgte Brief an einen künftigen jungen Rechtsbrecher“, den Reinhart Maurach unter dem latinisierten Pseudo-Pseudonym Reginhardus Muraquensis-Monacensis[1] in der Juristenzeitung 1962 auf Seite 380 ff. publizierte, gute Chancen auf den Spitzenplatz. Angehörigen jüngerer Juristengenerationen, die die Glosse vielleicht noch nicht kennen, sei ihre Lektüre wärmstens empfohlen.[2] Der Text ist nicht nur stilistisch höchst amüsant geschrieben, sondern mit seiner ironischen Kritik an strafgesetzgeberischer Pfuscherei auch eminent bedenkenswert. Vor allem ist er 55 Jahre nach seiner Veröffentlichung aktuell wie nie. Manchmal machen kriminalpolitische Ereignisse es dem teilnehmenden Beobachter schwer, eine Satire darüber nicht zu schreiben. Weil Reinhart Maurachs Meisterschaft unerreichbar ist, wird hier gar nicht erst der Versuch einer Nachahmung dieses brillanten literarischen Kabinettsstücks unternommen, obwohl die Anspielung in der Überschrift eine solche Erwartung wecken könnte. Es soll eine jüngste Ankündigung der Bundesregierung, die schon im vergangenen Jahr angedroht worden war, aber dem sachkundigen Zeitgenossen allenfalls im Zustand schuldfähigkeitsausschließender Trunkenheit (§ 20 StGB) als realisierbar erschien, einer kritischen Betrachtung unterzogen werden, deren Duktus Inspirationen aus Maurachs Text erkennen lassen dürfte. Thema ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Erhöhung des Sanktionsniveaus beim Wohnungseinbruchdiebstahl und die teils kuriosen Schlussfolgerungen, die diese punktuelle legislative Maßnahme mit Blick auf das strafrechtliche Umfeld der betroffenen Strafvorschrift auszulösen geeignet ist. Maurach hatte zur Zuspitzung seiner Kritik eine Art kriminaltaktischer Bedienungsanleitung für einen imaginären Korrespondenzpartner entworfen, der offenbar geneigt ist, seinen Lebensweg auf die „schiefe Bahn“ zu lenken und seinen Lebensunterhalt vor allem durch Begehung von Eigentumsdelikten zu bestreiten. Vor dem Hintergrund der damals geltenden Fassung des § 243 StGB zeigt Maurach auf, dass ein gewitzter Straftäter sich durch das geltende Recht aufgefordert fühlen konnte, bei Planung und Ausführung von Diebstahlstaten die nicht nur gefühlt, sondern auch bei nüchterner Analyse der relevanten Bestrafungsgründe als schwerer eingeschätzte Begehungsvariante zu wählen, weil das geltende Strafrecht dies mit einer günstigeren strafrechtlichen Bewertung und Behandlung honorierte. So sei es beispielsweise besser, einen ganzen Eisenbahnzug zu stehlen, als aus einer Eisenbahn ein Gepäckstück zu entwenden.[3]  Der Dieb, der es auf den Inhalt eines Koffers abgesehen hat, solle sich nicht die Mühe machen, den Koffer im Zugabteil aufzubrechen und mit dem Inhalt zu verschwinden, sondern er solle den ganzen Koffer ungeöffnet mitnehmen und später an einem anderen Ort öffnen.[4] Verallgemeinernd  ausgedrückt:  die Begehung eines schwereren Delikts zieht mildere strafrechtliche Folgen nach sich! Schwer zu glauben, aber – auf damaliger gesetzlicher Grundlage – wahr. Erste noch ungeordnete Gedanken beim Lesen des Gesetzentwurfs wecken eine dunkle Ahnung, dass mit dem neuen § 244 Abs. 4 StGB ähnlichen kuriosen Schlussfolgerungen ein Anknüpfungspunkt verschafft wird. Nach genauerem Hinschauen haben sich daraus einige Ratschläge herauskristallisiert, die ein freundlicher Ratgeber dem potentiellen Einbrecher mit auf den Weg geben könnte.

