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Verbot als Gebot? Zur geplanten Streichung des „Werbeverbots“ für den Abbruch der Schwangerschaft (§ 219a StGB) aus verfassungsrechtlicher Perspektive

von Benedict Pietsch, M.A., M. Iur. 

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Abstract
Mit der geplanten Streichung des § 219a StGB steht die Aufhebung des strafrechtlichen „Werbeverbots“ für Schwangerschaftsabbrüche unmittelbar bevor. Der vorliegende Beitrag zeigt die Funktion der umstrittenen einfachgesetzlichen Vorschrift, die sich aus dem zugrunde liegenden verfassungsrechtlichen Anforderungsprofil ergibt. Danach fungiert § 219a StGB als essentieller Bestandteil des Konzepts zum Schutz des ungeborenen Lebens. Vor diesem Hintergrund vermag der auf die Streichung des § 219a StGB zielende Regierungsentwurf weder von seiner Zielrichtung noch konzeptionell zu überzeugen; die mit § 219a StGB aufgeworfene Problematik erscheint in der Sache unbegründet, die Vereinbarkeit eines „modernen“ Abtreibungsrechts mit dem Grundgesetz ist fraglich. Daher sollte die geplante Aufhebung der Vorschrift vom Gesetzgeber nochmals dringend überdacht werden.

With the planned deletion of § 219a StGB, the abolition of the criminal law „advertising ban“ on abortions is imminent. This article shows the function of the controversial statutory provision which results from the underlying constitutional requirement profile. Accordingly, § 219a StGB functions as an essential component of the concept of the protection of unborn life. Because of this, the draft bill aiming at the deletion of § 219a StGB neither convincing in terms of its objective nor conceptually; the problems raised by § 219a StGB appear to be unfounded in substance, and the compatibility of a „modern“ abortion law with the German Basic Law is questionable. Therefore, the planned repeal of the provision should be urgently reconsidered by the legislature.

I. Einleitung

Auf Carl Schmitt geht die Wendung vom „dilatorischen Formelkompromiss“ zurück.[1] Dabei handelt es sich um Scheinkompromisse, die keine sachliche Entscheidung treffen, sondern deren Wesen gerade darin besteht, diese Entscheidung zu vertagen. Das Resultat besteht in der vorläufigen Beibehaltung des Status Quo. Die Norm, die vorläufig den Ansprüchen genügt, ist jedoch auf eine endgültige Klärung der aufgeschobenen Streitfrage angelegt. Als Paradebeispiel für einen dilatorischer Kompromiss erscheint gegenwärtig die Vorschrift des § 219a StGB, das Verbot der Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft.

§ 219a StGB hat lange Zeit ein „Schattendasein“[2] gefristet. Die Vorschrift geht auf eine Initiative in der Weimarer Republik zurück,[3] trat aber erst am 26.5.1933 in Kraft[4] und wurde nach der „Stunde Null“ unverändert in das neue StGB übernommen.[5] In den beiden wegweisenden Entscheidungen des BVerfG zu Schwangerschaftsabbrüchen (1974 und 1993) wurde § 219a StGB nicht einmal erwähnt. Nach Auffassung des BVerfGist das vom Gesetzgeber präferierte „Beratungsmodell“ für Schwangere in ein hinreichendes Schutzkonzept für das ungeborene Leben zu integrieren.[6] Aus diesem Grund ist das Schicksal der Vorschrift dennoch eng mit den Vorgaben der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung verknüpft.[7] Nach Änderungen im Rahmen der Legalisierung indizierter Schwangerschaftsabbrüche[8] blieb § 219a StGB über zwanzig Jahre unverändert. 1995 erfolgte eine Anpassung an die Rechtsprechung des BVerfG.[9] Danach blieb es erneut über zwanzig Jahre ruhig um die Strafnorm.

Als diskursive Initialzündung zu § 219a StGB wirkte die Verurteilung einer Allgemeinmedizinerin in 2017. Kristina Hänel hatte auf der Website ihrer Praxis neben anderen medizinischen Leistungen auch die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen gegen Honorar angeboten und dazu weitergehende Informationen bereitgestellt. Das AG Gießen[10] erkannte darin das Werben für den Abbruch der Schwangerschaft i.S.d. öffentlichen Anbietens ihrer Dienste und der Bekanntgabe von Verfahren zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs durch Schriften im Interesse eines Vermögensvorteils, strafbar gemäß § 219a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Parallel zum von Hänel beschrittenen Rechtsweg[11] folgte eine in Wissenschaft und Gesellschaft intensive, hitzig geführte Debatte („Kriminalisierung von Ärzten“[12], „Frauenbild aus dem Mittelalter“[13]). Auf politischer Ebene formierten sich verschiedenen Gesetzesinitiativen, von denen einige die ersatzlose Aufhebung[14] oder signifikante Beschneidung[15], andere eine „Konservierung“[16] des Tatbestands forderten.

Durchsetzen konnte sich 2019 der Entwurf der damaligen Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD, der als „Kompromiss auf Zeit“[17] lediglich eine „minimalinvasive“[18] Reform der Vorschrift vorsah. Ein neu eingefügter Abs. 4 sollte sicherstellen, „dass Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen zukünftig auch öffentlich ohne Risiko der Strafverfolgung darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen“.[19] Zu einer Befriedigung der Debatte trug die Neufassung des § 219a StGB[20] indes nicht bei. Die Vorschrift blieb als inhaltlich nicht weitgehend genug[21] umstritten: § 219a StGB sei insgesamt „historisch überholt“;[22] es werde Werbung pönalisiert, die keinen begangenen Abbruch und nicht einmal einen strafbaren solchen zum Gegenstand habe.[23] Heutige Maßstäbe zugrunde gelegt, sei § 219a StGB daher mit dem strafrechtlichen ultima ratio-Vorbehalt unvereinbar.[24]

Nunmehr scheint die Ampel-Koalition gewillt, dem weithin als unbefriedigend empfundenen Rechtszustand endgültig abzuhelfen: „Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Daher streichen wir § 219a StGB.“[25]

Am 17.1.2022 wurde der Referentenentwurf zu Aufhebung des § 219a StGB[26] durch Bundesjustizminister Marco Buschmann offiziell vorgestellt.[27] Zu diesem Entwurf haben nahezu vierzig Sozialverbände Stellung genommen.[28] In den Stellungnahmen überwiegt insgesamt die Zustimmung,[29] wobei vereinzelt grundsätzliche,[30] an vielen Stellen jedoch Einzelpunkte betreffende Kritik[31] geäußert wird.

Am 9.3.2022 hat das Bundeskabinett den Referentenentwurf beschlossen.[32] Neben der Aufhebung des § 219a StGB sind im jetzigen Regierungsentwurf[33] begleitende Änderungen im HWG sowie im EGStGB vorgesehen. Der Regierungsentwurf muss nun noch von Bundestag und Bundesrat beraten und verabschiedet werden.

Zu einem Ende kommt das zähe Ringen um § 219a StGB indes nicht: Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat bereits angekündigt, die Streichung des § 219a StGB nicht mittragen zu wollen.[34] In einem eigenen Antrag[35] fordert sie, stattdessen weitere Informationsangebote für betroffene Frauen zu schaffen sowie die Kostenübernahme ärztlich verordneter Verhütungsmittel.[36] Neben der Unionsfraktion hat sich auch die Fraktion der AfD gegen die Aufhebung des §219a StGB ausgesprochen. Die Linke hingegen befürwortet das Vorhaben der Ampel-Koalition.[37]

II. Verfassungsrechtliche Vorgaben: Das BVerfG zum strafrechtlichen Schutz ungeborenen Lebens

Die für das Recht des Schwangerschaftsabbruchs im Ganzen (§§ 218 ff. StGB) maßgeblichen verfassungsrechtlichen Vorgaben folgen aus zwei Entscheidungen des BVerfG aus 1975 und 1993.[38] Beide Entscheidungen sind insgesamt bemüht, in Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs[39] praktische Leitlinien in einer hochsensiblen Materie zu formulieren, die sowohl dem Schutz des Ungeborenen als auch der Eigenverantwortung der Schwangeren Rechnung tragen.

