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Effektivität, Effizienz und Pragmatismus: Eine rechtsvergleichende Analyse staatsanwaltlicher Strafverfolgung in den Niederlanden und in Deutschland

von Dr. Robin Hofmann

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Abstract
In Deutschland wie in den Niederlanden wird eine effektive Strafverfolgung zunehmend als wichtiger Indikator für einen funktionsfähigen Rechtsstaat betrachtet. In beiden Länder ist die staatsanwaltliche Strafverfolgung, im Hinblick auf dieses „Effektivitätsdogma“ unterschiedlich ausgestaltet. Im europäischen Vergleich gilt die niederländische Strafverfolgungspraxis als effizient und pragmatisch. Der Beitrag untersucht relevante Aspekte der Strafverfolgung in den Niederlanden und vergleicht diese mit der Strafverfolgung in Deutschland, respektive der Nordrhein-Westfalens. Dafür werden verschiedene Effizienzindikatoren wie die personelle Ausstattung, Verfahrenserledigungen und Verfahrensdauer der Staatsanwaltschaften beider Länder empirisch untersucht. Zudem fließen Besonderheiten des niederländischen Strafrechtspraxis, wie die Auslegung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes und des Opportunitätsprinzips, die Arbeitsstrafe sowie kurze Freiheitsstrafen in die Analyse mit ein. Im direkten Vergleich zeigt sich, dass die niederländische Strafverfolgung in vielerlei Hinsicht bemerkenswert pragmatisch ist. Pragmatismus ist jedoch nicht mit Effektivität gleichzusetzen. Dies gilt insbesondere, zieht man das Vertrauen der Bürger in eine Strafverfolgung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in Betracht.

In both Germany and the Netherlands, effective law enforcement is increasingly considered as an important indicator for the functioning of the rule of law. In both countries, prosecution practices as well as the criminal procedural laws are structured differently with regard to this „dogma of effectiveness“. Compared to other EU member states, the Dutch criminal law system can be described as efficient and pragmatic. The article examines relevant aspects of the criminal prosecution in the Netherlands and compares them with those in Germany and Northrhine-Westphalia in particular. For this purpose, various efficiency indicators, such as prosecution staff, conviction rates and the duration of proceedings in both countries are empirically and comparatively analyzed. In addition, peculiar features of the Dutch criminal law practice are examined, such as the principles of immediacy and opportunity, the application of community sanctions as well as short prison sentences. A direct comparison shows that the Dutch criminal prosecution is, in many respects, remarkably pragmatic. However, pragmatism is not synonymous with effectiveness. This is particularly true if one takes into account citizens’ trust in a criminal prosecution according to the rule of law.

I. Einleitung

Die Effektivität der Strafverfolgung und Justiz ist zum Goldstandard eines funktionierenden Rechtsstaats geworden. Das aus der Ökonomie entlehnte Effektivitätskonzept findet seine strafrechtspolitische Konkretisierung in verschiedenen Ausprägungen, wie etwa dem Konzentrationsprinzip, dem Beschleunigungsgrundsatz oder der Prozessökonomie im Allgemeinen. Der Geist der Effektivität durchweht auch die im November vom Bundestag beschlossene Reform zur Modernisierung des Strafverfahrens, in der es vor allem um Beschleunigung und Vereinfachung geht.[1] Kritiker sprechen von einer „Eilkrankheit“, die den Strafprozess erfasst habe, und sehen vor allem Verkürzungen der Verteidigungsrechte als Kollateralschäden des Effektivitätsdogmas.[2] Die Debatte, in der es um nicht weniger als die Funktionsfähigkeit der Justiz zu gehen scheint, ist keineswegs neu.[3] Überdies sehen sich Strafverfolgungsbehörden wie Polizei und Staatsanwaltschaften einem steigenden Effektivitätsdruck ausgesetzt. Zahlreiche Studien behandeln die Effektivität als wichtigen Indikator für Funktion und Vertrauen der Bürger in Polizei und Justiz. Der Viktimisierungssurvey des Bundeskriminalamts stellte 2017 etwa einen direkten Zusammenhang zwischen einer als effektiv bewerteten Polizei und Justiz und dem Vertrauen der Bürger in diese her.[4] Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Bochumer Studie zum subjektiven Sicherheitsempfinden der Bürger. Darin wird die Nichtanzeige von Diebstählen zu einem beträchtlichen Teil auf die mangelnden Erfolgsaussichten bei der Aufklärung zurückgeführt, mithin auf die Ineffektivität der Ermittlungsbehörden.[5] Dass in der Frage nach der Effektivität auch erhebliches Skandalisierungspotential steckt, zeigt eine kürzlich von einer überregionalen Boulevardzeitung in Auftrag gegebene Studie: Darin heißt es, dass 46 Prozent der Befragten der Meinung waren, dass „die Polizei die Bevölkerung nicht effektiv beschützen kann“.[6]

In einem demokratischen Staat ist es nicht ungewöhnlich, dass sich die öffentliche Verwaltung an Effektivitätskriterien messen lassen muss. Bei näherer Betrachtung ist jedoch eine präzise Bestimmung dessen, was eine effektive Strafverfolgung ausmacht, schwierig. Dies gilt insbesondere, da sich Effektivität im Bereich von Strafverfolgung und Justiz in einem komplexen Spannungsfeld zwischen rechtstaatlichen Garantien, Beschuldigtenrechten, fiskalischen Restriktionen und Pragmatismus bewegt. Was macht eine effektive Strafverfolgung aus und wie lässt sich diese bemessen? Arbeitet die Polizei effektiv, wenn sie mit wenig Personal viele Tatverdächtige verhaftet und möglichst wenig Unschuldige? Oder kommt es darauf an, so viele Straftaten wie möglich zu verhindern? Ist eine effektive Staatsanwaltschaft eine, die möglichst viele Verurteilungen erwirkt oder möglichst lange Haftstrafen? Und welche Rolle spielen dabei monetäre Gesichtspunkte etwa bei Personal und Ausstattung?

Wörtlich bedeutet Effektivität (von lat. effectivus) eine Handlung, die geeignet ist, ein angestrebtes Ziel zu erreichen. Auf welche Art und Weise dieses Ziel erreicht wird, spielt dabei keine Rolle. In der Ökonomie wird deshalb vermehrt auf das Konzept der Effizienz zurückgegriffen. Dieser oftmals synonym verwendete Begriff bedeutet, ein Ziel mit Mitteln zu erreichen, die möglichst in einem günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis stehen, wobei der Nutzen größer ist als die Kosten. Kosten meint dabei nicht allein monetäre Kosten, sondern auch etwa negative Konsequenzen einer Handlung. Der Begriff ‚Pragmatismus‘ findet ebenfalls im ökonomischen Kontext Anwendung, ist jedoch überdies in eine Reihe philosophischer und rechtstheoretischer Denksysteme eingebunden.[7] Wörtlich ist mit dem Begriff die Priorisierung des praktischen Handelns über das theoretisch vernünftige gemeint, womit der der Wert einer Handlung vor allem nach dem praktischen Nutzen bemessen wird.[8]

Was im Rahmen einer ökonomischen Bewertung, etwa eines Unternehmens, einleuchtet, ist im Kontext von Justiz und Strafverfolgung bedeutend komplizierter. Hinzu kommt, dass es sich bei Effektivitätskriterien in der Regel um justiz- und kriminalpolitische Vorgaben handelt, die immer auch von Stimmungen, aktuellen Debatten und politischen Befindlichkeiten abhängig sind. Wenn etwa im Kampf gegen Clankriminalität rund tausend Beamte verschiedener Behörden für nächtliche Großrazzien eingesetzt werden, an deren Ende ein Dutzend Platzverweise und eine Handvoll Anzeigen wegen Steuerhinterziehung stehen, dann ist die Effektivität einer solchen Maßnahme auf den ersten Blick möglicherweise zweifelhaft.[9] Unter Einbeziehung des eingangs erwähnten subjektiven Sicherheitsgefühls der Bürger kann die Bewertung allerdings anders ausfallen. In Zeiten, in denen tough on crime-Ansätze wieder verstärkt den politischen Diskurs bestimmen, wird eine harte Gangart oft mit Effektivität gleichgesetzt, was sich wiederum wahltaktisch auszahlen kann.

Dieser Beitrag nähert sich der Effektivitätsfrage im Rahmen einer rechtsvergleichenden Analyse der staatsanwaltlichen Strafverfolgung in Nordrhein-Westfalen (NRW) und den Niederlanden. Dass der niederländische Nachbar zum Vergleich herangezogen wird, hat gleich mehrere Gründe: das niederländische Strafverfolgungssystem gilt als stark von Pragmatismus, Management- und Effizienzgesichtspunkten geprägt.[10] Zudem bestehen im direkten Vergleich mit NRW eine Reihe erstaunlicher demographischer, gesellschafts- und rechtspolitischer Gemeinsamkeiten. Der Blick über den justiziellen Tellerrand erlaubt die Frage nach dem Möglichen – nicht gleichzusetzen mit der Frage was besser oder wünschenswert ist. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen dabei eine Reihe relevanter empirischer und justizieller Aspekte der staatsanwaltlichen Strafverfolgung in den Niederlanden und NRW, die unter Gesichtspunkten der Effektivität analysiert werden.

II. Empirische Aspekte der staatsanwaltlichen Strafverfolgung in NRW und den Niederlanden

Die Niederlande und NRW bilden mit rund 17 Millionen, respektive ca. 18 Millionen Einwohner eine der am dichtesten besiedelten Regionen Europas. Die Niederlande wie NRW sind geprägt durch die bevölkerungsreichen und gleichzeitig stark dezentralisierten Metropolregionen wie etwa das Randstad, bestehend u.a. aus den Großstädten Amsterdam, Rotterdam, Den Haag und Utrecht (ca. 8,2 Millionen Einwohner), und der Metropolregion Rhein-Ruhr mit knapp 10 Millionen Einwohnern. Die gemeinsame Grenze zwischen NRW und den Niederlanden beträgt 395 Kilometer. Die traditionelle Verflochtenheit beider Länder spiegelt sich in der Vielzahl regionaler Zweckgemeinschaften wieder, den sogenannten „Euregios“. Zu nennen seien etwa die (Ur)-Euregio (bestehend u.a. aus Landkreis und Stadt Osnabrück, dem westlichen Münsterland sowie der niederländischen Provinzen Gelderland, Overijssel und Drenthe), die Euregio Rhein-Waal (bestehend aus Duisburg, Wesel, Kleve, Nimwegen und Arnheim) und die Euregio Maas-Rhein (bestehend u.a. aus der Städteregion Aachen, den Kreisen Düren, Euskirchen und Heinsberg sowie den niederländischen Süd und Mittel-Limburg inklusive Maastricht und den belgischen Provinzen Limburg und Lüttich). Die Euregios sind nicht allein „Laboratorien der europäischen Integration“, wie die EU-Kommission sie bezeichnet, sondern auch Schwerpunkte grenzüberschreitender Kriminalitätsphänomene.[11] Es wundert daher nicht, dass die Euregios Forschungsgegenstände für kriminologische und strafrechtliche Untersuchungen darstellen.[12] 

Mit Blick auf die für den vorliegenden Kontext belangreiche Kriminalitätsaufkommen und Deliktsstruktur lassen sich sowohl Gemeinsamkeiten als auch überraschende Unterschiede zwischen den Niederlanden und NRW feststellen (Tabelle 1).