II. Vier Ratschläge

1. Werde Bandenmitglied und nimm einen Kumpel mit!

Diebstahl eines Bandenmitglieds wiegt nach geltendem Strafrecht schwerer als der Diebstahl eines Täters, der kein Bandenmitglied ist.[5] Wirkt an dem Diebstahl noch ein weiteres Bandenmitglied mit, ist die Tat gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB qualifiziert. Kommt außerdem hinzu, dass der Täter zur Begehung der Tat in eine Wohnung einbricht, ist die Tat sogar ein schwerer Bandendiebstahl gemäß § 244a Abs. 1 StGB. Diese Tat hat Verbrechensqualität (§ 12 Abs. 1 StGB), denn die gesetzliche Mindeststrafe beträgt 1 Jahr. In minder schweren Fällen hat das Gericht indessen einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zugrunde zu legen, § 244a Abs. 2 StGB. Nach geltendem Recht ist es dem eine Einbruchstat Planenden also nicht zu empfehlen, sich einer Bande anzuschließen und bei der Tat mit einem anderen Bandenmitglied zusammenzuwirken. Die Strafe, die ihn erwartet, ist höher als wenn er den Diebstahl allein begeht.

Nach Inkrafttreten des von der Bundesregierung entworfenen § 244 Abs. 4 StGB könnte das aber anders geworden sein. Danach soll ja schon der Wohnungseinbruchdiebstahl ohne jeden Bezug zu einer Bande ein Verbrechen mit Mindeststrafe von einem Jahr sein. Das macht zwar auf der Rechtsfolgenseite keinen Unterschied zu § 244a Abs. 1 StGB. Aber auf der Tatbestandsseite besteht natürlich ein Unterschied, der sich überraschenderweise im Sanktionsbereich nicht auswirkt. Die tatbestandliche Qualifizierung führt jedenfalls in der gesetzlichen Sanktionsregelung zu keiner Hochstufung. Die sanktionsrechtliche Gleichbehandlung von Taten, deren tatbestandliche Erscheinungsbilder zwei deutlich unterschiedliche Unrechtsgehalte erkennen lassen, ist erklärungsbedürftig und im Ergebnis wohl unerklärbar.[6] Dies allein ist sicher noch kein hinreichender Grund für die Empfehlung der gravierenderen Tatbegehungsvariante. Dieser drängt sich erst mit Blick auf § 244a Abs. 2 StGB ins Bild. Beim schweren Bandendiebstahl will die Gesetzesvorlage offenbar die Milderungsmöglichkeit für den minder schweren Fall bei der Wohnungseinbruchvariante nicht abschaffen. Denn weder ist eine dem § 244 Abs. 4 StGB n.F. entsprechende Regelung für § 244a StGB vorgesehen, noch soll an dem geltenden § 244a Abs. 2 StGB etwas geschraubt werden. Ob das wirklich dem Willen der Initiatoren entspricht oder einfach nur übersehen wurde, wissen wir nicht. Wenn § 244a Abs. 2 StGB nach Inkraftsetzung des neuen § 244 Abs. 4 StGB erhalten bleibt, entsteht die paradoxe Situation, dass das Gesetz dem einen minder schweren Fall begehenden Wohnungseinbrecher die Chance auf Milderung einräumt, wenn er die Tat unter den erschwerenden Bedingungen der Bandenmitgliedschaft ausführt, ihm diese Milderungsmöglichkeit indessen verwehrt bleibt, wenn er die Tat allein begeht.[7] Gewiss werden die Unterstützer der Neuregelung geltend machen,  der Gesetzgeber bringe mit der Neugestaltung des § 244 StGB  zum Ausdruck, dass der Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung  generell, also auch dann der Milderungsmöglichkeit für minder schwere Fälle entzogen sein soll, wenn die Tat den Tatbestand des § 244a Abs. 1 StGB verwirklicht.  § 244a Abs. 2 StGB soll demnach allein für die anderen Varianten des § 244a Abs. 1 StGB gelten. Das ist nachvollziehbar. Die Frage ist aber, ob der gesetzesanwendende Strafrichter, der über eine alle Kennzeichen eines minder schweren Falles aufweisende Tat[8] zu entscheiden hat, sich diese gesetzgeberische Vorstellung vor dem Hintergrund des § 244a Abs. 2 StGB zu eigen machen muss. Ausgeschlossen ist die Nichtanwendung des § 244a StGB, wenn alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Vor allem besteht keine Gesetzeskonkurrenz zwischen § 244 Abs. 4 StGB n.F. und § 244a Abs. 1 StGB, die letztere Norm zurücktreten ließe. Nach geltendem Recht ist umgekehrtes der Fall: § 244a Abs. 1 StGB verdrängt § 244 Abs. 1 StGB.[9] § 244 Abs. 4 StGB n.F. ist zwar lex specialis im Verhältnis zum allgemeinen Wohnungseinbruchdiebstahl des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB, nicht aber gegenüber dem schweren Bandendiebstahl des § 244a Abs. 1 StGB.  Die einzige gesetzeskonforme Lösung zur Ausschaltung der Milderungsregelung ist aus § 52 Abs. 2 S. 2 StGB zu gewinnen: § 244 Abs. 4 StGB n.F. und § 244a Abs. 1 StGB stehen zueinander in Tateinheit.  Von der Milderungsmöglichkeit des § 244a Abs. 2 StGB darf gem. § 52 Abs. 2 S. 2 StGB kein Gebrauch gemacht werden.  Die Strafuntergrenze von einem Jahr darf nicht unterschritten werden.[10]

