KriPoZ-RR, Beitrag 45/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 20.05.2021 – 3 StR 302/20: Zu den Tathandlungen der Terrorismusfinanzierung

Amtliche Leitsätze:

  1. Die Tathandlung des Sammelns umfasst neben dem Einsammeln bei anderen Personen das Zusammentragen im Sinne eines Ansammelns.

  2. Die bloße Umwidmung vorhandenen, gegebenenfalls zu anderen Zwecken gesammelten Vermögens begründet keine Strafbarkeit wegen Terrorismusfinanzierung.

  3. Ein Entgegennehmen im Sinne des § 89c Abs. 2 StGB liegt nicht vor, wenn im Rahmen eines Austauschverhältnisses erworbene Vermögenswerte durch eine Gegenleistung kompensiert werden und deshalb keinen Vermögenszuwachs zur Folge haben.

Sachverhalt:

Das LG Aachen hat den Angeklagten wegen Terrorismusfinanzierung zu einer Jugendstrafe verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte den Plan gefasst sich in Ägypten dem „Islamischen Staat“ anzuschließen. Um das Flugticket dorthin bezahlen zu können, hatte er ein Mobiltelefon verkauft und den Restbetrag aus zu Geschäftszwecken angesparten 1.000€ beglichen.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, da der Angeklagte keine Vermögenswerte im Sinne des § 89c Abs. 2 Var. 1 StGB gesammelt habe.

Sammeln sei das auf eine größere Menge gerichtete Zusammentragen verschiedener Gegenstände durch das Einsammeln bei anderen Personen oder das Zusammentragen im Sinne eines Ansammelns, so der BGH. Ein solches weites Verständnis der Tathandlung sei aufgrund des Gesetzeszwecks geboten, denn dieser sei es, künftigen Taten die materielle Grundlage zu entziehen, was nicht gelänge, wenn nur das Einsammeln bei dritten Personen tatbestandsmäßig wäre.

Dadurch werde der Tatbestand auch nicht zu sehr ausgedehnt, da er auf subjektiver Seite eine Einschränkung durch das Absichtserfordernis in Absatz 2 erfahre. Tatbestandsmäßig seien nämlich nur solche Sammel-Handlungen, die der Täter schon in der Absicht, eine Katalogtat zu begehen, vorgenommen habe. Fasse er diesen Entschluss erst, wenn die Vermögenswerte bereits vorhanden sind und sollen diese dann umgewidmet werden, erfülle dies den Tatbestand gerade nicht.

Da der Angeklagte nur zwei bei ihm bereits vor seinem Ausreiseentschluss vorhandene Vermögenswerte zusammengeführt habe, habe er den Tatbestand nicht erfüllt.

Ebenfalls sei eine Strafbarkeit wegen Entgegennahme eines Vermögenswerts nach § 89c Abs. 2 Variante 2 StGB nicht zu sehen. Zwar habe der Angeklagte Vermögenswerte in Form des Verkaufserlöses und des Tickets entgegengenommen, für diese habe er aber jeweils eine Gegenleistung weggegeben, sodass aus den Geschäften kein Vermögenszuwachs resultiert habe. Ein solcher sei allerdings im Rahmen einer einschränkenden Auslegung des Tatbestands zu fordern, so der BGH.

Dies ergebe sich daraus, dass von einem Güterumsatz, der keinen Vermögenszuwachs beim Täter bewirke, keine erhöhte Gefahr für das vom Tatbestand geschützte Rechtsgut ausgehe. Dies könnte zwar der Fall sein, wenn der Täter sich beispielsweise durch einen Güterumsatz konkrete Anschlagsmittel zulege. Allerdings sei für diesen Spezialfall § 89a Abs. 2 Nr. 2 und 3 StGB geschaffen. Würde man nun das Erhalten eines Anschlagsmittels auch ohne Vermögenszuwachs immer als Terrorismusfinanzierung bestrafen, liefe der Spezialtatbestand mit seinen zusätzlichen Anforderungen an die erworbenen Gegenstände weitgehend leer.

 

Anmerkung der Redaktion:

Der Gesetzgeber versucht, die Terrorismusfinanzierung durch einen besseren Austausch von Finanzinformationen zu bekämpfen. Das Gesetz zur europäischen Vernetzung der Transparenzregister und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1153 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Nutzung von Finanzinformationen für die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen schweren Straftaten (Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz) wurde am 25. Juni 2021 beschlossen.

