KriPoZ-RR, Beitrag 41/2023

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 24.5.2023 – 2 StR 320/22: Heimtücke setzt keine Heimlichkeit voraus

Sachverhalt:

Das LG Köln hat den Angeklagten u.a. wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen fuhr der mit einer Schusswaffe bewaffnete Angeklagte am Tattag mit der sich auf dem Beifahrersitz befindlichen Geschädigten im PKW an einen unbekannten Ort. In Tötungsabsicht schoss der Angeklagte der Geschädigten zwei Mal in den Kopf, woraufhin diese verstarb. Hierbei befand sich der Angeklagte in maximal einem Meter Abstand zur Geschädigten außerhalb des PKW. Nicht feststellbar waren Reihenfolge und zeitliche Abstände der beiden Schüsse. Das Vorliegen des Mordmerkmals der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe hat das LG abgelehnt. Gegen die Entscheidung haben die Nebenkläger Rechtsmittel eingelegt.

Entscheidung des BGH:

Die zulässigen Revisionen haben Erfolg. Rechtsfehlerhaft habe das LG Köln eine heimtückische Begehungsweise verneint, indem es den Zeitpunkt des ersten Schusses zugrunde gelegt habe und damit das Mordmerkmal zu eng ausgelegt habe. Der Strafsenat führt aus, dass es – nach stetiger Rechtsprechung – für die Heimtücke einer Arglosigkeit, hierauf beruhende Wehrlosigkeit und feindseliger Willensrichtung bedarf. Arglos sei ein Opfer auch bei eingeschränkter Verteidigungs- oder Fluchtmöglichkeit. Relevanter Zeitpunkt sei dabei nicht, wie vom LG Köln fehlerhaft angenommen, der Beginn der eigentlichen Tötungshandlung. Vielmehr sei „der Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs“ maßgeblich. Das bedeutet, ein heimtückisches Vorgehen könne auch in Vorkehrungen liegen, sofern die Umstände bei der Tat noch fortwirken. Darüber hinaus stellt der Strafsenat fest, dass ein heimliches Vorgehen kein Erfordernis für heimtückisches Handeln sei. Es komme auf die Verteidigungs- und Fluchtmöglichkeiten des Opfers gegen den dem Opfer feindselig gegenübertretenden Angreifer an. Dies sei vorliegend nicht ausreichend berücksichtigt worden. 

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dabei sind insbesondere weitere Erkenntnisse zum Tathergang im Hinblick auf die Flucht- und Verteidigungsmöglichkeiten der Geschädigten zu erlangen sowie das Vorliegen niedriger Beweggründe zu prüfen, so der BGH.

KriPoZ-RR, Beitrag 87/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 11.11.2020 – 5 StR 124/20: Heimtücke und niedrige Beweggründe

Leitsatz der Redaktion:

Schafft der Täter unter Ausnutzung der Arglosigkeit seines Opfers Bedingungen, die fortwirken und ihm die spätere Tötung erleichtern, kann dies Heimtücke begründen auch, wenn später nicht genau aufgeklärt werden kann, wie die eigentliche Tötung ablief.

Sachverhalt:

Das LG Lübeck hat den Angeklagten wegen Totschlags verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der aus dem Irak stammende Angeklagte eine Beziehung mit seinem späteren Opfer geführt und es auch heiraten wollen. Allerdings war es immer wieder zu Streitereien und Trennungen zwischen den beiden gekommen, da der Angeklagte sehr besitzergreifend und eifersüchtig gewesen war. Insbesondere hatte ihm nicht gefallen, dass sie Kontakt zu einem anderen Mann gehabt hatte.

Nach einer erneuten Trennung und Versöhnung hatte der Angeklagte das Opfer bei einem Treffen mit diesem Mann gesehen. Er war sehr wütend und eifersüchtig gewesen und hatte das Opfer für eine Aussprache mit seinem Auto abgeholt. Seine Hoffnung war, sie noch für sich gewinnen zu können. Gleichzeitig hatte er jedoch für den Fall, dass seine Hoffnungen enttäuscht würden, ein Messer eingesteckt. Nach einer längeren Fahrt hatte der Angeklagte das Fahrzeug in einer unbewohnten, ländlichen Gegend angehalten. Beide waren ausgestiegen und nachdem der Angeklagte hatte erkennen müssen, dass das Opfer kein Interesse mehr an einer Beziehung mit ihm hatte, hatte er sie erstochen und am Straßenrand liegen gelassen. Dabei hatte er nach der Wertung des LG den Tötungsentschluss spontan erst nach dem Verlassen des Wagens gefasst.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, da die Feststellungen des LG rechtsfehlerhaft gewesen seien.