Am Ende der Überlegungen stellt sich also heraus, dass der Ratschlag doch nicht das hält, was er zunächst zu versprechen schien. Aber eine beruhigende Botschaft kann an Bandenmitglieder schon gegeben werden:  die kollektive Ausführung des Einbruchdiebstahls hebt ihre Tat nicht auf eine höhere Delikts- und Sanktionsstufe. Deshalb ist immerhin die Chance gegeben, das Strafmilderungspotential der Bandeninvolvierung bei der Strafzumessung auszuschöpfen, z. B. wenn der Angeklagte dartun kann, dass er sich an der Tat allein wegen des von den anderen Bandenmitgliedern auf ihn ausgeübten massiven Drucks beteiligt habe. 

2. Raube oder erpresse!

Dass die Empfehlung, anstelle eines Wohnungseinbruchdiebstahls einen Raub zu begehen, das Inaussichtstellen eines rechtlichen Vorteils impliziert, springt gewiss nicht direkt ins Auge. Schaut man sich die Strafdrohungen des geltenden Rechts an, bedeutet der Schritt von der Ebene des Diebstahls in die höher gelegene Region des Raubes den Aufstieg von der Vergehensstufe in den Verbrechensbereich. Das gilt auch noch für das Verhältnis von Wohnungseinbruchdiebstahl und Raub. Für den Täter geht damit eine spürbare Sanktionsverschärfung einher. Wenn jedoch die Pläne der Bundesregierung umgesetzt werden, wird zukünftig einen Dieb, der zur Begehung der Tat in eine dauernd genutzte Privatwohnung eingebrochen ist, die gesetzliche Mindeststrafdrohung des § 249 StGB nicht davon abschrecken, zur erfolgreichen Vollendung seiner Tat gegen etwaige Widersacher Gewalt anzuwenden.[11] Denn auf Verbrechensniveau befindet sich der Einbrecher bereits, wenn ihm in der Wohnung der Eigentümer, Mieter oder ein anderer Gegner in den Weg tritt. Neben dem § 244 Abs. 4 StGB n.F. noch den § 249 StGB zu verwirklichen, schlägt sich zwar gewiss bei der Strafzumessung nieder. Aber gravierend wird die Steigerung nicht sein, zumal die Delikte in Tateinheit stehen. Gewalt ist zudem nicht nur ein Mittel zur Durchsetzung der Wegnahmeabsicht, sondern kann dem Täter auch die anschließende Flucht vom Tatort ermöglichen und die Gefahr drohender Strafverfolgung bannen. Im Lichte des Opferschutzes könnte sich somit die Angleichung der Strafrahmenuntergrenzen von Wohnungseinbruchdiebstahl und Raub als kontraproduktiv erweisen.

Dass der Täter mit der Verwirklichung des Raubtatbestandes in den Anwendungsbereich einer Strafvorschrift rückt, die – anders als § 244 Abs. 4 StGB n.F. – eine Strafmilderung für minder schwere Fälle im Repertoire hat (§ 249 Abs. 2 StGB), irritiert hier ebenso wie bei § 244a Abs. 2 StGB. Aber auch § 249 Abs. 2 StGB wird im Falle der Tateinheit mit § 244 Abs. 4 StGB n.F. durch § 52 Abs. 2 S. 2 StGB gesperrt werden.

