Die Entscheidung im Original finden Sie hier.
BGH, Urt. v. 24.5.2023 – 2 StR 320/22: Heimtücke setzt keine Heimlichkeit voraus
Sachverhalt:
Das LG Köln hat den Angeklagten u.a. wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen fuhr der mit einer Schusswaffe bewaffnete Angeklagte am Tattag mit der sich auf dem Beifahrersitz befindlichen Geschädigten im PKW an einen unbekannten Ort. In Tötungsabsicht schoss der Angeklagte der Geschädigten zwei Mal in den Kopf, woraufhin diese verstarb. Hierbei befand sich der Angeklagte in maximal einem Meter Abstand zur Geschädigten außerhalb des PKW. Nicht feststellbar waren Reihenfolge und zeitliche Abstände der beiden Schüsse. Das Vorliegen des Mordmerkmals der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe hat das LG abgelehnt. Gegen die Entscheidung haben die Nebenkläger Rechtsmittel eingelegt.
Entscheidung des BGH:
Die zulässigen Revisionen haben Erfolg. Rechtsfehlerhaft habe das LG Köln eine heimtückische Begehungsweise verneint, indem es den Zeitpunkt des ersten Schusses zugrunde gelegt habe und damit das Mordmerkmal zu eng ausgelegt habe. Der Strafsenat führt aus, dass es – nach stetiger Rechtsprechung – für die Heimtücke einer Arglosigkeit, hierauf beruhende Wehrlosigkeit und feindseliger Willensrichtung bedarf. Arglos sei ein Opfer auch bei eingeschränkter Verteidigungs- oder Fluchtmöglichkeit. Relevanter Zeitpunkt sei dabei nicht, wie vom LG Köln fehlerhaft angenommen, der Beginn der eigentlichen Tötungshandlung. Vielmehr sei „der Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs“ maßgeblich. Das bedeutet, ein heimtückisches Vorgehen könne auch in Vorkehrungen liegen, sofern die Umstände bei der Tat noch fortwirken. Darüber hinaus stellt der Strafsenat fest, dass ein heimliches Vorgehen kein Erfordernis für heimtückisches Handeln sei. Es komme auf die Verteidigungs- und Fluchtmöglichkeiten des Opfers gegen den dem Opfer feindselig gegenübertretenden Angreifer an. Dies sei vorliegend nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dabei sind insbesondere weitere Erkenntnisse zum Tathergang im Hinblick auf die Flucht- und Verteidigungsmöglichkeiten der Geschädigten zu erlangen sowie das Vorliegen niedriger Beweggründe zu prüfen, so der BGH.