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KriPoZ-RR, Beitrag 70/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 02.09.2020 – 5 StR 630/19: Nochmaliges Unterbreiten eines Verständigungsvorschlags begründet keine Befangenheit

Leitsatz der Redaktion:

Das nochmalige Unterbreiten eines Verständigungsvorschlags ist für sich genommen ebenso wenig geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen, wie das Festhalten an der im Verständigungsvorschlag genannten Strafhöhe bei Scheitern der Verständigung und einem dennoch geständigen Angeklagten.

Sachverhalt:

Das LG Berlin hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Dagegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft u.a. mit der Rüge formellen Rechts. Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:

Die Vorsitzende Richterin des LG hatte im Vorfeld der Hauptverhandlung Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung geführt. Dabei hatte sie einen Strafrahmen bei einer geständigen Einlassung und Schadenswiedergutmachung des Angeklagten genannt. Die Staatsanwaltschaft war mit diesem nicht einverstanden gewesen. Dennoch unterbreitete die Vorsitzende zu Beginn der Hauptverhandlung den Verständigungsvorschlag, den der Angeklagte angenommen hatte, die StA jedoch nicht.

Nachdem dieser Versuch der Verständigung als gescheitert im Protokoll aufgenommen worden war, kam es zu einem umfassenden Geständnis des Angeklagten und einer Verteidigererklärung, dass der Angeklagte den Schaden wiedergutgemacht hätte. Zum Beweis hatte der Verteidiger einen Einzahlungsbeleg auf ein Anderkonto und zwei unwiderrufliche Zahlungsaufträge vor.

Am zweiten Verhandlungstag hatte die StA, die vorher eine dienstliche Stellungnahme der Vorsitzenden zur Erklärung über weitere Verständigungsgespräche gefordert hatte, welche diese mit einer Verneinung abgegeben hatte, daraufhin einen Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende gestellt, da diese trotz eines Scheiterns der Verständigung am Ziel des Verständigungsvorschlags festgehalten hätte.

Entscheidung des BGH:

Der BGH wies die Rüge als unbegründet ab.

Es stelle regelmäßig keinen Befangenheitsgrund dar, wenn ein Richter einen Verständigungsvorschlag nochmals in der Hauptverhandlung unterbreite, obwohl dieser schon vorher abgelehnt worden sei.

Gerade weil eine Verständigung nach der Rechtsprechung des BVerfG kein Vergleich im Gewande eines Urteils sein dürfe, sondern lediglich eine transparente Einschätzung der Strafzumessungsentscheidung des Gerichts bei geständiger Einlassung des Angeklagten, diene eine derart offene und kommunikative Verhandlungsführung der Verfahrensförderung und begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Daher sei es unbedenklich, wenn das Gericht einen abgelehnten Verständigungsvorschlag nochmals zu Beginn der Hauptverhandlung unterbreite. Aufgrund des Charakters der Verständigung als antizipierte strafzumessungsrechtliche Bewertung bei einem bestimmten erwarteten Prozessverhalten des Angeklagten (beispielsweise einem Geständnis), sei es zudem unbedenklich, wenn das Gericht auch ohne Zustandekommen der Verständigung bei Vornahme der erwarteten Prozesshandlungen durch den Angeklagten, den im Verständigungsvorschlag gewählten Strafrahmen nutze.

Die Verständigung solle gerade keinen „Handel mit Gerechtigkeit“, sondern ein transparentes Verfahren darstellen, welches dem Angeklagten den Wert eines etwaigen Geständnisses transparent aufzeige.

Bei Nichtzustandekommen der Verständigung entfalle lediglich die Bindungswirkung und die Sicherheit für den Angeklagten, dass sein Geständnis nicht verwertet werde, wenn die Strafzumessung nicht im gewählten Rahmen bliebe. Dennoch spreche nichts dagegen den gleichen Rahmen zu wählen, wenn eine Verständigung scheitert und der Angeklagte dennoch alle Bedingungen bei ansonsten unveränderter Sachlage erfülle. Dies sei dann nur folgerichtig.

 

Anmerkung der Redaktion:

Das Grundsatzurteil des BVerfG zur Verständigung im Strafprozess finden Sie hier.

 

 

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