Das Verständnis für den Gesetzentwurf geht endgültig verloren, wenn man sich den Tatablauf eines „Wohnungseinbruchraubes“ vor Augen führt und seine straftatbestandliche Einordnung betrachtet:  die Tatumstände, die auf Diebstahlebene den Sanktionssprung von 1 Monat bis fünf Jahren (§§ 242 Abs. 1, 38 Abs. 2 StGB) auf ein Jahr bis 10 Jahre (§ 244 Abs. 4 StGB n.F.) begründen, spielen im Rahmen der Raubtatbestände nirgends eine Rolle.  Der „Wohnungseinbruchraub“ ist kein schwerer Raub mit gesetzlicher Mindeststrafe von 2 oder 3 Jahren, sondern ein einfacher Raub gem. § 249 StGB. In § 250 StGB kommen die diebstahlqualifizierenden Wohnungseinbruchmerkmale nicht vor. Das ist eigenartig, ist es doch gerade die Vorstellung eines z. B. während urlaubsbedingter Abwesenheit zum Einbruchsopfer gewordenen Bürgers, man hätte auch zu Hause gewesen sein können, während der oder die Täter die Wohnung ausräumten, was Betroffene ängstigt und das „my home is my castle“ zu einem Ort des Schreckens werden lässt. Dann soll es keine strafschärfende Relevanz haben, wenn der Albtraum Wirklichkeit wird und es zur Begegnung mit gewaltbereiten Kriminellen in der eigenen Wohnung kommt? Die nach § 244 Abs. 4 StGB n.F. verwirkte Strafe erscheint fast als ein Freibrief für die Hinzufügung von Nötigungselementen zu der Tat. Weder erhöht das Raubmerkmal die Mindeststrafe noch beseitigt es die Chance einer Milderung wegen minder schweren Falles: letzteres hat sich schon vorher erledigt. 

Überhaupt gewinnt vor dem Hintergrund des § 244 Abs. 4 StGB n.F. die Anwendung von Gewalt oder Drohung eine Attraktivität, von der sich die Verfasser des Gesetzentwurfs wahrscheinlich keine Vorstellung gemacht haben. Im Angesicht eines Brachialstrafrechts, wie § 244 Abs. 4 StGB n.F. es verkörpert, muss der Täter danach streben, sein Ziel unter Umgehung dieses Tatbestandes zu erreichen. Er muss also entweder in die Wohnung gelangen, ohne einzubrechen und die anderen Tatbestandsalternativen zu verwirklichen oder er muss sich nach dem Einbruch die Wertsachen aus der Wohnung verschaffen, ohne sie wegzunehmen. Beide Wege zum Ziel führen über die Nötigung. Zwingt der Täter den Wohnungsinhaber die Tür zu öffnen oder ihm den Wohnungsschlüssel auszuhändigen, begeht er keinen Wohnungseinbruch.[12] Der unter dem Eindruck von Gewalt oder Drohung herausgegebene Schlüssel wird nicht automatisch zu einem „falschen“, wenn er in die Hände eines Unbefugten gerät.[13] Hat der Täter gleichwohl vor, in die Wohnung einzubrechen, sollte er darauf achten, dass er sich seine Beute nicht mittels Wegnahme verschafft. Als Alternative bietet sich die Erzwingung einer Herausgabe an[14], was ohnehin unvermeidbar ist, wenn es um Wertsachen in einem Tresor oder in einem sonstigen Behälter mit besonderer Diebstahlsicherung geht. Gelingt dies sogar ohne Gewalttätigkeit gegen die Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, ist die Tat lediglich „einfache“ Erpressung. Dieses Vergehen hat dieselbe Strafdrohung wie § 242 StGB und der Wohnungseinbruch ist in § 253 Abs. 4 StGB nicht einmal ein Regelbeispiel für den besonders schweren Fall. Aber auch die Anwendung der qualifizierten Nötigungsform „Gewalt gegen die Person“ kann vorteilhaft sein. Handelt der Täter nämlich unter Umständen, die die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigen,[15] eröffnet die von ihm begangene räuberische Erpressung (§ 255 StGB) den Strafrahmen des § 249 Abs. 2 StGB. In diesem Fall gibt es auch keine „Sperrwirkung nach unten“ gem. § 52 Abs. 2 S. 2 StGB.  Denn der Tatbestand des § 244 Abs. 4 StGB n.F. ist ja nicht erfüllt.

