KriPoZ-RR, Beitrag 87/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 11.11.2020 – 5 StR 124/20: Heimtücke und niedrige Beweggründe

Leitsatz der Redaktion:

Schafft der Täter unter Ausnutzung der Arglosigkeit seines Opfers Bedingungen, die fortwirken und ihm die spätere Tötung erleichtern, kann dies Heimtücke begründen auch, wenn später nicht genau aufgeklärt werden kann, wie die eigentliche Tötung ablief.

Sachverhalt:

Das LG Lübeck hat den Angeklagten wegen Totschlags verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der aus dem Irak stammende Angeklagte eine Beziehung mit seinem späteren Opfer geführt und es auch heiraten wollen. Allerdings war es immer wieder zu Streitereien und Trennungen zwischen den beiden gekommen, da der Angeklagte sehr besitzergreifend und eifersüchtig gewesen war. Insbesondere hatte ihm nicht gefallen, dass sie Kontakt zu einem anderen Mann gehabt hatte.

Nach einer erneuten Trennung und Versöhnung hatte der Angeklagte das Opfer bei einem Treffen mit diesem Mann gesehen. Er war sehr wütend und eifersüchtig gewesen und hatte das Opfer für eine Aussprache mit seinem Auto abgeholt. Seine Hoffnung war, sie noch für sich gewinnen zu können. Gleichzeitig hatte er jedoch für den Fall, dass seine Hoffnungen enttäuscht würden, ein Messer eingesteckt. Nach einer längeren Fahrt hatte der Angeklagte das Fahrzeug in einer unbewohnten, ländlichen Gegend angehalten. Beide waren ausgestiegen und nachdem der Angeklagte hatte erkennen müssen, dass das Opfer kein Interesse mehr an einer Beziehung mit ihm hatte, hatte er sie erstochen und am Straßenrand liegen gelassen. Dabei hatte er nach der Wertung des LG den Tötungsentschluss spontan erst nach dem Verlassen des Wagens gefasst.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, da die Feststellungen des LG rechtsfehlerhaft gewesen seien.

Die Ansicht des LG, dass im Moment der Tat keine Arglosigkeit des Opfers habe festgestellt werden können und der spontane Tötungsentschluss ein bewusstes Ausnutzen einer etwaigen Arglosigkeit durch den Angeklagten ebenfalls fernliegend erscheinen lasse, sei nicht tragbar.

Zum einen spreche zwar für die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke, dass im grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs eine Arglosigkeit des Opfers nicht habe festgestellt werden können. Zum anderen genüge es bei einer geplanten Tat jedoch, wenn die Vorkehrungen, die der Täter ergreife um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, auf der Arglosigkeit des Opfers beruhten und diese im Zeitpunkt der Tötung noch fortwirkten.

Dies habe das LG außer Acht gelassen, indem es nicht erörtert habe, dass das bei Fahrtbeginn arglose Opfer von dem Angeklagten in ein unbewohntes Gebiet verbracht worden sei, wo es seinem Angriff schutzlos ausgeliefert gewesen sei.

Gegen einen spontanen Tatentschluss des Angeklagten spreche zudem, dass er sich mit dem Messer bewaffnet habe.

Auch die Ablehnung der niedrigen Beweggründe sei widersprüchlich, so der BGH.

Die Bewertung der Motivlage als niedrig erfordere eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren. Dabei seien die Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland maßgeblich. Indem das LG wiederum die Spontanität des Tötungsentschlusses als Argument gegen das Mordmerkmal anführe, verkenne es abermals den Umstand, dass sich der Angeklagte vor der Tat gezielt mit dem Messer bewaffnet habe.

 

Anmerkungen der Redaktion:

Zur Beurteilung der Motivlage nach den sittlichen und rechtlichen Werten der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland siehe: BGH, Urt. v. 28.11.2018 – 5 StR 379/18.

Zur Heimtücke bei von langer Hand geplanten Taten siehe: BGH, Beschl. v. 31.07.2018 – 5 StR 296/18.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 46/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 26.03.2020 – 4 StR 134/19: Geplantes Vermögensdelikt während Wehrlosigkeit schließt Heimtücke nicht aus

Amtlicher Leitsatz:

Wer sein argloses Opfer in Tötungsabsicht in eine Falle lockt und es dadurch in eine andauernde wehrlose Lage bringt, tötet auch dann heimtückisch, wenn er die durch die Arglosigkeit herbeigeführte Wehrlosigkeit tatplangemäß vor der Umsetzung seines Tötungsvorhabens zu einem Raub oder einer räuberischen Erpressung ausnutzt.

Sachverhalt:

Das LG Frankenthal hat die Angeklagten G. und Ta. jeweils wegen Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge und Raub mit Todesfolge sowie wegen Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge und räuberischer Erpressung mit Todesfolge verurteilt.

Die Angeklagte T. hat es wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit schwerem Raub sowie wegen Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge und räuberischer Erpressung mit Todesfolge verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatten G. und Ta. die Entführung von Menschen geplant, um sich finanziell zu bereichern. Zu diesem Zweck hatten sie eine Lagerhalle angemietet, mit einer Schallisolierung ausgestattet und verdunkelt. Die Angeklagte T. war von den beiden als Lockvogel gewonnen worden und hatte die Aufgabe, wohlhabende Geschäftsleute unter einem Vorwand in die Halle zu locken, sodass G. und Ta. sie überwältigen und gefangen halten konnten.

