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KriPoZ-RR, Beitrag 37/2022

Die Entscheidung im Original finden Sie hier. Die Pressemitteilung ist hier abrufbar. 

BVerfG, Beschl. v. 20.12.2022 – 2 BvR 900/22: Keine geänderte Sach- und Rechtslage im Verfahren wegen Wiederaufnahme eines Strafverfahrens

Sachverhalt und Prozessverlauf: 

Der Beschwerdeführer wurde am 13.5.1983 vom LG Stade vom Tatvorwurf des Mordes freigesprochen. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Herstellung materieller Gerechtigkeit vom 21.12.2021, beantragte die Staatsanwaltschaft Verden (Aller) die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grundlage des neu eingefügten § 362 Nr. 5 StPO. Das LG Verden (Aller) erklärte den Wiederaufnahmeantrag für zulässig und ordnete die Untersuchungshaft an. Der Beschwerdeführer legte gegen die Beschlüsse Rechtsmittel ein. Das zuständige OLG Celle wies die sofortige Beschwerde zurück. Daraufhin erhob der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG Celle. Der neue § 362 Nr. 5 StPO sei mit Art. 103 Abs. 3 GG unvereinbar. Darüber hinaus seien das Rückwirkungsverbot und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. 

Das BVerfG hat die am 19.5.2022 eingegangene Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen. Am 14.7.2022 beschloss das BVerfG gemäß § 32 BVerfGG den Vollzug des Haftbefehls des LG Verden (Aller) unter bestimmten Bedingungen auszusetzen. 

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG hat die einstweilige Anordnung des LG Verden gemäß § 32 Abs. 6 S. 2 BVerfGG wiederholt. Bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde wird der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Dies gilt für die Dauer von maximal sechs Monaten. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den erstmaligen Erlass seien noch gegeben. Der Beschwerdeführer habe sich an alle ihm auferlegten Weisungen gehalten (Ausweispapiere zu den Akten geben, zweimal wöchentlich melden, Stadt nicht ohne Erlaubnis verlassen). Außerdem habe sich weder die Sach- noch die Rechtslage seit dem 14.7.2022 wesentlich geändert. Zuletzt sei der Beschleunigungsgrundsatz zu beachten. Vor diesem Hintergrund erachtet das BVerfG die Verlängerung um weitere sechs Monate für verhältnismäßig. 

Eine Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers und damit über die Vereinbarkeit des § 362 Nr. 5 StPO mit dem Grundgesetz bleibt abzuwarten. 

Anmerkung und Nachtrag der Redaktion:

Das Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit vom 21.12.2021 ist mit erheblichen Bedenken in Kraft getreten. Eine Zusammenfassung der Debatte ist hier nachzulesen. 

Am 24.5.2023 wurde die Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG unter Anhörung Sachverständiger verhandelt. Ein Urteil erging nicht. Die einstweilige Anordnung gegen den Beschwerdeführer wurde am 16.6.2023 verlängert. Der Beschluss des BVerfG (2 BvR 900/22) ist hier abrufbar. 

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