Tabelle 1: Bevölkerungsdaten und polizeilich registrierte Kriminalität/Tatverdächtige in den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen aus dem Jahre 2017 im Vergleich[13]

 

Niederlande[14]

Nordrhein-Westfalen[15]

Bevölkerung

17 081 507[16]

17 890 100

Bevölkerungsdichte

507

524

Polizeilich registrierte Straftaten insgesamt

830 000

1 373 390

Tatverdächtige

245 000

475 452

Aufklärungsquote

27%[17]

52,3%

Mord und Totschlag

2941

373

Wohnungseinbruchs-diebstahl

49 211

39 057

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung

8238

12 886

Fahrraddiebstähle

91 602

73 677

Zahl der Fahrräder

22,8 Mio

16,31 Mio[18]

Beförderungser-schleichung

OwiG (bestuurlijke boete)

73 281

Gefangenenrate 2016 (auf 100 000 Einwohner)

59

91

Zunächst fällt auf, dass NRW mit fast 1,4 Millionen registrierten Straftaten in 2017 eine signifikant höherer Kriminalitätsrate aufweist als dies in den Niederlanden der Fall ist (830.000). Auch die Zahl der Tatverdächtigen ist in NRW ist fast doppelt so hoch. Hingegen liegt die polizeiliche Aufklärungsquote in NRW mit 52,3% fast doppelt so hoch wie die dagegen sich relativ mager ausnehmenden 27% der niederländischen Polizei. Diese Diskrepanz dürfte ihre Gründe weniger in der Ineffektivität der niederländischen Polizei als vielmehr in der Registrierungspraxis haben: die deutsche Polizei betrachtet einen Fall als aufgeklärt, für den ein Tatverdächtiger benannt und die Ermittlungsakte an die Staatsanwaltschaft übergeben werden kann.  Die niederländische Polizei ist in dieser Hinsicht zurückhaltender und Fälle, in denen die Beweislage offensichtlich dünn ist, werden seltener zur Einstellung an die Staatsanwaltschaften durchgereicht.[19] Auch liegt die Vermutung nahe, dass dabei das Opportunitätsprinzip eine Rolle spielt, wie weiter unten noch detaillierter behandelt werden wird.

Die Aussagekraft einer vergleichenden Gegenüberstellung von Kriminalstatistiken ist begrenzt wie sich exemplarisch an drei Deliktsbereichen festmachen lässt: an Fahrraddiebstählen sowie der Beförderungserschleichung, Mord und Totschlag. Vor allem im Hinblick auf letzteres zeigt sich eine der auffälligsten Diskrepanzen. So weist die niederländische Kriminalstatistik für das Jahr 2017 insgesamt 2.941 Mord- und Totschlagsdelikte aus, ein Wert, fast achtmal höher als in NRW (373). Der beträchtliche Unterschied wird auch nicht dadurch abgemildert, dass die Niederlande gegenüber 2012 einen erheblichen Rückgang bei Mord und Totschlagsdelikten um immerhin ein Drittel verzeichneten.[20] Auch die erschreckend hohe Zahl an Liquidationen, die aufgrund eines blutig ausgetragenen Konflikts im niederländischen Drogenmilieu in den vergangenen Jahren eine erschreckende Zahl an Todesopfer forderte, vermag die hohe Rate nicht zu erklären.[21] Indessen zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass vielmehr eine abweichende Kategorienbildung ausschlaggebend sein dürfte. Obwohl Mord und Totschlag im niederländischen Strafrecht die gleichen Deliktskategorien bilden wie dies im deutschen StGB der Fall ist, werden in der niederländischen Kriminalstatistik unter Mord und Totschlag Straftaten gegen das Leben im weiteren Sinne gefasst, inklusive etwa Euthanasie, illegale Abtreibungen und Beihilfe zum Selbstmord.[22] Warum die Erfassung auf dies Art erfolgt, darüber lässt sich nur spekulieren.

Neben divergierenden Erfassungskriterien beeinflussen überdies Unterschiede in den Strafrechtssystemen die Vergleichbarkeit. Dabei dürfte sich vor allem das niederländische Opportunitätsprinzip von dem weiter unten noch die Rede sein wird, auf die registrierte Kriminalität auswirken. Dies lässt sich am Beispiel von Fahrraddiebstählen verdeutlichen. So wurden laut Polizeistatistik in den Niederlanden im Jahre 2017 um die 91.000 Fahrräder (inkl. Krafträder) gestohlen, während es in NRW nur rund 74.000 Diebstähle waren (ein Unterschied von fast 20%). In der niederländischen Kriminalstatistik schlugen Fahrraddiebstähle mit über 11% der Gesamtstraftaten zu Buche und sind damit das meistvorkommende Delikt (in NRW waren es hingegen nur etwa 5% der Gesamtstraftaten). Bezieht man zudem die wesentlich höhere Zahl existierender Fahrräder in den Niederlanden mit ein (im Schnitt besitzt jeder Einwohner mehr als ein Fahrrad) sowie Anzeigeverhalten und Dunkelziffer, ergibt sich ein differenzierteres Bild: In den Niederlanden werden vielerorts nichtabgeschlossene Fahrräder als eine Art Allgemeingut betrachtet. So schätzt der niederländische Fahrradfahrerbund die tatsächliche Zahl der Diebstähle auf zwischen 468.000 und 772.000 jährlich.[23] Obwohl die Polizei zur Anzeige von Fahrraddiebstählen ausdrücklich ermutigt, wird deutlich, dass aufgrund des Opportunitätsprinzips eine Strafverfolgung faktisch nicht stattfindet. In NRW hingegen ist aufgrund des Legalitätsprinzips davon auszugehen, dass trotz hoher Dunkelziffer Fahrraddiebstähle viel eher zur Anzeige gebracht werden.[24] Inwieweit sich dabei möglicherweise auch private Diebstahlsversicherungen auf das Anzeigeverhalten von Fahrradbesitzern auswirken, kann mangels Daten an dieser Stelle nicht geklärt werden.

Zuletzt sei noch die Beförderungsmittelerschleichung erwähnt, ein echtes Massendelikt in NRW (über 72.000 Fälle in 2017). In den Niederlanden hingegen wird das Delikt als Ordnungswidrigkeit erfasst (sog. overtreding gem. art. 101 Wet personenvervoer 2000), womit eine Registrierung in der Kriminalstatistik unterbleibt. 

III. Opportunitätsprinzip und Beleid in den Niederlanden

Neben empirischen Unterschieden im Kriminalitätsaufkommen und abweichenden Registrierungspraktiken, bestehen auch Unterschiede in den Strafverfolgungs- und Rechtssystemen. Wie das deutsche, basiert auch das niederländische Rechtssystem auf napoleonischen Rechtstraditionen.[25] Trotz dieser Zuordnung zur gleichen Rechtsfamilie und Gemeinsamkeiten, wie etwa den dreistufigen Gerichtsaufbau, den Instanzenzug in Strafsachen, das weitgehende Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft und das Inquisitionsprinzip, ergeben sich in der Rechtsanwendung und Rechtskultur bedeutende Unterschiede.[26] Nicht immer sind diese Unterschiede leicht zu fassen und überdies bleibt die als relevant betrachtete Auswahl willkürlich. Hinzu kommt, dass die formale Ausgestaltung eines Rechtssystems wenig über die Rechtskultur eines Landes verrät. Blankenburg plädiert daher dafür, das Forschungsfeld weit abzustecken unter Einbeziehung von „Stilunterschiede[n] der rechtswissenschaftlichen Literatur, Definitionsmacht von Zeitschriften, Fakultäten und höchstrichterliche Rechtsprechung, die Stärke und die Zulassungsbedingungen zur Rechtsanwaltschaft, die Karrieremuster von Richtern – alles dies sind institutionelle Merkmale, die nicht durch Gesetze determiniert, sondern durch Organisation und Tradition festgelegt sind.“[27]

Im Allgemeinen werden die Niederlande als ein von Liberalität geprägter Rechtsstaat bezeichnet, mit einem milden, bisweilen unkonventionellen Strafrechtssystem.[28] Dieses liberale Image hat seinen Ursprung in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Niedrige Kriminalitäts- und Gefangenengenraten, eine liberale Drogen- und Prostitutionspolitik, sowie eine auf psychologischen und pädagogischen Ideen beruhender Umgang mit Kriminellen, bildeten die Grundlage.[29] Mitte der 80er fand eine Hinwendung zu einer  härteren kriminalpolitischen Gangart statt unter dem Motto „No nonsense“  und der Proklamation des Endes der Toleranz. Seither werden Kriminalitätskontrolle und Strafverfolgung verstärkt anhand der Maßstäbe von Fiskalität, Effektivität und Effizienz gemessen.[30] Der sogenannte „Punitive Turn“, der Ende der 90er und um die Jahrtausendwende viele europäische Länder erfasste, blieb auch in den Niederlanden nicht aus.[31] Der Trend war jedoch nur von kurzer Dauer und Mitte der Nullerjahre war nur noch wenig davon übrig, sodass einige sogar von einem umgekehrten Trend sprachen („reversed punitive turn“).[32] Dies zeigte sich insbesondere in der stetig sinkenden Zahl von Inhaftierten in niederländischen Gefängnissen. Im Jahre 2016 etwa war die Inhaftierungsrate mit 59 Gefangenen auf 100.000 Einwohner eine der niedrigsten in Europa und führte kurzzeitig sogar dazu, dass freie Haftplätze mit belgischen und norwegischen Gefangenen besetzt wurden.[33] Ähnlich wie die Niederlande, ist Deutschland mit Blick auf die Inhaftierungsquoten im europäischen Vergleich im unteren Spektrum anzusiedeln, was Dünkel dazu veranlasst, beide Länder als „exceptionalist“ zu bezeichnen, ein Titel der bislang eher den skandinavischen Ländern zuteil wurde.[34] So lag die gesamtdeutsche Gefangenenrate im Jahre 2016 bei 76 Häftlinge auf 100.000 Einwohner. In NRW, wo immerhin fast ein Viertel aller deutschen Häftlinge in einer der insgesamt 37 Justizvollzugsanstalten einsitzen, ergab sich ein statistischer Wert von 91.[35] Zur Bemessung der Punitivität eines Strafrechtssystems sind Inhaftierungsraten jedoch nur bedingt aussagekräftig.[36]

