Johanna Grzywotz: Virtuelle Kryptowährungen und Geldwäsche

von Prof. Dr. Anja Schiemann

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2019, Duncker & Humblot, ISBN: 978-3-428-15550-7,    S. 372, Euro 89,90.

Die diversen Geldwäscherichtlinien der EU zeigen, dass der Bekämpfung der Geldwäsche eine große Bedeutung zukommt. Ein neuer Vorschlag[1] nimmt sich des Problems an, dass der Umtausch virtueller Währungen von den öffentlichen Behörden in der EU aktuell nicht überwacht wird und dadurch Geldwäscherisiken bestehen.[2] Insofern ist die vorliegende Dissertation von Grzywotz aktuell und für weitere nationale Strategien der Geldwäschebekämpfung durchaus von Bedeutung. Denn nur wenn Geldwäschehandlungen im Zusammenhang mit Kryptowährungen auch tatsächlich vom Straftatbestand des § 261 StGB erfasst werden, kann in Deutschland den Geldwäscherisiken beim Umgang mit virtuellen Währungen wirksam begegnet werden.

Um die Frage zu klären, inwiefern virtuelle Kryptowährungen das materielle Strafrecht vor Herausforderungen stellen und ggf. Anpassungsbedarf in Bezug auf § 261 StGB notwendig machen, nimmt die Studie zunächst eine technische Beschreibung am Beispiel von Bitcoins vor. Dabei sei für eine spätere Analyse des Geldwäschetatbestands insbesondere bedeutsam, dass Bitcoins aufgrund des Fehlens einer zentralen Autorität von herkömmlichen Währungssystemen abweichen (S. 54). Nach einer weiteren Abgrenzung von Bitcoins zu Bargeld, Buchgeld und E-Geld (S. 54 ff.) kommt Grzywotz zu der Einordnung von Bitcoins als Rechnungseinheit nach § 1 Abs. 11 Nr. 7 KWG durch die BaFin (S. 56 f.). Auch wenn diese Einordnung in der Literatur zu Recht zu Widerspruch geführt habe, komme infolge dieser Einordnung durch die BaFin den Bitcoins eine gewisse rechtliche Anerkennung zu (S. 57).

In einem nächsten Kapitel beleuchtet Grzywotz das Phänomen der Geldwäsche, wobei die internationalen und europäischen Einwirkungen auf das nationale Recht leider nur sehr kurz angerissen werden. Die zunächst geschilderten klassischen Geldwäschetechniken (S. 79 ff.) seien mit dem Aufkommen virtueller Kryptowährungen modifiziert worden, da sich nunmehr für Geldwäscher ein neuer Fundus an Möglichkeiten aufgetan habe (S. 86). Zudem könnten durch Verwendung von Bitcoins die Kosten für die Geldwäsche möglichst gering gehalten werden (S. 88).

Hinsichtlich der Koinzidenz von Bitcoins und Geldwäsche referiert die Autorin im nächsten Kapitel zunächst die Stellungnahmen der FATF, der EBA, der EZB und der EU Kommission zu virtuellen Kryptowährungen (S. 89 ff.). Dabei seien die genannten Katalysatoren bei allen Stellungnahmen identisch und insbesondere auf die Dezentralität, die hindernislose weltweite Grenzüberschreitung und die Anonymität der Transaktionen fokussiert. Grzywotz bemängelt allerdings, dass in den Stellungnahmen auf bestehende Geldwäschepräventionskonzepte zurückgegriffen und diese auf virtuelle Kryptowährungen übertragen würden. Dies sei angesichts der ganz unterschiedlichen Ausgangsbedingungen bedenklich (S. 97).

Im Folgenden geht die Verfasserin der Frage nach der Eignung von Bitcoins zur Geldwäsche nach (S. 97 ff.). Sie macht Bitcoins als taugliches Geldwäschewerkzeug aus, widerlegt aber die weit verbreitete Ansicht, dass es sich bei Bitcoins an sich um ein anonymes Zahlungsmittel handelt. Eine Verschleierung finde vielmehr erst durch den Einsatz von Mixing-Services statt, da diese dafür Sorge tragen, dass eine Verbindung zwischen dem eigentlichen Sender und Empfänger der Bitcoins nicht mehr hergestellt werden kann (S. 110).