Was hier in Bezug auf Raub (§ 249 StGB) und räuberische Erpressung (§ 255 StGB) gesagt wurde, gilt schließlich auch für den räuberischen Diebstahl (§ 252 StGB). Der auf frischer Tat betroffene Wohnungseinbruchdieb riskiert mit der gewaltsamen Beutesicherung keine nennenswerte Sanktionsverschärfung. Optimal ist für ihn die Lage, wenn die Tat, die er bis dahin begangen hat, kein Diebstahl ist.  Dies war schon immer so, vor dem Hintergrund des § 244 Abs. 4 StGB n.F. hätte der gewaltbereite Täter aber einen zusätzlichen Grund, die Vortat Diebstahl durch ein anderes Vermögensdelikt – z. B. Erpressung[16] – zu ersetzen und auf diese Weise überhaupt nicht in den Tatbestand des § 252 StGB hineinzuschlittern.

3. Entwidmung durch Verwüstung: Zerstöre die Wohnung, bevor du stiehlst!

Aus dem Bereich der qualifizierten Brandstiftungstatbestände ist die Methode bekannt, mittels einer „Entwidmung“ dem Tatobjekt eine tatbestandsmäßige Eigenschaft zu nehmen und dadurch die Einordnung der Tat in den qualifizierten Tatbestand zu verhindern.[17] Auch dort geht es um das Objekt „Wohnung“. Inbrandsetzung eines zur Wohnung dienenden Gebäudes ist schwere Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Hat die Räumlichkeit vor Beginn der Inbrandsetzung ihre Funktion oder Bestimmung als Wohnung verloren, verwirklicht der Täter, wenn er Eigentümer ist, überhaupt keinen Straftatbestand, ansonsten den Tatbestand der Brandstiftung gem. § 306    Abs. 1 Nr. 1 StGB.[18] Auch die Qualifikation eines Diebstahls als Wohnungseinbruchdiebstahl kann somit vereitelt werden, indem vor der Wegnahme die Wohnung beseitigt wird.  Macht der Täter die Räume unbewohnbar, indem er das dafür notwendige Ausmaß an Zerstörung verübt, begeht er eine Zerstörung von Bauwerken gem. § 305 StGB.[19] Diese steht zu dem anschließenden Diebstahl zwar in Tatmehrheit (§ 53 StGB). Aber Bauwerkzerstörung und Diebstahl bleiben unterhalb der Verbrechensschwelle, was sich z.B. bei der Anwendung des § 30 StGB bemerkbar macht.

4. Entwidmung durch Wegnahme: Nimm das ganze Wohnmobil mit!

Neulich hat der BGH den Einbruchdiebstahl in ein auf einem Autobahnparkplatz geparktes Wohnmobil als tatbestandsmäßigen Wohnungseinbruchdiebstahl bewertet.[20] Es gibt sicher Menschen, die in einer solchen Unterkunft dauerhaft wohnen.[21] Dann erfüllt dieses Fahrzeug das Tatobjektmerkmal des § 244 Abs. 4 StGB n.F. Hat es der Dieb nicht auf das Wohnmobil selbst abgesehen, sondern auf wertvolle Gegenstände, die sich in diesem befinden, kann er den Verbrechenstatbestand des § 244 Abs. 4 StGB n.F. dadurch umgehen, dass er mit der Wegnahme erst beginnt, nachdem das Wohnmobil seine Eigenschaft als Wohnung verloren hat. Dazu braucht er gar nicht unbedingt das Fahrzeug zu zerstören. Eine „sanftere“ Methode ist die Entwendung des ganzen Wohnmobils mitsamt Inhalt. Sobald das geschehen ist, kann der Eigentümer sein Wohnmobil nicht mehr als Wohnung nutzen. Natürlich muss die Wegschaffung des Wohnmobils auf eine Weise geschehen, die nicht selbst bereits den Tatbestand des § 244 Abs. 4 StGB n.F. erfüllt. Der Täter darf also nicht das Fahrzeug aufbrechen, um es danach wegzufahren. Hat er nicht das Glück, eine unverschlossene Tür und vielleicht sogar einen steckenden Zündschlüssel vorzufinden, bleibt ihm wohl nichts anderes übrig, als mit einem Tieflader anzurücken und das ganze Gefährt damit abzutransportieren. Dasselbe ließe sich mit Wohncontainern oder Baubuden machen.