Unter Effizienzgesichtspunkten spielen zwei Eigenheiten des niederländischen Strafrechts eine wichtige Rolle: das bereits erwähnte Opportunitätsprinzip und das sog. gedogbeleid. Das Opportunitätsprinzip gibt dem niederländischen Ermittlungsverfahren einen fakultativen Charakter. Es räumt der Staatsanwaltschaft erhebliche Ermessensspielräume ein, was dieser die Bezeichnung als „Spinne im Netz der Strafjustiz“ eingebracht hat.[37] In der Ermittlungspraxis wird das Prinzip durch ein Fall Management System implementiert, wobei „assessment teams“ gebildet werden (sog. weegploegen), bestehend aus dem lokalen Polizeichef, einem Vertreter der Staatsanwaltschaft in leitender Position, sowie dem Bürgermeister des Gemeindebezirks. In diesen Teams werden jährlich Ermittlungsprioritäten definiert auf Grundlage kriminalpolitscher Erwägungen, Erfolgsaussichten oder der Schwere der Straftaten. Während monatlicher oder sogar wöchentlicher Treffen zwischen Vertretern der Staatsanwaltschaft und Polizei werden laufende Ermittlungsprojekte diskutiert, reevaluiert und Ermittlungsmaßnahmen koordiniert.[38] Polizeiliche und staatsanwaltliche Ermittlungsaktivitäten konzentrieren sich auf die vordefinierten Deliktsbereiche, während Delikte außerhalb dieses Spektrums nicht verfolgt werden (wie etwa Fahrraddiebstähle).  

Ausfluss des Opportunitätsprinzips ist das sogenannte beleid. Dieses, mit Politik oder Richtlinie nur unzureichend ins Deutsche übersetzte Konzept, bildet einen integralen Bestandteil der niederländischen Rechtskultur und Gesellschaft.[39] Im Kontext des Strafrechts spielt das Konzept insbesondere in Form des gedogbeleid (Toleranzpolitik) eine Rolle. Dabei handelt es sich um ein für Außenstehende nur schwer zu durchschauendes System von kriminalpolitischen Richtlinien, teils von den Staatsanwaltschaften selbst bestimmt, die festlegen, welche Straftaten verfolgt werden und welche nicht.[40] Diese Praxis geht auf die 70er Jahre und das milde Strafklima aus dieser Zeit zurück, ohne dass dies je in einem formellen Gesetzgebungsverfahren festgeschrieben worden wäre.[41] 

Bekanntes Beispiel ist das niederländische Betäubungsmittelgesetz (Opiumwet). Artikel 2 verbietet ausdrücklich den Besitz von Betäubungsmitteln einschließlich von Cannabis und dessen Derivaten (Art. 3) mit Ausnahme zu medizinischen oder wissenschaftlichen Zwecken und unter der Voraussetzung einer vorherigen Genehmigung.[42] Gedoogbeleid bedeutet in diesem Kontext, dass, gestützt auf das Opportunitätsprinzip, eine selektive Strafverfolgungspolitik implementiert und der Verkauf und Konsum von Cannabis in begrenzten Mengen geduldet wird. Die dahinterstehende kriminalpolitische Ratio ist, dass der Verfolgung anderer Straftaten, die als gefährlicher eingestuft werden, der Vorrang eingeräumt wird. Ein ungelöstes Folgeproblem ist die sogenannte „Hintertürproblematik“: Coffeeshops dürfen zwar Marihuana verkaufen, der Ankauf größerer Mengen zur Deckung der Kundennachfrage bleibt jedoch verboten. Dieser Widerspruch hat die Entwicklung eines illegalen Zulieferersystems von beträchtlichem Umfang begünstigt.[43]

Beleid, obwohl seit Jahrzehnten praktiziert, ist in den Niederlanden durchaus umstritten. Befürworter dieses Ansatzes führen vor allem pragmatische Gesichtspunkte ins Feld: Während in den meisten Ländern der Verkauf von Drogen gesetzlich verboten sei, finde dieser dennoch in beträchtlichem Maße statt, und die Polizei sei in der überwiegenden Zahl der Fälle gezwungen wegzuschauen. Toleranz existiere auch in anderen Rechtssystemen. Sie sei jedoch intransparent und könne damit behördliche Willkür bis hin zu Korruption begünstigen. Kritiker  sprechen hingegen von einem „Ermessensniemandsland“ und weisen darauf hin, dass beleid oftmals nicht mehr als ein Euphemismus für behördliche Trägheit und Indifferenz sei.[44] Als Beispiel dafür wird etwa die Feuerwerkskatastrophe von Enschede aus dem Jahre 2000 angeführt. Bei dieser starben 23 Menschen und über 900 wurden zum Teil schwer verletzt, als ein Lagerhaus für Feuerwerkskörper mitten in der Stadt explodierte. Der Betreiber hatte eine Reihe von Sicherheitsbestimmungen missachtet, was von den Behörden mit dem Hinweis auf beleid bewusst toleriert worden war.[45]    

IV. Effizienzindikatoren der staatsanwaltlichen Strafverfolgung

Die personelle Ausstattung von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Polizei stellt in Deutschland ein kriminalpolitisches Dauerthema dar. Kritik über zu lange Verfahrensdauern, die hohe Zahl an Verfahrenseinstellungen bis hin zur Vernachlässigung von Kernaufgaben in der Kriminalitätsbekämpfung wird regelmäßig mit dem Verweis auf zu wenig Personal, chronische Unterfinanzierung und hohe Arbeitsbelastung gekontert. So bewerteten im Rahmen einer 2019 vom Allensbach Institut im Auftrag einer Versicherung durchgeführten Studie 92% der deutschen Staatsanwälte die personelle Ausstattung der Staatsanwaltschaften als negativ, gut jeder Dritte sogar als sehr schlecht.[46] Die überwiegende Mehrheit der Richter und Staatsanwälte in NRW (85%)  bewerteten die Personalsituation in ihrem Bundesland als schlecht, ein Wert leicht über dem Bundesdurchschnitt (81%) und nur übertroffen von Niedersachsen (90%) und Berlin (92%). Diese Diskussion ist keine spezifisch deutsche. So titelte de Volkskrant, eine der größten niederländischen Tageszeitungen, in 2017: „Nederlands rechtssysteem is vastgeroest“ (das niederländische Rechtssystem sei festgerostet). Vor allem die Staatsanwaltschaften seien betroffen von langen Verfahrensdauern und stets mehr Aufgaben bei immer weniger Kapazitäten. Hinzu kämen eine nur schleppende Digitalisierung und eine hohe Arbeitsbelastung, in deren Folge ein beträchtlicher Teil der Kriminalität erst gar nicht mehr ermittelt werde. [47]

Im Folgenden soll ein vergleichender Blick auf drei der bedeutendsten Effektivitätsindikatoren geworfen werden, namentlich der staatsanwaltlichen Personalausstattung, Verfahrenserledigungen und Verfahrensdauern. 

1. Personalausstattung der Staatsanwaltschaften

Die niederländische Staatsanwaltschaft (Openbaar Ministerie) ist auf drei Ebenen organisiert: Wie in NRW sind auf Bezirksebene (arrondisementen), der 11 Gerichte erster Instanz (rechtbanken), 10 Staatsanwaltschaften zugeordnet. Hinzu kommen die Staatsanwaltschaften auf mittlerer Ebene (ressorts) bei den vier Berufungsgerichten sowie auf oberster (nationaler) Ebene.[48] Im Unterschied zu Deutschland haben sich die Niederlande bei der Justizorganisation für die landestypische flache Hierarchie entschieden. Dies zeigt sich etwa in der horizontalen Organisation der Staatsanwaltschaften, die zentral geleitet werden und durch das Kollegium der Generalstaatsanwälte (eine Art Verwaltungsrat der Staatsanwaltschaft). Dabei sind die nationalen Staatsanwaltschaften den regionalen nicht über- sondern lediglich nebengeordnet.[49]

Gemäß Tabelle 2 setzt sich das Personal an niederländischen Staatsanwaltschaften wie folgt zusammen: 906 Staatsanwälte (officieren van justitie/advocaten-generaal) werden von 4.279 Behördenmitarbeitern unterstützt. An  nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaften waren 2017 insgesamt 1.413 Staats- und Amtsanwälte in Voll- und Teilzeit eingestellt, unterstützt von 2.527 Behördenmitarbeitern.

Im zeitlichen Vergleich zeigt sich, dass sich die Zahl der niederländischen Staatsanwälte seit 1992 fast verdreifacht hat, während die niederländische Bevölkerung insgesamt um weniger als ein Zehntel gewachsen ist. Nicht zu erklären ist dieses beträchtliche Wachstum mit einer gestiegenen Zahl an Strafverfahren. Waren es im Jahre 1994 rund 276.000 an niederländischen Staatsanwaltschaften geführte Verfahren,[50] sank diese Zahl 2018 auf rund 218.000 (siehe Tabelle 3). In NRW ist hingegen lediglich ein leichter Anstieg des Personalstands seit 1992 zu verzeichnen (ca. 10%). Heute wie damals kommen auf 100.000 nordrhein-westfälische Bürger 8 Staatsanwälte, während diese Quote in den Niederlanden seither von 2 auf 5 gestiegen ist, damit aber dennoch deutlich hinter der von NRW liegt.

Tabelle 2:[51] Staats-/Amtsanwälte, staatsanwaltschaftliche Behördenmitarbeiter und Rechtsanwälte in den Niederlande und NRW in den Jahren 2016/2017 sowie 1992 (absolute Zahlen und Quoten pro 100. 000 Einwohner)

 

Niederlande

NRW

 

2016/2017

1992

2016/2017

1992

Staats-/Amtsanwälte

906

330

1413

1274

Unterstützendes Personal

4279

k.a.

