KriPoZ-RR, Beitrag 11/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 27.01.2021 – StB 44/20: Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht bei Berufsgeheimnisträgern (Wirecard-Untersuchungsausschuss)

Amtliche Leitsätze:

1. Grundsätzlich sind diejenigen Personen dazu befugt, einen Berufsgeheimnisträger von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, die zu jenem in einer geschützten Vertrauensbeziehung stehen. Hierunter fallen im Rahmen eines Mandatsverhältnisses mit einem Wirtschaftsprüfer regelmäßig nur der oder die Auftraggeber.

2. Für eine juristische Person können diejenigen die Entbindungserklärung abgeben, die zu ihrer Vertretung zum Zeitpunkt der Zeugenaussage berufen sind.

3. Ist über das Vermögen der juristischen Person das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt worden, ist dieser berechtigt, soweit das Vertrauensverhältnis Angelegenheiten der Insolvenzmasse betrifft.

Sachverhalt:

Der zur Untersuchung der Geschehnisse im sog. Wirecard-Skandal eingesetzte Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages (Wirecard-Untersuchungsausschuss) verhängte gegen den Antragsteller, den als Zeugen geladenen Wirtschaftsprüfer der Wirecard AG, ein Ordnungsgeld in Höhe von 1000€.

Die Entscheidung begründete der Untersuchungsausschuss damit, dass der Antragsteller sich unberechtigter Weise auf sein Zeugnisverweigerungsrecht aus § 22 Abs. 1 PUAG i.V.m. § 53 StPO berufen hätte.

Er war vom Insolvenzverwalter der Wirecard AG und deren aktuellen Vorstand sowie Aufsichtsrat von seiner Schweigepflicht entbunden worden, war allerdings davon ausgegangen, dass für eine wirksame Entbindung von der Schweigepflicht bei einer juristischen Person auch eine entsprechende Erklärung der ehemaligen Organe vorliegen müsse.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob den Ordnungsgeldbeschluss auf, da zwar eine wirksame Entbindung von der Schweigepflicht vorgelegen und der Antragsteller sein Zeugnis daher unberechtigt verweigert habe, jedoch habe es an schuldhaftem Handeln seinerseits gefehlt.

Die mangels vorangegangener gerichtlicher Entscheidung als Antrag auf gerichtliche Entscheidung auszulegende Beschwerde des Antragstellers sei zulässig, da der BGH gemäß § 36 Abs. 1 PUAG für Rechtsstreitigkeiten unter Beteiligung eines Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages zuständig sei, wenn eine Zuständigkeit des BVerfG nicht gegeben sei.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei auch begründet.

Zwar habe der Antragsteller sein Zeugnis ohne gesetzlichen Grund gemäß § 27 Abs. 1 PUAG verweigert. Eine wirksame Entbindung von der Schweigepflicht als Wirtschaftsprüfer habe vorgelegen. Dazu führte der Senat aus, dass grundsätzlich die Personen einen Wirtschaftsprüfer von seiner Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbinden können, die in einer geschützten Vertrauensbeziehung zu diesem stünden, also regelmäßig der Auftraggeber.

Handele es sich bei dem Auftraggeber um eine juristische Person, falle diese Kompetenz den vertretungsberechtigten Personen im Zeitpunkt der Zeugenaussage zu. Der Insolvenzverwalter sei ebenfalls berechtigt, die Entbindungserklärung abzugeben, soweit das Vertrauensverhältnis Angelegenheiten der Insolvenzmasse betreffe.

Seine Entscheidung begründete der BGH damit, dass eine explizite Regelung zu der Frage, wer eine Entpflichtungserklärung abgeben dürfe, nicht bestehe. Allerdings gebiete es der Sinn und Zweck der Verschwiegenheitsverpflichtung, dass nur derjenige eine Befreiung erteilen könne, gegenüber dem die Verpflichtung bestehe und der von ihr geschützt werden solle.

Dafür sei auf die jeweiligen berufsrechtlichen Regelungen abzustellen. Bei Wirtschaftsprüfern schütze die allgemeine berufsrechtliche Pflicht zur Verschwiegenheit aus § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO regelmäßig nur den Auftraggeber, was diesem auch das Recht verschaffe, über die Entpflichtung zu entscheiden.

Ist der Auftraggeber eine juristische Person und sind innerhalb des berufsbezogenen Vertrauensverhältnisses natürliche Personen tätig geworden, bedürfe es deren Entbindungserklärung grundsätzlich nicht, so der BGH. Diesen Personen gegenüber schulde der Wirtschaftsprüfer kein besonderes Vertrauen allein aus dem Umstand, dass sie für die juristische Person handelten.

Der Antragsteller hätte somit das Zeugnis nicht aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht verweigern dürfen, er habe jedoch ohne Schuld gehandelt, da es nach gewissenhafter juristischer Prüfung bisher keine abschließende Antwort auf die oben angesprochenen Rechtsfragen gegeben habe. Damit habe er sich bei Verweigerung der Aussage in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden und könne somit nicht mit einem Ordnungsgeld belegt werden.

 

Anmerkung der Redaktion:

Der sog. Wirecard-Skandal hatte zu einer erheblichen kriminalpolitischen Diskussion und letztlich zu Reformbestrebungen hinsichtlich der Finanzaufsicht geführt. Die Bundesregierung hat daraufhin das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität beschlossen.

 

 

 

 

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