Die Ansicht des LG, dass im Moment der Tat keine Arglosigkeit des Opfers habe festgestellt werden können und der spontane Tötungsentschluss ein bewusstes Ausnutzen einer etwaigen Arglosigkeit durch den Angeklagten ebenfalls fernliegend erscheinen lasse, sei nicht tragbar.

Zum einen spreche zwar für die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke, dass im grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs eine Arglosigkeit des Opfers nicht habe festgestellt werden können. Zum anderen genüge es bei einer geplanten Tat jedoch, wenn die Vorkehrungen, die der Täter ergreife um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, auf der Arglosigkeit des Opfers beruhten und diese im Zeitpunkt der Tötung noch fortwirkten.

Dies habe das LG außer Acht gelassen, indem es nicht erörtert habe, dass das bei Fahrtbeginn arglose Opfer von dem Angeklagten in ein unbewohntes Gebiet verbracht worden sei, wo es seinem Angriff schutzlos ausgeliefert gewesen sei.

Gegen einen spontanen Tatentschluss des Angeklagten spreche zudem, dass er sich mit dem Messer bewaffnet habe.

Auch die Ablehnung der niedrigen Beweggründe sei widersprüchlich, so der BGH.

Die Bewertung der Motivlage als niedrig erfordere eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren. Dabei seien die Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland maßgeblich. Indem das LG wiederum die Spontanität des Tötungsentschlusses als Argument gegen das Mordmerkmal anführe, verkenne es abermals den Umstand, dass sich der Angeklagte vor der Tat gezielt mit dem Messer bewaffnet habe.

 

Anmerkungen der Redaktion:

Zur Beurteilung der Motivlage nach den sittlichen und rechtlichen Werten der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland siehe: BGH, Urt. v. 28.11.2018 – 5 StR 379/18.

Zur Heimtücke bei von langer Hand geplanten Taten siehe: BGH, Beschl. v. 31.07.2018 – 5 StR 296/18.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 85/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 19.08.2020 – 1 StR 474/19Vorsatzanforderungen bei Verdeckungsmorden durch Unterlassen

Amtlicher Leitsatz:

Zum versuchten Verdeckungsmord durch Unterlassen nach Medikamentenverwechslung bei einem Palliativpatienten durch Pflegekräfte.

Sachverhalt:

Das LG Landshut hat die Angeklagten wegen versuchten Mordes verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte die Angeklagte, die als Pflegekraft und Schichtleitung auf einer Palliativstation eines Pflegeheims arbeitet, mit einer mitangeklagten Kollegin die Medikamente zweier Patienten verwechselt.

Dadurch hatte sich der Gesundheitszustand des schwer kranken Opfers verschlechtert. Ob das Medikament letztlich todesursächlich oder -beschleunigend war, hatte nicht mehr festgestellt werden können.

Aus Angst vor Konsequenzen hatte die Angeklagte weder einen Arzt verständigt noch die Falschmedikation dokumentiert.

Nach der Wertung des LG habe sie den Tod des Angeklagten bewusst in Kauf genommen, um ihren Fehler zu vertuschen.

Ein letztlich von einem weiteren Mitangeklagten nach 4 Tagen hinzugerufener Arzt hatte entschieden, den Patienten aufgrund seines schlechten Zustands nur noch palliativmedizinisch zu versorgen. Er war drei Tage später verstorben.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, da der Senat bereits Zweifel am Tötungsvorsatz hatte.

Für bedingten Tötungsvorsatz sei es erforderlich, dass der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkenne (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes eines anderen Menschen abfinde, möge ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement).

Beide Elemente seien unabhängig voneinander zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen. Es müsse eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände stattfinden, bei der insbesondere die Persönlichkeit des Täters und dessen psychische Verfassung bei Tatbegehung, seine Motivation und die Art der Angriffsweise beleuchtet werden müssten.

Diese Grundsätze gölten auch für Unterlassungsdelikte, wobei diese zusätzlich Vorsatz bezüglich der Umstände der Untätigkeit, der physisch-realen Handlungsmöglichkeit, des Erfolgseintritts, der Quasi-Kausalität und der objektiven Zurechnung forderten.

Dabei sei es explizit nicht erforderlich, dass dem Unterlassungstäter bewusst sei, dass der Rettungserfolg mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit eintreten würde. Dies fordere zwar der 5. Strafsenat, stelle damit jedoch zu enge Voraussetzungen auf, so der 1. Senat.

Nach diesen Grundsätzen stelle sich die Beweiswürdigung des Tatgerichts als lückenhaft bezüglich des voluntativen Elements dar.

Das LG habe nicht in den Blick genommen, dass die Angeklagte freiwillig einen anderen Kollegen eingeweiht hatte und diesen gebeten hatte, öfter nach dem Patienten zu sehen. Dies spreche gegen einen bedingten Tötungsvorsatz. Zudem sei es für das Vertuschen des Behandlungsfehlers für die Angeklagte sogar vorteilhaft gewesen, wenn der Patient nicht gestorben wäre.

