Die Entscheidung im Original finden Sie hier.
BVerfG, Beschl. v. 23.02.2021 – 2 BvR 1304/17: Klageerzwingungsverfahren ≠ Ermittlungserzwingungsverfahren
Leitsatz der Redaktion:
Gegenüber einem Klageerzwingungsverfahren ist ein Ermittlungserzwingungsverfahren nur in engen Ausnahmefällen zulässig und begründet.
Sachverhalt:
Das OLG Düsseldorf hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Erzwingung weiterer Ermittlungsmaßnahmen nach § 172 Abs. 2 StPO abgelehnt.
Der Ablehnung lag folgendes Geschehen zugrunde:
Der Sohn des Beschwerdeführers war nach erheblichem Drogenkonsum randalierend von der Polizei aufgegriffen, in Bauchlage gefesselt und festgenommen worden. Bei der Festnahme war der Betroffene kollabiert und trotz Reanimationsversuchen später im Krankenhaus verstorben.
Die daraufhin vom Beschwerdeführer gestellte Anzeige gegen die handelnden Polizeibeamten hatte nicht zu einem Ermittlungsverfahren geführt, da nach Ansicht der StA Kleve ein Anfangsverdacht gegen die Polizeibeamten aufgrund des Obduktionsberichts und der Inaugenscheinnahme bestimmter Handyvideos nicht festzustellen gewesen sei.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde war von der Generalstaatsanwaltschaft zurückgewiesen worden.
Entscheidung des BVerfG:
Das BVerfG wies die Verfassungsbeschwerde als unzulässig zurück, da sie die Begründungsanforderungen nicht erfülle und die Zurückweisung des Antrags als unzulässig durch das OLG schon rechtmäßig erfolgt sei.
Ein Klageerzwingungsantrag sei grundsätzlich unzulässig, wenn in Bezug genommene Bestandteile in die Antragsschrift hineinkopiert würden. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt müsse dem Gericht soweit wie möglich entscheidungsreif geliefert werden. An diesen Anforderungen müsse sich auch ein Ermittlungserzwingungsantrag als Sonderform des Klageerzwingungsantrags messen lassen, so das BVerfG.
Generell komme anstatt der Klageerzwingung eine bloße Ermittlungserzwingung nur in engen Ausnahmefällen in Betracht.
Von solch einem Ausnahmefall könne ausgegangen werden, wenn die Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht aus Rechtsgründen ablehne und es deshalb unterlasse, den Sachverhalt vollständig aufzuklären.
Ein solcher Fall habe hier nicht vorgelegen, da die StA Kleve zwar (fälschlicherweise) einen Anfangsverdacht gem. § 152 Abs. 2 StPO abgelehnt habe, allerdings dennoch tatsächliche Ermittlungen geführt habe und danach zu einer Entlastung der beschuldigten Polizeibeamten gekommen war. Demnach habe es sich also um eine Einstellung mangels Tatverdachts gem. § 170 Abs. 2 StPO gehandelt. Diese sei jedoch sowohl von der StA als auch der GenStA tragfähig mit den Ermittlungsergebnissen begründet worden, sodass ein etwaiger Anspruch des Beschwerdeführers auf effektive Strafverfolgung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG nicht verletzt worden sei.
Anmerkung der Redaktion:
Bereits 2020 hatte das BVerfG entschieden, dass ein Anspruch auf effektive Strafverfolgung zur Anklageerhebung bzw. weiteren Ermittlungsmaßnahmen durch die Behörden verpflichten könne, wenn höchstpersönliche Rechtsgüter des Verletzten betroffen seien und die Einstellung des Verfahrens das Rechtsempfinden der Bevölkerung erheblich beeinträchtigen würde. Bei dem Tod des Verletzten stünde dieses Recht auch nahen Angehörigen, wie beispielsweisem den Eltern des Geschädigten, zu. Mehr dazu finden Sie im KriPoZ-RR, Beitrag 10/2020 und 05/2020.