2527

k.a.

Rechtsanwälte[52]

17.498

7595

38.863

17.394

Bevölkerung

17 Mio

15.5 Mio

18 Mio

17 Mio

Quote pro 100000 Einwohner:

Staats-/Amtsanwälte

Rechtsanwälte

 

 

 

5

 

103

 

 

 

2

 

49

 

 

 

8

 

216

 

 

 

8

 

102

Zu Vergleichszwecken wurde die personelle Entwicklung des Anwaltsberufs in beiden Ländern aufgenommen. Hier zeigt sich zum einen, dass die Zahl der registrierten Anwälte in den Niederlanden wie NRW seit den frühen 90er um weit mehr als 100% gestiegen ist. Die mittlerweile abgedroschene Floskel der „Juristenschwemme“ hat sich zumindest mit Blick auf den Anwaltsberuf in NRW wie in den Niederlanden bewahrheitet. Zum zweiten wird deutlich, dass die Zahl der eingetragenen Rechtsanwälte in NRW die Zahl der niederländischen Rechtsanwälte um mehr als das Doppelte übersteigt. Blankenburg bezeichnete diese auffällige Diskrepanz bereits 1998 als ein rechtskulturelles Rätsel.[53]

Insgesamt zeigt sich, dass die nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaften personell besser ausgestattet sind als dies in den Niederlanden der Fall ist. Dennoch scheint der Personalmangel in der niederländischen Justiz ein geringeres Problem zu sein, als dies in Deutschland der Fall ist. Dies gilt vor allem mit Blick auf den Nachwuchs. Dass bei deutschen Staatsanwaltschaften viele Stellen unbesetzt bleiben, dürfte neben den hohen Qualifikationsanforderungen auch an dem Berufsbild selbst liegen: So stufen laut Allensbach fast die Hälfte der Staatsanwälte und Richter ihren Beruf als eher unattraktiv für qualifizierte Nachwuchsjuristen ein.[54] Hingegen werden in der niederländischen Justiz Mobilität und Diversität von Karrierewegen gefördert und überdies eine Offenheit gegenüber Quereinsteigern aus anderen (juristischen) Berufen praktiziert. So ist es etwa nicht ungewöhnlich, dass Richter auch in den unteren Instanzen im fortgeschrittenen Alter eingestellt werden, und Staatsanwälte zunächst Berufserfahrungen in anderen Bereichen sammeln.[55] Mobilität prägt auch die niederländische Richterlaufbahn. Diese wird zu einem beträchtlichen Teil durch sogenannte buitenstaanders eingeschlagen, also Außenstehende, die nach einer sechsjährigen Tätigkeit in einem juristischen Beruf auf einen Richterposten wechseln. Das niederländische System kennt weder Geschworene noch Laienrichter bzw. Schöffen.[56] Bürgerbeteiligung und Offenheit der Justiz wird vielmehr durch sogenannte plaatsvervangende rechter gewährleistet, Juristen aus anderen Berufen (oftmals Hochschullehrer oder Anwälte), die gelegentlich in Prozessen als Richter tätig werden. Dass dies gelegentlich zu Interessenskonflikten führen kann, etwa wenn Anwälte auf die Richterbank wechseln, tut dieser als pragmatisch und kostensparend favorisierten Lösung keinen Abbruch.[57]

2. Verfahrenserledigungen bei den Staatsanwaltschaften

Für erhebliche Diskussion sorgte in Deutschland in jüngster Zeit die hohe Zahl an Verfahrenseinstellungen, die durch die Staatsanwaltschaften vorgenommen werden.[58] So endeten laut Justizministerium NRW im Jahre 2018 über die Hälfte (56,8%) der von den Staatsanwaltschaften geführten Verfahren mit einer Einstellung, sei es mit oder ohne Auflage, mangels hinreichenden Tatverdachts (gem. § 170 Abs. 2 StPO) oder mangels Schuldfähigkeit (gem. § 20 StGB). Diese Einstellungsrate als Indiz für eine Entwicklung hin zu einer zunehmend ineffektiven Strafverfolgung zu interpretieren greift jedoch zu kurz. So zeigen etwa Daten aus dem Jahre 2013, dass die Einstellungsquote seither konstant geblieben ist, während die absoluten Zahlen der erledigten Verfahren sogar um fast 9% von 4,54 Millionen auf 4,9 Millionen gestiegen ist.[59]

Wirft man einen Blick auf die Einstellungsstatistik der niederländischen Staatsanwaltschaften (Tabelle 3), zeigt sich, dass im Jahre 2018 rund 38% der Verfahren mit einer Einstellung endeten.[60] Durch Anklage wurden 44% der Verfahren erledigt, während rund 15% durch Strafbefehl ein Ende fanden. In den Niederlanden werden zudem Verfahren auch in Abwesenheit des Beschuldigten geführt bis hin zu einem Abwesenheitsurteil (Verstekvonnis), während dies in Deutschland nur in eng definierten Ausnahmefällen möglich ist. In der Regel erfolgt bei Abwesenheit eine Einstellung gem. § 154f StPO (41 547 Verfahrenseinstellungen in 2018).

Tabelle 3: Von den Staatsanwaltschaften in Niederlande und NRW erledigte Ermittlungsverfahren 2018

 

Niederlande[61]

NRW[62]

Polizeilich registrierte Straftaten[63]

768 964

1 282 441

Erledigte Verfahren der StAs Insgesamt

185 600[64]

1 146 877

   davon Einstellungen[65]

82 900 (38%)

668 794 (58%)

   davon Anklagen

97 100 (44%)

127 475 (11%)

   davon Strafbefehle

32 300 (15%)

106 992 (9%)

Im direkten Vergleich zeigt sich, dass die Zahl der Erledigungen durch die niederländische Staatsanwaltschaft nicht nur in absoluten Zahlen wesentlich geringer ist als in NRW, sondern auch die Erledigungsquote im Hinblick auf die polizeilich registrierten Straftaten. So werden weniger als ein Drittel der polizeilich registrierten Straftaten durch niederländische Staatsanwaltschaften erledigt, während die Erledigungsquote in NRW 90% beträgt. Nimmt man allerdings die Zahl der Verfahren, die tatsächlich bei der niederländischen Staatsanwaltschaft eingegangen sind (sog. instroom misdrijfzaken), dann zeigt sich, dass die Erledigungsquote mit über 100% sehr hoch war.[66] Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass in den Niederlanden 2/3 der von Polizei und anderen Strafverfolgungsbehörden (etwa der Koninklijke Marechaussee und des Centraal Justitieel Incassobureau) registrierten Straftaten die Staatsanwaltschaft nie erreichen.

Obwohl die Einstellungsquote der niederländischen Staatsanwaltschaften bedeutend niedriger ist als in NRW, war dies Gegenstand kontrovers geführter Diskussionen. Ausgelöst wurden diese durch den Umstand, dass die Zahl der staatsanwaltlichen Einstellungen noch 2007 bei rund 13% lag, sich also innerhalb eines Jahrzehnts fast verdreifacht hat. Eine eigens vom niederländischen Justizministerium eingesetzte Untersuchungskommission kam 2018 zu dem Ergebnis, dass der Grund für den erheblichen Anstieg der staatsanwaltlichen Einstellungen in der Abschaffung des sog. politiesepot zu finden sei. Dabei handelte es sich um eine polizeilich verfügte Einstellung gewissermaßen in Antizipation einer Einstellung durch die Staatsanwaltschaft. Diese rechtlich nicht geregelte, sondern lediglich auf polizeilicher Übung beruhende Praxis wurde 2013 abgeschafft, was zu einem steilen Anstieg der Einstellungen durch die Staatsanwaltschaft führte.[67] Damit scheidet die Möglichkeit der Polizei, eine Einstellung zu verfügen, als Erklärungsansatz für die Diskrepanz zwischen registrierter Kriminalität und der die Staatsanwaltschaft erreichende Verfahren aus. Es ist zu vermuten, dass, bedingt durch das Opportunitätsprinzip, viele angezeigte Straftaten weder eingestellt noch ausermittelt werden, sondern, salopp formuliert, bei der Polizei liegen bleiben. Für eine solche Interpretation spricht auch, dass die Verfahren, welche die Staatsanwaltschaft erreichen, bereits gut ausermittelt sind, und immerhin über die Hälfte zu einer Anklage oder Strafbefehl gebracht werden können (in NRW liegt diese Quote bei lediglich 20%).

3. Verfahrensdauern bei den Staatsanwaltschaften

Die Verfahrensdauer wird oftmals als ein bedeutender Indikator für Effizienz im Strafverfahren herangezogen. Auch wenn ein detaillierter Vergleich aufgrund unterschiedlicher Erhebungsmethoden in NRW und den Niederlanden nicht möglich ist, zeigt sich doch, dass trotz der erheblichen Mehrbelastung durch die Anzahl von Verfahren in NRW die Erledigungsdauer nicht signifikant abweichen dürfte von der in den Niederlanden. 

