Abstract
Der Beitrag soll einen Überblick über die Notwehr im schweizerischen Strafrechtecht geben. Sie wird in ihren Grundlagen und Streitfragen anhand der gesetzlichen Vorgaben mit Blick auf Lehre und Rechtsprechung untersucht. So eröffnet sich die Möglichkeit, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum deutschen Pendant zu erkennen.
This paper aims to provide an overview on the right to self-defense in Swiss criminal law. Its basic principles and contentious issues will be analysed on the basis of the statutory provisions with a view to doctrine and case law. This opens up the possibility of identifying similarities and differences to its German counterpart.
I. Einleitung
Ein knapper Blick von außen auf das deutsche Notwehrrecht ist versprochen. Zu diesem Zweck muss zunächst die Sehschärfe der Brille etwas näher beschrieben werden, um dann sagen zu können, was man bei der Betrachtung von § 32 dStGB und der Novellierung sieht. Anders gewendet: In einem ersten Schritt geht es um die schweizerische Regelung des Notwehrrechts, anschließend sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu der geltenden und zu der neu vorgeschlagenen deutschen Regelung herausgearbeitet werden.
Im CH-StGB ist Art. 15 einschlägig, „Rechtfertigende Notwehr“:
Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.
Art. 16 CH-StGB regelt unter dem Randtitel „Entschuldbare Notwehr“ den einfachen und den entschuldigenden Notwehrexzess und deren jeweilige Rechtsfolgen:
1Überschreitet der Abwehrende die Grenzen der Notwehr nach Artikel 15, so mildert das Gericht die Strafe.
2Überschreitet der Abwehrende die Grenzen der Notwehr in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff, so handelt er nicht schuldhaft.
Damit ist die schweizerische Regelung ähnlich knapp wie der geltende § 32 dStGB. Wie wird sie in Lehre und Praxis interpretiert? Insofern soll an eine vertraute Struktur angeknüpft werden, zunächst an die Unterscheidung zwischen Notwehrlage und Notwehrhandlung. Vorweg aber noch eine Bemerkung zu der inneren Rechtfertigung des Rechtfertigungsgrundes im schweizerischen Strafrecht: Sie weicht nicht ab von der in Deutschland gängigen Auffassung.[1] Geschützt wird nicht nur das bedrohte Rechtsgut des Angegriffenen, sondern auch die Rechtsbewährung als solche;[2] der Satz von der Verteidigung des Rechts gegen das Unrecht ist (auch) hierzulande oft zitiert.[3] Deshalb besteht auch nach hiesiger Auffassung keine Pflicht zum Fliehen oder Ausweichen in einer Notwehrsituation[4] (und lässt sich Flucht nur noch schlecht als „Abwehr“ auffassen).
II. Die Notwehrbestimmung von Art. 15 CH-StGB
1. Notwehrlage
Damit eine Notwehrlage entsteht, verlangt das Gesetz, dass „jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht“ wird.
a) Aus dem „jemand“ wird zunächst geschlossen, dass nur Rechtsgüter des Individuums notwehrfähig sind, nicht solche der Allgemeinheit; Art. 15 CH-StGB deckt also nicht die private Ausübung hoheitlicher (polizeilicher) Funktionen.[5] Was die Rechtsgüter des Individuums betrifft, gelten sie allerdings sämtliche von der Notwehrbefugnis umfasst, nicht etwa nur bestimmte wie Leib und Leben o.ä.,[6] und zudem unabhängig davon, ob sie strafrechtlichen oder bloß anderweitigen rechtlichen Schutz genießen, etwa durch das Privatrecht oder das öffentliche Recht. Die h.M. lässt genügen, dass sie überhaupt rechtlich geschützt sind.[7]
b) Der Angriff selbst ist gesetzlich nicht näher umschrieben. Es wird darunter ein Verhalten verstanden, welches das Potential in sich trägt, ein rechtlich geschütztes Interesse eines Individuums (s. soeben a) zu beschädigen oder zu vernichten. Damit sind verschiedene denkbare Konstellationen benannt; die paradigmatische ist die vorsätzlich vorgetragene Attacke eines Menschen auf Leib und Leben eines anderen. Doch muss der Begriff des Angriffs in dreierlei Hinsicht erweitert werden. Er ist, erstens, nicht auf Fälle der Begehung beschränkt. Wo dem Angreifer eine Garantenstellung zukommt, kann er auch in einem Unterlassen bestehen, sofern dadurch Rechtsgüter der zu schützenden Person tangiert werden.[8] Zweitens sind Angriffe nicht, wie man aufgrund des allgemeinen Sprachgebrauchs meinen könnte, auf vorsätzliche Verhaltensweisen beschränkt; auch fahrlässiges menschliches Verhalten kann eine notwehrfähige Situation begründen.[9] Weiter beschränkt die ganz h.M. Angriffe auf solche eines Menschen und erfasst solche von Tieren nur, wenn sie als Werkzeug, mithin vorsätzlich eingesetzt werden.[10] Doch spricht der Gedanke, dass notwehrauslösend die einem Menschen zurechenbare Handlung wirkt, für die gegenteilige Lösung, ebenso wie die allgemein geteilte Einschätzung, dass man unter Fahrlässigkeitsgesichtspunkten für die Verletzungen eines Dritten einzustehen hat, die diesem vom eigenen (Haus-)Tier zugefügt worden sind.[11] Ganz unstrittig ist schließlich, dass der Angriff nicht schuldhaft vorgetragen sein muss,[12] schon deshalb nicht, weil in ihm nicht zwingend ein in einem Straftatbestand zu erfassendes Verhalten zu liegen braucht (s. sogleich d).
