Die Entscheidung im Original finden Sie hier.
BGH, Urt. v 27.02.2020 – 3 StR 327/19: Genehmigungsfähigkeit entscheidet nicht über Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB
Amtliche Leitsätze:
1. Handelt der Täter ohne behördliche Erlaubnis, so kommt es für die Erfüllung des Tatbestands des § 284 Abs. 1 StGB nicht darauf an, ob sein Vorhaben materiellrechtlich genehmigungsfähig ist.
2. Beeinträchtigt eine Versagung der Erlaubnis den Täter in seinem Recht auf Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG, so entfällt die Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB gleichwohl jedenfalls dann nicht, wenn der gesetzliche Genehmigungsvorbehalt selbst verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
3. Europarechtliche Vorgaben stehen einer Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB in Verbindung mit dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag vom 15. Dezember 2011 (GlüStV) und dem Niedersächsischen Glücksspielgesetz (NGlüSpG) nicht entgegen.
Sachverhalt:
Das LG Hannover hat den Angeklagten vom Vorwurf der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte zwischen dem 1. Juli 2017 und dem 18. September 2017 eine Spielhalle mit Glücksspielautomaten betrieben, ohne die nach dem GlüStV und dem NGlüSpG erforderliche Genehmigung zu besitzen. Zwar hatte er diese beantragt, jedoch hatte die zuständige Behörde seinen Antrag aufgrund des Abstandsgebots aus § 25 Abs. 1 GlüStV i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 NGlüSpG negativ beschieden. Im Eilrechtsschutz vor dem VG hatte der Angeklagte zunächst keinen Erfolg. In einem Verfahren eines Konkurrenten entschied das OVG Niedersachsen schließlich, dass die ablehnende Entscheidung der Behörde rechtswidrig gewesen war woraufhin auch der Angeklagte nachträglich die begehrte Erlaubnis erhalten hatte.
Entscheidung des BGH:
Der BGH hob den Freispruch des Angeklagten auf und verwies die Sache zurück an eine andere Strafkammer des LG Hannover.
Unstrittig habe der Angeklagte im entscheidungserheblichen Zeitraum die Spielhalle betrieben ohne über die erforderliche behördliche Erlaubnis zu verfügen. Für eine Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB komme es nicht entscheidend darauf an, ob das Vorhaben materiellrechtlich genehmigungsfähig gewesen sei und damit eine ablehnende behördliche Entscheidung rechtswidrig sei, so der BGH.
Die Verwaltungsakzessorietät des Tatbestands beziehe sich auf einen konkreten Verwaltungsakt, nicht auf das gesamte einschlägige Verwaltungsrecht. Demnach komme es nur auf die formale Wirksamkeit der Erlaubnis und nicht auf deren materielle Rechtmäßigkeit an. Dies sei damit zu begründen, dass es dem Gesetzgeber darauf ankomme, aus Gründen des Rechtsgüterschutzes, das Verwaltungsverfahren zu betreiben und dessen Ausgang abzuwarten.
Es bestehe kein Recht zur Selbsthilfe bei einer falschen behördlichen Entscheidung, da nicht die Gefährlichkeit des Vorhabens, sondern das Unterlaufen des behördlichen Verfahrens Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit sei.
Auch die nachträglich erteilte Genehmigung stelle keinen Strafaufhebungsgrund dar, da ansonsten der rechtskräftige Abschluss eines etwaigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von den Strafverfolgungsbehörden abgewartet werden müsse. Diese Vorgehensweise würde jedoch der Natur der Strafnorm als abstraktes Gefährdungsdelikt zuwiderlaufen. Verhindert werden solle gerade nicht der bloße Ungehorsam gegenüber der Verwaltung, sondern das behördlich unkontrollierte Tätigwerden.
Anderes ergebe sich auch nicht aus einem möglichen Verstoß der behördlichen Entscheidung gegen Art. 12 Abs. 1 GG oder aus europarechtlichen Vorgaben.