KriPoZ-RR, Beitrag 29/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 03.03.2021 – 4 StR 338/20: Diebstahl am Geldautomaten

Amtlicher Leitsatz:

Zum Gewahrsam des Bankkunden am Bargeld im Ausgabefach eines Geldautomaten, wenn er den Auszahlungsvorgang durch Einführen seiner Karte und Eingabe der zugehörigen PIN-Nummer ausgelöst hat.

Sachverhalt:

Das LG Dortmund hat die Angeklagten L. und B.R. wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in fünf Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Nötigung, den Angeklagten T. wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls sowie Diebstahls in einem besonders schweren Fall und den Angeklagten D.R. wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatten sich die Angeklagten L. und B.R. neben Bankkunden an den Geldautomaten gestellt und nachdem diese ihre Karte und PIN in den Automaten eingegeben hatten, das Eingabefeld verdeckt und selbst Beträge eingegeben und die Auszahlung bestätigt. Danach hatten sie das Geld entnommen und sich entfernt. Teilweise hatten sie dabei eine Kundin vom Automaten weggeschubst. Die Angeklagten T. und D.R. hatten teils an den Taten mitgewirkt und die Flucht der Täter gesichert.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Verurteilungen durch das LG, da es sich bei der Entnahme der Geldscheine aus dem Automaten um eine Wegnahme gehandelt habe.

Bei der Freigabe des Geldes in dem Ausgabefach des ordnungsgemäß bedienten Automaten könne es sich, wie vom Zweiten Strafsenat vertreten, um eine Preisgabe des Gewahrsams durch das Geldinstitut handeln, was einen Bruch desselben unmöglich machte.

Andererseits nehme der Dritte Strafsenat einen Gewahrsamsbruch an, da die Bank den Gewahrsam am Geld nur an den den Geldautomaten ordnungsgemäß Bedienenden übertragen wolle und gerade nicht an eine später eingreifende Person.

Dies Streitfrage entschied der Vierte Strafsenat jedoch nicht, da er jedenfalls von einem im Zeitpunkt der Entnahme des Geldes bestehenden Mitgewahrsam der Bankkunden ausgeht, der unproblematisch durch den Täter gebrochen worden sei.

Gewahrsam sei definiert als die von einem Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft. Eine solche sei gegeben, wenn jemand auf eine Sache unter normalen Umständen einwirken kann und seiner Herrschaft keine Hindernisse entgegenstehen. Dabei seien die Umstände des Einzelfalls und die Anschauungen des täglichen Lebens maßgeblich, so der BGH.

Die Verkehrsanschauung ordne Bargeld, das im geöffneten Ausgabefach eines Geldautomaten liege zumindest auch der Person zu, die den Automaten bedient habe, der somit zumindest ein Mitgewahrsam zufalle. Dieser sei auch von einem Herrschaftswillen getragen, da die Person wisse, dass ihr Konto mit dem Betrag belastet werde. Daher sei es auch unerheblich, dass die Täter den genauen Betrag eingegeben hätten.

Diesen Mitgewahrsam hätten die Täter jedenfalls gebrochen.

 

Anmerkung der Redaktion:

Die Entscheidung des Zweiten Strafsenats finden Sie hier.

Den KriPoZ-RR Beitrag zur Entscheidung des Dritten Senats finden Sie hier.

 

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 14/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 21.03.2019 – 3 StR 333/18: 3. Strafsenat des BGH sieht die unberechtigte Entnahme von Geldscheinen aus einem Geldautomaten, nachdem der Berechtigte Bankkarte und PIN eingegeben hat, als Wegnahme an

Beabsichtigter amtlicher Leitsatz:

Wer unberechtigt Geldscheine an sich nimmt, die im Ausgabefach eines Geldautomaten zur Entnahme bereit liegen, nachdem der Berechtigte den Auszahlungsvorgang durch Eingabe von Bankkarte und zugehöriger PIN in Gang gesetzt hatte, bricht den an den Geldscheinen bestehenden Gewahrsam des Geldinstituts.

Sachverhalt:

Das LG hat die Angeklagten wegen Raubes, Diebstahls und versuchten Diebstahls verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatten sie sich in verschiedenen Bankfilialen Kunden genähert, die gerade am Geldautomaten Geld abheben wollten. Nachdem die Kunden ihre Bankkarte und die dazugehörige PIN in den Geldautomaten eingegeben hatten, hatten die Angeklagten sie durch gezielte Ansprache und mit Prospekten abgelenkt und versucht einen möglichst hohen Geldbetrag einzugeben und unbemerkt aus dem Automaten zu entnehmen. Teilweise war ihnen dies gelungen, aber manche Kunden hatten das Vorgehen bemerkt und den Auszahlungsvorgang abgebrochen. In zwei Fällen hatten die Angeklagten einen Kunden nach Freigabe des Geldes vom Automaten weggestoßen, um die Geldscheine entnehmen zu können.