In NRW wurden 2018 gut dreiviertel der Verfahren innerhalb der ersten 2 Monate nach Eingang bei der Staats- bzw. Amtsanwaltschaft erledigt. Im Schnitt wird die Verfahrensdauer vom Tag des Eingangs bei der Staats-/Amtsanwaltschaft bis zur Erledigung durch die Staats-/Amtsanwaltschaft in NRW auf 1,8 Monate beziffert.[68] Die niederländische Statistik hingegen unterscheidet zwischen Verfahrensarten und bezieht zudem sämtliche Angaben auf den Richtwert von 90 Tagen. So wurden etwa von den sogenannten einfachen Verfahren (eenvoudige zaken, z.B. Führen eines KFZ unter Einfluss von Rauschmitteln) der ganz überwiegende Teil (82%) innerhalb von 90 Tagen erledigt. Bei den sog. Interventiezaken, also Verfahren betreffend Alltagskriminalität, in denen die Staatsanwaltschaft befugt ist, selbst eine Sanktion zu verhängen, etwa durch einen Strafbefehl, wurden zu über dreiviertel (77%) innerhalb von 90 Tagen erledigt. Onderzoekszaken, sprich schwere Kriminalität, welche erhebliche Ermittlungen nach sich zogen, dauerten im Schnitt 219 Tage.[69]

Mit Blick auf Verfahrensdauern in den Niederlanden ist zudem das sogenannte ZSM Verfahren zu erwähnen. Dabei handelt es sich um ein in 2011 von Staatsanwaltschaft und Polizei eingeführtes beschleunigtes Strafverfahren zur effektiveren Abarbeitung von Alltagskriminalität. Kern des Verfahrens ist die parallele statt sukzessive Einbindung aller an der Strafverfolgung beteiligten Partner.[70] Neben den Strafverfolgungsbehörden schließt dies den Bewährungsdienst (3RO), die Opferhilfe (SHN) sowie das Jugendamt (RvdK) ein. Im Mittelpunkt steht dabei neben der örtlichen Konzentrierung in Selektions- und Koordinierungszentren (SCC),  ein umfangreicher Bereitschaftsdienst sowie die frühe Einbindung des Staatsanwalts in das Verfahren.[71] Das erklärte Ziel ist es, einen Großteil der Verfahren innerhalb von sechs bis neun Stunden nach der vorläufigen Festnahme des Verdächtigen zu erledigen. Maximal soll das Verfahren bis zur Erledigung (Einstellung, Strafbefehl oder Weiterleitung zur mündlichen Verhandlung) nicht länger als drei Tage dauern.[72] Schenkt man den Justizstatistiken Glauben, so führte das ZSM-Verfahren im Jahre 2014 dazu, dass ca. 43% der ZSM-Sachen innerhalb eines Tages beurteilt wurden und 87% innerhalb eines Monats.[73] Kritik gegen dieses Vorgehen wurde vor allem seitens der Anwaltschaft laut, die sich in dem Verfahren übergangen fühlte, da die Beiziehung eines Verteidigers oft schon aus zeitlichen Gründen nicht erfolgt und damit die Beschuldigtenrechte empfindlich beschnitten werden.[74] 

Der Hang zu Beschleunigung und Effizienz der niederländischen Verfahrenspraxis zeigt sich besonders deutlich im Strafbefehlsverfahren, welches in einigen zentralen Punkten anders ausgestaltet ist als in Deutschland. Während der Strafbefehl gem. § 407 StPO in Deutschland lediglich Vergehen gem. § 12 Abs. 2 StGB, also solche erfasst, die mit Freiheitsstrafe unter einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht sind, ist der niederländische Strafbefehl (gem. Art 257a der niederländischen Strafprozessordnung Sv) weiter gefasst. Dieser kann für Straftaten, die mit bis zu sechs Jahren Freiheitstrafe bedroht sind, verhängt werden. Auf Rechtsfolgenseite weist der niederländische Strafbefehl Ähnlichkeiten mit dem deutschen auf, mit dem Unterschied, dass keine Freiheitsstrafe verhängt werden kann, während dies im deutschen Sanktionssystem gem. § 407 Abs. 2 StPO unter bestimmten Umständen möglich ist.[75] Die Einspruchsfrist beträgt in den Niederlanden wie in Deutschland 2 Wochen (siehe § 410 Abs. 1 StPO bzw. Art 257e Sv). Ein ganz wesentlicher Unterschied besteht hingegen im Verfahren: Wird in Deutschland der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zum Strafrichter oder Schöffengericht gestellt (§ 407 Abs. 1 StPO), spart das niederländische Recht diesen Zwischenschritt aus und bevollmächtigt die Staatsanwaltschaft ohne Hinzuziehung eines Richters zum Erlass des Strafbefehls (Art. 257a 1 Sv.). Obwohl auch in Deutschland die gerichtliche Kontrolle in der Verfahrenspraxis wohl häufig eher eine Formalität ist, ist das niederländische Strafbefehlsverfahren aus Sicht der Staatsanwaltschaft schneller und unkomplizierter.[76]

Es wundert daher nicht, dass diese Praxis ganz erhebliche Kritik nach sich zog. Stein des Anstoßes waren vor allem die sog. „Waschstraßen“. Dabei handelte es sich um eine vor allem auf Musikfestivals von Polizei und Staatsanwaltschaft in Reihe aufgestellte Container oder Zelte, durch welche Festivalbesucher aufgrund des Verdachts auf illegalen Drogenbesitz vorläufig festgenommen und durchgeschleust wurden. Neben einem forensischen Labor zur Wirkstoffprüfung gab es Verhörcontainer, einen Beschlusscontainer, wo ein entsprechender Strafbefehl von der Staatsanwaltschaft ausgestellt wurde und einen Kassencontainer, wo die verhängte Geldstrafe umgehend beglichen werden konnte. Lediglich ein Verteidigercontainer war nicht vorgesehen. Die Beschuldigten wurden hinsichtlich der Möglichkeit anwaltlicher Vertretung auf die nächstgelegene Polizeistation verwiesen. Kritiker dieses forschen Vorgehens beziehen sich zudem darauf, dass diejenigen, die den Strafbefehl akzeptierten, nur unzureichend darüber aufgeklärt wurden, dass diese vermeintlich unkomplizierte Lösung zum Verzicht auf das Einspruchsrecht und einem Eintrag im Strafregister führte.[77] Aufgrund der Kritik wurde diese Praxis mittlerweile eingestellt.

V. Strafverfahrensrechtliche Aspekte aus rechtsvergleichender Perspektive

Stand bis hier hin die empirische Analyse der niederländischen und nordrhein-westfälische Strafverfolgung im Fokus, sollen im Folgenden relevante strafverfahrensrechtliche Aspekte einer vergleichenden Untersuchung unterzogen werden. Neben der Umsetzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes und des Beweisantragsrechts in der Verfahrenspraxis sollen zudem Aspekte der Strafzumessung in die Betrachtung einbezogen werden.

1. Der Unmittelbarkeitsgrundsatz und die Beweisantragspraxis

Dort zeigen sich die bedeutendsten Unterschiede zwischen den beiden Nachbarländern. Einer dieser Unterschiede ist zweifelsohne die Umsetzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes in der Strafverfahrenspraxis. Auch im niederländischen Strafverfahren ist der Grundsatz von herausragender Bedeutung und hat in einer Reihe von prozessualen Vorschriften Niederschlag gefunden.[78] In der deutschen  Rechtspraxis stößt gerade die strikte Anwendung des Prinzips häufig auf Kritik, vor allem im Kontext zu umfangreichen Verfahren aus dem Bereich der organisierten Kriminalität. Bei der bereits erwähnten Allensbach Umfrage unter deutschen Richtern und Staatsanwälten zu Reformwünschen in Bezug auf das Verfahrensrecht, belegte der Unmittelbarkeitsgrundsatz in unterschiedlicher gesetzlicher Ausprägung die oberen Platzierungen.[79] So hielten etwa 83% der Befragten eine Erweiterung der Verlesungsmöglichkeiten nach § 256 StPO für wichtig, gefolgt von der Ausweitung der Verlesungsmöglichkeiten nach § 251 StPO (82%) und einer Ausweitung der Möglichkeit des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO (76%). Wichtiger schätzten die Befragten nur die Erleichterung der Zurückweisung von Befangenheitsanträgen ein (85%).[80]

In der niederländischen Strafprozessordung ist das Unmittelbarkeitsprinzip zwar in einer Reihe von Vorschriften kodifiziert, findet in der prozessualen Praxis hingegen nur zurückhaltend Anwendung. So ist etwa mit der sog. de auditu-Entscheidung des obersten niederländischen Gerichtshofs aus dem Jahre 1926, mit der Zeugen von Hörensagen als taugliches Beweismittel zugelassen wurden, der Zeugenbeweis stets weiter in den Hintergrund getreten. [81] Heute bildet die Vernehmung von Zeugen durch den Richter im niederländischen Strafprozess die Ausnahme. In der Regel werden in der Verhandlung die zu einem früheren Zeitpunkt von Polizei, Staatsanwaltschaft oder Ermittlungsrichter erstellten Vernehmungsprotokolle verlesen. Gleiches gilt für Sachverständigengutachten und für Einlassungen des Angeklagten.[82] So kann es vorkommen, dass etwa ein umfangreiches Mordverfahren innerhalb eines Verhandlungstages zum Abschluss gebracht wird, da auf Zeugenladungen und Vernehmungen weitgehend verzichtet wird. Diese Praxis, obwohl zweifelsohne effizient und prozessökonomisch, ist nicht unumstritten. Insbesondere die Frage, ob darin ein Verstoß des aus Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK abgeleiteten Fair-trial-Prinzip zu sehen ist und insbesondere dem Recht des Angeklagten, Fragen an Belastungszeugen zu stellen, wird kontrovers diskutiert.[83] Vor allem wird argumentiert, dass es zur Kernaufgabe des Tatrichters gehöre, sich selbst ein Bild von einem Zeugen zu machen, um dessen Glaubwürdigkeit sowie die Glaubhaftigkeit der Aussage zu beurteilen.

Dem wird in der niederländischen Debatte entgegengehalten, dass es in der aussagepsychologischen Forschung seit langem bekannt sei, dass es kaum verlässliche Kriterien dafür gäbe, eine Lüge von der Wahrheit zu unterscheiden. Vielmehr sei die negative Wirkung von langen Zeiträumen zwischen Tatgeschehen und Zeugenaussage im Gerichtsverfahren auf den Wahrheitsgehalt der Aussage belegt. Zudem wird argumentiert, dass die innere Konsistenz von Zeugenaussagen sich in schriftlicher Form besser überprüfen lasse als in unmittelbarer Anhörung. Hinzu komme, dass mit der niederländischen Verlesungspraxis auch die Problematik von eingeschüchterten oder korrumpierten Zeugen gelöst werde, welche oftmals in Verfahren aus dem Bereich der organisierten Kriminalität eine Rolle spielen. Indem Protokolle der ersten Vernehmung verlesen werden, sind später auftretende Gedächtnislücken für die Beweisaufnahme irrelevant.[84] 