Daneben sei auch die Annahme des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht nicht genügend begründet. Zwar seien die rechtlichen Maßstäbe zutreffend vom LG bestimmt worden, da es richtigerweise angenommen habe, dass die Verdeckungshandlung nach Tätervorstellung Mittel der Verdeckung sein soll auch, wenn der Tod des Opfers vom Täter nicht direkt angestrebt sondern nur in Kauf genommen werde.

Hier habe das LG nicht berücksichtigt, dass die Angeklagte möglicherweise auch aus Mitleid den Tod des Opfers begrüßte, um sein Leiden beendet zu wissen. Dieses weitere Motive habe das Tatgericht dann jedoch nicht in die nötige Gesamtbetrachtung eingestellt.

 

Anmerkung der Redaktion:

Die Entscheidung des 5. Strafsenats zu den höheren Anforderungen an den Vorsatz bezüglich der Rettungsmöglichkeit finden Sie hier.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 46/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 26.03.2020 – 4 StR 134/19: Geplantes Vermögensdelikt während Wehrlosigkeit schließt Heimtücke nicht aus

Amtlicher Leitsatz:

Wer sein argloses Opfer in Tötungsabsicht in eine Falle lockt und es dadurch in eine andauernde wehrlose Lage bringt, tötet auch dann heimtückisch, wenn er die durch die Arglosigkeit herbeigeführte Wehrlosigkeit tatplangemäß vor der Umsetzung seines Tötungsvorhabens zu einem Raub oder einer räuberischen Erpressung ausnutzt.

Sachverhalt:

Das LG Frankenthal hat die Angeklagten G. und Ta. jeweils wegen Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge und Raub mit Todesfolge sowie wegen Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge und räuberischer Erpressung mit Todesfolge verurteilt.

Die Angeklagte T. hat es wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit schwerem Raub sowie wegen Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge und räuberischer Erpressung mit Todesfolge verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatten G. und Ta. die Entführung von Menschen geplant, um sich finanziell zu bereichern. Zu diesem Zweck hatten sie eine Lagerhalle angemietet, mit einer Schallisolierung ausgestattet und verdunkelt. Die Angeklagte T. war von den beiden als Lockvogel gewonnen worden und hatte die Aufgabe, wohlhabende Geschäftsleute unter einem Vorwand in die Halle zu locken, sodass G. und Ta. sie überwältigen und gefangen halten konnten.

Der Tatplan von G. und Ta. hatte zudem von Anfang an vorgesehen, die Opfer nach Erhalt des Geldes zu töten. Davon hatte T. zunächst nichts gewusst, das Vorgehen nach dem ersten Opfer jedoch gebilligt.

Dem Plan folgend hatte T. mehrmals Geschäftsmänner in die Halle gelockt. Diese waren von G. und Ta. überwältigt und zur Herausgabe bzw. Beschaffung von Bargeld gezwungen worden. Anschließend sind die Opfer erdrosselt worden.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Entscheidung des LG.

Zwar sei das LG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Täter zum Mordversuch schon in dem Moment angesetzt haben, als sie die arglosen Opfer in der Lagerhalle überwältigten. Allerdings sei dieser Zeitpunkt auch nicht der maßgebliche zur Beurteilung des Heimtückemerkmals. Nach dem Simultaneitätsprinzip sei lediglich erforderlich, dass sich das Opfer im Zeitpunkt der die Versuchsschwelle überschreitenden Handlung in einem wehrlosen Zustand befindet. Diese Wehrlosigkeit müsse durch Arglosigkeit hervorgerufen worden sein. Jedoch sei es auch ausreichend, dass die Arglosigkeit des Opfers bereits im Vorbereitungsstadium des Mordes zur Schaffung einer wehrlosen Lage ausgenutzt worden sei. Gerade bei Taten, die von langer Hand geplant seien und das Opfer in einen Hinterhalt locken sollen, komme es nicht darauf an, ob das Opfer zu Beginn der Tathandlung noch arglos sei. Relevant sei lediglich, dass die aufgrund von Arglosigkeit geschaffene Wehrlosigkeit des Opfers noch fortdauere und daher die Tötung erleichtere.

Ebenfalls keinen Bedenken begegne die Annahme der Verdeckungsabsicht, da die Tötung zwar schon von Anfang an geplant gewesen sei, dies jedoch bei zweiaktigen Tatgeschehen wie im vorliegenden Fall unproblematisch sei, so der BGH.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 43/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 19.05.2020 – 4 StR 140/20: Hafterschleichung durch Tötungsdelikt kann Habgier erfüllen

Leitsatz der Redaktion:

Der Versuch, durch ein Tötungsdelikt die eigene Inhaftierung mit dem Ziel der staatlichen Versorgung zu erreichen, kann das Mordmerkmal der Habgier begründen.

