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KriPoZ-RR, Beitrag 71/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 04.08.2020 – 3 StR 132/20: Zur Zwangsprostitution nach § 232a StGB

Amtliche Leitsätze:

  1. Der Täter veranlasst eine zur weiteren Ausübung der Prostitution bereite Person im Sinne des § 232a Abs. 1 Nr. 1 StGB zur Fortsetzung derselben, wenn er sie entgegen ihrem Willen zu einer qualitativ intensiveren oder quantitativ wesentlich umfangreicheren Form der Ausübung bewegt oder von einer weniger intensiven bzw. wesentlich weniger umfangreichen Form abhält.

  2. List im Sinne des § 232a Abs. 3 StGB verlangt, dass sich die irreführenden Machenschaften auf die Tatsache der Prostitutionsausübung an sich beziehen. Das lediglich arglistige Schaffen eines Anreizes gegenüber einer Person, die sich frei für oder gegen eine Prostitutionsaufnahme oder –fortsetzung entscheiden kann, genügt nicht. Das Hervorrufen eines bloßen Motivirrtums wird deshalb regelmäßig von dem Tatbestandsmerkmal nicht erfasst.

Sachverhalt:

Das LG Wuppertal hat den Angeklagten u.a. wegen wegen „Beihilfe zur Zuhälterei“ und „Beihilfe zur besonders schweren Zwangsprostitution in Tateinheit mit Zuhälterei“ zu einer Jugendstrafe verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte (A) den aufgrund eines gemeinsamen Tatplans als Zuhälter tätigen Mitangeklagten (B und C) eine 18-jährige und als Prostituierte tätige Frau vermittelt. Diese hatte B unter Vorspieglung falscher Tatsachen dazu gebracht, sich in ihn zu verlieben und alle ihre Einnahmen an ihn abzugeben (sog. Loverboy-Methode). Die Einnahmen hatte B mit C hälftig geteilt. Es war mehrfach zu Gewaltanwendung durch den Mitangeklagten gekommen, um sie zur Prostitution anzuhalten. Der Angeklagte hatte sich häufig in der Wohnung der Frau aufgehalten, um sie nach Absprache mit den Mitangeklagten zu überwachen.

Die gleiche Methode hatte wenige Zeit später der C angewandt bei gleicher Vorgehensweise, worauf sich die 18-Jährige wiederum zur Prostitution bereit erklärt hatte. Währenddessen hatte der Angeklagte die Heranwachsende immer weiter bestärkt und Cs Liebe als aufrichtig dargestellt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH änderte den Schuldspruch in zwei Fälle der Beihilfe zur ausbeuterischen und dirigistischen Zuhälterei, in einem Fall davon in Tateinheit mit Beihilfe zur Zwangsprostitution um.

Das Verhalten des Angeklagten habe sowohl die Tatbestandsmerkmale der ausbeuterischen Zuhälterei nach § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB als auch diejenigen der dirigistischen Zuhälterei nach § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt. Diese beiden Normen stellten jedoch zwei eigenständige Tatbestände dar, deren Verwirklichung in Tateinheit stehe.

Zur Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zur Zwangsprostitution führte der Senat folgendes aus:

Schutzzweck des § 232a Abs. 1 Nr. 1 StGB sei es, eine bereits die Prostitution ausübende Person davor zu schützen, weiter in das Gewerbe verstrickt zu werden. Demnach erfülle den Tatbestand, wer entweder eine der Prostitution nachgehende Person, die – nach den Vorstellungen des Täters – den Willen habe, diese Tätigkeit zu beenden, von diesem Gedanken abgebracht werde oder entgegen ihres Willens zu einer intensiveren Form der Prostitutionsausübung gedrängt werde bzw. von dem Willen abgebracht werde, eine weniger intensive Form der Tätigkeit zu wählen.

Dabei sei es irrelevant, ob der qualitative oder quantitative Umfang der Prostitutionsausübung betroffen sei. Ebenfalls müsse die Verlagerung die Tätigkeit als Prostituierte selbst betreffen, ein Wechsel des Zuhälters genüge beispielsweise nicht.

Durch ihre Täuschungen, zu denen der Angeklagte Hilfe geleistet habe, hätten die Mitangeklagten die Heranwachsende gegen ihren Willen zu einer quantitativen Erweiterung ihrer Tätigkeit gebracht. Dies erfülle den Tatbestand.

Im Gegensatz zur landgerichtlichen Wertung verwirklichten die Mitangeklagten die Qualifikation des § 232a Abs. 3 StGB nicht, da das Opfer nicht mit List getäuscht worden sei.

List sei jede Verhaltensweise des Täters, die darauf gerichtet sei, seine Ziele unter geflissentlichem und geschicktem Verbergen der wahren Absichten und Umstände durchzusetzen. Davon regelmäßig nicht erfasst, sei das Hervorrufen eines Motivirrtums beim Opfer, welches sich trotz dieser Motivation noch für oder gegen die Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution entscheiden könne.

An diesem restriktiven Verständnis sei auch nach der Gesetzesänderung in 2016 festzuhalten, da der Wortlaut der Norm hierauf keinen Hinweis gebe und die Gesetzesmaterialien explizit keine Erweiterung in Bezug auf das Tatmittel der List vorgesehen hätten, so der BGH.

Danach sei das Vorspielen einer Liebesbeziehung ebenso wie das einer Krankheit oder hohen Schulden nicht ausreichend, um die Qualifikation zu erfüllen.

 

Anmerkung der Redaktion:

Die Vorschriften zum Menschenhandel sind 2016 geändert worden. Insbesondere ist mit § 232a Abs. 3 StGB die Qualifikation der schweren Zwangsprostitution neu eingeführt worden. Weitere Informationen zum Gesetzgebungsverfahren erhalten Sie hier.

 

 

 

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