c) Der Angriff muss nach dem Wortlaut von Art. 15 CH-StGB weiter gegenwärtig sein; es genügt freilich, dass er „unmittelbar droht“. Das ist keine Klausel, die zu Präventivschlägen ermutigen soll. Vielmehr ist damit gemeint, dass nach den gesamten Umständen mit dem Angriff ernstlich zu rechnen sein muss, dann aber die Abwehr zu einem Zeitpunkt einsetzen darf, zu dem sie noch mit Aussicht auf Erfolg ausgeübt werden kann; man braucht nicht so lange zu warten, bis es „für eine erfolgreiche Verteidigung zu spät sein könnte“.[13]
d) Im Gesetz ist nicht die Rede von einem rechtswidrigen Angriff, sondern – adverbial – dass jemand „ohne Recht“ angegriffen wird. Darin liegt kein Unterschied zum deutschen Recht: Es geht darum, dass der Angriff nicht von einer Norm des Strafrechts (keine Notwehr gegen Notwehr) oder anderer Rechtsmaterien für erlaubt erklärt wird, z.B. in Gestalt öffentlich-rechtlicher Eingriffsrechte.[14] Es ist freilich nicht vorausgesetzt, dass er einer strafrechtlichen Norm zuwiderläuft; die Qualifikation als „rechtswidrig“ kann sich auch aus Verstößen gegen privat- oder öffentlich-rechtliche Normen ergeben. Darin liegt bloß das Abbild der oben unter I.1.a) getroffenen Feststellung, dass auch Rechtsgüter notwehrfähig sind, die nicht strafrechtlichen, sondern „nur“ privat- oder öffentlich-rechtlichen Schutz genießen. Allerdings kommen als deren Quelle nur allgemeingültige Normen in Betracht, nicht solche rein vertraglicher Natur:[15] Gegen den Mieter, der am Sonntag entgegen der Hausordnung die Waschmaschine anwirft, ist keine Notwehr zulässig.
2. Abwehrhandlung
a) Berechtigt zur Abwehr ist „der Angegriffene und jeder andere“. Das Gesetz formuliert die Notwehr also aus der Perspektive des Handelnden und nimmt damit die beiden Protagonisten in den Blick, die für diese Rolle in Frage kommen: Der Angegriffene selber, aber auch ein Nicht-Angegriffener, der ihm zu Hilfe eilt. Insofern scheint zumindest auf sprachlicher Ebene eine Differenz zu § 32 Abs. 2 dStGB vorzuliegen, wenn dort nicht die Notwehrbefugnis als ein Recht des Angegriffenen (oder des Dritten) bezeichnet, sondern über die Erforderlichkeit der Angriffsabwendung deren zulässiges Ausmaß (für den Angegriffenen oder einen anderen) festgelegt wird. Unstreitig ist von den beiden Bestimmungen aber auch ein Nothelfer erfasst (vgl. unten II.4).