Als Ausgangspunkt dient dem BVerfG jeweils die Grundwertung des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, wonach jeder „das Recht auf Leben hat“[40]. Das Recht auf Leben erstreckt das Gericht auf jeden Abschnitt des menschlichen Lebens, vom fertigen Menschen nach der Geburt bis zum sich im Mutterleib entwickelnden Nasciturus. Wo immer menschliches Leben existiere, komme ihm Würde zu, zu dessen Achtung der Staat gem. Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet sei. Der Staat habe daher die Aufgabe, menschliches Leben, auch das ungeborene, umfassend zu schützen. Hierzu gehöre nicht nur, sich unmittelbarer Eingriffe zu enthalten, sondern auch, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen und es vor rechtswidrigen Eingriffen vonseiten anderer zu bewahren.[41]

Die Grundwertung des Naciturus als selbständiges, mit Würde und dem Recht auf Leben ausgestattetes Lebewesen, das als solches den Schutz der Verfassung genießt, wirkt maßgebend für drei weitere, entscheidungsübergreifende Kernaussagen des Gerichts.

Erstens: Weil der Nasciturus ein selbstständiges, mit menschlicher Würde ausgestattetes Lebewesen ist, ist der Staat berechtigt und verpflichtet, Verhaltensanforderungen zu dessen Schutz zu formulieren. Dies gilt auch gegenüber der Mutter: Ist der Ausgleich zwischen den in Rede stehenden kollidierenden verfassungsrechtlich relevanten Rechtsgütern (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vs. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) nicht möglich, da aufseiten des Nasciturus nicht „ein Mehr oder Weniger an Rechten, die Hinnahme von Nachteilen oder Einschränkungen, sondern alles, nämlich das Leben selbst, in Frage steht“[42], wird ihr die Rechtspflicht auferlegt, das Kind zur Welt zu bringen.[43] Dem Lebensrecht des Ungeborenen wird damit grundsätzlich Vorrang eingeräumt.[44] Ausnahme hiervon sind nur geboten, wenn es unzumutbar ist, der Frau diese Rechtspflicht aufzuerlegen.[45] Sofern hingegen ein Schwangerschaftsabbruch nicht durch eine Notlage indiziert ist, aber in Anerkennung der Letztverantwortung der Frau und nach Durchführung einer Beratung erfolgt, kann dieser niemals gerechtfertigt sein, sondern allenfalls straflos gestellt werden.[46]

Zweitens hat der Gesetzgeber im Wege eines umfassenden, „Elemente(s) des präventiven wie des repressiven Schutzes miteinander verbindenden“[47] Konzepts einem wirksamen Schutz des ungeborenen Lebens hinreichend Rechnung zu tragen. Davon erfasst ist auch, den rechtlichen Schutzanspruch des Nasciturus im gesellschaftlichen Bewusstsein zu erhalten und zu beleben.[48] In jedem Falle, so das Gericht, müsse der Eindruck vermieden werden, es handle sich bei einem Schwangerschaftsabbruch um einen alltäglichen, der Normalität entsprechenden Vorgang.[49] Diese Aufforderung richtet sich an den einfachen Gesetzgeber: Die Missbilligung des Schwangerschaftsabbruchs muss klar und deutlich in der Rechtsordnung zum Ausdruck kommen;[50] sie hat das grundsätzliche verfassungsrechtliche Verbot „für den unbefangenen Leser“[51] unmissverständlich  zu bestätigen und hervorzuheben.

Dies gilt umso mehr, wenn von einer Strafandrohung für nicht gerechtfertigte Schwangerschaftsabbrüche abgesehen wird.[52] Auch dann, wenn der Schwangerschaftsabbruch im Einzelfall nicht rechtswidrig ist oder tatbestandslos bleibt, bedeutet das nicht, dass die Schutzpflicht des Staates entfällt; sie besteht weiterhin gegenüber jedem menschlichen Leben.[53]

Zur Verdeutlichung des Unwertgehalts eines Verhaltens kommt dem Strafrecht besondere Bedeutung zu. Zum einen ist es aufgrund seiner generalpräventiven Wirkung geeignet, die Rechtsunterworfenen vor einem bestimmten, durch staatliche Strafe bewehrtes Verhalten abzuhalten. Zum anderen drücken Strafnormen ein allgemeines Unwerturteil aus, welches Einfluss auf die Wertvorstellungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung hat – die gesellschaftspolitische Wirkung des Strafrechts.[54] Hieraus folgert das Gericht nicht nur, dass das Strafrecht regelmäßig der Ort sei, das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und die sich hieraus ergebenden normativen Folgen gesetzlich zu verankern.[55] Es formuliert hinsichtlich des Schutzes der Achtung und Unverletzlichkeit menschlichen Lebens sogar eine Umkehrung des herkömmlichen strafrechtlichen ultima ratio-Prinzips: Nur, wenn verfassungsrechtlich ausreichender Schutzmaßnahmen anderer Art bestehen, kann es genügen, die rechtliche Missbilligung auf andere Weise in der Rechtsordnung unterhalb der Verfassung zum Ausdruck zu bringen.[56]

Drittens genüge der Staat seiner Schutzpflicht nicht allein dadurch, dass er Angriffe abwehrt, die dem ungeborenen Leben von anderen Menschen drohen. Er muss auch solchen Gefahren entgegentreten, die aus dem sozialen Umfeld der Schwangeren entstehen können.[57] Hier berühren sich die Schutzpflicht für den Nasciturus und der Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG: Im gesamten Bereich des privaten und öffentlichen Rechts ist die Frau vor Einwirkungen zu schützen, die sie wegen der Schwangerschaft in Bedrängnis bringen oder einen Druck auf sie ausüben, die Schwangerschaft abzubrechen.[58]

Aus den drei o.g. Punkten geht hervor, dass der umfassende Schutz des Nasciturus, die Verankerung des vorgeburtlichen Lebensrechts im allgemeinen Rechtsbewusstsein sowie der Schutz der Schwangeren vor illegitimer Einflussnahme Rechtsgüter sind, zu dessen Wahrung der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Rechtsregimes zum Schwangerschaftsabbruch von Verfassungs wegen verpflichtet ist. Den Schutz dieser Rechtsgüter hat er, soweit erforderlich, auch und insbesondere mit Mitteln des Strafrechts sicherzustellen und zu effektuieren. Offen kann lediglich bleiben, welcher Art sie zu sein bzw. auf welche Verhaltensweisen sie sich konkret zu erstrecken haben.[59]

III. Tatbestand und Funktion des § 219a StGB

Auch wenn das BVerfG keine gesonderten Ausführungen zu § 219a StGB tätigt, lässt sich die Vorschrift ohne Weiteres als Bestandteil des verfassungsrechtlich vorgegeben Schutzkonzept identifizieren:[60] Es soll nicht öffentlich im Interesse an einem Vermögensvorteil oder in grob anstößiger Weise für ärztliche Abtreibungsdienste geworben werden. Dadurch will § 219a StGB verhindern, dass der Schwangerschaftsabbruch als etwas Normales dargestellt und kommerzialisiert wird.[61] Konkret dient § 219a StGB dem Schutz der drei in den Entscheidungen des BVerfGangeführter Rechtsgüter: dem Schutz des ungeborenen Lebens,[62] dem Kollektivrechtsgut des gesellschaftlichen „Klimaschutzes“[63] und dem Schutz der Schwangeren vor illegitimer Einflussnahme.[64] M.a.W. soll § 219a StGB „moralischer Indolenz“[65] ebenso entgegenwirken wie er in der modernen Konsumgesellschaft den Charakter von Schwangerschaftsabbrüchen als normale Dienstleistung unterbindet. Indem § 219a StGB bestimmte Verhaltensweisen pönalisiert, versucht die Vorschrift, auch die Schwangere für die Implikationen eines Schwangerschaftsabbruchs zu sensibilisieren. Dadurch wird der Nasciturus mittelbar geschützt.[66]

Nach § 219a Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Abs. 3 StGB) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise Schwangerschaftsabbrüche bewirbt. Gegenstände des Werbens können eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs (§ 219a Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder zum Schwangerschaftsabbruch geeignete Mittel, Gegenstände oder Verfahren unter Hinweis auf deren Eignung sein (§ 219a Abs. 1 Nr. 2 StGB).

