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KriPoZ-RR, Beitrag 51/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 10.03.2020 – 4 StR 624/19: Vergewaltigung per Chat

Leitsatz der Redaktion:

Für die Annahme einer Vergewaltigung ist es ausreichend, dass das Opfer die sexuellen Handlungen an sich selbst vornimmt; eine gleichzeitige Anwesenheit des Täters ist nicht erforderlich.

Sachverhalt:

Das LG Siegen hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in vier Fällen, in drei davon in Tateinheit mit Sich-Verschaffen jugendpornografischer Schriften verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte sein 14-jähriges Opfer in einem Chatroom kennen gelernt und sich als 18-jähriger Musiker ausgegeben. Es war ihm gelungen, dass das Mädchen sich in ihn verliebt hatte. Mit einem Zweitaccount, den der Täter unter einer Legende geführt hatte, hatte er das Opfer glauben gemacht, er sei ein Bandkollege ihres Chatpartners und dieser wünsche sich Nacktbilder von ihr. Diesem Wunsch war die Geschädigte nachgekommen. Daraufhin hatte sich der Angeklagte einen dritten Account zugelegt, mit dem er das Opfer genötigt hatte, sich in mehreren Videotelefonaten selbst mit verschiedenen Gegenständen zu penetrieren, damit ihre Mutter nichts von den verschickten Nacktbildern erfahre.

Im Anschluss hatte er dem Opfer mit diesem Account vorgespiegelt, dass er selbst von einer kriminellen japanischen Organisation erpresst werde und diese weitere Bilder und Videos von ihr gefordert hatte. Gegen ihren ausdrücklich erklärten Willen hatte der Angeklagte das Opfer dann dazu gebracht weitere Bilder und Videos anzufertigen, in denen sie verschiedene sexuelle Handlungen an sich vorgenommen hatte, die teilweise auch Schmerzen verursacht hatten.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Verurteilung wegen Vergewaltigung.

Der besonders schwere Fall nach § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB erfasse mit seinem Wortlaut auch sexuelle Handlungen des Opfers an sich selbst, was sich aus den Gesetzgebungsmaterialien ergebe.

Ebenso sei es nicht erforderlich, dass der Täter räumlich anwesend sei.

Zwar stelle die Warnung vor Bestrafungen durch die „Japaner“ keine Drohung mit einem empfindlichen Übel nach § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB dar, da das Opfer geglaubt hatte, der Täter habe auf den Eintritt dieses Übels keinen Einfluss. Jedoch habe der Täter dadurch den Grundtatbestand des § 177 Abs. 1 Alt. 2 StGB verwirklicht. Eine letztlich freiwillige Anfertigung der Bilder und Videos durch das Opfer komme ebenfalls nicht in Betracht, da sie ausschließlich von der durch den Angeklagten erzeugten Angst motiviert worden sei und ihr Entschluss damit vollständig fremdbestimmt gewesen sei.

 

Anmerkung der Redaktion:

Das Sexualstrafrecht in §§ 177 ff. StGB war 2016 reformiert worden. Informationen zur Reform erhalten Sie hier.

 

 

 

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