Einen Artikel zum neuen Terrorismusstrafrecht von Prof. Dr. Jens Puschke finden Sie hier.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 27/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 12.11.2020 – 3 StR 31/20: Zur Wesentlichkeit von Gegenständen oder Stoffen für die Herstellung eines Kampfmittels

Amtliche Leitsätze:

a) Wesentlich im Sinne des § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB sind nur solche Gegenstände oder Stoffe, die im Falle ihrer Zusammenfügung oder technischen Manipulation ein taugliches Kampfmittel oder eine taugliche Vorrichtung im Sinne des § 89a Abs. 2 Nr. 2 StGB ergeben. Ob die Grenze der Wesentlichkeit überschritten ist, ist stets im Wege einer wertenden Gesamtschau des Einzelfalls zu beurteilen.

Dabei ist einerseits zu vermeiden, dass bereits der Erwerb oder Besitz eines einzelnen Gegenstands mit einem alltäglichen Verwendungszweck vom Tatbestand erfasst wird; andererseits verhindert insbesondere das Fehlen von Kleinteilen von untergeordneter Bedeutung die Verwirklichung des Tatbestands nicht.

b) § 89c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und § 91 Abs. 1 Nr. 2 StGB sind – insbesondere mit Blick

auf das Bestimmtheitsgebot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – verfassungsgemäß.

c) Bei elektronischen Schriften setzt ein Sichverschaffen im Sinne des § 91 Abs. 1 Nr. 2 StGB ein Herunterladen und Speichern der Anleitungsschrift nicht voraus. Ausreichend, aber auch erforderlich ist ein intellektueller Bezug der Schrift im Sinne eines „Sich-Kenntnis-Verschaffens“.

Sachverhalt:

Das LG München I hat den Angeklagten wegen Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte sich, ohne es auf seinem Laptop zu speichern, vertieft mit einem Tutorial zur Herstellung einer Bombe auseinandergesetzt, woraufhin er dann eine Skizze zur Herstellung des Sprengstoffs Triacetontriperoxid angefertigt hatte. Er hatte einige der Teile für die Sprengstoffvorrichtung in seinem Keller verwahrt, war jedoch nicht im Besitz der erforderlichen Grundsubstanzen Aceton und Wasserstoffperoxid gewesen. Ziel des Angeklagten war es gewesen, einen Sprengstoffanschlag auf Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zu begehen.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob den Schuldspruch auf, da das LG seiner Kognitionspflicht nicht abschließend nachgekommen sei.

Rechtsfehlerfrei sei das Absehen von einer Verurteilung wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gewesen, da die vom Angeklagten verwahrten Gegenstände nicht wesentlich für den Bau eines Kampfmittels i.S.d. § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB gewesen seien, so der BGH.

Dafür spräche neben dem Wortlaut auch das systematische Argument, dass die verschiedenen Tatbestandsvarianten mit gleicher Strafandrohung auch einen ähnlichen Unwertgehalt aufweisen müssten. Würde man nun Abs. 2 Nr. 3 StGB extensiv dahingehend auslegen, dass schon unvollständige Vorrichtungsteile als wesentlich anzusehen wären, wäre der Unwertgehalt deutlich geringer.

Dennoch sei die Wesentlichkeit anhand einer wertenden Gesamtschau im Einzelfall zu beurteilen, da nur dies dem Telos der Norm, nämlich in das Vorfeld eines möglichen Terroranschlags hineinzureichen und ein frühzeitiges Eingreifen des Strafrechts zu gewährleisten, gerecht werde.

Dabei sei jedoch einerseits zu vermeiden, dass bereits der Erwerb oder Besitz eines einzelnen Gegenstands mit einem alltäglichen Verwendungszweck, wie ein Wecker oder ein Mobiltelefon, als mögliche Zündvorrichtung vom Tatbestand erfasst werde. Andererseits verhindere insbesondere das Fehlen von Kleinteilen von untergeordneter Bedeutung, wie Schrauben oder Drähte, die Verwirklichung des Tatbestands nicht, so der BGH.

Rechtsfehlerhaft sei jedoch, dass das LG die naheliegende Strafbarkeit wegen Terrorismusfinanzierung (§ 89c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB) nicht in den Blick genommen habe. Der Tatbestand sei verfassungsgemäß, da er dem Bestimmtheitsgebot (Art. 20 Abs. 3, 103 Abs. 2 GG) und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung trage.

Da nach der neuen Gesetzesfassung als Vermögenswerte auch geringwertige bewegliche und unbewegliche Sachen mit wirtschaftlichem Wert vom Tatbestand umfasst seien, liege eine Strafbarkeit des Angeklagten, der sich eine Metallschachtel mit 26 Metallkugeln, Streichhölzer, zwei Portionierungsspritzen, eine Leuchtdiode mit angelöteten Kabeln sowie Schwefelsäure verschafft hatte, nahe.

 

Anmerkung der Redaktion:

Zum reformierten Terrorismusstrafrecht finden Sie einen Aufsatz von Prof. Dr. Jens Puschke in der KriPoZ 2018, 101 ff.

 

 

 

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