b) Das Gesetz spricht von „den Angriff“ abwehren. Daraus zieht man den Schluss, dass sich die Abwehr gegen Rechtsgüter des Angreifers richten muss; nur er ist legitimes Ziel der Abwehrbemühungen, weil er es ist, der Anlass zu der Abwehrhandlung gibt.[16] Die Beeinträchtigung von Drittinteressen kann allenfalls unter dem Titel des Notstandes gerechtfertigt sein.[17]
c) Die Art der Abwehr ist aber weiter dadurch gekennzeichnet, dass sie „in einer den Umständen angemessenen Weise“ zu erfolgen hat. Was das bedeutet, kann nun nicht mehr in derselben Knappheit wie die bisher behandelten Elemente umrissen werden. Die Praxis misst dieser Klausel eine doppelte Bedeutung zu.[18]
aa) Zunächst einmal setzt sie die Abwehr in ein Verhältnis zu den Umständen, unter denen sie erfolgt (Subsidiarität genannt[19]). Dazu gehören die Elemente, die den Angriff selbst kennzeichnen, seine Intensität und Gefährlichkeit. Erfolgt er einzig durch Körperkraft, oder mit Waffen oder gefährlichen Gegenständen? Handelt es sich um einen Angreifer oder um mehrere oder gar eine ganze Gruppe? Die Abwehr muss geeignet sein, dem konkreten Angriff ein Ende zu setzen.[20] Sie hat das aber in einer Art und Weise zu tun, die die Rechtsgüter des Angreifers nach Möglichkeit schont: Wenn eine Drohung mit der Schusswaffe ausreicht, darf nicht geschossen werden; wenn ein Warnschuss genügt, darf nicht gezielt geschossen werden; wenn der Angreifer durch eine körperliche Verletzung abgewehrt werden kann, darf er nicht getötet werden. Wenn die Wirkung der eigenen Abwehrhandlung unsicher ist, was oft der Fall sein dürfte, dann müssen die Mittel stufenweise gesteigert werden, allerdings unter der Voraussetzung, dass dadurch bei einem ersten Fehlschlag nicht die Möglichkeit erfolgreicher Notwehr überhaupt verlorengeht; in diesem Fall darf sogleich das intensivere Mittel eingesetzt werden.[21] Bei alldem gilt die Perspektive ex ante: Über die Angemessenheit der Abwehr ist auf Grundlage der Situation zu urteilen, wie sie sich dem Angegriffenen im Zeitpunkt des Angriffs dargeboten hat.[22] Und die Abwehr ist im Grundsatz auch zulässig, wenn das durch sie geschützte Rechtsgut in seinem Gewicht nicht an das verletzte heranreicht; eine erhebliche Verletzung der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung darf notfalls mit der Tötung des Angreifers beantwortet werden.[23]
Das alles ist auf dem Papier unstrittig. Dem Angegriffenen werden damit allerdings schwierige Abwägungsentscheidungen aufgebürdet: Er darf einerseits nicht übermäßig reagieren, will das andererseits aber doch so tun, dass der Angriff ein Ende nimmt, und das in einer Situation, die regelmäßig von Überraschung, Hektik und Angst geprägt ist.[24] Deshalb betont das Bundesgericht in ständiger Praxis, dass nicht „nachträglich allzu subtile Überlegungen darüber angestellt werden [dürfen], ob der Angegriffene sich nicht allenfalls auch mit anderen, weniger einschneidenden Maßnahmen hätte begnügen können und sollen“.[25] Auch diese Position hat in der Lehre Beifall gefunden.[26] Er verklingt allerdings sehr bald, wenn man sich vor Augen führt, wie die (höchstrichterliche) Praxis diese Regel handhabt. So soll nämlich „[b]esondere (sic) Zurückhaltung […] geboten [sein] bei der Abwehr mit gefährlichen Werkzeugen, deren Verwendung stets die Gefahr schwerer oder gar tödlicher Verletzungen mit sich bringt (Messer, Beile, Schusswaffen, etc.)“.[27] Offenbar ist bei der Übung von Notwehr generell Zurückhaltung geboten, aber beim Einsatz von Waffen „besondere“. Der Gebrauch eines Messers etwa muss zuerst angedroht werden; erst dann und als letztes Mittel der Verteidigung darf es zum Einsatz kommen, und zwar zunächst nur in nicht lebensbedrohlicher Weise, z.B. durch Stiche gegen Arme oder Beine. Erst wenn sich der Angriff auch dadurch nicht stoppen lässt, kommt eine lebensbedrohende Verwendung des Messers in Betracht, etwa durch einen Stich in die Flanke.[28] Beim Einsatz von Schusswaffen gelten ähnliche Einschränkungen: Zuerst, wo möglich, eine Warnung,[29] dann unter Umständen ein Warnschuss,[30] wenn ein solcher zu gefährlich wäre das hörbare Durchladen der Waffe.[31] Erst wenn all dies unnütz ist oder erscheint, kann eine gezielte Schussabgabe als zulässig gelten, und auch sie zunächst nur auf Körperpartien, die nicht potentiell tödliche Ziele darstellen. Entgegen eigenen Beteuerungen stellt der Richtertisch also durchaus subtile Überlegung dazu an, wie in einer von Anspannung gekennzeichneten Ausgangslage sich ein Angriff möglichst schonend abwehren lässt.