Zu den Kommentaren springen

Der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder

von Prof. Dr. Joachim Renzikowski 

Beitrag als PDF Version 

Abstract
Nach dem Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Sexualstrafrechts liegt mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder die erste größere Reform im Sexualstrafrecht vor. Der Gesetzesentwurf ist jedoch enttäuschend. Die Erkenntnisse der Kommission werden ausschließlich herangezogen, um damit Erweiterungen der Strafbarkeit zu begründen. Zentrale Kritik und Entkriminalisierungsvorschläge werden dagegen völlig ignoriert. Wieder einmal schlagen kriminalpolitische Vorurteile wissenschaftliche Erkenntnisse.

According to the final report from the commission on reforming the law on sexual offences, the proposal for a law to combat sexual violence against children will be the first major reform in this area of law. However, the bill is disappointing. The commission’s insights will be used exclusively to justify expanded culpability. In contrast, central criticism and decriminalization proposals are completely ignored. Once again, criminal policy prejudices beat scientific findings.

I. Einleitung

Die Hochstufung des § 176 StGB zu einem Verbrechen ist schon lange ein Anliegen konservativer Kriminalpolitik. Dadurch würde der Rechtszustand wiederhergestellt, der seit § 176 Abs. 1 Nr. 3 RStGB bis zur Liberalisierung des Sexualstrafrechts in der großen Strafrechtsreform der 1970er Jahre galt.[1] Allerdings war die Rückkehr zur Verbrechenslösung eine der großen rechtspolitischen Auseinandersetzungen beim 6. StrRG von 1996.[2] Bekanntlich ist der Gesetzgeber diesem Ansinnen nicht gefolgt. Ein Zugeständnis an die Verbrechenslösung war allerdings die Einführung der automatischen Rückfallschärfung in § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB, ebenfalls einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr.[3] Bemerkenswerterweise plädiert die vom BMJV eingesetzte Kommission zur Reform des Sexualstrafrechts in ihrem Abschlussbericht für eine Streichung der automatischen Rückfallschärfung.[4] Mit dem 6. StrRG endeten die Diskussionen jedoch nicht, sondern die Forderung nach einer höheren Mindeststrafe schon für die Grundtatbestände des § 176 Abs. 1 und 2 StGB wurde in schöner Regelmäßigkeit wiederholt.[5]
Nachdem sich der Streit zwischen der Vergehens- und der Verbrechenslösung zu einem regelrechten Glaubenskrieg entwickelte, versuchte der Gesetzgeber mit dem Sexual-delÄndG vom 27.12.2003 einen Spagat: § 176 Abs. 1 und 2 StGB sollten weiterhin Vergehen bleiben, aber die Rechtsfolgen des sexuellen Kindesmissbrauchs sollten weitgehend der Verbrechenslösung angeglichen werden. Neu eingeführt wurde in § 176 Abs. 3 StGB ein unbenannter besonders schwerer Fall mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr.[6] Gleichzeitig wurde der minder schwere Fall des Grunddelikts mit der Begründung gestrichen, es stelle für die Opfer eine nicht unerhebliche seelische Belastung dar, wenn die gegen ihre Person gerichtete Straftat als minder schwer eingestuft werde.[7] Erneut kommt die Kommission zur Reform des Sexualstrafrechts zum gegenteiligen Ergebnis: Mit deutlicher Mehrheit schlug sie die Wiedereinführung des minderschweren Falles vor.[8]

Nunmehr scheint die Zeit günstig. Einige aufsehenerregende Missbrauchsfälle in Nordrhein-Westfalen mit unzähligen Verdächtigen, in denen die Taten an den Kindern im Netz weiterverbreitet wurden,[9] und die damit verbundene erhebliche mediale Aufmerksamkeit führte zur politischen Forderung nach härteren Strafen.[10] Nachdem die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht ihren ursprünglichen Widerstand unter öffentlichem Druck revidierte,[11] wurde im August ein Referentenentwurf[12] in die Anhörung gegeben. Am 21.10.2020 hat nun die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder beschlossen. Dieser Entwurf, der alsdann von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD in den Bundestag eingebracht wurde,[13] enthält eine umfassende Reform der §§ 176 ff. StGB, Strafverschärfungen bei der Kinderpornographie (§ 184b StGB) sowie weitere Änderungen im Sexualstrafrecht, die im Folgenden – auch aus rechtsvergleichender Perspektive mit Österreich und der Schweiz – kritisch gewürdigt werden sollen.

Daneben enthält der Entwurf weitere Regelungen, auf die hier nur am Rande eingegangen werden kann, so etwa längere Nachweisfristen von pädosexuellen Straftaten im erweiterten Führungszeugnis (§ 34 BZRG), erweiterte Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden zum Abhören von Messengerdiensten und zur Online-Durchsuchung (§§ 100a, 100b, 100g StPO), Qualifikationsanforderungen für Jugend- und Familienrichter im Umgang mit Minderjährigen (§§ 23b Abs. 3 GVG; 37 JGG) sowie zur Stärkung von Minderjährigen im Verfahrensrecht (§ 48a StPO).

II. Die Reform der §§ 176 ff. StGB

1. „Sexualisierte Gewalt“ ohne „Gewalt“?

Die neue Gesetzesüberschrift über § 176 GesE lautet „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder“. Diese Bezeichnung wird auch in den weiteren Vorschriften beibehalten (insbes. § 176a GesE: „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder ohne Körperkontakt mit dem Kind“). Nun wird schon länger an dem in § 176 StGB – aber auch in anderen Straftatbeständen des 13. Abschnitts – verwendeten Ausdruck „Missbrauch“ kritisiert, er impliziere sprachlich, dass von einer grundsätzlich zulässigen Befugnis im Einzelfall ein unzulässiger Gebrauch gemacht werde.[14] Ob man den Ausdruck „Missbrauch“ wirklich nur mit dieser engen Bedeutung verstehen kann, soll hier dahinstehen.[15] Im Sexualstrafrecht ist der Ausdruck „Missbrauch“ jedenfalls seit langem eingeführt und bezeichnet die Fälle, in denen die sexuelle Selbstbestimmung einer Person verletzt wird, die aus verschiedenen Gründen nicht zu einer rechtlich relevanten Willensbildung in der Lage ist, während man von einer Nötigung spricht, wenn der Wille bzw. die Willensbildung einer anderen Person durch nötigenden Zwang überwunden wird.[16] Auch das österreichische Strafrecht verwendet den Ausdruck „Missbrauch“.[17] Der Fachsprachgebrauch beruht also auf guten Gründen. Das schließt indes nicht aus, nach einer besseren Bezeichnung zu suchen. Diese Bezeichnung müsste dann freilich auf alle bisherigen „Missbrauchs“-Fälle passen, denn das Problem einer angemessenen Systematisierung des Sexualstrafrechts, in der Unrechtstypen nach ihrer Schwere voneinander unterschieden werden können, bleibt ja bestehen.[18]

Der Ausdruck „sexualisierte Gewalt gegen Kinder“ soll ausweislich der Gesetzesbegründung „das Unrecht dieser Straftraten klarer“ umschreiben und „einer Bagatellisierung“ entgegenwirken.[19] Eine solche Terminologie ist in den Sozialwissenschaften nicht unüblich; man spricht allgemein von „sexueller Gewalt“, um sämtliche Formen einer – denkbaren – Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung zu erfassen, unabhängig von der – nicht geläufigen oder als zu eng empfundenen – strafrechtlichen Begrifflichkeit.[20] Berühmt geworden ist etwa der Begriff der strukturellen Gewalt des Norwegers Johan Galtung.[21] Im Strafrecht ist dagegen für den Gewaltbegriff, jedenfalls bislang, eine psychische Zwangswirkung charakteristisch.[22] Für sonstige Einwirkungen auf den Körper eines anderen wird der Ausdruck „Gewalttätigkeit“ verwendet. Man kann darüber streiten, ob der Verzicht auf eine Nötigung in § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB daran etwas geändert hat. Aber selbst wenn man Gewalt nicht mehr im Kontext einer Nötigung einordnen will,[23] muss es sich um eine erhebliche Einwirkung auf den Körper handeln, die wegen des Verschleifungsverbots nicht mit der (unerwünschten) sexuellen Handlung identisch sein darf.[24] Die Gesetzesbegründung meint hierzu, mit der Änderung der Begrifflichkeit sei keine Inhaltsänderung verbunden: „Es bleibt dabei, dass es für die Tatbestandsverwirklichung nicht auf die Anwendung von Gewalt oder auf Drohung mit Gewalt ankommt.“[25] Es gibt künftig also Fälle sexualisierter Gewalt gegen Kinder ohne Gewalt (die unter § 176 Abs. 1 GesE subsumiert werden) und Fälle sexualisierter Gewalt gegen Kinder mit Gewalt (die unter § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB subsumiert werden). „Klar“ ist hier nur eins: der Selbstwiderspruch des Gesetzgebers, dem der Verstoß gegen die Logik ganz gleichgültig ist. Anscheinend kann man ein Wort mal dieses, mal jenes heißen lassen, ganz nach Belieben desjenigen, der die Macht hat.[26] Tatsächlich werden mit der neuen Wortwahl Differenzierungen und Systematik des Sexualstrafrechts über Bord geworfen.