Der Tatplan von G. und Ta. hatte zudem von Anfang an vorgesehen, die Opfer nach Erhalt des Geldes zu töten. Davon hatte T. zunächst nichts gewusst, das Vorgehen nach dem ersten Opfer jedoch gebilligt.

Dem Plan folgend hatte T. mehrmals Geschäftsmänner in die Halle gelockt. Diese waren von G. und Ta. überwältigt und zur Herausgabe bzw. Beschaffung von Bargeld gezwungen worden. Anschließend sind die Opfer erdrosselt worden.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Entscheidung des LG.

Zwar sei das LG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Täter zum Mordversuch schon in dem Moment angesetzt haben, als sie die arglosen Opfer in der Lagerhalle überwältigten. Allerdings sei dieser Zeitpunkt auch nicht der maßgebliche zur Beurteilung des Heimtückemerkmals. Nach dem Simultaneitätsprinzip sei lediglich erforderlich, dass sich das Opfer im Zeitpunkt der die Versuchsschwelle überschreitenden Handlung in einem wehrlosen Zustand befindet. Diese Wehrlosigkeit müsse durch Arglosigkeit hervorgerufen worden sein. Jedoch sei es auch ausreichend, dass die Arglosigkeit des Opfers bereits im Vorbereitungsstadium des Mordes zur Schaffung einer wehrlosen Lage ausgenutzt worden sei. Gerade bei Taten, die von langer Hand geplant seien und das Opfer in einen Hinterhalt locken sollen, komme es nicht darauf an, ob das Opfer zu Beginn der Tathandlung noch arglos sei. Relevant sei lediglich, dass die aufgrund von Arglosigkeit geschaffene Wehrlosigkeit des Opfers noch fortdauere und daher die Tötung erleichtere.

Ebenfalls keinen Bedenken begegne die Annahme der Verdeckungsabsicht, da die Tötung zwar schon von Anfang an geplant gewesen sei, dies jedoch bei zweiaktigen Tatgeschehen wie im vorliegenden Fall unproblematisch sei, so der BGH.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 05/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 19.06.2019 – 5 StR 128/19: Keine feindselige Willensrichtung, wenn Tötung dem Willen des Opfers entspricht

Amtlicher Leitsatz:

Einer heimtückischen Tötung kann die feindselige Willensrichtung grundsätzlich nur dann fehlen, wenn sie dem ausdrücklichen Willen des Getöteten entspricht oder – aufgrund einer objektiv nachvollziehbaren und anzuerkennenden Wertung – mit dem mutmaßlichen Willen des zu einer autonomen Entscheidung nicht fähigen Opfers geschieht. Ansonsten hat ein Schuldspruch wegen Mordes zu erfolgen. Anschließend ist zu prüfen, ob aufgrund ganz besonderer schuldmindernder Gesichtspunkte in Anwendung der Grundsätze der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (BGHSt 30, 105) ausnahmsweise eine Berücksichtigung des besonderen Tatmotivs auf der Rechtsfolgenseite geboten ist.“

Sachverhalt:

Der Angeklagte tötete seine arglose Frau während sie schlief, indem er ihr mit einem Hammer gegen den Kopf schlug. Er wollte verhindern, dass die physisch und psychisch vorbelastete Frau erfährt, dass er durch den Verlust seiner Anstellung als Taxifahrer in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten abgerutscht war. Es drohten beiden die Kündigung des Mietvertrags, die Abstellung des Stroms und weitere belastende Maßnahmen aufgrund der aufgehäuften Schulden.

Das Schwurgericht Dresden sah eine heimtückische Tötung nicht als gegeben an, da es an der feindlichen Willensrichtung fehle, und verurteilte den Angeklagten wegen Totschlags.

Entscheidung des BGH:

Die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke halte rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Große Senat habe in seiner Grundsatzentscheidung (BGHSt 30, 105) bindend festgestellt, dass bei Tötungen in heimtückischer Begehungsweise auch außergewöhnliche mildernde Umstände lediglich auf der Rechtsfolgenseite in entsprechender Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB Bedeutung erlangen könnten. Daher könnten die Motive für eine ansonsten heimtückische Tötung – von extremen Ausnahmefällen abgesehen – regelmäßig nicht auf der Tatbestandsseite, sondern lediglich bei der Prüfung der sogenannten Rechtsfolgenlösung berücksichtigt werden.

Ein solcher extremer Ausnahmefall, der eine Einschränkung auf Tatbestandsseite durch Verneinung der feindlichen Willensrichtung erlaube, könne beispielsweise vorliegen, wenn das Opfer zu einer autonomen Willensbildung selbst nicht in der Lage sei und der Täter zu seinem vermeintlich Besten zu handeln glaube. Keinesfalls ausreichend sei allerdings, dass der Täter gegen den ausdrücklich geäußerten Willen des Opfers zu seinem vermeintlich Besten handle oder bewusst davon absehe sein Opfer zu fragen, obwohl es zu einer autonomen Willensbildung in der Lage gewesen wäre. Dies berge das Risiko, dass eigene Vorstellung über Würde und Wert des Lebens eines anderen Menschen vom Täter durchgesetzt würden, obwohl ein solches Werturteil einem anderen Menschen nicht zustehe.

Anmerkung der Redaktion:

Einen ausführlichen Beitrag zur Reform der Tötungsdelikte und der sog. Rechtsfolgenlösung des BGH finden Sie hier.

 

 

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