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Gesetzentwurf zur Änderung des § 130 StGB

Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes und des Strafgesetzbuches vom 4. Dezember 2022: BGBl I 2022, S. 2146 ff.

 

Gesetzentwürfe: 

 

Am späten Abend des 20. Oktober 2022 stimmte der Bundestag für einen Regierungsentwurf zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes. In einem Omnibusverfahren wurde der Entwurf um eine sachfremde Änderung im StGB ergänzt. Hintergrund war ein Änderungsantrag der Fraktionen SPD, Grüne und FDP zur Änderung des § 130 StGB wegen eines von der Europäischen Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens. Deutschland wird vorgeworfen, die Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nur unzureichend  vorgenommen zu haben. § 130 StGB soll nun ein Abs. 5 hinzugefügt werden, der klarstellt, „dass das öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen nach deutschem Recht strafbar ist, wenn die Tat in einer Weise begangen wird, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören. Der Entwurf wurde gegen die Stimmen der Fraktion der AfD angenommen. Am 25. November 2022 verzichtete der Bundesrat auf eine Einberufung des Vermittlungsausschusses und billigte den Entwurf. 

Das Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes und des Strafgesetzbuches vom 4. Dezember 2022 (BGBl I 2022, S. 2146 ff.) wurde am 8. Dezember 2022 im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 bereits einen Tag später in Kraft.

 


19. Legislaturperiode: 

Gesetzentwürfe: 

 

Gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB steht es unter Strafe, in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufzustacheln oder zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen aufzufordern. 
Ebenso regelt § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB, dass sich auch derjenige strafbar macht, welcher in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.

Nach Ansicht der Fraktion der AfD, müsse auch die in Deutschland lebende deutsche Bevölkerung, welche sich aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft, ihrer ethnischen oder kulturellen Zugehörigkeit oder ihrem Bekenntnis zur deutschen Nation von anderen sich in Deutschland aufhaltenden Personen denklogisch unterscheide, als eine „nationale, rassische oder durch ihre Herkunft bestimmte Gruppe“ gesehen werden. Damit stelle die deutsche Bevölkerung einen „Teil der Bevölkerung“ im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB dar. Dies sei bislang von der Justiz nicht anerkannt worden. Auch die Literatur thematisiere nur selten die Möglichkeit einer Volksverhetzung gegen Deutsche und verneine sie mit der Begründung, dass  der Gesetzeswortlaut „Teile der Bevölkerung“ zu unbestimmt sei. Dies führe zu einer ungerechtfertigten Diskriminierung und Schutzlos-Stellung der mehrheitlichen deutschen Bevölkerung. Schließlich könne der öffentliche Frieden auch dann gefährdet sein, wenn sich Hetze gegen Deutsche in ihrer Eigenschaft als solche wende. 

Die AfD schlägt daher vor, zum Schutz der deutschen Bevölkerung und zum Schutz des öffentlichen Friedens, eine (nicht abschließende) Legaldefinition des Tatbestandsmerkmals  „Teile der Bevölkerung“ vorzunehmen und darin klarzustellen, dass auch Angehörige des deutschen Volkes Teile der Bevölkerung im Sinne dieser Norm seien.

Der Gesetzentwurf wurde am 27. April 2018 im Plenum diskutiert und zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Dieser hat am 15. Mai 2019 die Ablehnung des Entwurfs empfohlen (BT Drs. 19/10248). 

Unabhängig vom Antrag der AfD hat das BMJV am 4. September 2019 einen Referentenentwurf zur Modernisierung des Schriftenbegriffs und anderer Begriffe sowie Erweiterung der Strafbarkeit nach den §§ 86, 86a, 111 und 130 des Strafgesetzbuches bei Handlungen im Ausland vorgelegt. Aufgrund einer Änderung der Rechtsprechung des BGH seien die vom Ausland ausgehenden Handlungen im Bereich der §§ 86, 86a und 130 StGB nicht mehr angemessen erfasst. Gleiches gelte ebenso für § 111 StGB. Anlehnend an die Systematik der §§ 89a bis 89c StGB soll ein jeweils gesonderter Absatz in die Tatbestände eingefügt werden, der die Strafbarkeit unter bestimmten Voraussetzungen auf die im Ausland begangene Handlungen erstreckt.