Von der Tatbestandsmäßigkeit des Abs. 1 werden durch die Abs. 2 und 3 im Interesse einer funktionsgerechten Unterrichtung berufsmäßig mit Schwangerschaftsabbrüchen befasste Personen und bestimmte Formen der Information und Werbung ausgenommen. Gleiches gilt für den 2019 neu eingefügten Abs. 4 („Absatz 1 gilt nicht, wenn…“). Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen dürfen de lege lata öffentlich ohne Risiko der Strafverfolgung darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen (§ 219a Abs. 4 Nr. 1 StGB). Sie können darüber hinaus auf weitere Informationen über einen Schwangerschaftsabbruch durch Hinweis – insbesondere durch Verlinkung in ihrem Internetauftritt – auf entsprechende Informationsangebote neutraler Stellen, die im Gesetz ausdrücklich benannt werden, aufmerksam machen (§ 219a Abs. 4 Nr. 2 StGB). Damit reagierte der Gesetzgeber auf den Umstand, dass die öffentliche Information, nach § 218a Abs. 1 bis Abs. 3 StGB straflose Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, als vom Straftatbestand des § 219a Abs. 1 StGB erfasst angesehen wurde.[67] Ziel der Reform war einerseits, die Informationslage von Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen, zu verbessern sowie Rechtssicherheit für Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, zu erreichen. Andererseits soll das Verbot der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch erhalten bleiben, um die von § 219a StGB in den Blick genommenen Rechtsgüter weiter zu schützen.[68]

Sowohl hinsichtlich ihrer Intention als auch im Hinblick ihrer konkreten Ausgestaltung befindet sich § 219a StGB auf einer Linie mit der Argumentation des BVerfG und wird den hieraus erwachsenden verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht. § 219a StGB richtet sich nicht gegen den Schwangerschaftsabbruch als solchen, sondern gegen bestimmte Vorgehensweisen; § 219a StGB gewährleistet die Unterrichtungsmöglichkeit für Ärzte, verbietet aber bestimmte Formen der Werbung; § 219a StGB verschließt die Kanäle grundlegender Informationen nicht,[69] will aber i.S.d. verfassungsrechtlichen Schutzkonzepts die umfassende Aufklärung insgesamt auf das Beratungsgespräch der Schwangeren umleiten.[70] Dieses wiederum darf nicht rein informativ ausgerichtet,[71] sondern muss auf den Schutz des ungeborenen Lebens hin orientiert sein (vgl.    § 219 Abs. 1 S. 1 StGB). Indem § 219a StGB die Strafbarkeit nicht weiter zurücknimmt, als dies zur Erreichung des Ziels einer sachlichen Information von Frauen in Konfliktlagen erforderlich ist, passt sich die ausgewogene Regelung in das bestehende, langbewährte Schutzkonzept für das ungeborene Leben ein.[72]

IV. Regierungsentwurf zur Aufhebung des § 219a StGB

1. Darstellung wesentlicher Inhalte des Regierungsentwurfs

Der Regierungsentwurf fällt sehr umfangreich aus. Er enthält – für die Streichung einer Vorschrift ungewöhnlich – allein sieben Seiten Begründung. Ersichtlich geht es den Entwurfsverfassern darum, das Anliegen argumentativ als „wasserdicht“, ja fast als zwingend darzustellen. Die Argumentation erfolgt dabei zweigleisig.[73] Auf der einen Seite werden die mit dem Vorhaben verfolgten Ziele und deren Vorzüge für Ärzte und Schwangere dargestellt. Auf der anderen Seite wird gezeigt, weshalb die Streichung des § 219a StGB nicht ins Gewicht fällt, d.h. mit der unter II. dargelegten Schutzpflicht des Staates für das ungeborene Leben vereinbar sein soll.[74]

Als Argument für die Aufhebung des § 219a StGB wird erstens die strafrechtliche Verfolgung der an einem Schwangerschaftsabbruch beteiligten Ärzte angeführt. Diese seien nach wie vor daran gehindert, über das Ob und auch über das Wie, den Ablauf und die Methoden des Abbruchs zu informieren.[75] Auf diese Weise behindere § 219a StGB – zweitens – den Zugang zu fachgerechter medizinischer Versorgung sowie die freie Arztwahl und beschränke das Selbstbestimmungsrecht der Frau.[76] Allein die Aufhebung des Strafnorm führe zu einer angemessen Versorgung der Betroffenen mit Informationen, auch und gerade durch Ärzte, die selbst Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.[77] Diese seien „mit am besten“[78] zur Erteilung zutreffender, seriöser sachlicher Informationen qualifiziert und genössen das große Vertrauen ratsuchender Frauen.[79]

Die Streichung des § 219a StGB beseitige insoweit eine „paradoxe“ Rechtslage, wonach die Bereitstellung von Informationen über einen Schwangerschaftsabbruch strafbar sei, obwohl die Rechtsordnung den Abbruch selbst nicht unter Strafe stelle.[80] Indem die Änderung den allgemeinen Zugang zu Informationen und Aufklärung im Hinblick auf die sexuelle und reproduktive Versorgung verbessert, stehe sie drittens in Einklang mit der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, die der Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen diene und trage so insgesamt zu einer „nachhaltigen Entwicklung“ bei.[81]

Für den Entwurf ist die Aufhebung des § 219a StGB mit der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates gegenüber dem ungeborenen Leben vereinbar.[82] § 219a StGB bilde keinen „tragenden Bestandteil“[83] des hierzu verfassungsrechtlich gebotenen Schutzkonzepts; die Vorschrift werde vom BVerfG in den maßgeblichen Entscheidungen noch nicht einmal erwähnt. Bei dem von ihm präferierten (und vom BVerfG gebilligten) Beratungskonzept dürfe der Gesetzgeber auf die informationsbasierte, mithin verantwortungsvolle Entscheidung der Frau vertrauen.[84] Er fördere diese sogar, indem er der Schwangeren ungehinderten Zugang zu sämtlichen wichtigen Informationen gewähre.[85]

Dass durch die gesetzliche Änderung unsachliche oder gar anpreisende Werbung für Schwangerschaftsabbrüche durch Ärzte betrieben würde, schließt der Entwurf aus.[86] Vorgesehen ist, den Anwendungsbereich des HWG auf medizinisch nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche zu erweitern (vgl. noch § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG). Danach werde gemäß § 3 HWG „irreführende“ Werbung für Schwangerschaftsabbrüche unzulässig und nach § 14 HWG strafbewehrt. Weitere Restriktionen betreffend Werbung „außerhalb von Fachkreisen“ ergäben sich ferner aus § 11 HWG, der beispielsweise in Abs. 1 S. 1 Nr. 3 die missbräuchliche, abstoßende oder irreführenden Wiedergabe von Behandlungsverläufen untersage. Verstöße hiergegen seien nach § 15 Abs. 1 Nr. 8 HWG bußgeldbewehrt.[87]

Neben der Änderung des HWG stelle insbesondere[88] § 27 Abs. 3 MBO-Ä, der von den Landesärztekammern derzeit in ihre Berufsordnung übernommen worden sei, durch das Verbot berufswidriger Werbung ausreichend sicher, dass die Information nicht in einer die Frau beeinflussenden Weise erfolge oder den Abbruch kommerzialisiere.[89]

Insgesamt beeinträchtigt nach im Regierungsentwurf vertretener Ansicht § 219a StGB das – durch eine hinreichende Informationsgrundlage gespeiste – Selbstbestimmungsrecht der Frau, führe zu Rechtsunsicherheit für Ärzte und sei nicht zum Schutz des ungeborenen Lebens geboten. Seine Beibehaltung komme aus diesen Gründen nicht in Betracht.[90]

2. Bewertung des Regierungsentwurfs

Was erstens die durch den Entwurf angemahnte „Rechtsunsicherheit“ von Ärzten anbelangt,[91] ist fraglich, worin diese genau bestehen soll.[92] Aus dem Zusammenspiel von § 219a Abs. 1 und Abs. 4 StGB ergibt sich unmissverständlich, dass insbesondere derjenige, der auf die Tatsache hinweist, dass er Schwangerschaftsabbrüche unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis Abs. 3 StGB vornimmt, straflos bleibt (Information über das Ob).[93] Wer hingegen Informationen über das Wie des Schwangerschaftsabbruches bereitstellt, „wirbt“ i.S.d. Gesetzes: Er lässt einer Zielgruppe bestimmte Informationen zu einer Dienstleistung in der Absicht zukommen, dass diese gegen Entgelt in Anspruch genommen werde.[94] Dies wird anhand der Werbeanzeige, über die das LG Gießen in prominenten Fall Hänel zu befinden hatte, deutlich:

„Ausdrücklich werden alle drei Methoden (medikamentös, chirurgisch mit örtlicher Betäubung, chirurgisch mit Vollnarkose) des Schwangerschaftsabbruchs auf Kostenübernahme oder für Privatzahlerinnen angeboten. Informiert wird über die Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs in der Praxis, die erforderlichen Vorbereitungsmaßnahmen und über die Methode des medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs und den chirurgischen Schwangerschaftsabbruch einschließlich der Entfernung des als solches definierten Schwangerschaftsgewebes. Aufgeklärt wird auch darüber, ob und welche Gründe gegen die medikamentöse Methode bestünden. Die Interessentinnen werden belehrt über Nebenwirkungen und Komplikationen und das Verhalten nach dem Abbruch. Beschrieben wird der Weg zur Praxis. Die erforderlichen Kontaktdaten werden nochmals mitgeteilt. Belehrt werden die Interessentinnen insbesondere darüber, was sie mitbringen müssten.“[95]

Erteilt der Tatbestand des § 219a StGB Auskunft über pönalisiertes Verhalten und dessen Rechtsfolge, kann der Begriff „Rechtsunsicherheit“[96] nicht anderes als das bloße Unbehagen ausdrücken, sich mit einer Handlung, die man für richtig hält, außerhalb des Rechts zu bewegen.[97] Die sich aus der Norm ergebenen Rechtsfolgen mit dem Verdikt „rechtsunsicher“ zu belegen, ist, wie die Prozessgeschichte um Kristina Hänel belegt,[98] vornehmlich rechtspolitisch intendiert.

Zweitens wird hinsichtlich des behaupteten Informationsdefizits von Frauen in Konfliktsituationen nicht deutlich, worin dieses genau bestehen soll.[99] Es existiert infolge § 13 Abs. 3 SchKG eine von der Bundesärztekammer bereitgestellte, im Internet frei abrufbare Liste,[100] die über Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen sowie darüber informiert, welche Methode (medikamentös oder operativ) dabei zum Einsatz kommt. Jede Beratungseinrichtung verfügt i.S.d. § 219a Abs. 3 StGB über weitreichende Informationen, wo und wie Schwangerschaftsabbrüche nach den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis Abs. 3 StGB durchgeführt werden. Zum Beratungsgespräch kann jederzeit ein Arzt hinzugezogen werden (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 1 SchKG). Wo also Information und endgeldliches Angebot nicht kombiniert werden, besteht uneingeschränkte Informationsfreiheit.[101]

Die ersichtliche Mühe, ein Defizit an sachlicher Information herzuleiten,[102] wirft vielmehr ein Schlaglicht auf den eigentlichen Angriffspunkt des Entwurfs, dass eine umfassende Informierung durch die Schwangerschaftsabbruch durchführende Stelle „erst“ im Rahmen des persönlichen Beratungstermins erfolgen kann.[103] Dies ist in den §§ 218 ff. StGB jedoch ganz bewusst so erfolgt: Aus der Rechtsprechung des BVerfG folgt, dass Ärzte keine neutralen medizinischen Dienstleister,[104] sondern allgemein dem Schutz menschlichen Lebens verpflichtet sind.[105]

Die für die Diskussion maßgeblichen Schwangerschaftsabbrüche gem. § 218 Abs. 1 StGB sind weder Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge noch ein Heileingriff,[106] und jedes Werben für den Abbruch bedeutet zugleich ein Werben gegen den Nasciturus, dessen Schicksal in der Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen völlig in den Hintergrund gedrängt wird. Umgekehrt ist die umfassende Bereitstellung von Information grundsätzlich den Beratungsstellen zugewiesen, deren Aufgabe nicht in der Bereitstellung fachlich-technischer Expertise, sondern in der Förderung des Lebensschutzes besteht. In §§ 218 ff. StGB kommt also ein gestuftes Schutzkonzept zum Ausdruck, in dem derjenige, welcher derartige Eingriffe vornimmt, nicht derjenige sein soll, der, gleichsam in eigener Sache, ungefiltert Auskünfte an Frauen in potenziell psychosozialen Ausnahmesituationen erteilt.[107]

Aus diesem Grund muss drittens § 219a StGB unterschiedslos auf den Schwangerschaftsabbruch an sich und nicht auf dessen Unrechtsgehalt oder seine Strafwürdigkeit zielen. M.a.W. ist die Zulässigkeit der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche nicht teilbar.[108] Nur für erlaubte Abbrüche zu werben, nicht hingegen für nicht erlaubte, ist nicht möglich. Damit kann die Werbung nur entweder erlaubt oder verboten sein, tertium non datur.[109]

Was viertens die weitere Erforderlichkeit einer Strafandrohung betrifft, bleibt der von der Verfassung geforderte Schutz der unter III. dargestellten Rechtsgüter im HWG erheblich hinter dem durch § 219a StGB gewährleisteten Niveau zurück. Werbung i.S.d. § 3 S. 1 HWG ist „irreführend“, wenn sie bei einem durchschnittlichen Adressaten zu von der Wirklichkeit abweichenden Vorstellungen führt (ebenso § 5 Abs. 1 UWG).[110] Damit ist § 3 S. 1 HWG zwar auch darauf gerichtet, die Entscheidungsfreiheit schwangerer Frauen zu schützen. Den mittelbaren Lebens- und gesellschaftlichen Klimaschutz hat § 3 S. 1 HWG als Verbraucherschutznorm[111] jedoch nicht im Blick. Dasselbe gilt für § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG, der bestimmte unsachliche, nicht auf Informationen allein beschränkter Werbeaussagen gegenüber dem Laienpublikum unterbinden soll.[112] Nach § 219a StGB ist Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft nicht deshalb pönalisiert, weil die wirtschaftliche Übervorteilung schutzbedürftiger Privater in Rede steht,[113] sondern weil sie im Hinblick auf den hohen Wert des ungeborenen Lebens an sich missbilligenswert ist. Die Einbußen an spezifischer Regelungswirkung, die mit dem Entfall des § 219a StGB verbunden wären, werden durch den Verweis auf die Sanktionsnormen der §§ 14, 15 HWG lediglich kaschiert.

Bedenklich ist ferner der Verweis auf Regelungen im ärztlichen Berufsrecht (§ 27 Abs. 3 MBO-Ä).[114] Das BVerfG hat sehr frühzeitig deutlich gemacht, dass im Rahmen der an sich zulässigen Autonomiegewährung für die (Ärzte-) Kammern der Grundsatz bestehen bleibt, dass dem Verzicht des Gesetzgebers auf die Wahrnehmung seiner Rechtsetzungsbefugnis Grenzen gesetzt sind. Das gilt namentlich, wenn nicht nur das Recht zu eigenverantwortlicher Wahrnehmung übertragener Aufgaben und der Erlass erforderlicher Organisationsnormen, sondern der Grundrechtsbereich in erheblichem Maße betroffen ist.[115] Gerade hier und insbesondere im Hinblick auf die Würde jedes menschlichen Lebens kommt dem staatlichenGesetzgeber eine gesteigerte Schutzverantwortung zu, die sich in spezifischer Gesetzgebung niederschlagen muss und der er sich nicht mit dem Verweis auf allgemeine Strafrechts- oder Wettbewerbsnormen entziehen kann.[116] Indem letztere wertungsoffene Rechtsbegriffe (vgl. § 3 Abs. 1 UWG: „unlautere“ Geschäftspraktiken) enthalten, hängt ihre Wirksamkeit entscheidend davon ab, wie das i.w.S. „gesellschaftliche“ Klima in Fragen von Legitimität und Legalität des Schwangerschaftsabbruchs geprägt ist.[117]

Gerade die vom BVerfG angemahnte bewusstseinsstabilisierende Wirkung des § 219a StGB und der Konnex zu den anderen Vorschriften des Schwangerschaftsabbruchsrechts (§ 218 ff. StGB) werden durch den Entwurf vollkommen vernachlässigt.[118] Der Entfall von Strafvorschriften erweckt unvermeidlich den Eindruck, ein bestimmtes Verhalten sei, da nicht weiter strafrechtlich sanktioniert, nunmehr (moralisch) unbedenklich. In welcher Form die Rechtsordnung den Schwangerschaftsabbruch missbilligt (nicht: „stigmatisiert“[119]), wenn doch die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche „rechtssicher“ gestaltet ist, ist für den unbefangenen Bürger kaum nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, wenn die Werbung für Mittel, Verfahren, Behandlungen und Gegenstände von Schwangerschaftsabbrüchen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a HWG-E) auf eine Stufe mit der „Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden beim Menschen“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. b HWG-E, Beispiel: Werbung für Hüftoperationen) und „auf operative plastisch-chirurgische Eingriffe zur Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a HWG-E, sog. Schönheitsoperationen) angesiedelt ist.[120] Nur, wenn das Bewusstsein von dem Recht des Ungeborenen auf Leben aufrechterhalten wird,[121] kann die unter den Bedingungen der Beratungsregelung von der Frau zu tragende Verantwortung an diesem Recht ausgerichtet und prinzipiell geeignet sein, das Leben des ungeborenen Kindes zu schützen.[122] I.d.S. wirkt die Beratungspflicht auch deshalb, weil sie von § 219a StGB flankiert und gestützt wird. Die Vorschrift ist daher ein wichtiger, integraler Bestandteil des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzkonzepts.[123]

