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KriPoZ-RR, Beitrag 22/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 18.06.2019 – 5 StR 20/19: Keine Hinweispflicht auf Einziehung, wenn diese an bereits in der Anklageschrift enthaltene Umstände anknüpft

Beabsichtigter amtlicher Leitsatz:

Eine Hinweispflicht auf die Rechtsfolge der nach den §§ 73, 73c StGB obligatorischen Einziehung, die an bereits in der Anklageschrift enthaltene Umstände anknüpft, sehen weder § 265 Abs. 1 StPO, noch § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO vor.

Sachverhalt:

Das LG hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und eine Einziehungsanordnung getroffen.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte unter Ausnutzung seiner Einflussmöglichkeiten als Bürgermeister dafür gesorgt, dass ein Grundstück seiner Gemeinde an eine von ihm und einem Mitangeklagten beherrschte Gesellschaft verkauft worden war. Den durch die Weiterveräußerung erzielten Gewinn hatten sich beide Angeklagte dann geteilt.

Die Staatsanwaltschaft hatte den, als Grundlage für die Einziehung maßgeblichen, Sachverhalt in der Anklageschrift nicht als einen solchen gekennzeichnet, was auch im Eröffnungsbeschluss nicht geschehen war. Gegen diesen Umstand hat der Angeklagte eine, mit der Verletzung des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO begründete, Verfahrensrüge erhoben.

Entscheidung des BGH:

Der BGH beabsichtigt die Revision zu verwerfen, da sich der Umstand, auf dem die Einziehungsanordnung beruhe, nicht erst in der Hauptverhandlung herausgestellt habe. Dies sei aber für eine Hinweispflicht nach § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO erforderlich. Die Staatsanwaltschaft habe die realisierten Verkaufsgewinne schon in der Anklageschrift als erlangten Vorteil für die als Gegenleistung getätigte Diensthandlung des Angeklagten bezeichnet, was für die Kenntnis des Angeklagten von einer möglichen Einziehung ausreichend gewesen sei.

Als Begründung führt der Senat den klaren Wortlaut des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO an, der die Hinweispflicht an den nachträglichen Eintritt der relevanten Anknüpfungstatsachen knüpfe. Eine andere Auslegung widerspreche dem Wortlaut der Norm, da den Wörtern „erst in der Verhandlung“ so keine eigenständige Bedeutung mehr zukommen würde. Auch bei § 265 Abs. 3 StPO  sei anerkannt, dass nur neue Tatsachen, die erst in der Hauptverhandlung in den Prozess Eingang fänden, die Aussetzungen der Verhandlung auslösen könnten.

Eine auf einem weiten Schutzzweckverständnis fußende in der Literatur vertretene Auffassung, auch lediglich abweichende rechtliche Bewertungen unterfielen dem § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO sei abzulehnen, da eine abweichende rechtliche Einordnung gerade dem Wortlaut nach nicht als „vom Strafgesetz besonders vorgesehene[r] Umst[a]nd“ angesehen werden könne, so der BGH.

Für dieses Verständnis sprächen auch die Gesetzesmaterialien des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens, durch welches der § 265 Abs. 2 StPO zuletzt geändert worden sei. Denn der Gesetzgeber habe trotz Kenntnis des Meinungsstreits unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, den Tatbestand nicht erweitern zu wollen.

Der erkennende Senat sehe sich jedoch an einer solchen Auslegung durch die entgegenstehende Rechtsprechung des 1. Senats gehindert, der § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO auch für einschlägig halte, wenn die der Einziehungsentscheidung zugrundeliegenden Tatsachen schon vor der Hauptverhandlung bekannt gewesen seien, das Gericht deren Bedeutung aber erst während der Hauptverhandlung erkannt habe.

Dies begründe der 1. Senat mit der ständigen Rechtsprechung bei Maßregelanordnungen, die einen rechtlichen Hinweis auf eine nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung in Betracht kommende Maßregel fordere.

Diese Rechtsprechung sei allerdings nicht auf die Anordnung der Einziehung übertragbar, da deren Anordnungsvoraussetzungen sich gänzlich unterschieden, so der erkennende Senat.

Zudem sei auch der Schutzzweck der Hinweispflichten nicht tangiert, da der Angeklagte mit der Anordnung der obligatorischen Einziehung bei Vorliegen der erforderlichen Tatsachen und ihrer Erwähnung in der Anklageschrift rechnen könne. § 265 sei keine Generalklausel zum Schutz des Angeklagten vor jeglicher Überraschung.

Daher fragt der Senat beim 1. Senat an, ob an der entgegenstehenden Rechtsprechung festgehalten wird.

 

Anmerkung der Redaktion:

Weitere Informationen zum Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens, das auch für die Änderung des § 265 Abs. 2 StPO verantwortlich war, finden Sie hier.

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