Den größten Umfang nimmt das Kapitel der bitcoinspezifischen Untersuchung des § 261 StGB ein (S. 112-330), es bildet das Herzstück der Arbeit und liefert eine dezidierte materiell-rechtliche Auseinandersetzung. Grzywotz prüft zunächst strafanwendungsrechtliche Gesichtspunkte im Hinblick auf das deutsche Strafrecht und schlägt hier eine Ergänzung des § 9 Abs. 1 StGB vor, um Rechtssicherheit und eine effektive Strafverfolgung von Geldwäschehandlungen mit virtuellen Kryptowährungen zu gewährleisten. § 9 Abs. 1 StGB ist danach um einen S. 2 zu ergänzen, der wie folgt lautet: „Der zum Tatbestand gehörende Erfolg begründet bei ausschließlichem Vorliegen eines dezentralen Erfolgsortes nur dann einen Tatort in Deutschland, wenn die Tat den stärksten Bezugspunkt zu Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten aufweist“ (S. 143). Die Antwort, wie dieser „stärkste Bezugspunkt“ auszumachen ist, bleibt die Verfasserin leider schuldig. Neben dieser Einschränkung des Strafanwendungsrechts empfiehlt die Autorin aber noch eine strafprozessuale Korrektur, um ein Absehen von Strafverfolgung zu ermöglichen.

Im nächsten Schritt prüft Grzywotz dezidiert die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des § 261 StGB in bitcoinspezifischer Hinsicht (S. 144 – 330). Insbesondere die rechtswidrige Vortat, der Gegenstand der Geldwäsche sowie das Herrühren eines solchen aus der rechtswidrigen Vortat werden in den Blick genommen. Diese Ausführungen haben sich leider „überholt“, da der Gesetzgeber gerade weitreichende Änderungen des § 261 StGB vorgenommen und beispielsweise auf einen Vortatenkatalog verzichtet hat.[3] Analysiert werden von der Verfasserin darüber hinaus die Tathandlungen mit Bitcoin sowie die subjektive Tatseite.

Die Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass Bitcoins als neues technisches Phänomen unter klassische Straftatbestände wie §§ 263, 253 StGB subsumiert werden können. Ebenfalls bejaht werden könnten aufgrund des Zuwachses digitaler Erpressungen und Betrügereien auch Straftatbestände des §§ 263a, 202a, 303a StGB. Da in vielen Fällen wegen des Vorgehens der Täter eine gewerbs- und bandenmäßige Begehung in Betracht kommt, sei damit auch eine taugliche Vortat für die Geldwäsche gegeben (S. 144 ff.).

Darüber hinaus entstünden aber durch Einsatz von Kryptowährungen auch neue Fallkonstellationen wie das fremdnützige Bitcoin-Mining und der Bitcoin-Diebstahl. Bitcoin-Mining sei für die Verifizierung von Transaktionen im Bitcoin-System unerlässlich, jedoch erfordere dies den Einsatz von Ressourcen (hohe Rechenleistung), so dass es rentabler sei, für die Rechenleistung fremde Rechner zu nutzen. Findet das Bitcoin-Mining also mittels Schadsoftware durch fremde Rechner statt, so seien in der Regel die Straftatbestände der §§ 263a, 202a und 303a StGB erfüllt. Eine gewerbs- oder bandenmäßig begangene Straftat gem. § 263a StGB wäre dann wieder taugliche Vortat i.S. des § 261 Abs. 1 S. 2 StGB. Da die Rechenleistung an sich ebenfalls einen Marktwert habe, sei insbesondere der Vermögensschaden und Stoffgleichheit zu bejahen.