Sachverhalt:

Das LG Oldenburg hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte einen Fahrradfahrer mit seinem Auto angefahren und dessen Tod billigend in Kauf genommen, um so seine Inhaftierung zu erreichen. Sein Ziel war es gewesen durch die Inhaftierung langfristig Unterkunft, Verpflegung und Krankenversorgung zu erhalten.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Verurteilung durch das LG, da das Mordmerkmal der Habgier zutreffend angenommen worden sei.

Der Angeklagte habe versucht, sein Vermögen durch die Tötung zu vermehren, da er eine staatliche Versorgung angestrebt habe. Diese sei sein Hauptmotiv gewesen, sodass die mit der Inhaftierung verbundenen Einschränkungen nicht ins Gewicht fielen. Es sei zudem nicht erforderlich, dass der Vermögensvorteil aus dem Vermögen des Opfers stamme. Schließlich sei es ebenfalls irrelevant, dass der Angeklagte den Vermögensvorteil auch auf legalem Weg hätte erreichen können, so der BGH.

Die Tötung müsse aus Sicht des Täters nicht das einzige Mittel sein, um den Vermögensvorteil zu erreichen.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 05/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 19.06.2019 – 5 StR 128/19: Keine feindselige Willensrichtung, wenn Tötung dem Willen des Opfers entspricht

Amtlicher Leitsatz:

Einer heimtückischen Tötung kann die feindselige Willensrichtung grundsätzlich nur dann fehlen, wenn sie dem ausdrücklichen Willen des Getöteten entspricht oder – aufgrund einer objektiv nachvollziehbaren und anzuerkennenden Wertung – mit dem mutmaßlichen Willen des zu einer autonomen Entscheidung nicht fähigen Opfers geschieht. Ansonsten hat ein Schuldspruch wegen Mordes zu erfolgen. Anschließend ist zu prüfen, ob aufgrund ganz besonderer schuldmindernder Gesichtspunkte in Anwendung der Grundsätze der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (BGHSt 30, 105) ausnahmsweise eine Berücksichtigung des besonderen Tatmotivs auf der Rechtsfolgenseite geboten ist.“

Sachverhalt:

Der Angeklagte tötete seine arglose Frau während sie schlief, indem er ihr mit einem Hammer gegen den Kopf schlug. Er wollte verhindern, dass die physisch und psychisch vorbelastete Frau erfährt, dass er durch den Verlust seiner Anstellung als Taxifahrer in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten abgerutscht war. Es drohten beiden die Kündigung des Mietvertrags, die Abstellung des Stroms und weitere belastende Maßnahmen aufgrund der aufgehäuften Schulden.

Das Schwurgericht Dresden sah eine heimtückische Tötung nicht als gegeben an, da es an der feindlichen Willensrichtung fehle, und verurteilte den Angeklagten wegen Totschlags.

Entscheidung des BGH:

Die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke halte rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Große Senat habe in seiner Grundsatzentscheidung (BGHSt 30, 105) bindend festgestellt, dass bei Tötungen in heimtückischer Begehungsweise auch außergewöhnliche mildernde Umstände lediglich auf der Rechtsfolgenseite in entsprechender Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB Bedeutung erlangen könnten. Daher könnten die Motive für eine ansonsten heimtückische Tötung – von extremen Ausnahmefällen abgesehen – regelmäßig nicht auf der Tatbestandsseite, sondern lediglich bei der Prüfung der sogenannten Rechtsfolgenlösung berücksichtigt werden.

Ein solcher extremer Ausnahmefall, der eine Einschränkung auf Tatbestandsseite durch Verneinung der feindlichen Willensrichtung erlaube, könne beispielsweise vorliegen, wenn das Opfer zu einer autonomen Willensbildung selbst nicht in der Lage sei und der Täter zu seinem vermeintlich Besten zu handeln glaube. Keinesfalls ausreichend sei allerdings, dass der Täter gegen den ausdrücklich geäußerten Willen des Opfers zu seinem vermeintlich Besten handle oder bewusst davon absehe sein Opfer zu fragen, obwohl es zu einer autonomen Willensbildung in der Lage gewesen wäre. Dies berge das Risiko, dass eigene Vorstellung über Würde und Wert des Lebens eines anderen Menschen vom Täter durchgesetzt würden, obwohl ein solches Werturteil einem anderen Menschen nicht zustehe.

Anmerkung der Redaktion:

Einen ausführlichen Beitrag zur Reform der Tötungsdelikte und der sog. Rechtsfolgenlösung des BGH finden Sie hier.

 

 

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