III.  Fazit

Den oben skizzierten Schlussfolgerungen aus dem vorliegenden Gesetzentwurf lassen sich wahrscheinlich weitere hinzufügen, wenn man sich die Zeit nimmt und noch länger darüber nachdenkt. Aber auch die hier vorgelegte Zwischenbilanz dürfte niederschmetternd genug sein.  Dass der Gesetzestext zudem einiges an Abgrenzungs- und Auslegungsproblemen mit sich bringt, ist leicht zu erkennen: welche Zeitspanne das Mindestmaß von „dauerhaft“ markieren wird, wie sich Unterbrechungen auf die Dauerhaftigkeit auswirken, zu welchen anderen Wohnungen die „Privatwohnung“ abgegrenzt werden muss und wie mit Mischobjekten zu verfahren ist, sind nur einige von zahlreichen Fragen, mit denen  sich die kommentierende Literatur und wohl auch die Rechtsprechung wird herumplagen müssen. Es bleibt nur zu hoffen, dass ihr dies erspart bleibt. Denn was die Bundesregierung hier präsentiert, ist veritabler Murks und eines Gesetzes nicht würdig.

 

[1]     Monacensis ist der Hinweis auf den Standort der Universität in München, an der Reinhart Maurach Lehrstuhlinhaber gewesen ist, als er den Text verfasste.
[2]      Außer in JZ 1962, 380 auch in Hamann/Idler (Hrsg.), Zeitgeistreiches, 2015, S. 40 ff.
[3]      JZ 1962, 380 (381) re. Sp.
[4]      JZ 1962, 380 re. Sp.
[5]      Erfüllt die Tat auch die Voraussetzungen des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB, so fällt doch das Nichtmitglied nach h. M. wegen § 28 Abs. 2 StGB aus dem Qualifikationstatbestand heraus.
[6]      Vgl. auch die Stellungnahme Nr. 40/2017 des Deutschen Anwaltvereins, S. 5.
[7]      A.a.O.
[8]      Beispiel: Die völlig mittellosen Täter brechen vom Hunger geplagt auf der Suche nach Nahrung in eine Wohnung ein, deren Inhaber demnächst für immer nach Australien auswandert. Die Wohnung ist schon weitgehend entmöbliert, der Eigentümer übernachtet auf dem Fußboden auf einer Luftmatratze. Die Täter nehmen eine ungeöffnete Flasche Cola und einige Äpfel mit, die sie in der Küche finden.
[9]      Schmitz, in: MüKo-StGB, Bd. 4, 2. Aufl. (2012), § 244a Rn. 12.
[10]    Von Heintschel-Heinegg, in: MüKo-StGB, Bd. 2, 3. Aufl. (2016), § 52 Rn. 114.
[11]    DAV-Stellungnahme Nr. 40/2017, S. 6.
[12]    Siehe auch die Empfehlung bei Maurach, JZ 1962, 380 (382) li. Sp. „klingle doch an einer beliebigen Haus- oder Wohnungstür, tritt freundlich ein, wenn Dir geöffnet wird, und schlage, sobald Du solcherart in den Bereich des Hausfriedens gekommen bist, den Wohnungsinhaber nieder.“
[13]    Schmitz, in: MüKo-StGB, Bd. 4, 2. Aufl. (2012), § 243 Rn. 28.
[14]    BGHSt 7, 252 ff.
[15]    Sander, in: MüKo-StGB, Bd. 4, 2. Aufl. (2012), § 249 Rn. 45.
[16]    Küpper/Grabow, in: FS Achenbach, 2011, S. 265 (267).
[17]    Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, 18. Aufl. (2017), § 40 Rn. 21.
[18]    Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, 3. Aufl. (2015), § 37 Rn. 24.
[19]    DAV-Stellungnahme Nr. 40/2017, S. 5.
[20]    BGH, NJW 2017, 1186 m. Anm. Mitsch, aaO, 1188.
[21]    Fischer, StGB, 64. Aufl. (2017), § 244 Rn. 46.

 

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