Die von der Gesetzesbegründung behauptete „Bagatellisierung“ hätte zudem Anlass geben müssen, über eine Umbenennung aller Missbrauchsdelikte nachzudenken. Das ist aber nicht geschehen. Jedenfalls, was § 176 StGB betrifft, hätte sich als Alternative Art. 187 schwStGB angeboten, wonach „Sexuelle Handlungen mit Kindern“ strafbar sind.[27] Tatsächlich dürfte ein anderer Grund für die Wortwahl maßgeblich sein, den die Gesetzesbegründung in unmissverständlicher Deutlichkeit herausstreicht: „Jede sexuelle Handlung mit einem Kind ist als sexualisierte Gewalt zu brandmarken.“[28] Es geht also um Labeling.[29] Wenn § 176 StGB künftig ein Verbrechen sein soll, schwingt bei „sexualisierter Gewalt“ die notwendige Dramatik mit. Um eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zu begründen, klingt „sexuelle Handlungen mit Kindern“ einfach zu lasch.

2. Die neue Systematik der §§ 176 – 176d GesE

Bevor die erhöhten Strafrahmen näher betrachtet werden, soll ein Blick auf die neue Gesetzessystematik geworfen werden. § 176 Abs. 1 und 2 StGB werden ohne inhaltliche Änderungen in § 176 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GesE überführt. Diese Fälle sind künftig als Verbrechenstatbestände ausgestaltet. Der besonders schwere Fall des § 176 Abs. 3 StGB entfällt.

§ 176a GesE beschreibt verschiedene Alternativen sexualisierter Gewalt gegen Kinder ohne Körperkontakt. Dabei handelt es sich um die Fälle, dies bislang in § 176 Abs. 4 Nr. 1, 2 und 4 StGB normiert sind. Die Mindeststrafe wird von drei Monaten auf ein halbes Jahr und die Höchststrafe von fünf auf zehn Jahre heraufgesetzt. § 176a Abs. 3 GesE ordnet über die bisherige Rechtslage hinausgehend die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs nach Abs. 1 Nr. 3 in den Fällen an, in denen der Täter irrtümlich annimmt, seine Einwirkung beziehe sich auf ein Kind. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll dadurch eine Strafbarkeitslücke für „Scheinkind-Konstellationen“ geschlossen werden.[30] Übersehen wird dabei jedoch, dass § 176a Abs. 1 Nr. 3 GesE eine ganz andere Schutzrichtung hat als die Strafvorschrift gegen „Cybergrooming“: Bei letzterer geht es darum, Kinder davor zu bewahren, Opfer eines Missbrauchs zu werden. Das Verbot der Konfrontation mit pornographischen Inhalten soll dagegen Kinder davor bewahren, durch explizite Darstellungen von Sexualität verunsichert oder verstört zu werden.[31] Tatsächlich dürfte es darum gehen, Ermittlungsansätze für polizeiliche Lockspitzel zu schaffen.[32]

§ 176b GesE („Vorbereitung sexualisierter Gewalt gegen Kinder“) enthält in Abs. 1 die Fälle des § 176 Abs. 3 StGB nebst der fragwürdigen Sonderregel zur Strafbarkeit des untauglichen Versuchs (früher: § 176 Abs. 6 Hs. 2 StGB, jetzt: Abs. 3).[33] Hier ist es auch bei den früheren Strafrahmen geblieben.

In § 176c GesE („schwere sexualisierte Gewalt gegen Kinder“) finden sich die Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176a StGB. Bei Abs. 1 beträgt die Mindeststrafe einheitlich zwei Jahre wie bisher für die in § 176a Abs. 2 StGB aufgeführten Alternativen. Abs. 2 enthält mit derselben Strafdrohung den Kindesmissbrauch zu pornographischen Zwecken nach § 176a Abs. 3 StGB. Während der Referentenentwurf auf die automatische Rückfallschärfung nach § 176a Abs. 1 StGB verzichtete, soll die auf zwei Jahre erhöhte Mindeststrafe künftig auch für Rückfalltäter gelten (vgl. § 176c Abs. 1 Nr. 1 GesE), was die Gesetzesbegründung mit der spezialpräventiven Erwägung begründet, der besonderen Gefährlichkeit der Täter müsse auf diese Weise Rechnung getragen werden.[34] Die verbreitete Kritik an einer automatischen Rückfallverschärfung[35] wird ebenso wenig erwähnt wie die bemerkenswerte Forderung der Reformkommission für eine Streichung der Rückfallklausel.[36] Darüber hinaus hatte die Reformkommission eine Qualifikation für volljährige Personen angeregt, die ein Kind zum Beischlaf usw. mit einer minderjährigen Person bestimmen.[37] Eine entsprechende Erweiterung ist in § 176c Abs. 2 GesE nicht vorgesehen. Gestrichen wurde der minder schwere Fall nach § 176a Abs. 4 StGB, um sicherzustellen, „dass sich das besonders schwere Unrecht der Tat künftig auch im Strafmaß widerspiegelt“.[38] Die Reformkommission hatte demgegenüber auch die Einführung eines minder schweren Falles für § 176a Abs. 3 StGB gefordert.[39]

§ 176d GesE regelt schließlich todeserfolgsqualifizierte Taten wie derzeit noch § 176b StGB, wobei das Wort „wenigstens“ durch „mindestens“ ersetzt wurde.

Abgesehen von den Strafrahmen, auf die noch zurückzukommen ist, wirkt diese Gesetzessystematik im Wesentlichen stimmig,[40] mit einer Ausnahme, die § 176 Abs. 5 StGB betrifft. Dieser Vorfeldtatbestand wurde im Jahr 2003 durch das SexualdelÄndG eingeführt. Damit reagierte der Gesetzgeber auf den „Rosenheimer Fall“, in dem die Angeklagten vom Vorwurf der Verabredung zu §§ 176a, 176b StGB freigesprochen worden waren, weil die Ernstlichkeit der Verabredung nicht nachgewiesen werden konnte.[41] Tatsächlich ging es ihnen wohl darum, im Internet Pädophile „abzuzocken“. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte die neue Vorschrift derartige Beweisprobleme vermeiden und auch „Scheinerklärungen“ erfassen, sofern der Täter es nur für möglich hält, dass ein anderer das Angebot für ernsthaft halten könnte.[42] Durch den „Eindruck der jederzeitigen Verfügbarkeit von Kindern für sexuellen Missbrauch“ werde der „öffentliche Friede“ gestört.[43] In der Reformkommission wurde die Vorschrift kontrovers diskutiert. Auch wenn die Mehrheit die geltende Rechtslage akzeptierte,[44] bestand doch weitgehende Einigkeit darin, die Alternativen des § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB vom Tatbestand auszunehmen.[45] Die Einbeziehung von Taten ohne Körperkontakt erscheint überzogen. Im Hinblick auf § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB verlagert § 176 Abs. 5 StGB die Strafbarkeit außerordentlich weit vor, weil die Verabredung erfasst wird, irgendwann einmal in der Zukunft gemeinsam im Internet auf Kontaktsuche zu gehen. Einen so eindrucksvollen Beleg für überzogenes „Feindstrafrecht“ hat sich Jakobs im Jahr 1985[46] gewiss noch nicht vorgestellt.