Abschließend weckt die Stoßrichtung der geplanten Änderungen in HWG Zweifel,  ob – wie im Entwurf behauptet[124] – der strafrechtliche Schutz des ungeborenen Lebens in jetziger Form unverändert fortbestehen soll. Auch an anderen Stellen entsteht der Eindruck, § 219a StGB diene nur als symbolisches Angriffsziel, um in Wahrheit das Gesamtkonzept des §§ 218 ff. StGB in Frage zu stellen.[125] 

So taucht der vom Entwurf demonstrativ in Stellung gebrachte Begriff der „Selbstbestimmung“[126] in der Entscheidung des BVerfG aus 1993 nur fünf Mal, und zwar an entlegener Stelle,[127] auf. Wie der Selbstbestimmungsbegriff im Entwurf gebraucht wird, ist er deutlich vom Verantwortungskonzept des BVerfG abzugrenzen, das die Frau nicht als ungebundenes Gegenüber des Nasciturus begreift,[128] sondern die Entscheidung der Schwangeren aus der die Grundrechtssituation prägende „Zweiheit in Einheit“[129] hervorgehen lässt. Augenfällig ist ferner der Widerspruch zwischen dem Anliegen, Schwangerschaftsabbrüche nicht als „alltägliche Maßnahme“[130] erscheinen zu lassen und der Verbindung, die zwischen der Streichung des § 219a StGB und dem Konzept der sog. reproduktiven Rechte[131] hergestellt wird:

„Die Änderung dient außerdem der Verwirklichung von Ziel 3 (…), hier insbesondere von Unterziel 3.7 (‚Bis 2030 den allgemeinen Zugang zu sexual- und reproduktionsmedizinischer Versorgung, einschließlich Familienplanung, Information und Aufklärung, und die Einbeziehung der reproduktiven Gesundheit in nationale Strategien und Programme gewährleisten‘).“[132]

Anders als die §§ 218 ff. StGB ist das Konzept der reproduktiven Rechte auf den Abbau von Hürden zu Schwangerschaftsabbrüchen angelegt.[133] Die Rücknahme der Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruch wird als eine Voraussetzung für eine „geschlechtergerechte Gesellschaft“ verstanden.[134] Wie bereits der Begriff „sexual- und reproduktionsmedizinisch“ suggeriert, wird dazu eine umfassende Gleichsetzung dieser Leistungen mit dem herkömmlichen medizinischen Leistungsspektrums bezweckt, der Schwangerschaftsabbruch selbst soll „durchgängig normalisiert“[135] werden.

Wie dieser Ansatz mit dem verfassungsrechtlich gebotenen, im Entwurf regelmäßig zitierten Schutzkonzept in Einklang zu bringen ist, wäre seitens der Entwurfsverfasser darzulegen gewesen: Wird nicht dort, wo der Schwangerschaftsabbruch als Voraussetzung eines „gesunden“, „selbstbestimmten“ Lebens erklärt wird, der Nasciturus weniger als Mensch denn als Hindernis begriffen? Wie ist das mit der grundlegenden Einsicht zu vereinbaren, jeden Mensch niemals bloß als Mittel zum Zweck zu gebrauchen?[136] Wo und in welcher Form wird die Achtung der Würde des ungeborenen Kindes (Art. 1 Abs. 1 GG) und sein Recht auf Leben – beides „Grundlagen eines geordneten Gemeinschaftslebens“[137] – konzeptionell verortet?[138]

Ausweislich der Entwurfsbegründung soll die Aufhebung des § 219a StGB die Rechtslage vereinfachen.[139] Indes droht der Regierungsentwurf in dem Maße, in dem er das Spannungsverhältnis zwischen den Überlegungen zur reproduktiven Gesundheit und dem klassischen Schutzkonzept nur aufwirft, aber nicht auflöst, selbst diejenigen Eigenschaften eines Formelkompromisses anzunehmen,[140] für die § 219a StGB stets vehement kritisiert worden ist.

V. Fazit

Der vorliegende Beitrag zielte darauf, Funktion und Relevanz des § 219a StGB zu verdeutlichen.

Den Ausgangspunkt bildeten die Aussagen des BVerfG zum Stellenwert des ungeborenen Lebens. Grundrechtstheoretisch an Würde und Lebensrecht (Art. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) teilhaftig, muss der Staat weitreichende Anstrengungen zum Schutz des Nasciturus unternehmen. Er hat umfangreiche Verhaltensanforderungen zu formulieren und darf diese, soweit erforderlich, strafrechtlich flankieren.

§ 219a StGB setzt die verfassungsrechtlichen Anforderungen in spezifischer Weise um. Indem er das Werben für Schwangerschaftsabbrüche untersagt, trägt er zur Stabilisierung und Förderung des Stellenwerts vorgeburtlichen Lebens bei. Er stellt das Beratungsgespräch als vorgesehenen Ort umfassender Aufklärung heraus. Die Beratung ist der ist der Ort, an dem sich die Schwangere nicht nur über die Möglichkeiten einer Abtreibung, sondern zuvörderst über Perspektiven für ein Leben mit dem Kind oder eine Freigabe zur Adoption informieren soll.[141] § 219a StGB dient damit mittelbar dem Schutz des Nasciturus.

Die Schutzwirkung anderer rechtliche Regelungen bleibt deutlich hinter derjenigen des § 219a StGB zurück. Diese hängen entweder vor der generalpräventiven Wirkung des § 219a StGB ab oder setzen, wie die im Regierungsentwurf geplanten Änderungen im HWG, bereits voraus, dass es sich bei der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche um einen jedenfalls grundsätzlich unproblematischen Vorgang handelt. Auch deshalb, weil sie dies zu unterbinden sucht, fungiert die Vorschrift des § 219a StGB als ein essentieller Bestandteil des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzkonzepts.

Werden vom Regierungsentwurf insbesondere die Rechtsunsicherheit und das Informationsdefizit betroffener Frauen als Argumente zur Streichung des § 219a StGB angeführt, so greifen diese nicht durch. Der Tatbestand des § 219a StGB erlaubt in verständlicher Weise Rückschlüsse über Normgehalt und Rechtsfolge; sämtliche erforderliche Informationen stehen den Betroffenen ohne Weiteres zur Verfügung.

Ob überdies die von dem Entwurf aufgebrachten Vorstellungen reproduktiver Rechte mit dem bisherigen Schutzkonzept kompatibel sind, ist eine offene Frage. Nicht deutlich wird insbesondere die konzeptionelle Verankerung der Würde und des Lebensrechts des Nasciturus.

Dem Gesetzgeber ist daher insgesamt zu empfehlen, die Aufhebung des § 219a StGB nochmals zu überdenken. In seiner bisherigen Form würde der Regierungsentwurf weder dem Schutzauftrag des Staates für das ungeborene Leben gerecht, noch trüge er zu einer Befriedigung gesellschaftlicher Fundamentalkonflikte bei, für die § 219a StGB symbolhaft steht.

Auch angesichts des vielfach zu konstatierenden gesellschaftlichen Wandels[142] hat der Gesetzgeber darauf hinzuwirken, dass wirksamer Lebensschutz vom allgemeinen Rechtsbewußtsein getragen wird. Hierzu scheint § 219a StGB ebenso erforderlich wie eine in politischer Ernsthaftigkeit geführte Debatte,[143] die eine erneute Verständigung über den Sinn der bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch in den Fokus rückt.