[32] Zwei denkbare Erklärungen dafür in aller Kürze: Die dritte Gewalt im Staat will, aus ihrer Sicht aus verständlichen Gründen, die Ausnahme vom Gewaltmonopol, welche die Notwehr darstellt, in möglichst engen und deshalb objektiv gezogenen Grenzen halten[33] und Abwehrende nicht indirekt zur einer extensiven Inanspruchnahme ihrer Befugnis ermuntern. Und mitspielen dürfte auch, was von der Beurteilung der Sorgfaltspflichtverletzung beim Fahrlässigkeitsdelikt her bekannt ist: der Rückschaufehler (hindsight bias), resultierend daraus, dass das Gericht – anders als der Abwehrende – die Wirkungen der Abwehr kennt. Das nachträgliche bessere Wissen, dass die vorher noch ungewisse Wirkung eingetreten ist, führt zu einer Überschätzung ihrer Eintretenswahrscheinlichkeit und zu einer vorschnellen Bejahung der Unangemessenheit der Abwehr.[34]
bb) Der Gesetzeswortlaut setzt die zulässige Abwehr nicht nur in Relation zu dem Angriff; sonst würde es heißen, die Abwehr müsse in einer „dem Angriff“ angemessenen Weise erfolgen. Messlatte für die Angemessenheit sind vielmehr in allgemeiner Art und Weise „die Umstände“. Daraus zieht die schweizerische Praxis einen Schluss, der in Deutschland – zumindest – umstritten ist: Es darf kein (offensichtliches) Missverhältnis zwischen der Wertigkeit des angegriffenen und des durch die Notwehrhandlung geretteten Gutes bestehen. Mit anderen Worten: Auch das mildeste der möglichen Mittel darf nicht eingesetzt werden, wenn dies nur um den Preis der Verletzung eines Rechtsgutes auf Angreiferseite möglich ist, das in keinem Verhältnis zu demjenigen steht, das der Verteidiger durch seine Abwehrhandlung schützen will (auch Verhältnismäßigkeit i.e.S. oder Proportionalität genannt).[35] So gilt das Hausrecht zwar als notwehrfähiges Rechtsgut. Wenn aber der Hauseigentümer einen ungebetenen Gast mit einem Warnschuss zum Büro hinausscheuchen will, so geht das nach Bundesgericht „offensichtlich über das Zulässige hinaus“;[36] darin liegt ein intensiver Notwehrexzess. Auch die Abwehr gegen Angriffe auf Eigentum oder Vermögen ist beschränkt: Nicht als zulässig gelten Notwehrhandlungen, die zum Tod oder einer schweren Körperverletzung des Angreifers führen. Eine einfache Körperverletzung hat das Bundesgericht à la limite noch hingenommen, als ein sehr guter Schütze einem Dieb, der ihm eine Mappe mit zwei (nicht versicherten und nicht versicherbaren) Jahresverdiensten entrissen hatte, hinterherschoss und ihn durch einen Streifschuss am Unterschenkel zu Fall brachte.[37]
d) Auf die Klausel von der Abwehr „in einer den Umständen angemessenen Weise“ werden in der Schweiz eine Reihe von weiteren Einschränkungen des Notwehrrechts gestützt.
aa) Angriffe von schuldlos oder fahrlässig handelnden Personen gelten nicht als ernstzunehmende Bedrohungen der Rechtsordnung; der Aspekt der Verteidigung des Rechts gegen das Unrecht verliert an Bedeutung. Ihnen ist deshalb möglichst mit Konfliktvermeidung zu begegnen: Fliehen, ausweichen oder Dritthilfe in Anspruch nehmen, wo das möglich ist; bloß geringfügige Beeinträchtigungen muss man hinnehmen.[38]
bb) Die Angriffsprovokation[39] ist in der hiesigen Praxis wenig diskutiert.[40] Die Absichtsprovokation schließt nach der bundesgerichtlichen Praxis die Anwendung von Art. 15 CH-StGB aus;[41] vereinzelt wird dies im Schrifttum allerdings kritisch gesehen.[42] Praktisch wichtiger ist die „fahrlässige Provokation“, und bei ihr ist die Situation unübersichtlich: Teilweise optiert die Praxis für den vollen Erhalt des Notwehrrechts,[43] es soll der Betroffene aber auch zum Ausweichen verpflichtet sein,[44] es soll eine allfällige Provokation „bei der […] Verhältnismäßigkeit der Notwehr und der Entschuldbarkeit eines allfälligen Notwehrexzesses zu berücksichtigen“ sein,[45] und schließlich soll sogar die Berufung auf eine entschuldbare Aufregung oder Bestürzung entfallen, wenn der Abwehrende „selber schuldhaft durch deliktisches Verhalten die Ursache des Angriffs gesetzt hat“.[46]
cc) Eine Einschränkung des Notwehrrechts bei familiären Näheverhältnissen wird ganz überwiegend abgelehnt.[47] In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist sie als solche bislang nicht zur Sprache gekommen.