Wenn man § 176 Abs. 5 StGB beibehalten wollte, hätte sich folgende Lösung angeboten: Da es sich um einen Vorfeldtatbestand handelt, wäre der passende Ort die Strafvorschrift über die Vorbereitungsdelikte (§ 176b GesE), optimal nur bezogen auf die Vorbereitung von Taten nach § 176 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GesE und ergänzt durch das Merkmal der „Ernstlichkeit“.[47] Stattdessen wird die Strafbarkeit nun weiter ausdifferenziert. Die Vorbereitung von Taten nach § 176 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GesE wird ebenso zu einem Verbrechen, wie diese Taten selbst (s. § 176 Abs. 1 Nr. 3 GesE). Hier entfällt allerdings die Verbrechensverabredung, die nach der neuen Rechtslage gemäß § 30 Abs. 2 StGB ohnehin strafbar ist.[48] Wenn man § 176 Abs. 1 Nr. 3 GesE in Kontinuität zu § 176 Abs. 5 StGB versteht, führt das zu erstaunlichen Ungereimtheiten: Für die Verabredung zum sexuellen Kindesmissbrauch gilt nach § 30 Abs. 2 StGB, dass sich nur derjenige strafbar macht, der seine eigene Beteiligung ernstlich meint.[49] Für § 176 Abs. 1 Nr. 3 GesE gilt das jedoch nicht; auch Scheinangebote und Scheinversprechen sind künftig als Verbrechen sexualisierter Gewalt gegen Kinder strafbar[50] – ohne dass es irgendein Kind geben muss, welches in irgendeiner Weise gefährdet sein könnte. Diese Strafbarkeit von u.U. opferlosen Delikten stützt die Gesetzesbegründung auf die „besondere Verwerflichkeit dieser Taten“.[51] Sodann ermöglicht die Ausgestaltung als Verbrechen die Anwendung von § 30 StGB auf § 176 Abs. 2 GesE und damit eine noch weitere Vorverlagerung der Strafbarkeit: die Verabredung zu einer Verabredung, die (ernstliche) Verabredung zu einem Scheinangebot.

Die Vorbereitung von Taten ohne Körperkontakt wird nach § 176a Abs. 2 GesE ebenso bestraft wie diese Taten selbst. Damit ist auch hier eine deutliche Erhöhung des Strafrahmens verbunden. § 176b Abs. 2 GesE erfasst weiterhin – auch mit dem bisherigen Strafrahmen – die Vorbereitung der Vorbereitung eines sexuellen Kindesmissbrauchs, eine völlig überzogene Vorverlagerung der Strafbarkeit. Die von der Reformkommission vorgeschlagene Streichung dieser Alternative kam für den Gesetzgeber so offensichtlich nicht in Betracht, dass eine Auseinandersetzung mit den Argumenten der Sachverständigen für überflüssig gehalten wurde.

3. Die neuen Strafrahmen der §§ 176 – 176d GesE

Die Richtung der Reform ist klar: Da der Gesetzgeber mit der Sanktionspraxis der Gerichte unzufrieden ist, sollen die Strafrahmen deutlich erhöht werden und zwar bei § 176 GesE von sechsmonatiger bis zu zehnjähriger Freiheitsstrafe auf Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren und bei § 176a GesE von dreimonatiger bis zu fünfjähriger Freiheitsstrafe auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Bei den anderen Tatbeständen bleibt es im Wesentlichen bei den bisherigen Strafrahmen. Allerdings wird die unbenannte Strafmilderung nach § 176a Abs. 4 StGB gestrichen. Überzeugende Gründe für die Anhebung der Strafrahmen werden nicht genannt. Da die Zahlen bekanntgewordener Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern „deutlich gestiegen“ seien, bedürfe es einer „deutlichen Verschärfung“ der Strafrahmen.[52] Derartigen Formulierungen liegt die ebenso verbreitete wie unzutreffende Annahme zugrunde, härtere Strafen führten zu einem Rückgang der entsprechenden Delikte. Anlass für die Reform sind die „in den Jahren 2017, 2018, 2019 und 2020 bekanntgewordenen Missbrauchsfälle von Staufen, Bergisch-Gladbach, Lügde und Münster“ die „in aller Deutlichkeit“ aufzeigen, „dass das Strafrecht, das an sich bereits heute empfindliche Strafen für sexualisierte Gewalt gegen Kinder und die Delikte der Kinderpornographie vorsieht, nicht die erhoffte Abschreckungswirkung entfaltet. (…) Darauf muss der Gesetzgeber reagieren, denn die bisherigen Strafrahmen bilden diese Dimension nicht mehr angemessen ab.“[53] Da die Abschreckungsprävention bislang nicht funktioniert, muss man also nur die Strafen erhöhen, bis sie funktioniert! Dabei zeigen die genannten Fälle, das schon das geltende Strafrecht völlig ausreicht, um dem Unrecht, der Schuld und der Gefährlichkeit der Täter angemessene Sanktionen zu verhängen: In allen diesen Fällen wurden die Hauptverantwortlichen zu sehr langen Freiheitsstrafen, zumeist mit anschließender Sicherungsverwahrung, verurteilt.[54] Die geplanten Änderungen im GesE wirken sich auf derartige Fälle jedenfalls nicht aus.

Weiterhin wird behauptet, dass sich das die Taten kennzeichnende „schwere Unrecht“ nicht immer in den verhängten Strafen widerspiegele.[55] Um eine unangemessene Milde der Gerichte mit Sexualstraftätern zu belegen, reicht es jedoch nicht aus, ausschließlich Zahlen aus der Verurteilungsstatistik anzuführen. So seien im Jahr 2018 in ca.11 % der Fälle lediglich Geldstrafen verhängt worden. Die Freiheitsstrafen seien in ca. 64 % der Fälle unter einem Jahr und nur in ca. 35 % der Fälle über zwei Jahren gelegen.[56] Vielmehr müsste an ganz konkreten Beispielen gezeigt und begründet werden, weshalb eine Mindeststrafe von einem Jahr für ganz leichte Fälle, in denen die Erheblichkeitsschwelle gem. § 184h Nr. 1 StGB einmalig nur geringfügig überschritten wird, oder für die „Knutscherei“ einer fast 14-Jährigen mit einem knapp 18-Jährigen die angemessenere Sanktion ist.[57] Bezeichnenderweise hat die Reformkommission sich gegen eine Erhöhung der Mindeststrafe ausgesprochen und mit deutlicher Mehrheit gerade für solche Fälle die Wiedereinführung eines minder schweren Falles gefordert.[58] Dabei handelt es sich keineswegs um eine Bagatellisierung, sondern um eine angemessene Abstufung verschiedener Unrechtsgrade. Demgegenüber beharrt die Gesetzesbegründung darauf, dass es keinen minder schweren Fall geben dürfe. Vielmehr müsse das „klare Signal“ ausgesendet werden, „dass sexuelle Handlungen mit Kindern nie als leichte Fälle eingeordnet werden können. Angesichts der furchtbaren Folgen, die sexualisierte Gewalt für Kinder haben kann, ist das Absehen von einer solchen Regelung nicht unverhältnismäßig.“[59] Diese pauschale Behauptung trifft allerdings nicht zu. Die zu Differenzierungen unfähige – oder unwillige – Sichtweise der Gesetzesbegründung führt dazu, dass § 176 GesE – von den absoluten Strafdrohungen abgesehen – das einzige Verbrechen im gesamten Besonderen Teil des StGB ist, welches keinen minder schweren Fall kennt. In Relation zu anderen Tatbeständen des Sexualstrafrechts ist nicht erkennbar, weshalb etwa bei der sexuellen Nötigung ein minder schwerer Fall möglich ist (s. § 177 Abs. 9 StGB), bei gewaltlosen Taten an Kindern jedoch nicht.

Die neue Obergrenze für den sexuellen Kindesmissbrauch soll nach dem GesE 15 Jahre betragen. Allerdings sehen die §§ 176 Abs. 3, 176a Abs. 2 StGB schon jetzt für die schwersten Fälle eine Strafobergrenze von 15 Jahren vor. Wiederum müsste gezeigt werden, für welche sonstige Sachverhalte eine derart hohe Strafobergrenze angemessen wäre, also Taten ohne schwere Folgen für das Opfer (vgl. § 176a Abs. 2 Nr. 3 StGB), ohne Penetration (vgl. § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB), die nicht gemeinschaftlich begangen werden (vgl. § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB), ohne besonders erniedrigende Sexualpraktiken und nicht im Rahmen einer Tatserie (vgl. § 176 Abs. 3 StGB). Solche Fälle beschreibt die Gesetzesbegründung nicht.[60] Dass ein Strafrahmen von einem bis zu fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe für ein ggf. opferloses Delikt (s. § 176 Abs. 1 Nr. 3 GesE) völlig überzogen ist, ist evident.[61]

Auch in § 176c GesE, der die schweren Fälle des § 176a StGB aufnimmt, ist ein minder schwerer Fall wie in § 176a Abs. 4 StGB nicht mehr vorgesehen. Als minder schwere Rückfalltat wurde etwa die wiederholte Begehung einer knapp über der Erheblichkeitsschwelle liegenden sexuellen Handlung angesehen.[62] Bei Geschlechtsverkehr dachte der Gesetzgeber an eine Liebesbeziehung zwischen einem körperlich und seelisch weit über den altersgemäßen Zustand hinaus entwickelten Mädchen und einem jungen Erwachsenen.[63] Weshalb diese Fälle nunmehr mit einer Freiheitsstrafe sanktioniert werden sollen, die kaum noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann, versteht sich nicht von selbst. Aber außer einem pauschalen Verweis auf das besonders schwere Unrecht[64] der Tat schweigt die Gesetzesbegründung.[65]

Fazit: Es ist völlig richtig, dass sich das Unrecht einer Tat im Strafmaß abbilden soll.[66] Bei den §§ 176 ff. GesE ist das jedoch nicht durchgängig der Fall, weil der Gesetzgeber vor den notwendigen Differenzierungen die Augen verschließt. Der Bestrafungsfuror des deutschen Gesetzgebers offenbart sich im Vergleich mit Österreich und der Schweiz: In Österreich sind schwere Taten, vergleichbar § 176a Abs. 2 StGB mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren belegt (§ 206 öStGB); für den „einfachen“ Kindesmissbrauch reicht der Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren (§ 207 öStGB). Dieselbe Obergrenze sieht Art. 187 schStGB vor. In der Schweiz ist jedoch auch eine Geldstrafe möglich.