 

[1]      Schmitt, Verfassungslehre, 10. Aufl. (2010), S. 33 f., 118.
[2]      Sasse, NJ 2018, 433 (434).
[3]      Ziel der Vorschrift war es, die sich ausbreitende Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu unterbinden, vgl. Gropp/Wörner, in: MüKo-StGB, 4. Aufl. (2021), § 219a Rn. 1.
[4]      Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften v. 26.5.1933 (RGBl. I 1933, S. 295). Zur historischen Einordnung des § 219a StGB siehe insgesamt Schöller, KriPoZ 2020, S. 677.
[5]      3. StÄG v. 4. 8.1953 (BGBl. I, S. 735).
[6]      Vgl. BVerfGE 88, 203 (264 ff.); 98, 265 (303 f.).
[7]      Vgl. Berghäuser, NJW-Editorial, online abrufbar unter: https://rsw.beck.de/aktuell/daily/magazin/detail/wankt-der-kompromiss (zuletzt abgerufen am 22.3.2022). Vgl. auch BVerfGE 98, 265 (304); BT-Drs. 20/1017, S. 1
[8]      15. StÄG v. 18.5.1976 (BGBl. I 1976, S. 1213).
[9]      SFHG v. 21.8.1995 (BGBl. I 1995, S. 1050).
[10]    AG Gießen, Urt. v. 24.11.2017 – 507 Ds 501 Js 15031/15, juris.
[11]    Gegen das Urt. des AG Gießen legte Hänel Berufung ein, welche das LG Gießen (Urt. v. 12.12.2018 – 3 Ns 406 Js 15031/15, juris) zurückwies. Auf die Revision der Angeklagten hob das OLG Frankfurt mit Beschl. v. 26.6.2019, 1 Ss 15/19, juris das Urteil unter Berücksichtigung einer nach Erlass des Urt. eingetretenen Gesetzesänderung auf. Die 4. Strafkammer des LG Gießen (Beschl. v. 12.12.2019, 4 Ns 406 Js 15031/15, juris) änderte das Urt. des AG Gießen im Rechtsfolgenausspruch ab und verwarf die Berufung i.Ü. Eine erneute Revision Hänels wurde vom OLG Frankfurt (Beschl. v. 22.12.2020, 1 Ss 96/20, juris) als unbegründet verworfen. Hänel hat mittlerweile Verfassungsbeschwerde beim BVerfG erhoben, über die bis dato noch nicht entschieden ist (2 BvR 390/21).
[12]    Vgl. https://www.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/pro-familia-zu-219a-aerzte-werden-bei-abtreibung-kriminalisiert-a-11818 81.html (zuletzt abgerufen am 22.3.2022).
[13]    Vgl. https://www.links-bewegt.de/de/article/395.paragraf-219a-ein -mittelalterliches-frauenbild.html (zuletzt abgerufen am 22.3.2022).
[14]    Siehe BT-Drs. 19/93, S. 2, 4 (Entwurf Fraktion Die Linke), BT-Drs. 19/630, S. 1, 4 (Entwurf Fraktion Bündnis 90/Die Grünen).
[15]    BT-Drs. 19/820, S. 4 f.
[16]    Vgl. die Nachweise bei Gropp/Wörner, in: MüKo-StGB, § 219a    Rn. 2.
[17]    Vgl. Schürmann, Kompromiss auf Zeit: Das Abtreibungsstrafrecht, der Bundestag und das Bundesverfassungsgericht, VerfBlog, 2020/11/18, abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/kompromiss-auf-zeit (zuletzt abgerufen am 22.3.2022). Inwieweit § 219a StGB „mehr als als nur ein fauler Parteienkompromiss ist“ siehe Berghäuser, KriPoZ 2019, 82.
[18]    Vgl. Kubiciel, jurisPR-StrafR 5/2018, Anm. 1.
[19]    BT-Drs. 19/7693, S. 1 f.
[20]    Siehe Art. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch v. 22.3.2019 (BGBl. I, S. 350).
[21]    Vgl. Fechner, DRiZ 2022, 114.
[22]    Vgl. Limburg, ZRP 2022, 38 (39).
[23]    Vgl. Eschelbach, in: BeckOK-StGB, 52. Ed. (2022), § 219a, Einl.
[24]    Vgl. Scholler, KriPoZ 2021, 327 (334); Limburg, ZRP 2022, 38 (39).
[25]    Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, S. 116, online abrufbar unter: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf (zuletzt abgerufen am 22.3.2022).
[26]    Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB),“ online abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_219a_StGB.pdf;jsessionid=A7BAFFA7FB8C1595F228859038BE8C51.1_cid289?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 22.3.2022)
[27]    Die Erklärung von Minister Buschmann ist online abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Zitate/DE/2022/0117_Paragraph_219a.html#:~:text=Marco%20Buschmann%E2%80%9EFrauen%2C%20die%20einen,Risiken%20und%20zu%20m%C3%B6glichen%20Komplikationen (zuletzt abgerufen am 22.3.2022).
[28]    Soweit in vorliegendem Beitrag auf einzelne Stellungnahmen Bezug genommen wird, können diese auf der Homepage der KriPoZ abgerufen werden: https://kripoz.de/2017/12/18/abschaffung-des-%C2%A7-219a-stgb-werbung-fuer-den-abbruch-der-schwangerschaft-2/ (zuletzt abgerufen am 22.3.2022).
[29]    Vollumfänglich zustimmend etwa Terre des Femmes, Stellungnahme, S. 1.
[30]    Siehe etwa die Stellungnahme des Bundes katholischer Rechtsanwälte, ebenso die Stellungnahme des Christliches Forums.
[31]    Nicht weitgehend genug Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, Stellungnahme, S. 2 f.; differenzierend Bundesärztekammer, Stellungnahme, S. 2.
[32]    Vgl.  https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kabinett-beschliesst-aufhebung-von-paragraph-219a-im-strafgesetzbuch-17864362.html (zuletzt abgerufen am 22.3.2022).
[33]    Siehe den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB), zur Änderung des Heilmittelwerbegesetzes und zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch, im Folgenden bezeichnet als R-Entwurf, online abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RegE_219a_StGB.pdf;jsessionid=A7BAFFA7FB8C1595F228859038BE8C51.1_cid289?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 22.3.2022).
[34]    Siehe die Pressemitteilung der CDU/CSU-Fraktionen im Deutschen Bundestag vom 18.1.2022, online abrufbar unter: https://www.cducsu.de/presse/pressemitteilungen/die-abschaffung-von-ss-219a-stgb-hilft-frauen-nicht (zuletzt abgerufen am 22.3.2022).
[35]    Siehe den Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Interessen der Frauen stärken, Schutz des ungeborenen Kindes beibehalten, BT-Drs. 20/1017.
[36]    Zusammenfassend BT-Drs. 20/1017, S. 7 f.
[37]    RichterKuhlmann, Deutsches Ärzteblatt 4/2022 [A], S. 115.
[38]    BVerfGE 39, 1 und 88, 203. Vgl. R-Entwurf, S. 8 f.
[39]    Vgl. etwa BVerfGE 88, 203 (219): „Die Herstellung der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 und die damit gestellte Aufgabe, das Recht in den vereinigten Teilen Deutschlands zu vereinheitlichen, gab Reformbestrebungen [zu Schwangerschaftsabbrüchen] einen neuen Anstoß.“
[40]    BVerfGE 39, 1 (37); 88, 203 (254).
[41]    BVerfGE 39, 1 (42); 88, 203 (251).
[42]    BVerfGE 88, 203 (255).
[43]    BVerfGE 88, 203 (253).
[44]    BVerfGE 88, 203 (256, 306).
[45]    Siehe etwa BVerfGE 88, 203 (256 f., 265, 267, 275 f.).
[46]    Dezidiert BVerfGE 88, 203 (270, 273 f., 280). Vgl. dazu Rengier, Strafrecht BT II, 21. Aufl. (2019), § 11 Rn. 25 f.