3. Notwehrexzess
Die strenge Linie der Praxis setzt sich fort bei der Beurteilung eines Notwehrexzesses. Das Gesetz erlaubt dessen Berücksichtigung in Gestalt einer Strafmilderung (Art. 16 Abs. 1 CH-StGB). Damit trägt es der Einsicht Rechnung, dass in einer Gesamtbilanz das Unrecht als vermindert erscheint, wenn jemand sich hätte zur Wehr setzen dürfen, dabei aber die (nach schweizerischer Auffassung relativ eng gesteckten) Grenzen zulässiger Verteidigung nicht exakt eingehalten hat (intensiver Exzess). Dementsprechend setzt eine erfolgreiche Berufung auf Art. 16 Abs. 1 CH-StGB nach höchstrichterlicher Rechtsprechung und überwiegender Lehre voraus, dass eine Notwehrlage tatsächlich bestanden hat; wo sie noch nicht, nicht mehr (extensiver Exzess[48]) oder bloß in der Vorstellung des Abwehrenden vorhanden war, scheidet der darauf gestützte Rekurs aus.[49] Höchstens bei ganz geringfügigen zeitlichen Überschreitungen der Notwehrgrenzen soll die Exzessregelung weiterhin greifen.[50] Wo sie aber anwendbar bleibt, führt die Missachtung der Notwehrgrenzen zu einer Strafmilderung nach Art. 48a CH-StGB, unter Umständen aber zu mehr: Bei „entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff“ handelt der Täter „nicht schuldhaft“, prozessuale Folge davon ist ein Freispruch. Die Praxis fasst diese asthenischen Affekte eng, stellt an sie „besondere Anforderungen“[51] und setzt sie in Beziehung zum Angriff: „Art und Umstände des Angriffs [müssen] derart sein, dass sie die Aufregung oder die Bestürzung entschuldbar erscheinen lassen“, zugleich soll der Maßstab umso strenger sein, „je mehr die Reaktion des Täters den Angreifer verletzt oder gefährdet“.[52] Das führt in der Praxis dazu, dass ein Exzess nur sehr selten als entschuldbar beurteilt wird.[53]
4. Notwehrhilfe
Abwehrberechtigt ist nach Art. 15 StGB nicht bloß der Angegriffene selber, sondern, wie das Gesetz ausdrücklich sagt, auch „jeder andere“. Die Notwehrhilfe ist unstreitig erfasst, die Frage ihrer Einschränkung wenig diskutiert: Soweit sich das Schrifttum äußert, geht es davon aus, dass der urteilsfähige Angegriffene, der eigenverantwortlich und ohne äußeren Druck auf sein Recht zur Gegenwehr gültig verzichtet, grundsätzlich nicht gegen seinen Willen verteidigt werden darf.[54]
5. Subjektive Seite der Notwehr
Es entspricht gefestigter Ansicht, dass die volle Rechtfertigung auch bei der Notwehr von subjektiven Elementen abhängt, jedenfalls bei Vorsatzdelikten:[55] Der Täter muss sich der Notwehrlage bewusst gewesen sein und mit dem Willen gehandelt haben, sein angegriffenes Rechtsgut zu verteidigen.[56] Darunter fällt auch die Konstellation, dass er eine Abwehrhandlung, zu deren vorsätzlicher Vornahme er befugt gewesen wäre, fahrlässig vornimmt und den Angreifer auf diese Weise an der Fortsetzung des Angriffs hindert.[57]
III. Der Blick von außen auf die deutsche Notwehrnorm
Auffällig an den beiden geltenden Bestimmungen erscheint zunächst ein äußeres Moment: Beide sind sehr kurz gehalten (was man von dem Entwurf nicht mehr sagen kann). Die Kennzeichen der Notwehrlage scheinen weitgehend identisch: ein menschlicher, rechtswidriger Angriff, der unmittelbar vor der Ausführung steht oder bereits im Gange ist. Anders liegt es bei der Verteidigungshandlung. Diese ist nach dem Wortlaut von § 32 Abs. 2 dStGB einzig dadurch begrenzt, dass sie zur Abwehr des Angriffs „erforderlich“ ist; von einer Einschränkung dieser sehr weitgehenden Befugnis spricht der Gesetzestext nicht.
Die schweizerische Lösung enthält zwar auch nicht eine eigentliche Verhältnismäßigkeitsprüfung. Aber sie setzt die Abwehrhandlung doch in ein Verhältnis zu der Heftigkeit des Angriffs und beschränkt sich nicht darauf, dass die Abwehr erforderlich sei. In der konkreten Anwendung erscheint die schweizerische Lösung gegenüber der geltenden deutschen in dreifacher Hinsicht enger.[58]
- Eine tödlich wirkende oder mit einer schweren Körperverletzung (Art. 122 CH-StGB)[59] verbundene Abwehr ist dort zulässig, wo es um einen Angriff geht, der auf Tötung, Körperverletzung, (schwere) Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung oder der Freiheit gerichtet ist. Eine Tötung oder eine schwere Körperverletzung zur Rettung von Vermögenswerten, der Ehre oder des Hausrechts würde die schweizerische Praxis als Notwehr nicht durchgehen lassen; es handelte sich um einen Exzess.
- Die Grenze zur Rettung von Vermögenswerten liegt nach schweizerischer Praxis bei einer einfachen Körperverletzung (Art. 123 CH-StGB; ohne den Vorsatz auf eine schwere). Allerdings müsste entscheidend ja sein, ob der Abwehrende in der konkreten Situation die Abwehrhandlung vornehmen durfte (oder nicht), und diese Frage müsste an sich unbesehen um den Erfolg zu beurteilen sein, zu dem die Verteidigung führt, mit der Folge, dass, bei zulässiger Abwehrhandlung, u.U. sogar eine schwere Körperverletzung (oder gar eine Tötung) zu rechtfertigen wäre.[60] Aber das hat die schweizerische Praxis bislang so nie festgehalten.
- Beim Einsatz von Waffen oder gefährlichen Gegenständen hat das Bundesgericht, wie es scheint im Unterschied zur deutschen Praxis, die Voraussetzungen derart hochgeschraubt, dass ein gerechtfertigter Einsatz fast nur noch in Ausnahmefällen denkbar ist.