4. Der Umgang mit kinder- und jugendtypischer Sexualität, § 176 Abs. 3 GesE

Im Jahr 2011 verurteilte das AG Arnstadt einen zum Tatzeitpunkt 14 Jahre alten Schüler, der seine Klassenkameradin mit ihrem Einverständnis am Hals geküsst hatte, so dass ein „Knutschfleck“ sichtbar geworden war, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 1 StGB. Aufgrund dieser Verurteilung ordnete das AG Erfurt gemäß § 81 g StPO eine DNA-Analyse an. Eine Beschwerde zum LG Erfurt hatte keinen Erfolg. Erst das BVerfG bereitete diesem Irrsinn ein Ende, freilich ohne das strafgerichtliche Ausgangsurteil selbst als unverhältnismäßig zu kritisieren.[67]

Da eine Bestrafung in derartigen Fällen „unverhältnismäßig“ sei,[68] sieht § 176 Abs. 3 GesE einen neuen persönlichen Strafausschlussgrund vor. Demnach kann bei einvernehmlichen Sexualkontakten[69] von Strafe abgesehen werden, wenn „der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.“ Es trifft zu, dass das absolute Abstinenzgebot für Sexualkontakte mit Kindern im Widerspruch zu „Knutschereien“ zwischen nahezu Gleichaltrigen steht, die zu einer altersgemäßen Sexualentwicklung gehören.[70] Ihre Straflosigkeit entspricht auch einer Empfehlung der Reformkommission.[71] Der vorgesehene persönliche Strafausschlussgrund steht jedoch in einem merkwürdigen Gegensatz dazu, dass solche Sexualkontakte tatbestandlich immer noch als Verbrechen sexualisierter Gewalt an Kindern „gebrandmarkt“ werden. Zudem ist der Strafausschluss nicht obligatorisch, sondern als „Kann-Vorschrift“ ausgestaltet, steht also im Ermessen des Gerichts. Die von der Gesetzesbegründung bemühte Parallele zu § 182 Abs. 3 StGB[72] trägt nicht, denn der Gesetzgeber hat übersehen, dass Kindern von vornherein die Fähigkeit, über ihre Sexualität zu bestimmen, abgesprochen wird.[73] Nimmt man § 176 Abs. 3 GesE beim Wort, ist die Strafbefreiungsklausel unanwendbar: Die fehlende Fähigkeit eines Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung wird durch Taten nach § 176 StGB immer ausgenutzt. Ferner ist unklar, nach welchen Kriterien sich Entwicklungsstand und Reifegrad bestimmen bzw. wie sie sich unterscheiden.

Um das unbestreitbar richtige gesetzgeberische Ziel zu erreichen, wäre demgegenüber ein Tatbestandsausschluss die richtige Lösung. Vorbilder finden sich im österreichischen[74] und im schweizerischen Strafrecht[75] mit unterschiedlichen gleitenden Schutzaltersgrenzen.

III. Neue Strafrahmen in § 184b GesE

Bei § 184b GesE ist das noch nicht verkündete Gesetz zur Modernisierung des Schriftenbegriffs[76] schon berücksichtigt; der Ausdruck ‚Schrift‘ wurde durch den Ausdruck ‚Inhalt‘ ersetzt. Ansonsten kennt der GesE bei der Kinderpornographie ebenfalls nur eine Richtung: Die Strafrahmen gehen steil nach oben.

§ 184b Abs. 1 S. 1 GesE (Herstellung und Verbreitung von Kinderpornographie) wird künftig zu einem Verbrechen. Die Mindeststrafe wird deutlich von drei Monaten auf ein Jahr angehoben; die bisherige Strafobergrenze von fünf Jahren verdoppelt sich auf zehn Jahre. Ein minder schwerer Fall ist nicht vorgesehen. Nur bei offensichtlich fiktionalen Inhalten bleibt es bei dem bisherigen Strafrahmen (§ 184b Abs. 1 S. 2 GesE). Gründe für die exorbitante Strafschärfung sind abermals die angeblich zu geringe Abschreckungswirkung des geltenden Strafrechts und die Unzufriedenheit mit der Sanktionspraxis.[77] Nun ist der in der Gesetzesbegründung beklagte Zuwachs der Fallzahlen unbestreitbar. Die PKS zeigt jedoch lediglich das Hellfeld in Abhängigkeit von der Tätigkeit der Kriminalpolizei. Der Anstieg der Fälle kann durchaus auf einer erhöhten Ermittlungstätigkeit und einigen Ermittlungserfolgen, insbesondere auch im Zusammenhang mit den oben erwähnten Missbrauchsskandalen beruhen. Dann spricht wenig dafür, dass die Abschreckungswirkung des § 184b StGB brüchig geworden wäre. Da Kinderpornographie üblicherweise im Internet in mehr oder weniger geschlossenen Gruppen zirkuliert, ist die Annahme einer abschreckenden Wirkung von Strafen[78] wenig plausibel. Die Erhöhung des Strafrahmens in § 184b Abs. 1 S. 1 GesE dürfte potentielle Produzenten und Verbreiter von Kinderpornographie daher nicht abschrecken, so lange sie sich im Darknet sicher fühlen können. Wer hieran etwas ändern möchte, muss die personellen und sachlichen Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden aufstocken.

Bei gewerbs- oder bandenmäßiger Begehung reicht der Strafrahmen nach § 184b Abs. 2 GesE künftig von zwei Jahren bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe (bisher: sechs Monate bis zehn Jahre). Drastisch ist der Sprung der Mindeststrafe in § 184b Abs. 3 GesE für Sichverschaffen und Besitz von nichtfiktionaler Kinderpornographie: von (bisher) Geldstrafe auf ein Jahr, die Strafobergrenze soll künftig bei fünf Jahren liegen. § 184b Abs. 6 GesE soll die Herstellung und Verbreitung von fiktiven, aber wirklichkeitsnahen kinderpornographischen Inhalten zum Zweck der Strafverfolgung erlauben. Auf diese Weise soll es den Strafverfolgungsbehörden ermöglicht werden, durch gezielte Weitergabe solcher Inhalte an bestimmte Dritte in geschlossene Nutzergruppen im Internet einzudringen.[79]

Die Bewertung ist ambivalent. Zunächst einmal ist zu begrüßen, dass die höheren Strafrahmen nicht für fiktive Kinderpornographie gelten sollen. Derartigen Darstellungen liegt kein realer Kindesmissbrauch zugrunde; der Darstellerschutz[80] kann das Unrecht nicht begründen. Andererseits hat die Reformkommission empfohlen, die Strafbarkeit für klar als solche erkennbare fiktive Kinder- und Jugendpornographie ganz entfallen zu lassen, da eindeutig künstliche Darstellungen zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung nicht verboten werden müssen.[81] Eine Entkriminalisierung würde nicht nur die Pornographiedelikte auf den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung konzentrieren,[82] sondern entspricht auch europarechtlichen Vorgaben: Art. 20 Abs. 3 der Lanzarote-Konvention lässt Ausnahmen von der Strafbarkeit nicht nur bei simulierten, sondern auch bei wirklichkeitsnahen kinderpornographischen Darstellungen zu. Art. 2 lit. c RL 2011/93/EU erfasst nur reale oder simulierte Darstellungen als Kinderpornographie. Das zeigt, dass man nicht nur in die Gegenrichtung einer Entkriminalisierung nachdenken sollte, sondern offenbart auch eine Schwäche des GesE. „… hinter Kinderpornographie steht häufig sexualisierte Gewalt gegen Kinder“, heißt es in der Gesetzesbegründung.[83] Das ist aber auch bei nur „wirklichkeitsnaher“ Kinderpornographie nicht der Fall. Wenn man sich nicht mit der fragwürdigen Erwägung begnügen möchte, Beweisprobleme zu vermeiden,[84] könnte man damit argumentieren, dass Nachahmungsgefahren vermieden werden sollen.[85] Aber die Unrechtsschwere derartiger abstrakter Gefahren liegt deutlich unterhalb der Schwere einer aktualen Rechtsverletzung.