[47]    BVerfGE 88, 203 (261).
[48]    BVerfGE 88, 203 (272): „[D]er verfassungsrechtliche Rang des Rechtsguts des ungeborenen menschlichen Lebens muß dem allgemeinen Rechtsbewußtsein weiterhin gegenwärtig bleiben (sog. positive Generalprävention).“ Ebenso BVerfGE 88, 203 (261).
[49]    BVerfGE 88, 230 (319).
[50]    Vgl. nur BVerfGE 88, 230 (360); 39, 1 (44, 46, 51, 53, 55, 58, 65).
[51]    BVerfGE 39, 1 (53).
[52]    BVerfGE 88, 203 (258).
[53]    Vgl. BVerfGE, 203 (257).
[54]    Vgl. BVerfGE 88, 203 (273 f.).
[55]    BVerfGE 88, 203 (258). Ebenso Wörner, Stellungnahme, S. 3.
[56]    BVerfGE 88, 203 (258).
[57]    BVerfGE 88, 203 (296).
[58]    Vgl. BVerfGE 88, 203 (296 f.).
[59]    Vgl. schon Eser, NJW 1992, 2913 (2922).
[60]    Kaiser/Eibach, medstra 2018, 273 (274); BT-Drs. 20/1017, S. 4. Zur geltenden Rechtslage in nuce BT-Drs. 20/1017, S. 2.
[61]    Rengier, Strafrecht BT II, § 11 Rn. 32; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. (2018), § 219a Rn. 1; BT-Drs. 20/1017, S. 5.
[62]    Safferling, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. (2020), § 219a Rn. 1.
[63]    Merkel, in: NK-StGB, 5. Aufl. (2017), § 219a Rn. 2 ff.; Berghäuser, JZ 2018, 497 (500).
[64]    Gropp/Wörner, in: MüKo-StGB, § 219a Rn. 2.
[65]    Kaiser/Eibach, medstra 2018, 273 (274).
[66]    Vgl. Scholler, KriPoZ 2021, 327 (333 f.).
[67]    Vgl. etwa LG Bayreuth, Urt. v. 11.1.2006 – 2 Ns 118 Js 12007/04, BeckRS 2006, 143026.
[68]    BT-Drs. 19/7693, S. 7.
[69]    So zu Recht WinkelmeierBecker, DRiZ 2022, 115.
[70]    I.d.S. auch BT-Drs. 20/1017, S. 2: „Wir sind der Auffassung, dass die Beratung der Schwangeren das Herzstück des geltenden Rechts ist und bleiben muss.“ Ebenso auf S. 4.
[71]    BVerfGE 88, 203 (307). Missverständlich BT-Drs. 20/1017, S. 4.
[72]    Vgl. BT-Drs. 19/7693, S. 7; BT-Drs. 20/1017, S. 2, 4 f.
[73]    Im Referentenentwurf (vgl. S. 3, 7) war die Entbehrlichkeit des § 219a StGB auch empirisch mit der Wirksamkeit des Beratungsmodells begründet worden. Als Beleg hierfür wurde der Rückgang der Schwangerschaftsabbrüche seit 1996 angeführt. Ob es sich dabei nur eine Korrelation oder um einen echten Kausalzusammenhang handelte, wurde nicht weitergehend erläutert. Tatsächlich ist die Rate der Schwangerschaftsabbrüche über die Jahre, bei abnehmender Anzahl der Frauen zwischen 15 und 50 Jahren stabil: sie schwankt seit 2008 zwischen 56 und 59 je 10.000 Frauen, siehe Arbeitskreis Frauengesundheit, Stellungnahme, S. 7.
[74]    Exemplarisch R-Entwurf, S. 9: „Als Teil der Beratungskonzepts, für das sich der Gesetzgeber entschieden hat, ist § 219a StGB verzichtbar.“ Dezidiert dagegen BT-Drs. 20/1017, S. 4: „Die Beibehaltung des § 219a StGB ist zum Schutz des ungeborenen Lebens geboten.“
[75]    Vgl. R-Entwurf, S. 1, 7 ff. 
[76]    Vgl. R-Entwurf, S. 1, 3, 8.
[77]    Vgl. nur R-Entwurf, S. 1, 3, 11.
[78]    R-Entwurf, S. 2.
[79]    Vgl. R-Entwurf, S. 2 f.  8.
[80]    Vgl. R-Entwurf, S. 2. Der Entwurf verweist dabei auf ein orbiter dictum des BVerfG aus 2006, wonach es einem Arzt, der Schwangerschaftsabbrüche vornimmt, möglich sein muss, Frauen ohne negative Folgen auf seine Dienste hinzuweisen (BVerfG, Beschl. v. 24.5.2006 – 1 BvR 1060/02, Rn. 36). Wie der R-Entwurf Scholler, KriPoZ, 327 (333: „widersprüchlich“); Fechner, DRiZ 2022, 114 („unauflöslicher Widerspruch“).
[81]    Vgl. R-Entwurf, S. 3, 11 f.
[82]    Vgl. R-Entwurf, S. 1, 8.
[83]    Vgl. R-Entwurf, S. 1, 9.
[84]    Vgl. R-Entwurf, S. 2.
[85]    R-Entwurf, S. 8.
[86]    Vgl. R-Entwurf, S. 2, 10 ff.  Ebenso die Erklärung von Minister Buschmann (Fn. 27).
[87]    Vgl. hierzu insgesamt R-Entwurf, S. 2, 9 f., 13.
[88]    Daneben könne eine Werbung für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen bzw. hierfür geeigneter Mittel und Methoden, die gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstößt, gem. § 3 Abs. 1 UWG unzulässig sein. Dazu sogleich unter IV.2. Hatte der Referentenentwurf auf S. 8 noch auf eine mögliche Strafbarkeit gem. §§ 111, 140 StGB verwiesen, ist dieser Verweis im R-Entwurf nicht mehr enthalten.
[89]    Vgl. R-Entwurf, S. 2, 9. 
[90]    R-Entwurf, S. 3, 11. Sehr krit. hierzu BT-Drs. 20/1017, S. 5.
[91]    Ebenso Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, Stellungnahme, S. 1; Bundesverband Frauenberatungsstellen, Stellungnahme, S. 2.[92]    Ebenso WinkelmeierBecker, DRiZ 2022, 115; BT-Drs. 20/1017, S. 6: „Die Rechtslage (…) ist unmissverständlich und einfach einzuhalten.“
[93]    Vgl. Gropp/Wörner, in: MüKoStGB, § 219a Rn. 1.
[94]    Zu Recht WinkelmeierBecker, DRiZ 2022, 115; BT-Drs. 20/1017, S. 2. Insoweit ist die Behauptung von Fechner, DRiZ 2022, 114, es gebe gar keine „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche, schlicht unzutreffend.
[95]    LG Gießen, Urt. v. 12.10.2018 – 3 Ns 406 Js 15031/15, juris Rn. 2. Krit. zur Bezeichnung des Fötus als „Schwangerschaftsgewebe“ BT-Drs. 20/1017, S. 2.[96]    Ebenso Bundesverband Lebensrecht, Stellungnahme, S. 5.
[97]    Ebenso Duttge, medstra 2018, 129 (129).
[98]    LG Gießen, Urt. v. 12.10.2018 – 3 Ns 406 Js 15031/15, juris Rn. 2: „Die Angeklagte erstrebt die Abschaffung oder Reform des § 219a StGB. Die Rechtslage ist ihr seit 2009 bewusst, als ein gleichartiges Ermittlungsverfahren gegen sie eingestellt wurde.“
[99]    Ebenso WinkelmeierBecker, DRiZ 2022, 115; i.d.S. auch BT-Drs. 20/1017, S. 3, wobei der Antrag der Unionsfraktion nicht ausschließen will, dass im Einzelnen Informationsdefizite bestehen. Er sieht daher vor „Informationsmöglichkeiten in moderater Weise zu erweitern“.
[100]   Online abrufbar unter: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Liste219a/20220305_Lis-te_13_Abs_3_SchKG.pdf (zuletzt abgerufen am 22.3.2022).
[101]   WinkelmeierBecker, DRiZ 2022, 115; Bundesverband Lebensrecht, Stellungnahme S. 1, 4; schon Duttge, medstra 2018, 129 zu § 219a a. F. StGB.
[102]   Vgl. Fechner, DRiZ 2022, 114; Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, Stellungnahme S. 1; AWO Bundesverband, Stellungnahme, S. 3 (mühsames Suchen von Informationen „unter der Hand“); Berufsverband der Frauenärzte, Stellungnahme, S. 2; Diakonie Deutschland, Stellungnahme, S. 1.
[103]   Explizit R-Entwurf, S. 8.
[104]   So aber wohl AWO Bundesverband, Stellungnahme, S. 3.
[105]   Vgl. etwa BVerfGE 98, 265 (322 f.). Dies spiegelt sich auch in den ärztlichen Berufsordnungen wider Vgl. § 1 Abs. 1, 2 BO-Ä NRW.