Mögen diese Argumente auch partiell überzeugen, so bestehen doch erhebliche Bedenken gegen eine solche Praxis. Gerade die Möglichkeit, Zeugen mit früheren Aussagen oder Inkonsistenzen unmittelbar zu konfrontieren, ist ein scharfes Schwert der Wahrheitsfindung. Dass dies im Wesentlichen den vernehmenden Polizeibeamten im Ermittlungsverfahren überlassen bleibt und allein durch oftmals verkürzt, suggestiv oder fehlerhaft erstellte Vernehmungsprotokolle in das Verfahren eingeführt wird, ist bedenklich. So wird denn auch in der niederländischen Strafrechtsliteratur gefordert, die Vernehmung bereits im Ermittlungsverfahren stärker zu formalisieren und Fehlerrisiken zu minimieren, etwa durch audiovisuelle Aufzeichnungen. Zudem sollten Richter großzügigeren Gebrauch von ihrem Zeugenvorladungsrecht (Art. 263 lid 4 Sv) machen, insbesondere dann, wenn dies von der Verteidigung beantragt wird.[85] Dass letzteres eine Forderung darstellt, mag aus deutscher Sicht verwundern, muss aber vor dem Hintergrund der Verfahrenspraxis interpretiert werden. Obwohl das niederländische Beweisantragsrecht im Wesentlichen dem deutschen ähnelt (siehe Art 181 ff. Sv), bilden Beweisanträge seitens der Verteidigung während der Verhandlung eher die Ausnahme. In Deutschland wird hingegen seit Jahren eine Reform des Beweisantragsrechts hitzig diskutiert, insbesondere die Unterbindung von ins Blaue hinein gestellten Beweisanträgen zwecks Prozessverschleppung.[86] Entsprechende Änderungen haben mit dem Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens Eingang in die StPO gefunden (siehe § 244 Abs. 6 S. 2 StPO n.F.)[87] Dagegen wird ins Feld geführt, dass eine Verkürzung des Beweisantragsrechts nicht nur die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG beeinträchtige, sondern überdies auch das fair trial-Prinzip verletze.[88] In den Niederlanden werden entsprechende Reformen kaum diskutiert. Dies mag auch daran liegen, dass es eher selten zu Konfliktverteidigungen kommt.  Der Grund dafür dürfte, neben dem professionellen Selbstverständnis der Strafverteidiger, auch in einer auf Kompromiss und Ausgleich gerichteten Prozesskultur zu finden sein (sog. Poldermodell).

2.Strafzumessung und Arbeitsstrafen in den Niederlanden

Unter Effizienzgesichtspunkten ist die Strafzumessung eine der umstrittenen Themenbereiche. Im Zuge eines sich ausbreitenden „Penal Populism“ ist die Forderung nach höheren Strafen ein kriminalpolitischer Dauerbrenner.[89] Zentrale Frage ist dabei, ob harte Strafen Kennzeichen einer effizienten Justiz sind. Während die Antwort auf diese Frage aus wissenschaftlicher Perspektive wohl überwiegend negativ ausfallen dürfte, ist mit Blick auf das Rechtsempfinden der Bevölkerung die Antwort weit weniger eindeutig. Hoven etwa stellt in ihrer Studie zur öffentlichen Wahrnehmung von Strafzumessungsentscheidungen fest, ein vermeintlich zu mildes Urteil „schüre Misstrauen in die Funktionsfähigkeit der Justiz und die Bereitschaft des Staates, seine Bürger effektiv vor Kriminalität zu schützen.“[90] Im Ergebnis sei weniger die Strafhöhe von Bedeutung, als vielmehr die Homogenität von Strafzumessungsentscheidungen, wobei Strafzumessungsrichtlinien eine wichtige Rolle spielen könnten. Eine ähnliche Argumentation ist in der Revisionsentscheidung des BGH zum Kölner Raser-Fall zu finden. Darin wird die Aufhebung der durch das Landgericht Köln verhängten Strafaussetzung zur Bewährung mit der Auswirkung auf das allgemeine Rechtsempfinden und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts begründet.[91] 

Auch in der Frage nach der Punitivität liefert der Blick auf den niederländischen Nachbarn einige interessante Erkenntnisse, zeigen sich doch in der Strafzumessung beträchtliche Unterschiede. Während etwa kurze Haftstrafen in Deutschland gem. § 47 StGB die Ausnahme bilden, ist das Gegenteil der Fall in den Niederlanden. Dort waren 2017 insgesamt 74% der ausgeurteilten Freiheitsstrafen kürzer als drei Monate.[92] Oftmals werden kurze Freiheitsstrafen schon bei der ersten kleineren Straftat verhängt. Jugendliche etwa blieben im Jahre 2015 im Schnitt lediglich 100 Tage in einer justiziellen Einrichtung.[93]

In Deutschland gilt hingegen eine kurze Verweildauer im Strafvollzug als wenig erfolgsversprechend, wobei insbesondere auf die niedrigen Resozialisierungschancen des Betroffenen, etwa durch das Herausreißen aus Beruf und Familie und die Gefahr krimineller Ansteckung, verwiesen wird.[94] Trotz dieser Vorbehalte sind auch in der deutschen Strafpraxis kurze Freiheitsstrafen eher die Regel als die Ausnahme. So lag die Zahl der inhaftierten Personen mit einer Vollzugsdauer bis unter 6 Monate zum Stichtag 31. August 2018 bundesweit bei 22%.[95] Eine Vollzugsdauer von unter drei Monaten schlug bundesweit mit immerhin 11% sämtlicher Freiheitsstrafen zu Buche.[96] Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass durch Einbeziehung der Untersuchungshaft für viele Verurteilte die tatsächlich abzuleistende Haftzeit kürzer als ausgeurteilt ausfallen dürfte.[97] Hinzukommt die beträchtliche Anzahl von Ersatzfreiheitsstrafen, die in der Regel ebenfalls äußerst kurz ausfallen und die zum Stichtag 1. August 2018 einen prozentualen Anteil an der Gesamtgefangenenschaft von immerhin 10% ausmachten.[98] Interessanterweise begründen niederländische Richter die Vermeidung langer Freiheitstrafen mit deren  desozialisierender Wirkung und setzen auf kurzen Freiheitsentzug auch und gerade dort, wo es einen breiteren Kreis von Tätern trifft.[99] Ob dies das niederländische Strafrechtssystem weniger punitiv macht als das deutsche lässt sich empirisch kaum belegen. Dagegen spricht, dass die Niederlande neben Großbritannien das einzige EU-Land sind, in dem eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne Aussicht auf Haftentlassung verhängt werden kann. Laut einer Studie des niederländischen Justizministeriums wurde von dieser Möglichkeit seit 2006 acht Mal Gebrauch gemacht.[100] Neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe können niederländische Richter für Mord eine zeitliche Freiheitstrafe von derzeit dreißig Jahren verhängen, wobei aktuell eine Anhebung auf vierzig Jahre diskutiert wird.

Ähnlich wie in Deutschland flammt auch in den Niederlanden regelmäßig die Debatte über vermeintliche zu lasche Strafen auf. Dabei steht jedoch weniger die Strafhöhe bei Freiheitsentzug als vielmehr die Art der verhängten Strafe im Fokus. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der Arbeitsstrafe zuteil, der sog. taakstraf. Dabei handelt es sich um eine selbständige Hauptstrafe,[101] die von niederländischen Richtern überaus häufig verhängt wird, häufiger als etwa eine Geldstrafe.[102] Maximal kann die Arbeitsstrafe für eine Dauer von 240 Stunden verhängt werden (Art. 22c (2) Wetboek van Strafrecht), kann zur Bewährung ausgesetzt werden und ist überdies mit einer Geldstrafe oder eingeschränkt mit einer Freiheitsstrafe kombinierbar. Laut niederländischer Bewährungshilfe beträgt die durchschnittliche Dauer von Arbeitsstrafen rund 60 Stunden.[103] Dem Strafrichter steht es dabei frei zu bestimmen, welche Art der Arbeit vom Verurteilten ausgeführt werden muss, wobei die Gemeinnützigkeit ein wichtiges Kriterium darstellt. Bei Verstößen gegen die Auflagen kann der Richter die Arbeitsstrafe in eine zeitliche Gefängnisstrafe umwandeln.

Die Beliebtheit der Arbeitsstrafe als Alternative zur Gefängnisstrafe ist in den Niederlanden nicht unumstritten. Rechtspolitisch geriet sie Anfang der Nullerjahre unter erheblichen Druck als publik wurde, dass Arbeitstrafen vermeintlich für schwere Straftaten wie Totschlag oder sogar Mord verhängt worden waren.[104] Obwohl sich dies in einer anschließenden Untersuchung nicht bestätigte, nahm die Akzeptanz der Arbeitsstrafe in der Bevölkerung Schaden. Der Gesetzgeber reagierte mit eheblichen Einschränkungen des richterlichen Ermessens und schloss die taakstraf für eine Reihe von schweren Delikten gesetzlich aus (Art. 22b Sv).

Im Unterschied zu Deutschland existieren in den Niederlanden seit 1998 zudem Strafzumessungsrichtlinien (Landelijk Overleg Vakinhoud Strafrecht). Diese wurden auf Grundlage der Rechtsprechungspraxis erstellt und enthalten nichtverbindliche Orientierungspunkte für die häufigsten Delikte.[105] Darüber hinaus gibt es entsprechende Strafforderungsrichtlinien für die Staatsanwaltschaften.[106] Ein Beispiel: so wird etwa empfohlen die Ein- bzw. Ausfuhr von 500 – 1000 Gramm harter Drogen mit 6-8 Monate Freiheitsstrafe zu belegen. Exemplarisch zeigt sich hier das im europäischen Vergleich milde niederländische Strafklima.[107]

VI. Schlussbetrachtung

Im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags stand die empirische und rechtsvergleichende Analyse der staatsanwaltlichen Strafverfolgung in NRW und den Niederlanden. Ausgangspunkt bildete dabei das Effektivitätskonzept und das Image der niederländischen Strafjustiz als besonders effizient und pragmatisch. Bei genauerer Betrachtung unter Einbeziehung rechtlicher wie praktischer Unterschiede und Gemeinsamkeiten, bestätigte sich dieses Bild nur bedingt. Getrübt wird es insbesondere durch den Umstand, dass nur ein Viertel der registrierten Straftaten überhaupt je die Staatsanwaltschaft erreicht und dann immer noch fast 40% eingestellt werden. Das System ist selektiv, der Preis dafür eine geringe polizeiliche Aufklärungsquote.

Zwingt das Legalitätsprinzip die deutschen Strafverfolgungsbehörden zumindest formal zur Verfolgung sämtlicher Straftaten, geht man in den Niederlanden mittels Opportunität pragmatischer vor. Doch Pragmatismus und Effizienz sind nicht deckungsgleich. So mag der Opportunitätsspielraum niederländischer Strafverfolgungsbehörden eine pragmatische Lösung für den Umgang mit Massenkriminalität sein. Es bleibt jedoch das Risiko einer schleichenden Ausweitung des Prinzips, etwa schwerere Delikte wie Autodiebstähle aufgrund steigender Arbeitsbelastung oder politischer Opportunität. Zudem bleibt offen, wie es sich auf das subjektive Sicherheitsgefühl, das Vertrauen der Bürger in eine effektive Strafverfolgung und das Anzeigeverhalten auswirkt, wenn bestimmte Straftaten von vornherein nicht verfolgt werden.