Die Anhebung der Höchststrafe für Anbieter lässt sich im Hinblick auf hochaktive Täter, die massenweise schwerste Missbrauchsdarstellungen verbreiten, gut vertreten. Allerdings beschreibt schon bisher die Qualifikation in § 184b Abs. 2 StGB nicht derartige Anbieter, sondern beschränkt sich auf gewerbsmäßiges Handeln und das Handeln als Mitglied einer Bande. Aber nicht alle Täter, die einschlägige Plattformen organisieren, wollen damit Gewinne erzielen, sondern „einfach“ nur möglichst viele Inhalte sammeln, und wer nur allein oder zu zweit agiert, begeht die Tat nicht bandenmäßig.[86]

Widerspruch verdient die Ausgestaltung von § 184b Abs. 3 GesE als Verbrechen. Selbst ein einziges Bild mit der „sexuell aufreizenden Wiedergabe … des unbekleideten Gesäßes eines Kindes“ – ohne dass das abgebildete Kind erkennbar sein muss – soll künftig eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr rechtfertigen – wie eine sexuelle Handlung mit Körperkontakt (§ 176 Abs. 1 GesE). Das wird der Bandbreite möglicher inkriminierter Darstellungen in keiner Weise gerecht. Die deutliche Verschärfung soll berücksichtigen, „dass der Täter, der kinderpornographische Inhalte besitzt oder sich einen solchen Besitz verschafft, durch seine Nachfrage den Markt für Kinderpornographie befeuert und … sich damit letztlich mitschuldig macht an dem Missbrauch kindlicher Opfer“.[87] Das ist in dieser Pauschalität irreführend, denn man muss zwischen aktiver Nachfrage („Sich-verschaffen“) und bloßem Besitz unterscheiden. Wer sich aktiv an einem illegalen Markt beteiligt, trägt Mitverantwortung dafür, dass seine Nachfrage weitere Missbrauchstaten fördert.[88] Der bloße Besitz ist im Verhältnis zum Sich-verschaffen nur ein Auffangtatbestand, der eingreift, wenn keine aktive Nachfrage festgestellt werden kann.[89] Die Gleichbehandlung beider Alternativen überzeugt nicht.[90] Bemerkenswerterweise hatte die Reformkommission den jetzigen Strafrahmen für den Besitz von Kinderpornographie als ausreichend angesehen und davor gewarnt, den Strafrahmen zu Ermittlungszwecken anzuheben.[91]

IV. Das Verbot von Sexpuppen mit kindlichem Aussehen, § 184l GesE

Mit § 184l enthält der GesE einen neuen Straftatbestand, der im Referentenentwurf noch nicht vorgesehen war und seinen Weg in den GesE augenscheinlich über die Verbändeanhörung gefunden hat. Bestraft werden sollen „Inverkehrbringen, Erwerb und Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild“. Die Tathandlungen entsprechen im Wesentlichen § 184b Abs. 1 Nr. 3 und 4 StGB. Der Strafrahmen soll von Geldstrafe bis zu fünfjähriger Freiheitsstrafe reichen. Für Erwerb und Besitz gilt gemäß Abs. 2 eine niedrigere Höchststrafe von drei Jahren. Strafbar sind auch die versuchte Einfuhr und der versuchte Verkauf (§ 184l Abs. 3 GesE). Abs. 4 sieht einen Tatbestandsausschluss für Handlungen vor, „die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung staatlicher Aufgaben oder dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen“. Welchen Beitrag derartige Puppen zur Strafverfolgung liefern sollen,[92] bleibt der Phantasie des Gesetzgebers überlassen.

Die Gesetzesbegründung ist in weiten Teilen unverständlich und soll daher im Zusammenhang wiedergegeben werden: „Denn diese Nachbildungen, in der Regel Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild, können die sexuelle Ausbeutung von Kindern mittelbar fördern. Es besteht die Gefahr, dass ihre Nutzung die Hemmschwelle zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder absenkt. Durch die Nutzung solcher Objekte kann der Wunsch geweckt beziehungsweise verstärkt werden, die an dem Objekt eingeübten sexuellen Handlungen in der Realität an einem Kind vorzunehmen. Hierdurch wird die Gefahr für Kinder, Opfer von sexualisierter Gewalt zu werden, gesteigert, was nicht hinzunehmen ist. Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild können nach geltendem Recht bereits von § 184b StGB (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte) erfasst sein. An der Strafbarkeit nach § 184b StGB soll sich nichts ändern. Der neue Straftatbestand soll subsidiär greifen und Strafbarkeitslücken schließen. Er soll auch dann gelten, wenn nicht die Voraussetzungen für einen kinderpornographischen Inhalt vorliegen, und erfasst – anders als § 184b Absatz 3 StGB – auch rein fiktive Darstellungen.“[93] Sieht man einmal davon ab, dass es einen Unterschied zwischen Inhalten und Gegenständen gibt und dass Gegenstände keine Fiktionen sind,[94] ist das zentrale Argument für § 184l GesE die Nachahmungsgefahr.[95]

Die Gesetzesbegründung liefert keinerlei Beweise für diese Behauptung. Anscheinend wurden bei Durchsuchungen in Münster und Bergisch-Gladbach derartige Puppen gefunden.[96] Und so lautet – recht vorschnell – der Schluss, dass die Missbrauchstäter in diesen Fällen sich von den kindlichen Sexpuppen in ihren Neigungen haben bestärken lassen. Wenn irgendwann das „Kopfkino“ nicht mehr ausreicht, muss der „Kick“ erhöht werden und die sexuellen Phantasien werden an realen Kindern verwirklicht. Empirische Untersuchungen zur Kinderpornographie zeichnen jedoch ein sehr differenziertes Bild. Zwar wird ein großer Teil der Konsumenten nicht nur durch die Lust am Sammeln verbotener Gegenstände, sondern durch eigene pädophile Neigungen zur Nachfrage nach Kinderpornographie motiviert.[97] Aber viele pädophil veranlagte Männer werden nicht zu Missbrauchstätern, sondern begnügen sich mit Selbstbefriedigungsphantasien. Daher scheint eher ein Gegensatz zwischen Tätern zu bestehen, die ihre Phantasien im Internet ausleben, und realen Missbrauchstätern. Übergriffige Täter können durchaus auch Kinderpornographie besitzen, aber die Bilder sind nicht Auslöser für weitere Taten, sondern Kompensation fehlender Gelegenheiten.[98] Angesichts dessen steht die Annahme, Sex mit Puppen könnte eine Nachahmungsgefahr begründen, auf recht wackeligen Beinen. Per se beeinträchtigen solche Praktiken keine geschützte Rechtsposition.[99] Letztlich soll hier nur noch ein unmoralisches Verhalten pönalisiert werden: Pädophilie ist unmoralisch, folglich muss das Ausleben autoerotischer pädophiler Phantasien auch dann bestraft werden, wenn es niemandem schadet.[100]

Ungeachtet dieser dünnen Legitimationsbasis begegnet die Norm erheblichen Bedenken im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG. Es ist nämlich unklar, woran man im Zweifel das kindliche Erscheinungsbild einer Puppe oder eines Körperteils erkennen können soll. Angesichts der Vielfalt an diversen Sextoys darf man schon jetzt darauf gespannt sein, wie die Gerichte ihre exakte tatbestandsmäßige Größe bestimmen werden. Immerhin ist die dazu erforderliche „Begutachtung“[101] gemäß § 184l Abs. 4 GesE straflos möglich.