Die vorgeschlagene Neufassung liegt nun deutlich näher bei der schweizerischen Lesart des Notwehrrechts. Was die Rechtsgüter des Lebens, der körperlichen Integrität oder der sexuellen Selbstbestimmung betrifft (§ 32 Abs. 2 S. 1 E-dStGB), so entspricht sie meiner Einschätzung nach ziemlich genau der schweizerischen Regelung, bei den Angriffen auf die Freiheit ist sie wohl sogar etwas restriktiver (nur „schwerwiegende“). Bei unerheblichen Angriffen auf die genannten Rechtsgüter (bei der Freiheit auch mittelschwere), die an sich notwehrauslösend wirken würden, greift eine Einschränkung, sofern ein Missverhältnis zwischen den schweren Folgen der Verteidigung und den drohenden Verletzungen bestehen würde (§ 32 Abs. 2 S. 2 E-dStGB). Dasselbe gilt für Angriffe auf andere Rechtsgüter als die genannten, etwa Eigentum und Vermögen, das Hausrecht oder die Ehre. Insofern wahrt wohl auch der Reformvorschlag einen etwas weiteren Bereich zulässiger Verteidigung, als er hierzulande gilt. Insgesamt aber wird man sagen können, dass eine erhebliche Konvergenz der beiden Lösungen besteht. Die Differenz zwischen ihnen beiden scheint jedenfalls kleiner als diejenige zwischen den beiden „deutschen“ Varianten. Oder anders gewendet: Der Schritt vom status quo zu dem neuen Vorschlag wäre ganz erheblich.
[1] Vgl. dazu nur Kindhäuser/Zimmermann, Strafrecht AT, 10. Aufl., (2022), § 16 Rn. 1; Kühl, Strafrecht AT, 8. Aufl. (2017), § 7 Rn. 15; Roxin/Greco, Strafrecht AT, Bd. I, 5. Aufl. (2020), § 15 Rn. 1, 3e ff.; anders etwa Frister, Strafrecht AT, 10. Aufl. (2023), § 16 Rn. 3; kritisch Krauss, in: FS Puppe, 2011, S. 635 (635 ff.).
[2] Donatsch/Godenzi/Tag, Strafrecht I, 10. Aufl. (2022), S. 230; Geth, Strafrecht AT, 7. Aufl. (2021), Rn. 191; Kunz, in: FG zum schweizerischen Juristentag, Bern 1988, S. 161 (169); Niggli/Göhlich, in: Basler Kommentar, StGB, 4. Aufl. (2019), Art. 15 Rn. 1; Trechsel/Geth, in: Praxiskommentar-StGB, 4. Aufl. (2021), Art. 15 Rn. 2; relativierend Mona/Leu, recht 2011, 175 (177).
[3] Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, AT I, 4. Aufl. (2011), § 10 Rn. 67; Trechsel/Noll/Pieth, Schweizerisches Strafrecht, AT I, 7. Aufl. (2017), S. 121; Vest et al., StGB AT Kompakt, 3. Aufl., (2023), S. 113; ähnlich Riklin, Strafrecht AT, 3. Aufl. (2007), § 14 Rn. 35. Die französischsprachige Literatur erwähnt den Rechtsbewährungsgesichtspunkt nicht, Hurtado Pozo/Godel, Droit pénal général, 3. Aufl. (2019), Rn. 677 ff.; Monnier, in: Commentaire romand StGB, 2. Aufl. (2021), Art. 15 Rn. 1 ff.
[4] Mona/Leu, recht 2011, 175 (176); Stratenwerth, § 10 Rn. 76; kritisch Schobloch, recht 2022, 67 (71) und Graven, ZStrR 1990, 190.
[5] Monnier, in: CR-StGB, Art. 15 Rn. 5; Stratenwerth, § 10 Rn. 70.
[6] Eine in der Öffentlichkeit hin und wieder anzutreffende Fehldeutung.
[7] Z.B. Besitz oder Bewegungsfreiheit als Teil der persönlichen Freiheit und des Persönlichkeitsrechts (BGE 104 IV 53, 55 E. 2); Donatsch/Godenzi/Tag, S. 232; Stratenwerth, § 10 Rn. 70; anders Niggli/Göhlich, in: BSK-StGB, Art. 15 Rn. 22.
[8] Donatsch/Godenzi/Tag, S. 231, 236; Geth, Rn. 193; Hurtado Pozo/Godel, Rn. 679; Riklin, § 14 Rn. 28; Stratenwerth, § 10 Rn. 73; Trechsel/Geth, in: PK-StGB, Art. 15 Rn. 5; Vest et al., S. 114; i.E. auch Trechsel/Noll/Pieth, S. 122; a.M. Niggli/Göhlich, in: BSK-StGB, Art. 15 Rn. 14 f.
