Gesetzentwürfe:
- Referentenentwurf des BMJV vom 12. Dezember 2016
- Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: BT Drs. 18/10117
- Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: BT Drs. 18/10118
- Regierungsentwurf vom 22. März 2017
- Regierungsentwurf vom 24. April 2017: BT Drs. 18/12038
Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 262/1/17
Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung: BT Drs. 18/12379
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses: BT Drs. 18/12786
In der BRD, in der DDR und zuvor in der Nachkriegszeit waren einvernehmliche homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen gemäß § 175 StGB strafbar. Der Paragraf wurde nach Gründung des Deutschen Reichs 1871 eingeführt. Die „widernatürliche Unzucht“ wurde damals mit bis zu 6 Monaten Freiheitsstrafe geahndet. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Straftatbestand verschärft und etwa 50.000 Männer nach § 175 StGB verurteilt. 1969 wurde Homosexualität unter Erwachsenen straffrei. Aus der Formulierung „Unzucht zwischen Männern“ wurde „Homosexuelle Handlungen“. Insgesamt soll es bis dahin zu 64.000 Verurteilungen gekommen sein. Am 10. März 1994 beschloss der Bundestag die Streichung des § 175 StGB, zum 11. Juni 1994 verschwand er dann aus dem Gesetz. Hintergrund war, dass nach der Wiedervereinigung 1990 eine Entscheidung getroffen werden musste, ob § 175 StGB auf die neuen Bundesländer ausgeweitet werden soll, da seit 1968 in der DDR eine Strafbarkeit dieser Form nicht mehr existierte. Mit Ablauf der Angleichungsfrist entfiel schließlich die Strafbarkeit. Eine Entschädigung der Verurteilten erfolgte nicht.
Der Regierungsentwurf sieht nun eine pauschale Aufhebung der Urteile durch Gesetz vor. Mit der Aufhebung verbunden ist eine Entschädigung wegen des durch die Verurteilung oder die strafgerichtliche Unterbringungsanordnung erlittenen Strafmakels. Angesichts des hohen Alters vieler Betroffener soll eine zügige Bearbeitung ermöglicht werden. Darum ist eine pauschalierte Entschädigung von 3.000 Euro und weitere 1.500 Euro für jedes angefangene Jahr „erlittener Freiheitsentziehung“ vorgesehen. Die Entschädigung folgt in erster Linie dem Gedanken, dass die Verurteilung oder die Unterbringungsanordnung nach heutiger Sicht grundrechtswidrig sind.
Bundesjustizminister Heiko Maas: „Die Rehabilitierung der Männer, die allein wegen ihrer Homosexualität vor Gericht standen, ist überfällig. Nur wegen ihrer Liebe zu Männern, wegen ihrer sexuellen Identität, wurden sie vom deutschen Staat verfolgt, bestraft und geächtet. Die alten Urteile sind aus heutiger Sicht eklatantes Unrecht. Sie verletzen jeden Verurteilten zutiefst in seiner Menschenwürde. Diese Schandtaten des Rechtsstaats werden wir niemals wieder ganz beseitigen können, aber wir wollen die Opfer rehabilitieren. Die verurteilten homosexuellen Männer sollen nicht länger mit dem Makel der Verurteilung leben müssen. Der § 175 hat Berufswege verstellt, Karrieren zerstört und Biographien vernichtet. Den wenigen Opfern, die heute noch leben, sollte endlich Gerechtigkeit widerfahren.“
Am 28. April 2017 hat der Bundestag in erster Lesung über den Regierungsentwurf debattiert und ihn anschließend zusammen mit dem Entwurf BT Drs. 18/10117 und dem Antrag BT Drs. 18/10118 an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur weiteren Beratung überwiesen.
Am 12. Mai 2017 beriet auch der Bundesrat in seiner Plenarsitzung über die geplante Rehabilitierung verurteilter homosexueller Männer. In seiner Stellungnahme begrüßte der Bundesrat den Regierungsentwurf ausdrücklich. Er bat um Prüfung, ob die Entschädigungsregeln auf Personen erweitert werden können, die seinerzeit Opfer von staatlichen Ermittlungen oder Disziplinarmaßnahmen waren. Die Stellungnahme des Bundesrates wird nun der Bundesregierung zur Gegenäußerung vorgelegt. Danach werden beide in das laufende Verfahren eingebracht.
Am 22. Juni 2017 debattierte der Bundestag erstmals über den Gesetzentwurf und nahm diesen einstimmig an.
Am 7. Juli 2017 stimmte auch der Bundesrat dem entsprechenden Bundestagsbeschluss zu. Die Länder hatten sich schon seit vielen Jahren und mit mehreren Initiativen für das Thema eingesetzt. Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet.
Am 21. Juli 2017 wurde das Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen und zur Änderung des Einkommensteuergesetzes im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.