V. Weitere Änderungen im Sexualstrafrecht

Während sexuelle Handlungen von Kindern mit Dritten von § 176 Abs. 2 StGB erfasst werden und sexuelle Handlungen vor Dritten unter § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB fallen, sind solche Fälle in den anderen Missbrauchstatbeständen uneinheitlich geregelt. Das Bestimmen zu sexuellen Handlungen mit Dritten ist etwa nach den §§ 180 Abs. 3, 182 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 StGB strafbar, nicht aber nach den §§ 174 – 174c StGB. Sexuelle Handlungen vor Dritten werden angesprochen in den §§ 180 Abs. 2 und 3 StGB, nicht aber in den §§ 174a – 174c, 182 StGB. Künftig soll § 174 StGB einheitlich auf sexuelle Handlungen mit oder vor Dritten erstreckt werden. Die §§ 174a – 174c StGB sollen auch Sexualkontakte mit Dritten erfassen. Der Gesetzentwurf berücksichtigt damit entsprechende Vorschläge der Reformkommission.[102]

§ 180 Abs. 3 StGB, ein Überbleibsel der alten Vorschrift gegen Kuppelei, wird gestrichen, weil sich diese Alternative jetzt in § 174 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 GesE wiederfindet. Damit werden die bislang auf § 174 StGB und § 180 Abs. 3 StGB verteilten Strafvorschriften gegen den sexuellen Missbrauch an Schutzbefohlenen mit einem einheitlichen Strafrahmen zusammengeführt. Die Reformkommission hatte darüber hinaus angeregt, für sexuelle Handlungen ohne Körperkontakt einheitlich einen geringeren Strafrahmen (wie in § 174 Abs. 3 StGB) vorzusehen.[103] Der Referentenentwurf war diesem Vorschlag gefolgt.[104] Nun aber bedroht § 174 Abs. 3 StGB eigennütziges Handeln mit einer Höchststrafe von drei Jahren, während § 174 Abs. 1 und 2 GesE für fremdnütziges Handeln eine Höchststrafe von fünf Jahren vorsehen. Dieser Unterschied leuchtet nicht ein.

Weitere Empfehlungen der Reformkommission zu § 180 StGB werden nicht umgesetzt. So wurde in seltener Einmütigkeit empfohlen, das Kuppeleiverbot in § 180 Abs. 1 StGB zu streichen, denn diese Vorschrift ist ein Relikt aus früheren Zeiten, mit dem Anliegen, jungen Menschen keine Gelegenheit zu außerehelichen Sexualkontakten zu geben.[105] Eine Entkriminalisierung verträgt sich anscheinend nicht mit dem allgegenwärtigen Ruf nach härterer Bestrafung. Ebenfalls wird die Chance vergeben, Wertungswidersprüche zwischen § 180 Abs. 2 StGB und § 182 Abs. 2 StGB aufzulösen. Weder für die unterschiedlichen Altersgrenzen für Täter (18 Jahre bei § 182 Abs. 2 StGB, 14 Jahre bei § 180 Abs. 2 StGB) noch für die Differenzierung zwischen entgeltlichen Handlungen mit Körperkontakt (§ 182 Abs. 2 StGB) und entgeltlichen Handlungen vor Dritten (§ 180 Abs. 2 StGB) gibt es irgendwelche Gründe. Deshalb schlug die Reformkommission vor, beide Tatbestandsalternativen in einer Vorschrift zusammenzufassen.[106]

VI. Schluss

Es fällt schwer, den strafrechtlichen Teil des GesE – der die begrüßenswerten Regelungen überdeckt – „sine ira et studio“ zu würdigen. Seit Jahren gibt es im Bereich der Sexualdelikte nur eine Richtung: mehr und schärfer bestrafen! Am aktuellen GesE kann man deutlich sehen, welchen Stellenwert die Erkenntnisse der Kommission zur Reform des Sexualstrafrechts haben: Sie werden ausschließlich dann – beiläufig – zitiert, wenn sich ihnen die Erweiterung von Straftatbeständen entnehmen lässt. Alle Appelle zur Mäßigung oder gar Entkriminalisierung fallen dagegen unter den Tisch; sie sind der Gesetzesbegründung noch nicht einmal eine Erwiderung wert. Sexualdelinquenz ist halt keine Pandemie. Hörnle schreibt in ihrem Kommentar zum „Reformpaket“: „Es bleibt abzuwarten, ob sich ein breiterer Trend entwickelt, der auf eine noch stärker schwindende Bedeutung von Expertenwissen in der Kriminalpolitik zuläuft.

Auch wenn dieses Reformpaket wegen der besonderen symbolischen Aufladung des Themas nicht repräsentativ sein mag, handelt es sich um einen besorgniserregenden Vorgang.“[107] Dem ist nichts hinzuzufügen!

 