Pragmatische Tendenzen lassen sich zudem im niederländischen Strafverfahren beobachten. Dieses folgt einem prozessual ökonomisch und auf Effizienz ausgerichteten Ansatz, der aus deutscher Sicht, insbesondere mit Blick auf die praktische Ausformung des Unmittelbarkeitsprinzips, mitunter befremdlich anmutet. Die niederländische Sanktionspraxis ist hingegen breiter aufgefächert als dies in Deutschland der Fall ist. Die niederländischen Gefängniskapazitäten sind lange nicht ausgeschöpft, kurze Freiheitsstrafen und Arbeitsstrafen werden im beträchtlichen Umfang verhängt. 

Diese Unterschiede in der Ausgestaltung des Strafrechtssysteme lassen sich auf rechtskulturelle Differenzen zurückführen. Der Begriff der Rechtskultur zählt zu den umstritteneren  Konzepten  in  der  rechtsvergleichenden  Forschung.[108]  Friedman etwa nennt das Konzept der Rechtskultur „an abstraction and a slippery one“.[109] Eine rechtskulturelle Analyse bleibt eine Verkürzung und kann nicht mehr als ein Schlaglicht werfen, wie beispielhaft deutlich wird wenn Blankenburg und Bruinsma schreiben„[…] the Dutch tend to be pragmatic. They use law to solve problems not to create additional ones. If applying the rules would lead to serious disadvantages, the Dutch try to find ways around them. Rules too strict to be applied are ignored and if that meets with resistance, they change them.”[110]

Im Kontext der Europäisierung des Strafrechts stellen rechtskulturelle Unterschiede in den Mitgliedsstaaten eine der großen Herausforderungen für den Integrationsprozess dar.[111] Angesichts dieses „Europäisierungssogs“ von oben wird leicht die horizontale Beeinflussung der europäischen Rechtsordnungen übersehen. Das deutsche Straf- und Strafverfahrensrecht zeigte sich immer wieder offen für Einflüsse aus anderen Rechtsordnungen. Genannt sei beispielhaft etwa die Einführung des Tagessatz-Systems gem. § 40 StGB in den 70er Jahren nach skandinavischem Vorbild.[112] Die mitgliedsstaatlichen Strafrechtsordnungen befinden sich in einem Veränderungsprozess, der maßgeblich von der EU beeinflusst wird. Bock stellt fest, „[…] dass dabei die Effektivierung der Strafrechtspflege ein Leitmotiv der beständig fortschreitenden Europäisierung des Strafrechts ist.“[113] Die Frage ist damit längst nicht mehr, ob europäische Strafrechtsordnungen sich dem Effektivitätsdogma unterordnen sollten. Die Frage ist, wie dieser Prozess optimal ausgestaltet werden kann.

 