    • „Bei den §§ 86, 86a und 130 StGB-E muss das „Verbreiten“ zu einer „im Inland wahrnehmbaren“ Verbreitung führen, ein „der Öffentlichkeit Zugänglichmachen“ muss gegenüber der „inländischen“ Öffentlichkeit erfolgen und bei § 111 StGB-E muss die Aufforderung – die sich auf eine im Inland zu begehende Tat bezieht – „im Inland wahrnehmbar“ sein. 
    • Bei § 130 StGB-E muss die Tat zudem geeignet sein, den inländischen öffentlichen Frieden zu stören.“

Am 23. Juni 2021 hat der Bundestag die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses in einer abschließenden Beratung ohne weitere Aussprache angenommen. 

 

 

5 Gedanken zu „Gesetzentwurf zur Änderung des § 130 StGB“

  1. Die Ansicht der AfD, der Wortlaut des § 130 Abs. 1 StGB umfasse die Volksverhetzung „gegen Deutsche“ nicht, ist unzutreffend. Das habe ich in einem JR-Aufsatz vor einigen Jahren darzulegen versucht. Im Übrigen: wenn der Wortlaut eines Strafgesetzes „zu unbestimmt“ ist, verstößt das Gesetz gegen Art. 103 Abs. 2 GG und ist damit verfassungswidrig. Wenn die Justiz § 130 Abs. 1 StGB auf gegen Deutsche gerichtete Taten nicht anwendet, wendet sie das Gesetz falsch an. In der Sache hat die AfD Recht. Der öffentliche Friede in Deutschland ist gefährdet.

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  2. Lieber Wolfgang,

    volle Zustimmung (auch zu dem sehr treffenden JR Beitrag)! Es gibt keinen Grund, eine Mehrheit nicht als „Teil der Bevölkerung“ anzusehen. Was ich mich aber frage: Wenn dieser Aspekt im BT derart kontrovers diskutiert wird (und es – wenn ich es richtig sehe? – noch keine Rechtsprechung dazu gibt), wäre eine gesetzliche Klarstellung dann nicht tatsächlich wünschenswert? Sonst enden solche Fälle ggf. schon bei der StA. Deine Einschätzung würde mich sehr interessieren.

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  3. Liebe Elisa,

    ich stimme Dir zu. Eine Klarstellung ist jedenfalls dann notwendig, wenn man „Volksverhetzung gegen Deutsche“ aus § 130 StGB heraushalten will. Das ergibt sich schon aus der Ansicht, dass der gegenwärtig geltende Gesetzeswortlaut solche Taten erfasst. Aber auch zur Bekräftigung „unserer“ Auslegung des Gesetzes wäre eine jegliche Zweifel ausschließende Korrektur oder Ergänzung des Gesetzestextes sinnvoll. Man könnte dem Absatz 1 einen erläuternden Satz hinzufügen: „Teile der Bevölkerung sind auch die in Deutschland lebenden Bürger deutscher Staatsangehörigkeit.“

    Antworten
  4. Der Weg, im StGB eine Klarstellung vorzunehmen, um falsche Gesetzesanwendungen zu verhindern, wäre doch eher exotisch. Ihn zu begehen, um auch die größte Gruppe faktisch in den Schutz von Teilen der Bevölkerung durch § 130 Abs. 1 aufzunehmen, halte ich aus symbolischen Gründen für bedenklich. Die Mehrheit bedarf regelmäßig eines geringeren Schutzes als eine Minderheit.

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  5. Lieber Herr Krack,

    entschuldigen Sie die späte Antwort auf Ihren Kommentar! Wenn man mit § 130 StGB den öffentlichen Frieden schützen möchte, dann sehe ich keinen Unterschied darin, ob die Mehrheit eine Minderheit oder die Minderheit eine Mehrheit beleidigt; das Potential, den gesellschaftlichen Frieden zu erschüttern, bleibt dasselbe. Man stelle sich etwa vor, dass ein einflussreicher religiöser Verein Deutsche pauschal abwertet und beleidigt. Hier gäbe es für mich keinen Grund, § 130 StGB nicht anzuwenden. Zudem erscheint mir ein asymmetrischer Schutz – von dem eine Seite profitiert, die andere nicht – immer problematisch.

    Herzliche Grüße,
    Elisa Hoven

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