Entscheidung des BGH:

Der 3. Senat des BGH beabsichtigt die Revision der Angeklagten zu verwerfen und die Verurteilung durch das LG zumindest im Ergebnis zu bestätigen, denn die Angeklagten hätten mit den Geldscheinen fremde bewegliche Sachen weggenommen oder wenigstens unmittelbar dazu angesetzt.

Mit dieser Entscheidung würde der Senat von der Rechtsprechung des 2. Senats abweichen, der in einem gleichgelagerten Fall (2 StR 154/17) mangels Wegnahme auf räuberische Erpressung erkannt hat. Als Begründung hat er angeführt, dass ein Einverständnis zur Gewahrsamsübertragung der Bank vorliege, wenn der Automat technisch ordnungsgemäß bedient worden sei. Dieses Einverständnis sei nicht auf eine bestimmte Person konkretisiert und somit werde der Gewahrsam des Kreditinstituts nicht gebrochen. Daher fragt der 3. Senat mit diesem Beschluss gem. § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beim 2. Strafsenat an, ob dieser an seiner entgegenstehenden Rechtsprechung festhalten werde.

Dazu führt der Senat aus:

Fremd seien die Scheine für die Angeklagten gewesen, da der Adressat des konkludenten Übereignungsangebots der Bank nach § 929 Satz 1 BGB nur der nach den vertraglichen Beziehungen berechtigte Kontoinhaber sei.

Die Bank könne kein Interesse daran haben, die Geldscheine an einen Unberechtigten zu übereignen, selbst wenn dieser den Automaten ordnungsgemäß bediene. Die Übereignung des Geldes an einen Unbefugten vertiefe den Missbrauch in Form der unberechtigten Besitzerlangung nur und verstoße zudem gegen die Schutzpflichten aus dem Girovertrag, so der BGH.

Auch eine Wegnahme durch die Angeklagten sei gegeben, denn diese hätten den weiterhin bestehenden Gewahrsam der Bank (nach Ansicht des LG, den Gewahrsam des berechtigten Kunden) gegen ihren Willen aufgehoben.

Der ursprüngliche Gewahrsam des Geldinstituts bestehe fort, solange dieses noch Einwirkungsmöglichkeiten auf die Scheine habe, denn auch gelockerter Gewahrsam könne fortbestehen, wenn der Gewahrsamsinhaber zwar eine bestehende Wegnahmesicherung aufgegeben habe, aber dennoch eine Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache bestehen bleibe. Durch die Freigabe der Scheine im Ausgabefach des Automaten verzichte die Bank zwar auf eine Wegnahmesicherung, dennoch wolle sie den Gewahrsam noch nicht aufgeben, was sich schon daraus ableiten lasse, dass die Scheine durch den Automaten wieder gesichert und eingezogen würden, wenn keine Entnahme stattfinde.

Dieser Gewahrsam des Geldinstituts sei durch die Angeklagten auch gegen dessen Willen aufgehoben worden, denn der Wille zur Gewahrsamsübertragung habe sich in diesem Zeitpunkt schon auf den Kunden konkretisiert, der den Automaten mittels Karte und PIN ordnungsgemäß bedient habe.

Zwar komme es bei der rein tatsächlichen Gewahrsamsübertragung – im Gegensatz zur Übereignung – nicht auf die materielle Berechtigung des neuen Gewahrsamsinhabers an. Allerdings sei allgemein anerkannt, dass das Einverständnis zur Gewahrsamsübertragung an Bedingungen gekoppelt werden könne, wenn diese äußerlich erkennbar seien, beispielsweise die ordnungsgemäße Bedienung bei Warenautomaten.

Nach diesen Maßstäben sei auch das Einverständnis der Bank an Bedingungen geknüpft und nur auf denjenigen konkretisiert, der sich durch die Eingabe von Bankkarte und zugehöriger PIN legitimiert und so den Geldausgabevorgang initiiert habe.

Aus diesem Grund sei die Eingabe der Betragshöhe durch die Angeklagten auch unerheblich, denn diese diene nicht der Autorisierung des Vorgangs, sondern nur der zweckmäßigen Abwicklung.

Anmerkung der Redaktion:

Die Entscheidung des 2. Strafsenats finden Sie hier: BGH, Beschl. v. 16.11.2017 – 2 StR 154/17

Dr. Mohamad El-Ghazi hat sich im jurisPR-StrafR mit der Entscheidung befasst: jurisPR-StrafR 6/2018 Anm. 1

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