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KriPoZ-RR, Beitrag 30/2023

Die Entscheidung im Original finden Sie hier. Die Pressemitteilung vom 10.11.2022 finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 10.11.2022 – 5 StR 283/22: Impfpassfälschungen sind auch nach altem Recht strafbar

Amtlicher Leitsatz:

Das Fälschen von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB a.F. steht zur Urkundenfälschung nach § 267 StGB nicht im Verhältnis privilegierender Spezialität. 

Sachverhalt:

Der Angeklagte wurde vom LG Hamburg wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Darüber hinaus wurde der Angeklagte in neun Fällen wegen Urkundenfälschung angeklagt. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hat der Angeklagte in diesen Fällen gegen Bezahlung Impfausweise angefertigt oder um Eintragungen ergänzt, die Impfungen gegen das SARS-CoV-2-Virus betrafen. Hierdurch konnten die Abnehmer bspw. Zugangsbeschränkungen umgehen. Das LG Hamburg sah hierin keine Verwirklichung des Straftatbestandes des § 277 StGB. Für eine Verurteilung wegen § 267 StGB ist das Gericht von einer Sperrwirkung des § 277 StGB a.F. ausgegangen und hat den Angeklagten vom Vorwurf der Urkundenfälschung freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Entscheidung Rechtsmittel eingelegt. 

Entscheidung des BGH:

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Das LG Hamburg habe zutreffend erkannt, dass der Angeklagte sich nicht nach § 277 StGB a.F. strafbar gemacht hat. Zwar habe der Angeklagte über die Identität des Ausstellers getäuscht, indem er die Impfpässe mit einem erfundenen Namenszug und Stempel versah. Es liege jedoch kein erforderlicher Gebrauch zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften vor. Der Angeklagte habe die Ausweise nur hergestellt und nicht selbst gebraucht. Auch erfülle der Einsatz in der Gastronomie oder Apotheke nicht den Adressatenkreis des § 277 StGB a.F. 

Rechtsfehlerhaft habe das LG Hamburg aber eine Verurteilung wegen § 267 StGB verneint, welches zur Aufhebung des Urteils führt. Eine Sperrwirkung liege nicht vor. Die Tatbestände des § 277 StGB a.F. und des § 267 StGB ständen nicht in einem Ausschlussverhältnis privilegierender Spezialität. Das Verhältnis zwischen § 277 StGB a.F. und § 267 StGB sei in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Der Strafsenat führt hierzu die unterschiedlich vertretenen Auffassungen an und verweist auf die bisher fehlende Entscheidung durch den BGH zum Verhältnis der Normen. Der Strafsenat führt sodann ausführlich aus, warum keine Spezialität mit privilegierendem Charakter des § 277 StGB a.F. gegenüber § 267 StGB besteht. Es fehle an einer spezifischen Rechtfertigung. Aus dem Wortlaut ergebe sich bereits keine Privilegierungswirkung. Auch systematische Argumente (strukturelle Unterschiede der Normen, das Normgefüge) sprächen gegen eine solche Annahme. § 277 StGB a.F.sei, im Gegensatz zu § 267 StGB, ein zweiaktiges Delikt und schon deshalb nicht vergleichbar. Erhebliche Wertungswidersprüche würden auftreten. Der Sinn und Zweck der Normen spreche ebenfalls aufgrund der unterschiedlichen Rechtsgüter gegen eine privilegierende Spezialität. Während § 267 StGB die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Urkunden allgemein schütze (Interessen vermögensrechtlicher Art), diene § 277 StGB a.F. der Sicherung der Beweiskraft ärztlicher Zeugnisse für Behörden und Versicherungsgesellschaften (Integrität medizinischer Dokumente). Auch aus historischen Gesichtspunkten ergebe sich keine andere Wertung. 

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. 

Anmerkung der Redaktion:

Durch das Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22.11.2021 (BGBl. I S. 4906), in Kraft getreten am 24.11.2021, wurden die Vorschriften der §§ 275 ff. StGB neu gefasst.

Prof. Dr. Hoven und Prof. Dr. Weigend berichten über die Neuregelungen der Straftatbestände zum Schutz von Gesundheitszeugnissen in KriPoZ 6/2021.

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