[9] Donatsch/Godenzi/Tag, S. 231; Geth, Rn. 196 Fn. 203; Trechsel/Geth, in: PK-StGB, Art. 15 Rn. 8; Vest et al., S. 113; Trechsel/Noll/Pieth, S. 122; Monnier, in: CR-StGB, Art. 15 Rn. 12a; a.M. Niggli/Göhlich, in: BSK-StGB, Art. 15 Rn. 23.
[10] BGE 97 IV 73, 74 E. 2; Donatsch/Godenzi/Tag, S. 231; Geth, Rn. 193; Hurtado Pozo/Godel, Rn. 679; Niggli/Göhlich, in: BSK-StGB, Art. 15 Rn. 9, 17; Riklin, § 14 Rn. 27; Trechsel/Geth, in: PK-StGB, Art. 15 Rn. 8; Vest et al., S. 114; Trechsel/Noll/Pieth, S. 122.
[11] Wie hier Coninx, in: FS Fellmann, 2021, S. 25.
[12] Donatsch/Godenzi/Tag, S. 233; Geth, Rn. 196; Hurtado Pozo/Godel, Rn. 682; Niggli/Göhlich, in: BSK-StGB, Art. 15 Rn. 24; Stratenwerth, § 10 Rn. 73; Trechsel/Geth, in: PK-StGB, Art. 15 Rn. 8; Trechsel/Noll/Pieth, S. 122; Vest et al., S. 115.
[13] BGer, Urt. v. 21.1.2010, 6B_780/2009, E. 2.3; Stratenwerth, § 10 Rn. 71.
[14] BGE 109 IV 5, 7 E. 3; Riklin, § 14 Rn. 27.
[15] Hurtado Pozo/Godel, Rn. 686; Stratenwerth, § 10 Rn. 70.
[16] Stratenwerth, § 10 Rn. 75.
[17] Donatsch/Godenzi/Tag, S. 238. Die bei Schwander (Das schweizerische Strafgesetzbuch, 2. Aufl. [1964], Rn. 170) genannte „Ausnahme“ der gegen ein Angriffsmittel in fremdem Eigentum gerichteten Abwehr muss unter Notstandsgesichtspunkten beurteilt werden.
[18] Sie geht auf Carl Stooss zurück, den Schöpfer des CH-StGB (Stooss, Vorentwurf zu einem Schweizerischen Strafgesetzbuch, AT, 1893, Art. 17, S. 12).
[19] Geth, Rn. 200.
[20] Auch aus diesem Grund hat sie sich gegen den Angreifer und nicht gegen Dritte zu richten.
[21] BGE 136 IV 49, 53 E. 4.2; 107 IV 12, 15 E. 3.b; Donatsch/Godenzi/Tag, S. 238; Monnier, in: CR-StGB, Art. 15 Rn. 14; Stratenwerth, § 10 Rn. 76.
[22] Nicht im Zeitpunkt seiner Tat, so aber BGE 136 IV 49, 51 E. 3.2.
[23] Donatsch/Godenzi/Tag, S. 239.
[24] Was verteidigungsseitig oftmals Anlass zur Berufung auf Putativnotwehr gibt; Schobloch, recht 2022, 67 (73 f.).
[25] BGE 136 IV 49, 51 f. E. 3.2; so bereits 107 IV 12, 15 E. 3.a.
[26] Vgl. nur Donatsch/Godenzi/Tag, S. 240.
[27] BGE 107 IV 12, 15 E. 3.b.
[28] BGE 136 IV 49, 53 f.
[29] BGE 136 IV 49, 52 E. 3.3.
[30] BGE 102 IV 65, 69 E. 2.b.
[31] BGer, Urt. v. 17.3.2014, 6B_779/2013, E. 1.3
[32] Vgl. Albrecht, ZStrR 2020, 3 (10); Pflaum, ZStW 2019, 524 (526); Wohlers/Pflaum, in: FS Donatsch, 2017, S. 297 (306, 309).
[33] Vgl. Albrecht, ZStrR 2020, 3 (9); Bommer, ZBJV 2015, 350 (352 f.); Schobloch, recht 2022, 68 (72).
[34] Wohlers/Pflaum, in: FS Donatsch, S. 297 (309); zu strafprozessual geprägten Erklärungen Albrecht, ZStrR 2020, 3 (14 f.).
[35] Ganz h.M., vgl. Donatsch/Godenzi/Tag, S. 239 ff.; Geth, Rn. 203; Niggli/Göhlich, in: BSK-StGB, Art. 15 Rn. 34 ff.; Stratenwerth, § 10 Rn. 77; Trechsel/Geth, in: PK-StGB, Art. 15 Rn. 10; Trechsel/Noll/Pieth, S. 127 f.
[36] BGE 102 IV 1, 6 E. 3.a.
[37] BGE 107 IV 12, 15 E. 3.b.
[38] Geth, Rn. 203; Stratenwerth, § 10 Rn. 80.
[39] Missverständlich als Notwehrprovokation bezeichnet: Provoziert wird nicht die Notwehr(handlung), sondern der Angriff.
[40] Dazu Sträuli, in: FS Donatsch, S. 233.
