KriPoZ-RR, Beitrag 17/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 28.01.2020 – 4 StR 303/19: Keine teleologische Reduktion des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG

Amtlicher Leitsatz:

Zur Ablehnung einer teleologischen Reduktion des Tatbestands des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.

Sachverhalt:

Das LG Bielefeld hat den Angeklagten wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit bewaffnetem unerlaubten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte verschiedene Betäubungsmittel in nicht geringer Menge in seiner Wohnung vorrätig gehalten, um sie teils selbst zu konsumieren und teils zu veräußern.

Diese waren bei einer Wohnungsdurchsuchung neben zwei Teleskopschlagstöcken, einem Jagd- und einem Springmesser sowie einer halbautomatischen Schreckschusspistole sichergestellt worden. Zeitgleich hatte der Angeklagte auch eine weitere Bestellung von Betäubungsmittel bei seinem Lieferanten aufgegeben, was dazu geführt hatte, dass der Kurier ebenfalls von der Polizei festgesetzt werden konnte.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Verurteilung des Angeklagten wegen § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, da es für den Tatbestand ausreiche, dass dem Täter die Schusswaffe oder der gefährliche Gegenstand während eines Teilakts (hier der Bestellung bei seinem Lieferanten) der Tatbestandsverwirklichung zur Verfügung gestanden habe. Eine Verwendungsabsicht fordere die Qualifikation gerade nicht.

Ebenfalls sei eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs nicht angezeigt.

Telos der Norm sei es, die erhöhte Gefährlichkeit zu adressieren, die von einem Täter bei einem Akt des Betäubungsmittelhandels ausgehe, der jederzeit Zugriff auf eine Waffe habe. Daher schütze die Qualifikation nicht nur das Rechtsgut der Volksgesundheit, sondern darüber hinaus als abstraktes Gefährdungsdelikt auch das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Personen, die gewollt oder ungewollt mit dem Täter während des Umsatzgeschäfts in Kontakt kämen.

Dabei sei dem Gesetzgeber bei der Einführung des Tatbestandes die weite Auslegung des Handeltreibens in der Rechtsprechung bekannt gewesen, was schon gegen eine einschränkende Auslegung spreche.

Zudem seien keine klaren Kriterien ersichtlich, anhand derer eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Norm festgemacht werden könne, so der BGH.

Eine Begrenzung auf Konstellationen, in denen ein zeitgleicher Zugriff auf die Waffe bestanden habe, würde bewaffnete und nicht am Umsatzgeschäft unmittelbar beteiligte Hintermänner privilegieren.

Da die Norm alle Personen schützen solle, die mit dem Täter während des Handeltreibens in Kontakt kämen, scheide auch eine Begrenzung auf vom Täter gewollte Begegnungen mit Dritten unter dem Gesichtspunkt der Gefährlichkeit aus. Auch oder gerade die ungewollten Begegnungen von Dritten mit einem bewaffneten Täter, böten gefährliches Eskalationspotential.

Zudem habe der Gesetzgeber den Tatbestand bewusst als abstraktes und gerade nicht als konkretes Gefährdungsdelikt ausgestaltet, um das Erfordernis einer gefährlichen Situation im Einzelfall mit einer bevorstehenden Rechtsgutsverletzung auszuschließen.

Für eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs bestehe auch deshalb kein Bedürfnis, da atypische Fallkonstellationen mit geringem Schuldumfang des Täters über § 30a Abs. 3 BtMG erfasst werden könnten.

Lediglich die konkurrenzrechtliche Bewertung durch das LG sei rechtsfehlerhaft, da der Waffenbesitz beide Taten des bewaffneten Handeltreibens zu einer Tateinheit verknüpfe.

 

Anmerkung der Redaktion:

Überlegungen, Fälle, bei denen keine Gefahr für das geschützte Rechtsgut bestand, von der Strafbarkeit der Qualifikation auszunehmen, finden sich beispielsweise in BGH, Urt. v. 14.08.2018 – 1 StR 149/18 und BGH, Beschl. v. 03.04.2002 – 1 ARs 14/02.

 

 

 

 

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