[1]      BT-Drs. 19/10388 vom 16.5.2019.
[2]      Wohlers, NJW 2010, 2470 (2475).
[3]      Siehe etwa Brause, NJW 1992, 2865 (2870).
[4]      Bundeskriminalamt, Der Deutsche Viktimisierungssurvey 2017: Opfererfahrungen, kriminalitätsbezogene Einstellungen sowie die Wahrnehmung von Unsicherheit und Kriminalität in Deutschland. Abrufbar unter www.bka.de (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[5]      Feltes, NK 2019, 1 (6). Hier gaben 86,4% der Befragten an, dass sie einen erlittenen Diebstahl wegen fehlender Erfolgsaussichten nicht angezeigt hätten, 1998 waren dies nur 26,2%.
[6]      Bild-Zeitung vom 21.7.2019: Jeder Zweite glaubt, die Polizei kann uns nicht schützen. Abrufbar unter https://www.bild.de/bild-plus/politik/inland/politik-inland/sicherheit-jeder-zweite-glaubt-die-polizei-kann-uns-nicht-schuetzen-63443448,view=conversionToLogin.bild.html (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[7]      Siehe dazu Legg/Hookway, in Zalta, Stanford Encyclopedia of Philosophy, Spring 2019 Edition.
[8]      Siehe dazu die Definition in Gablers Wirtschaftslexikon abrufbar unter https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/pragmatismus-44359/version-267671 (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[9]      Siehe dazu Rohde/Dienstbühl/Labryga, Kriminalistik 2019, 275; Henninger, Kriminalistik 2019, 282.
[10]    Blankenburg/Bruinsma, Dutch legal culture, 1994, S. 56-57.
[11]    De Sousa, Journal of European Integration 2013, 669 (670). 
[12]    Siehe etwa Peters/Vanderhallen/Nelen, European Journal on Criminal Policy and Research 2015, 41; Bruinsma/Jacobs/Jans/Moors/Spapens/Fijnaut, Grensover-schrijdende dimensies van het politiewerk in de regio Limburg-Noord, 2010. Van Daele/Vangeebergen, Kriminalität und Strafverfolgung in der Euregio Maas-Rhein, 2010; Spapens, in: Geyer/Guild, Security versus Justice? Police and Judicial Cooperation in the European Union, 2008; Fijnaut/Spapens, Criminaliteit en rechtshandhaving in de Euregio Maas-Rijn. Deel 1. De problemen van transnationale (georganiseerde) criminaliteit en de grensoverschrijdende politiele, justitiele en bestuurlijke samenwerking, 2005.
[13]    Da in den Niederlanden Daten zu Tatverdächtigen und Aufklärungsquoten seit dem Jahre 2017 nicht mehr veröffentlicht wurden, wurde hier zum Zwecke der Vergleichbarkeit auf Daten aus dem Jahre 2017 zurückgegriffen.
[14]    Polizeiliche Kriminalstatistik Niederlande 2017 (Geregistreerde misdrijven) abrufbar unter https://data.politie.nl/#/Politie/nl/dataset/47013NED/table?ts=1570114063265 (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[15]        Polizeiliche Kriminalstatistik NRW 2017. Abrufbar unter https://polizei.nrw/artikel/polizeiliche-kriminalstatistik (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[16]    Bevolkening, kerncijfers. Abrufbar unter https://opendata.cbs.nl/statline/#/CBS/nl/dataset/37296ned/table?ts=15693187
52820 (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[17]    WODC, Criminaliteit en rechtshandhaving 2017 – Ontwikkelingen en samenhangen. Abrufbar unter https://www.wodc.nl/onderzoeksdatabase/2980-cenr-2017.aspx (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[18]    Daten des Zweirad-Industrie-Verbandes abrufbar unter https://www.ziv-zweirad.de/uploads/media/radverkehr-in-zahlen.pdf (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[19]    Blankenburg, American Journal of Comparative Law 1998, 1 (30).
[20]    Laut niederländischer Polizeistatistik lag die absolute Zahl der Mord und Totschlagsdelikten in 2012 bei 3792. In NRW hingegen waren es mit 310 Fällen weit weniger Delikte als 2017. 
[21]    In einem eigens dem Phänomen gewidmeten Factsheet beziffert das Justizministerium die Zahl der gezielten Liquidationen in den Niederlanden auf 170 seit dem Jahr 2013. Siehe Justitiële verkenningen WODC, 2017 Liquidaties in Nederland. Englische Zusammenfassung abrufbar unter https://www.wodc.nl/binaries/FS%202019-3_tcm28-403092.pdf (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[22]    Polizeiliche Kriminalstatistik Niederlande 2017, abrufbar unter https://data.politie.nl/#/Politie/nl/dataset/47013NED/table?ts=1570114063265 (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[23]    Zahlen abrufbar unter https://www.fietsersbond.nl/onderweg/fietsdiefstal/feiten-en-cijfers-overfietsdiefstal/ (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[24]    Die Aufklärungsquote von Fahrraddiebstählen lag laut LKA bei 7,6 % im Jahre 2017. Abrufbar unter http://docs.dpaq.de/12232fahrraddiebst_hle_nach_gemeinden.pdf (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[25]    Siehe zum umstrittenen Begriff der Rechtsfamilie Blankenburg, Zeitschrift für Rechtssoziologie 1985, 255 (261).
[26]    A.a.O.
[27]    A.a.O., 257.
[28]    Siehe etwa Johnson/Wingerden/Nieuwberta, Criminology 2010, 981 (985).
[29]    Tonry/Bijleveld, Crime and Justice 2007, 1 (3).
[30]    Blankenburg/Bruinsma, S. 56-57.
[31]    Siehe zum punitive turn Aebi/Linde/Delgrande, European Journal of Crime Policy Research 2015, 425 (446). Dünkel, European Journal of Criminology 2017, 629 (631 ff.).
[32]    Van Swaaningen, in: Daems/van Zyl/Smith/Snacken, European Penology, 2013, S. 339.
[33]    Pakes/Holt, British Journal of Criminology 2017, 79 (80).
[34]    Dünkel, European Journal of Criminology 2017, 629 (634).
[35]    Dünkel/Morgenstern, Crime, Law and Social Change 2018, 93 (98). Siehe zu den Daten Justizstatistik NRW abrufbar unter https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/zahlen_fakten/statistiken/justizvollzug/ (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[36]    Aebi/Delgrande/Marguet, Punishment & Society 2015, 575 (581).
[37]    Blankenburg/Bruinsma, S. 57.
[38]    Peters/Vanderhallen/Nelen, European Journal on Criminal Policy and Research 2015, 41 (47) m.w.N.
[39]    Blankenburg, Journal of Legal Pluralism and Unofficial Law 1998, 65 (70).
[40]    Buruma, in: Taekma/De Roo/Elion-Valter, Understanding Dutch Law, Second Edition (2011), S. 205-243 (217).
[41]    Taekma, in: Taekma/De Roo/Elion-Valter, Understanding Dutch Law, Second Edition (2011), S. 185-202 (196).
[42]    Siehe illustrativ die EUGH Entscheidung vom 16.12.2010 (C-137/09).
[43]    Tops, The Netherlands and synthetic drugs: An inconvenient truth, 2018. Abrufbar unter https://www.politieacademie.nl/actueel/SiteAssets/Paginas/Nederland-toppositie-in-synthetische-drugsproductie/The%20Netherlands%20and%20synthetic%20drugs.pdf (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[44]    Bruinsma, Dutch Law in Action, 2003, S. 67.
[45]    Buruma, in: Taekma/De Roo/Elion-Valter, S. 215.
[46]    Allensbach, Roland Rechtsreport 2019, S. 45.
[47]    Bolhaar, De Volkskrant vom 24.4.2017.
[48]    Siehe Webseite des Openbaar Ministerie abrufbar unter www.om.nl (zuletzt abgerufen am 21.1.2020). Nicht mehr aktuell aber instruktiv dazu Van Daele/Vangeebergen,Kriminalität und Strafverfolgung in der Euregio Maas-Rhein, 2010, S. 67.
[49]    Van Daele/Vangeebergen, S. 954.
[50]    Blankenburg, American Journal of Comparative Law 1998, 1 (30).
[51]    Aktuelle Daten zu praktizierenden Rechtsanwälten in den Niederlanden wurden zuletzt für das Jahr 2016/2017 veröffentlicht. Daten von 1992 bei Blankenburg, American Journal of Comparative Law 1998, 1 (5).
[52]    Zahlen von 2016: Siehe die niederländischen Rechtsanwaltskammer abrufbar unter https://www.advocatenorde.nl (zuletzt abgerufen am 21.1.2020). Für NRW siehe Justizministerium https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/zahlen_fakten/statistiken/index.php (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[53]    Blankenburg, American Journal of Comparative Law 1998, 1 (6).
[54]    Allensbach, Roland Rechtsreport 2019, S. 45.
[55]    Klip/Peristeridou/de Vocht, Citius, altius, fortius – sneller, hoger, sterker: Wat we van Engeland en Duitsland kunnen leren in het kader van modernisering strafvordering. WODC, abrufbar unter https://www.wodc.nl/onderzoeksdatabase/2945-rechtsvergelijkend-onderzoek-strafproces.aspx, S. 39 (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[56]    Blankenburg, American Journal of Comparative Law 1998, 1 (28).
[57]    Bruinsma, S. 31.
[58]    Daten abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/08/PD19_317_243.html (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[59]    Siehe Baumann, WISTA 2015, 74 (81), abrufbar https://www.destatis.de/DE/Methoden/WISTA-Wirtschaft-und-Statistik/2015/03/staatsanwaltschaftliche-ermittlungstaetigkeit-032015.html?nn=206104   (zuletzt abgerufen am 21.1.2020). Die Zahl der erledigten Verfahren stieg von 4,5 Millionen im Jahre 2013 auf 4,9 Millionen im Jahre 2018.
[60]    Einstellungen werden als sepot bezeichnet, wobei zwischen technisch sepot und beleidssepot unterschieden wird. Letztere räumt der Staatsanwaltschaft eine Einstellungsmöglichkeit gem. art 167 lid 2 Sv ein, soweit allgemeine Belange einer Strafverfolgung entgegenstehen.
[61] Openbaar Ministerie, Jaarbericht 2017, abrufbar unter https://www.om.nl/@103250/jaarbericht-2017/ (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[62]    Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Staatsanwaltschaften, Fachserie 10 Reihe 2.6, 2017, S. 28.
[63]    Daten für die Niederlande abrufbar unter www.politie.nl (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[64]    Diese Zahl inkludiert nicht 34.200 Verfahren, die in einer der sogenannten voorfase mangels Beweisen eingestellt wurden. Aus der Statistik ist nicht ersichtlich, ob diese durch die Staatsanwaltschaft erledigt wurden.
[65]    Für NRW Einstellungen mit und ohne Auflage §§ 153 ff. StPO, § 45 JGG, § 31a Abs. 1 BtMG sowie gem. § 170 Abs. 2 StPO. Für die Niederlande voorwardelijk und onvoorwardelijk sepot sowie gesopenerde zaken in de voorfase (vanwege gebrek aan bewijs).
[66]    So erreichten 2018 insgesamt 180 700 Verfahren die Staatsanwaltschaft. Die Erledigungsquote von über 100% ist damit zu erklären, dass Verfahren aus den Vorjahren erledigt wurden.
[67]    Openbaar Ministerie Parket-Generaal, Sepots – Trends en ontwikkelingen, 2018. Abrufbar unter www.rijksoverheid.nl (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[68]    Statistisches Bundesamt, Rechtspflege Staatsanwaltschaften. Fachserie 10 Reihe 2.6, 2018, S. 46.
[69]    Openbaar Ministerie, Jaarbericht 2017. Abrufbar unter https://www.om.nl/@103250/jaarbericht-2017/, S. 32 (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[70]    In den Niederlanden spricht man bildlich von der „Strafverfolgungskette“, beteiligte Institutionen sind die ketenpartner.
[71]    Thomas/van Kampen, Snel, Beteknisvol en Zorgvuldig – Eentussenevaluatie van de ZSM werkwijze. WODC, 2015. Abrufbar unter https://www.wodc.nl/onderzoeksdatabase/2589-effectmeting-zsm.aspx (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[72]    Brouwer, Delict en Deliquentie 2015, 265 (265).
[73]    A.a.O.
[74]    A.a.O.
[75]    I.e. für eine Freiheitstrafe bis zu einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird und der Angeschuldigte durch einen Verteidiger vertreten wird.
[76]    Siehe etwa Behrendt, NJOZ 2019, 881 (884).
[77]    Siehe Spronken, Nederlandse Juristenblad 2015, 295 (295), Abrufbar unter https://www.njb.nl/blog/de-wasstraat.13453.lynkx (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[78]    Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. (2018), § 250 Rn. 1 ff.  
[79]    Allensbach, Roland Rechtsreport 2019, S. 55.
[80]    A.a.O.
[81]    Dubelaar, Betrouwbaar getuigenbewijs: totstandkoming en waardering van strafrechtelijke getuigenverklaringen in perspectief, 2014, S. 434.
[82] Taekma, in: Taekma/De Roo/Elion-Valter, S. 197.
[83]    Siehe zu der Diskussion Keulen/Knigge, Strafprocesrecht. 13. Aufl. (2016), S. 499.
[84]    Keulen/Knigge, S. 499.
[85]    A.a.O.
[86]    Siehe dazu Kudlich, ZRP 2018, 9 (11).
[87]    BGBl. I 2019, S. 2121 (2122).
[88]    Siehe Singelnstein/Derin, NJW 2017, 2646 (2651). 
[89]    Siehe zum Konzept des Penal Populism Jenning/Farrall/Gray/Hay, Governance: An International Journal of Policy, Administration, and Institutions 2017, 463.
[90]    Hoven, KriPoZ 2018, 276 (286).
[91]    BGH, Urt. v. 6. 7. 2017 – 4 StR 415/16.
[92]  Van Loosdregt, ‘Nederland onveiliger door groot aantal korte gevangenisstraffen’, 2019. Abrufbar unter https://demonitor.kroncrv.nl/artikelen/nederland-onveiliger-door-groot-aantal-korte-gevangenisstraffen.
[93]    Raad voor Strafrechtstoepassing en jeugdbescherming, 18 siehe https://www.rsj.nl/binaries/Visie%20op%20strafrechtelijke%20san
ctietoepassing_tcm26-164930.pdf (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[94]    Streng, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, 5. Aufl. (2017), § 47 Rn. 2.
[95]    Statistisches Bundesamt, Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten nach ihrer Unterbringung auf Haftplätzen des geschlossenen und offenen Vollzugs jeweils zu den Stichtagen 31. März, 31. August und 30. November eines Jahres, 2018, S. 11. Die Zahl der kurz inhaftierten belief sich auf 2.846 von insgesamt 11.146 Gefangenen.
[96]    Bezogen auf den Stichtag 1. März 2018. Daten abrufbar auf der Website des Statistischen Bundesamtes unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Justiz-Rechtspflege/Tabellen/strafgefangene.html (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[97]    Streng, in: NK-StGB, § 47 Rn. 12
[98]    Statistisches Bundesamt, Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten nach ihrer Unterbringung auf Haftplätzen des geschlossenen und offenen Vollzugs jeweils zu den Stichtagen 31. März, 31. August und 30. November eines Jahres, 2018, S. 11.
[99]    Siehe dazu bereits Blankenburg, Zeitschrift für Rechtssoziologie 1985, 255 (269).
[100]   WODC, Verhoging strafmaximum moord; is veertig het nieuwe dertig? 2019. Der Bericht sowie eine englische Zusammenfassung sind unter folgendem Link abrufbar: https://www.wodc.nl/onderzoeksdatabase/2854-onderzoek-verhogen-strafmaat-moord.aspx (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[101]   Schuyt, T&C Strafrecht, 2019, comentaar op artikel 22c Sr.
[102]   Laut Justizstatistik wurde in 2016 insgesamt 22 395 mal eine Geldstrafe verhängt gegenüber 32 540 mal eine Arbeitsstrafe. Die landesweit häufigste Sanktionsform war die Freiheitsstrafe (mit und ohne Bewährung) mit 34 985 Fällen. Siehe https://opendata.cbs.nl/statline/#/CBS/nl/dataset/81538NED/table?fromstatweb (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[103]   Daten abrufbar unter https://www.reclassering.nl/over-de-reclassering/wat-wij-doen/werkstraffen (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[104]   De Ridder, Evaluatie Wet Beperking Oplegging Taakstraffen, 2017, S. 1, abrufbar unter https://www.wodc.nl/binaries/2566_Volledige_Tekst_tcm28-296401.pdf (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[105]   Abrufbar unter https://www.rechtspraak.nl/SiteCollectionDocuments/Orientatiepunten-en-afspraken-LOVS.pdf (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[106] Abrufbar unter https://www.om.nl/organisatie/beleidsregels/overzicht-0/index/ (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[107]   EMCDDA, Drug trafficking penalties across the European Union: a survey of expert opinion, 2017. Abrufbar unter http://www.emcdda.europa.eu/system/files/publications/3573/Trafficking-penalties.pdf (zuletzt abgerufen am 21.1.2020).
[108]   Siehe dazu Nelken, Asian Journal of Law and Society 2014, 255 (256).
[109]   Zitiert nach Nelken, Asian Journal of Law and Society 2014, 255 (257).
[110]   Blankenburg/Bruinsma, S. 67.
[111]   Bock, ZIS 2019, 298 (299).
[112]   Vgl. Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), § 40 Rn. 1.
[113]   Bock, ZIS 2019, 298 (299).

 

 

 

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