  [1]     § 176 Abs. 1 RStGB lautete: 1Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer (…) 3. mit Personen unter vierzehn Jahren unzüchtige Handlungen vornimmt oder dieselben zur Verübung oder Duldung unzüchtiger Handlungen verleitet. 2Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein.
  [2]     S. die Äußerung des BRates zum RegE, BT-Drs. 13/8587, S. 58 und die Stellungnahme der BReg, a.a.O., S. 81; vgl. dazu Kreß, NJW 1998, 633 (638 f.).
  [3]     Vgl. Kreß, NJW 1998, 639; zur Kritik s. Funcke-Auffermann, Symbolische Gesetzgebung im Lichte der positiven Generalprävention, 2007, S. 139 ff.; Jäger, Symbolisches Strafrecht – expressive Kriminalpolitik: Die Reform der Sexualdelikte, in Institut für Kriminalwissenschaften Frankfurt a.M. (Hrsg.), Irrwege der Strafgesetzgebung, 1999, S. 49 (60); Renzikowski, NStZ 1999, 440 (441); von Danwitz, KritV 2005, 255 (262 f.) hält die Vorschrift gar für verfassungswidrig.
  [4]     BMJV (Hrsg.), Abschlussbericht der Reformkommission zum Sexualstrafrecht, 2017, S. 174, 322 f.
  [5]     Die Erhöhung der Mindeststrafe auf ein Jahr wurde in der 14. Legislaturperiode von der CDU/CSU und vom BRat gefordert (BT-Drs. 14/1125 und 6709) und in der 15. Legislaturperiode erneut eingebracht (BT-Drs. 15/29); s. dazu auch Funcke-Auffermann (Fn. 3), S. 167 ff.
  [6]     Krit. hierzu Duttge/Hörnle/Renzikowski, NJW 2004, 1065 (1066).
  [7]     BT-Drs. 15/350, S. 17. Mit dieser Begründung könnte man freilich die allermeisten minderschweren Fälle streichen, woran der Gesetzgeber bislang zum Glück noch nicht gedacht hat. Berechtigte Kritik bei Funcke-Auffermann (Fn. 3), S. 151 ff.; Fischer, StGB, 67. Aufl. (2020), § 176 Rn. 34.
  [8]     Abschlussbericht (Fn. 4), S. 112 f., 316 f.
  [9]     Der Fall in Lügde hat es inzwischen zu einem eigenen Wikipedia-Artikel geschafft. Weiter zu nennen wären die Fälle in Bergisch-Gladbach (Zeit Online v. 29.6.2020, abrufbar unter: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-06/missbrauchsfall-bergisch-gladbach-staatsanwaltschaft-koeln-cybercrime-taskforce, zuletzt ab-gerufen am 2.11.2020) und Münster (Zeit Online v. 15.9.2020, abrufbar unter: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-09/missbrauchsfall-muenster-anklage-sexueller-missbrauch-kinder, zuletzt abgerufen am 2.11.2020).
  [10]    Vgl. Spiegel Online v. 8.6.2020, abrufbar unter: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/kindesmissbrauch-in-muenster-herbert-reul-wir-werden-garantiert-nie-alle-erwischen-a-02e52d17-b2f6-4637-8720-533e79fa985b (zuletzt abgerufen am 2.11.2020). Die Strafrechtswissenschaft sah diese Vorstöße überwiegend sehr kritisch, s. etwa LTO v. 11.6.2020, abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/kinderpornografie-sexueller-missbrauch-kinder-strafrahmen-lambrecht-cdu-csu-verbrechen-strafverschaerfung/ (zuletzt abgerufen am 2.11.2020).
  [11]    Vgl. FAZ.Net v. 18.6.2020, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kindesmissbrauch-innenminister-ringen-um-haertere-strafen-16819897.html (zuletzt abgerufen am 2.11.2020). Ausführliche Kritik bei Eisele, Die Bundesjustizministerium hat die Bazooka ausgepackt, LTO v. 6.7.2020, abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/lambrecht-bekaempfung-kindesmissbrauch-kinderpornografie-strafen-gewalt-bmjv-muenster-verbrechen/ (zuletzt abgerufen am 2.11.2020); Hörnle, ZIS 2020, 440 ff.
  [12]    Unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Bekaempfung_sex_Gewalt_Kinder.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 2.11.2020).
[13]    BT-Drs. 19/23707 – im Folgenden GesE.
[14]    So etwa Fischer (Fn. 7), Vor § 174 Rn. 8; Wolters, in: SK-StGB, 9. Aufl. (2017), § 174 Rn. 2.
  [15]    S. dazu etwa Hörnle, ZIS 2020, 445.
  [16]    Vgl. Renzikowski, in: MüKo-StGB, 3. Aufl. (2017), Vor § 174 Rn. 10.
 [17]    Z.B. § 206 öStGB: „Schwerer sexueller Mißbrauch von Un-mündigen“; § 207 öStGB: „Sexueller Mißbrauch von Unmündigen“; § 207b StGB: „Sexueller Missbrauch von Jugendlichen“; usw.
  [18]    S. auch Hörnle, ZIS 2020, 442.
  [19]    BT-Drs. 19/23707, S. 22.
  [20]    Vgl. etwa Müller/Schöttle, Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Studie zur Gewalt gegen Frauen in Deutschland im Auftrag des BMFSFJ, 2015, S. 90: sexuelle Belästigung als „spezifische Form von Gewalt“; BMFSFJ, Aktionsplan 2011 der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung, S. 11 f. (abrufbar unter: https://www.bmfsfj.de/blob/86314/a1769f1ca087d5bdd683eb72e4b48b2c/aktionsplan-2011-data.pdf, zuletzt ab-gerufen am 9.11.2020); Abschlussbericht Runder Tisch, Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich, 2012, S. 11 f. (abrufbar unter: https://www.bmfsfj.de/blob/93204/2a2c26eb1dd477abc63a6025bb1b24b9/abschlussbericht-runder-tisch-sexueller-kindesmissbrauch-data.pdf, zuletzt abgerufen am 9.11.2020).
  [21]    Galtung, Violence, Peace, and Peace Research, Journal of Peace Research 6 (1969), 167 (168): „… violence is present when human beings are influenced so that their actual somatic and mental realizations are below their potential realizations“.
  [22]    Statt vieler Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), Vor §§ 234 ff. Rn. 10a. Es ist offensichtlich, dass der Begriff der strukturellen Gewalt für das Strafrecht ungeeignet ist.
  [23]    So BGHSt 63, 220 (223 f.) m. Anm. Ziegler, NStZ 2019, 673 und Hoven, StV 2019, 542.
  [24]    S. Eisele (Fn. 22), § 177 Rn. 75.
  [25]    BT-Drs. 19/23707, S. 22.
  [26]    Vgl. Lewis Carroll, Alice hinter den Spiegeln, übersetzt von Christian Enzensberger, 1974, S. 87 f.: „Ich verstehe nicht, was Sie mit ‚Glocke‘ meinen“, sagte Alice. Goggelmoggel lächelte verächtlich: „Wie solltest du auch – ich muß es dir doch zuerst sagen. Ich meinte: ‚Wenn das kein einmalig schlagender Beweis ist!‘“ „Aber ‚Glocke‘ heißt doch gar nicht ‚einmalig schlagender Beweis‘“, wandte Alice ein. „Wenn ich ein Wort gebrauche“, sagte Goggelmoggel in recht hochmütigem Ton, „dann heißt es genau, was ich für richtig halte – nicht mehr und nicht weniger.“ „Es fragt sich nur“, sagte Alice, „ob man Wörter einfach etwas anderes heißen lassen kann.“ „Es fragt sich nur“, sagte Goggelmoggel, „wer der Stärkere ist, weiter nichts.“
  [27]    S. auch Laubenthal, in: FS Fischer, 2018, S. 431 (438). Im schweizerischen Strafrecht liegt die Schutzaltersgrenze allerdings bei 16 Jahren, was durch eine gleitende Schutzaltersklausel kompensiert wird. Auf diese Weise ließe sich auch die Problematik von § 182 Abs. 3 StGB, s. dazu Renzikowski (Fn. 16), § 182 Rn. 57 ff., lösen.
  [28]    BT-Drs. 19/23707, S. 22 – Hervorh. vom Verf.
  [29]    Dazu eingehend Kunz/Singelnstein, Kriminologie, 7. Aufl. (2016), S. 168 ff.
  [30]    BT-Drs. 19/23707, S. 39.
  [31]    Hörnle, ZIS 2020, 444.
  [32]    S. auch BT-Drs. 19/23707, S. 22: „Zugleich wird damit die Strafverfolgung erleichtert.“
  [33]    S. dazu krit. Schneider, KriPoZ 2020, 137 ff.
  [34]    BT-Drs. 19/23707, S. 39.
  [35]    S. oben Fn. 3.
  [36]    Abschlussbericht (Fn. 4), S. 174, 322 f.; ablehnend allerdings Drohsel, ZRP 2018, 213 (216).
  [37]    Abschlussbericht (Fn. 4), S. 124 ff., 320 f.; s. auch Wolters, in: FS Fischer, S. 583 (592)
 [38]    BT-Drs. 19/23707, S. 39.
  [39]    Abschlussbericht (Fn. 4), S. 127, 321 f.; ablehnend Drohsel, ZRP 2018, 216.
  [40]    Vgl. auch Laubenthal, in: FS Fischer, S. 438 f.
  [41]    BGH, NStZ 1998, 403 m. Anm. Geerds, JR 1999, 426 ff.; näher dazu Funcke-Auffermann (Fn. 3), S. 120 ff.
  [42]    BT-Drs. 15/350, S. 18.
 [43]    S. BT-Drs. 15/29, S. 10; ähnlich Thalheimer, Die Vorfeldstrafbarkeit nach §§ 30, 31 StGB, 2008, S. 220 ff.; krit. Bezjak, Grundlagen und Probleme des Straftatbestandes des sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 StGB, 2015, S. 140 ff.
 [44]    S. Abschlussbericht (Fn. 4), S. 122 f., 129.
  [45]    S. Abschlussbericht (Fn. 4), S. 123 f., 318 ff.; zustimmend Drohsel, ZRP 2018, 215
  [46]    Jakobs, ZStW 97 (1985), 751 ff [47]    Vgl. Bezjak, ZStW 130 (2018), 303 (321, 333).
  [48]    So auch BT-Drs. 19/23707, S. 37 f.
  [49]    Vgl. dazu Joecks/Scheinfeld, in: MüKo-StGB, Bd. 1, 4. Aufl. (2020), § 30 Rn. 64 f.; der BGH hatte im „Rosenheimer Fall“ (o. Fn. 38) Ernstlichkeit verlangt
 [50]    Vgl. BGH, NStZ 2013, 224.
  [51]    BT-Drs. 19/23707, S. 22, 38.