[106]   Vgl. WinkelmeierBecker, DRiZ 2022, 115; Berghäuser, JZ 2018, 497 (499); CDL, Stellungnahme, S. 2. I.d.S. ist auch die Regelung der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche im Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens konzeptionell fragwürdig. Ebenso BT-Drs. 1017, S. 5.
[107]   Ebenso CDL, Stellungnahme, S. 2; Bundesverband Lebensrecht, Stellungnahme, S. 3; BT-Drs. 20/1017, S. 2.
[108]   Vgl. LG Gießen, Urt. v. 12.10.2018 – 3 Ns 406 Js 15031/15, juris Rn. 22 f.
[109]   A.A. Merkel, in: NK-StGB, § 219a Rn. 3a.
[110]   OLG Oldenburg, Urt. v. 1.9.2005 – 1 U 51/05, juris Rn. 42.
[111]   Vgl. BVerfG, GRUR 2007, 720 (721 f.).
[112]   BGH, Urt. v. 18.11.2021 – I ZR 214/18, juris Rn. 29.
[113]   Vgl. BVerfG, GRUR 2007, 720 (721 f.).
[114]   So etwa Fechner, DRiZ, 2022, 114.
[115]   Vgl. BVerfGE 33, 125 (158). In der Stellungnahme der Bundesärztekammer, S. 2 ff., wird deutlich hervorgehoben, dass die gegenwärtigen Regelungen im ärztlichen Berufsrecht für ein anspruchsvolles Schutzkonzept (z.B. ein Verbot unsachlicher Werbung) nicht ausreichend sind; darauf abzielenden Passagen des Referentenentwurfs seien „missverständlich“, S. 2, 3. Die Passagen im Referentenentwurf zum Regelungspotenzial des ärztlichen Berufsrechts wurden unverändert in den R-Entwurf übernommen. Vgl. zu den Problemen einer „berufsrechtlichen Lösung“ auch BT-Drs. 20/1017, S. 5.
[116]   Ebenso BT-Drs. 20/1017, S. 5. Zu den allgemeinen Strafrechtsnormen siehe die Ausführungen in Fn. 91.
[117]   Vgl. BGH, WRP 2018, 431 (432).
[118]   Vgl. Wörner, Stellungnahme, S. 2; Gärditz, ZfL 1/2018, 218 (21 f.). Krit. insoweit auch BT-Drs. 20/1017, S. 2.  
[119]   So AWO Bundesverband, Stellungnahme, S. 4 f.
[120]   Vgl. auch BT-Drs. 20/1017, S. 4.
[121]  Vgl. auch BT-Drs. 20/1017, S. 2, 4. Inkonsequent ist es allerdings, wenn der Entwurf der Unionsfraktion nunmehr Ärzte auch über das Wie von Schwangerschaftsabbrüchen informieren lassen möchte.
[122]   BVerfGE 88, 203 (320).
[123]   Vgl. Bundesverband Lebensrecht, Stellungnahme, S. 1; donum vitae, Stellungnahme, S. 2 ff.; BT-Drs. 20/1017, S. 4. Anders Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, Stellungnahme, S. 2.
[124]   So dezidiert Fechner, DRiZ 2022, 114.
[125]   Vgl. Gropp/Wörner, in: MüKo-StGB, § 219a Rn. 2.
[126]   Vgl. R-Entwurf, S. 1, 3, 8, 10 f. Die normative Relevanz der Selbstbestimmung und Autonomie der Frau als Argument gegen die Beibehaltung des § 219a StGB ist im R-Entwurf gegenüber dem Referentenentwurf sogar noch aufgewertet worden. So ist etwa die Aussage auf S. 7 des Referentenentwurfs: „Die Strafdrohung in § 219a StGB erscheint auch nicht mehr erforderlich, um die betroffenen Frauen vor einem möglichen Druck zu schützen, die Schwangerschaft abzubrechen“, nach „auch“ um den Einschub: „vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Entwicklung und der mit Hilfs- und Unterstützungsangeboten einhergehenden Stärkung der Autonomie der Frauen“ erweitert worden. I.d.S. siehe auch die weiteren Erweiterungen bzw., Ergänzungen im R-Entwurf gegenüber dem Referentenentwurf auf S. 1 und 11.
[127]   BVerfGE 88, 203 (214, 242 [Stellungnahme der Bay. Staatsregierung], 344 [Abweichende Meinung der Richter Mahrenholz und Sommer], 348 [ebd.], 351 [ebd.]).
[128]   Vgl. Humanistische Union, Stellungnahme, S. 2.
[129]   Vgl. BVerfGE 88, 203 (252 f., 276).
[130]   R-Entwurf, S. 9
[131]   Vgl. Evangelische Allianz Deutschland, Stellungnahme, S. 2.
[132]   R-Entwurf, S. 12. Vgl. zum Konzept der sog. reproduktiven Rechte insgesamt auf S. 1 ff., 8, 10 ff. des R-Entwurfs.
[133]   Vgl. Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, Stellungnahme, S. 3; Bundesverband Frauenberatungsstellen, Stellungnahme, S. 3 f.; Für Doctors for Choice Germany,Stellungnahme, S. 1, stellen die §§ 218 ff. StGB „eine Verletzung der Menschenrechte und eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt“ dar.
[134]   AWO Bundesverband, Stellungnahme, S. 6.
[135]   Humanistische Union, Stellungnahme, S. 3. I.S.e. nachholenden Normalisierung lässt sich auch die – im Referentenentwurf noch nicht enthaltene – geplante Generalkassation der Strafurteile zu § 219a StGB verstehen (vgl. R-Entwurf, S. 10). Während im R-Entwurf davon gesprochen wird, der rückwirkende Eingriff in Gerichtsentscheidungen bedürfe einer „besonderen Rechtfertigung“ (vgl. BVerfG, BeckRS 2006, 22732) beschränkt sich die Begründung hierzu auf eine halbe (!) Seite. Unerwähnt bleibt ferner, dass sämtliche Verurteilungen in einem rechtsstaatlichen Verfahren ergangen sind. Ausführungen, worin materiell-rechtlich die Unerträglichkeit von Urteilen liegen soll, die auf Grundlage einer grundgesetzkonformen, insbesondere normenklaren Strafvorschrift ergangen sind, erfolgen nicht. Stattdessen wird lediglich auf einen besonders „belastenden Strafmakel“ bei Personen verwiesen, die betroffenen Frauen „bestmögliche Hilfsstellung geben wollten“. Sehr krit. daher zu Recht auch BT-Drs. 20/1017, S. 5: „Unser Rechtsstaat nimmt irreparablen Schaden, wenn auf diese Weise per Gesetzesbeschluss rechtskräftige Urteile aufgehoben werden.“ Zur Grundrechtskonformität des § 219a StGB siehe ferner LG Bayreuth, Urt. v. 11.1.2006 – 2 Ns 118 Js 12007/04, juris Rn. 14; OLG Hamm, Beschl. v. 21.10.2021 – III-4 RVs 102/21, juris Rn. 5 ff.; KG Berlin, Beschl. v. 19.11.2019 – (3) 121 Ss 143/19 (80 und 81/19), juris Rn. 32 ff.; Eschelbach, in: BeckOK StGB, 52. Ed. (1.2.2022), § 219a Rn. 4 f.; Satzger, ZfL 1/2018, 22 (23 f.: „verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und strafrechtsdogmatisch jedenfalls nicht inkonsequent“).
[136]   Vgl. Kant, in: ders., Kritik der praktischen Vernunft. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 8. Aufl. (2014), S. 61.
[137]   BVerfGE 88, 203 (257). Es handelt sich bei § 219a StGB mithin nicht um „moralisierendes Strafrecht“ (vgl. zum Begriff Schiemann, ZRP 2022, 61 [62]).
[138]   Sehr krit. daher BT-Drs. 20/1017, S. 1, wo davon gesprochen wird, dass das ungeborene Kind in der Debatte „ausgeblendet“ werde.
[139]   Vgl. R-Entwurf, S. 11. Krit. etwa BT-Drs. 20/1017, S. 6.
[140]   Siehe z.B. Schmitt, Verfassungslehre, S. 32: Ein solcher Kompromiss „enthält nur ein äußerliches, sprachliches Nebeneinander sachlich unvereinbarer Inhalte.“
[141]   Vgl. BT-Drs. 20/1017, S. 4.
[142]   Vgl. etwa R-Entwurf, S. 9.
[143]   Vgl. BT-Drs. 20/1017, S. 1.

 

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