[41] BGE 104 IV 53, 56 E. 2.a; 102 IV 228, 230 E. 2; ebenso Donatsch/Godenzi/Tag, S. 232; Geth, Rn. 203; Hurtado Pozo/Godel, Rn. 698; Pflaum, ZStW 2019, 524 (530); Schobloch, recht 2022, 68 (75); Trechsel/Noll/Pieth, S. 130.
[42] Niggli/Göhlich, in: BSK-StGB, Art. 15 Rn. 45 ff.
[43] BGE 102 IV 228, 230 E. 2; so wohl auch Hurtado Pozo/Godel, Rn. 699 f.; Schobloch, recht 2022, 68 (75 f.).
[44] So BGE 136 IV 49, 52 E. 4.1.
[45] BGE 142 IV 14, 17 E. 5.3.
[46] BGE 109 IV 5, 7 E. 3.
[47] Geth, Rn. 203; Hurtado Pozo/Godel, Rn. 696; Monnier, in: CR-StGB, Art. 15 Rn. 3; Niggli/Göhlich, in: BSK-StGB, Art. 15 Rn. 49; Schobloch, recht 2022, 68 (76).
[48] Ablehnend zum Begriff Niggli/Göhlich, in: BSK-StGB, Art. 16 Rn. 6.
[49] BGer, Urt. v. 20.1.2012, 6B_383/2011, E. 5.4; Urt. v. 24.10.2013, 6B_345/2013, E. 4.3; Wohlers, in: HK-StGB, 4. Aufl. (2020), Art. 16 Rn. 2; Mausbach/Straub, in: AK-StGB, 2020, Art. 16 Rn. 2; Niggli/Göhlich, in: BSK-StGB, Art. 16 Rn. 2, 6; Trechsel/Geth, in: PK-StGB, Art. 16 Rn. 1; Trechsel/Noll/Pieth, S. 131.
[50] Donatsch/Godenzi/Tag, S. 241 f.; Geth, Rn. 253; Hurtado Pozo/Godel, Rn. 867; Monnier, in: CR-StGB, Art. 16 Rn. 6; Stratenwerth, § 10 Rn. 86. Dem wird man jedenfalls für den Fall eines ganz knapp abgeschlossenen Angriffs zustimmen müssen; denn bei ihm hat, im Unterschied zum möglicherweise unmittelbar bevorstehenden, eine Aggression tatsächlich stattgefunden, knüpft eine Abwehrhandlung also an ein reales und nicht an ein potentielles Geschehen an (ebenso Hurtado Pozo/Godel, Rn. 868; wohl auch Riklin, § 14 Rn. 38). Das läuft in der Sache darauf hinaus, bei unklarem Zeitpunkt des Endes des Angriffs zugunsten des Beschuldigten von einem protrahierten Endzeitpunkt auszugehen.
[51] BGE 109 IV 5, 7 E. 3; näher zum Affekt Ege, ZStrR 2018, 475 ff.
[52] BGer, Urt. v. 15.2.2019, 6B_873/2018, E. 1.1.3; Urt. v. 7.11.2019, 6B_971/2018, E. 2.3.4; BGE 102 IV 1, 7 E. 3.b.
[53] Albrecht, ZStrR 2020, 3 (10); Wohlers/Pflaum, in: FS Donatsch, S. 297 (309).
[54] Donatsch/Godenzi/Tag, S. 237; Geth, Rn. 199; Hurtado Pozo/Godel; Rn. 703; Niggli/Göhlich, in: BSK-StGB, Art. 15 Rn. 26; Stratenwerth, § 10 Rn. 84; Vest et al., S. 118. Fraglich aber, ob diese Grenze ihrerseits wieder begrenzt ist durch die fehlende Einwilligungsmöglichkeit in den Tod und in die grundlose schwere Körperverletzung (so wohl Donatsch/Godenzi/Tag, a.a.O.; Hurtado Pozo/Godel, Rn. 704; Vest et al., a.a.O.). Ebenso wäre die Berufung auf Notwehrhilfe wohl dort zulässig, wo die Entscheidung gegen die Rettung deshalb nicht zum Nennwert zu nehmen ist, weil sie von einem Urteilsunfähigen ausgeht.
[55] Zur aberratio ictus und zum error in persona Mona/Leu, recht 2011, 175.
[56] BGE 104 IV 1, 1 f. E. a.; 93 IV 81, 83; BGer, Urt. v. 7.11.2019, 6B_971/2018, E. 2.4.4.
[57] Niggli/Göhlich, in: BSK-StGB, Art. 15 Rn. 38; anders BGE 104 IV 1, 1 f. E. a.
[58] Kunz, in: FG zum schweizerischen Juristentag, 1988, S. 161 (167); a.A. wohl Schultz, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, 4. Aufl. (1982), S. 157 f.
[59] Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich:
- einen Menschen lebensgefährlich verletzt;
- den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt;
- eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht.
[60] So i.E. auch Kunz, in: FG zum schweizerischen Juristentag, 1988, S. 161 (163).