  [52]    BT-Drs. 19/23707, S. 1, 21. Die PKS (Tab. 01) nennt für 2015 11.808 Taten nach den §§ 176 ff. StGB, für 2016 12.019 Taten, für 2017 11.547 Taten, für 2018 12.321 Taten und für 2019 12.980 Taten. Ein dramatischer Anstieg ist das nicht.
  [53]    BT-Drs. 19/23707, S. 20.
  [54]    Die Haupttäter im Missbrauchsskandal von Lügde wurden zu einer 12- bzw. 13-jährigen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt (LG Detmold, Urt. v. 5.9.2019 – 23 KLs 14/19). Im Missbrauchsskandal von Bergisch-Gladbach fielen die Sanktionen vor dem LG Köln ebenso hoch aus (s. https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/urteil-zum-komplex-bergisch-gladbach-39-jaehriger-erhaelt-13-jahre-freiheitsstrafe-wegen-kindesmissbrauchs/26581206.html, zuletzt abgerufen am 11.11.2020), vor dem LG Mönchengladbach gab es sogar Freiheitsstrafen in Höhe von 13 1/2 und 14 1/2 Jahren (s. https://rp-online.de/nrw/panorama/urteile-im-missbrauchskomplex-bergisch-gladbach-hohe-haftstrafen_aid-53291967, zuletzt abgerufen am 11.11.2020). Zu den Strafverfahren im Staufener Missbrauchsfall s. https://de.wikipedia.org/wiki/Staufener_Missbrauchsfall (zuletzt abgerufen am 11.11.2020).
  [55]    BT-Drs. 19/23707, S. 20.
  [56]    A.a.O.
  [57]    S. auch Hörnle, ZIS 2020, 443.
  [58]    Abschlussbericht (Fn. 4), S. 112 f., 316 f.; vgl. auch Bezjak (Fn. 43), S. 329.
  [59]    BT-Drs. 19/23707, S. 38.
  [60]    S. bereits Hörnle, ZIS 2020, 442.
  [61]    Hörnle, ZIS 2020, 444.
  [62]    BT-Drs. 13/8587, S. 32, 81; 13/9064, S. 11; Hörnle, ZIS 2020, 444.
  [63]    S. BT-Drs. 13/8587, S. 32, 81; 15/350, S. 18; das ist aber nicht die einzige Konstellation, vgl. BGH, NStZ-RR 2006, 339.
  [64]    BT-Drs. 19/23707, S. 40.
  [65]    Krit. auch Hörnle, ZIS 2020, 444.
  [66]    Nachdrücklich betont von BT-Drs. 19/23707, S. 37; s. dazu auch die grundsätzlichen Ausführungen von Hörnle, ZIS 2020, 441 f., denen nichts hinzuzufügen ist.
  [67]    BVerfG, StV 2014, 578.
  [68]    BT-Drs. 19/23707, S. 38.
  [69]    Bei nicht einvernehmlichen Sexualkontakten kommt ohnehin § 177 Abs. 1 StGB in Betracht.
  [70]   In diese Richtung auch BT-Drs. 19/23707, S. 38. Vgl. auch BZgA, Jugendsexualität. Repräsentative Wiederholungsbefragung: Die Perspektive der 14- bis 25-Jährigen, 2015, S. 97 ff.
  [71]    Abschlussbericht (Fn. 4), S. 314 ff.
  [72]    BT-Drs. 19/23707, S. 38; § 182 Abs. 3 StGB ist seinerseits nicht unproblematisch, vgl. Renzikowski (Fn. 16), § 182 Rn. 57 f.
 [73]    S. Brockmann, Das Rechtsgut des § 176 StGB, 2015, S. 269 f.; Lenz, Die Jugendschutztatbestände im Sexualstrafrecht, 2017, S. 253 ff.; Fischer (Fn. 7), § 176 Rn. 2; Hörnle, in: LK-StGB, 12. Aufl. (2010), Vor § 174 Rn. 39, § 176 Rn. 4.
  [74]    § 207 Abs. 4 öStGB lautet: „Übersteigt das Alter des Täters das Alter der unmündigen Person um nicht mehr als vier Jahre und ist keine der Folgen des Abs. 3 [schwere Körperverletzung oder Tod, JR.] eingetreten, so ist der Täter nach Abs. 1 und 2 [„einfacher“ Kindesmissbrauch entsprechend § 176 Abs. 1 und 2, J.R.] nicht zu bestrafen, es sei denn die unmündige Person hätte das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet.“ Für den „schweren“ Kindesmissbrauch, vergleichbar § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB sieht § 206 Abs. 4 öStGB eine etwas engere gleitende Schutzaltersgrenze vor: Der Täter darf nicht mehr als drei Jahre älter sein als das mindestens 13 Jahre alte Opfer. In diese Richtung de lege lata auch Kett-Straub, ZRP 2007, 260 (263); s. ferner Wolters, in: FS Fischer, S. 590 f.; auch Bezjak, ZStW 130 (2018), 319 plädiert für einen Tatbestands-ausschluss bei einem Altersunterschied bis zu zwei Jahren.
  [75]    Art. 187 Abs. 4 schwStGB lautet: „Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt.“
  [76]    BT-Drs. 19/19859; der Rechtsausschuss hat nur eine marginale Änderung vorgeschlagen (BT-Drs. 19/23179). Das Gesetz soll am 1. Januar 2021 in Kraft treten.
  [77]    BT-Drs. 19/23707, S. 20 f.
  [78]    Ausdrücklich BT-Drs. 19/23707, S. 41.
  [79]    S. BT-Drs. 19/23707, S. 41.
 [80]    Zu dieser maßgeblichen Schutzrichtung von § 184b StGB s. BGHSt 45, 41 (43); 47, 55 (61); Hörnle, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 3. Aufl. (2017), § 184b Rn. 1 m.w.N.; zu erwähnen wäre außerdem die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung, die durch die Verbreitung im Imternet vertieft wird, vgl. Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, 2005, S. 426 f.; Popp, ZIS 2011, 193, 202 f.
  [81]    Abschlussbericht (Fn. 4), S. 260 ff., 361 f.; auch der Gesetzgeber hält die Nachahmungsgefahr für gering, s. BT-Drs. 1923707, S. 41.
  [82]    Vgl. Hörnle (Fn. 80), § 184b Rn. 5.
  [83]    BT-Drs. 19/23707, S. 41.
  [84]    Vgl. BT-Drs. 17/7385, S. 60; s. auch Hörnle (Fn. 80), § 184b Rn. 76.
  [85]   Vgl. BT-Drs. 12/3001, S. 6; König, Kinderpornografie im Internet, 2004, Rn. 104 ff.; BT-Drs. 19/23707, S. 41. Derartige Annahmen sind jedoch zweifelhaft, vgl. Sheldon/Howitt, Sex Offenders and the Internet, 2007, S. 203 ff., 225 ff.; Endrass/Urbaniok/Hammermeister/Benz/Elbert/Laubacher/Rossegger, The consumption of Internet child pornography and violent and sex offending, BMC Psychiatry 2009, 43 (open access unter: http://www.biomedcentral.com/content/pdf/1471-244X-9-43.pdf, zuletzt abgerufen am 16.11.2020); Carr, The social dimension of the online trade of child sexual exploitation material, in: Quayle/Ribisl (Hrsg.), Understanding and Preventing Online Sexual Exploitation of Children, 2012, S. 96 ff.
  [86]    Hörnle, ZIS 2020, 447.
  [87]    BT-Drs. 19/23707, S. 41.
  [88]    Vgl. Ost, Child Pornography and Sexual Grooming, 2009, S. 113 ff.; Hörnle, in: FS Schroeder, 2006, S. 477 (492 f.).
 [89]    S. Hörnle (Fn. 80), § 184b Rn. 40.
  [90]    Hörnle, ZIS 2020, 445 f.
  [91]    Abschlussbericht (Fn. 4), S. 256 ff., 358 f.
  [92]    So BT-Drs. 19/23707, S. 43.
  [93]    BT-Drs. 19/23707, S. 42.
  [94]    Möglicherweise meint die Gesetzesbegründung, dass § 184l GesE eine “Strafbarkeitslücke” für fiktive kinderpornographische Inhalte schließen soll, aber das ist ebenso Unsinn wie die Behauptung, Sexpuppen würden bereits jetzt von § 184b StGB erfasst werden können.
  [95]    S. BT-Drs. 19/23707, S. 23.
  [96]    So der Abgeordnete Hoffmann (CDU/CSU), PlenProt. 19/187, S. 23561.
  [97]    Vgl. Seto/Cantor/Blanchard, Journal of Abnormal Psychology 115 (2006), 610 ff.; Sheldon/Howitt (Fn. 85), S. 97 ff.
  [98]    S. die Nachweise in Fn. 85.
  [99]   Anders anscheinend BT-Drs. 19/23707, S. 23: „Von der neuen Regelung soll auch ein Signal für die Gesellschaft ausgehen, dass Kinder – seien sie auch nur körperlich nachgebildet – nicht zum Objekt sexueller Handlungsweisen gemacht werden dürfen.“ Kurz: kein Sex mit Puppen!
  [100]  Vgl. den Abgeordneten Luczak (CDU/CSU): „Wenn man bei Amazon Kinder-Sexpuppen bestellen kann, diese nach den eigenen Vorlieben designen kann, indem man sich die Größe, das Alter, die Art und Weise der Körperöffnungen genau aussuchen kann, dann finde ich das unerträglich. Das finde ich unerträglich!“ PlenProt. 19/187, S. 23559 f.; Seto/Cantor/Blanchard, Journal of Abnormal Psychology 115 (2006), 610 ff.; Sheldon/Howitt (Fn. 85), S. 97 ff.
  [101]  BT-Drs. 19/23707, S. 43.
  [102]  Abschlussbericht (Fn. 4), S. 158, 324 f., 335
  [103]  Abschlussbericht (Fn. 4), S. 134 ff., 324 f.; s. auch den Gesetzgebungsvorschlag von Wolters, in: FS Fischer, S. 596 f.
  [104]  Anscheinend führte die Verbandsanhörung zu einer Änderung. Gründe dafür sind nicht bekannt.
  [105]  Abschlussbericht (Fn. 4), S. 144 f., 330 f.; s. auch Weigend, ZStW 129 (2017), 523 f.
  [106]  Abschlussbericht (Fn. 4), S. 146 f., 332 ff.
  [107]  Hörnle, ZIS 2020, 448.

 

 

 

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Durch Abschicken des Formulares wird dein Name, E-Mail-Adresse und eingegebene Text in der Datenbank gespeichert. Für weitere Informationen lesen Sie bitte unsere Datenschutzerklärung.

Unsere Webseite verwendet sog. Cookies. Durch die weitere Verwendung stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Informationen zum Datenschutz

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen.
Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklären Sie sich damit einverstanden.

Weitere Informationen zum Datenschutz entnehmen Sie bitte unserer Datenschutzerklärung. Hier können Sie der Verwendung von Cookies auch widersprechen.

Schließen