Hinsichtlich des Bitcoin-Diebstahls differenziert die Verfasserin zwischen dem Erlangten des Schlüsselpaars als Diebstahl im weiteren Sinne und dem eigentlichen Transaktionsvorgang der Bitcoins als Diebstahl im engeren Sinne. Sie benennt hinsichtlich des Diebstahls im weiteren Sinne verschiedenste Fallkonstellationen und subsumiert alle unter § 242 StGB. Einzige Ausnahme bildet ihrer Meinung nach die Konstellation, in der die Hardware nach Auslesen der Schlüsselpaare wieder an den ursprünglichen Inhaber zurückgeht, hier sei ein Diebstahl zu verneinen (S. 183 ff.). Beim Bitcoin-Diebstahl im engeren Sinne komme bei Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht die Verwirklichung des Untreuetatbestands in Betracht. Darüber hinaus sei jede Transaktion eine Datenveränderung, so dass § 303a StGB erfüllt werde. Daneben seien die §§ 269, 270 StGB erfüllt (S. 192 ff.).

Da § 303a StGB im Rahmen der Fallkonstellationen eine starke Bedeutung zukomme, schlägt Grzywotz eine entsprechende Erweiterung des Vortatenkatalogs in § 261 Abs. 1 Nr. 4 lit. a StGB um § 303a Abs. 1 StGB mit der Einschränkung der gewerbs- und bandenmäßigen Begehung vor (S. 202 f.). Ob dies angesichts der i.d.R. ebenfalls verwirklichten anderen Straftatbestände – die schon nach ehemals geltendem Recht als Vortat der Geldwäsche in Betracht kommen – tatsächlich erforderlich ist, erscheint mir allerdings zweifelhaft. Hinzu kommt die Tatsache, dass, wie bereits erwähnt, der Vortatenkatalog mittlerweile ganz aufgehoben wurde und somit ohnehin jede Straftat als Vortat der Geldwäsche erfasst wird. Das konnte die Verfasserin zum Zeitpunkt der Erstellung der Dissertation aber natürlich nicht wissen.

In der weiteren Untersuchung ordnet die Verfasserin Bitcoins als taugliches Tatobjekt der Geldwäsche ein (S. 203 ff.). Auch wenn Bitcoins die ökonomische Geldfunktion nicht vollständig erfüllten, würden sie als Geld-ersatz eingesetzt. Da Sinn und Zweck des Geldwäschetatbestands darin bestehe, den Zugriff des Staates auf inkriminierte Werte zu ermöglichen und zu verhindern, dass diese dem legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf zugeführt würden, sei es unerlässlich, Bitcoins zu erfassen. Es erscheint mir etwas voreilig, nur mit Sinn und Zweck eines Straftatbestands auf ein taugliches Tatobjekt zu schließen. Allerdings versucht Gryzwotz ihrer Auffassung auch unter Auslegungsaspekten Gewicht zu verleihen. Dennoch räumt sie ein, dass die klassische Auslegung tendenziell eher zu einer Verneinung des Tatbestandsmerkmals wegen der nur eingeschränkten Funktion des Bitcoins als Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel (S. 222) führt. Sie schlägt daher eine abstrakte Legaldefinition des Gegenstandsbegriffs als Lösung der Auslegung vor (S. 223). Danach könnte § 261 Abs. 1 S. 4 StGB wie folgt lauten: „Gegenstand im Sinne des S. 1 bezeichnet jede abgrenzbare, vermögenswerte Position mit Ausschlussfunktion“ (S. 228). Es stellt sich bei solch einer abstrakten Legaldefinition natürlich die Frage, ob dies nicht ebenfalls Auslegungsprobleme mit sich bringt.

Auch die Subsumtion unter den Begriff des Herrührens bereitet nach Ansicht der Verfasserin Probleme (S. 228 ff.). Zwar wurde der Begriff des Herrührens vom Gesetzgeber bewusst weit gefasst. Die Vermischung bei Bitcoins unterscheide sich aber erheblich von der Vermischung bei Realwährung. Bei Bitcoins sei eine Vermischung zum einen auf der Basis von Transaktionen gegeben, sobald mehr als ein Input verwendet werde, zum anderen sei eine Vermischung im Rahmen der Coinbase-Transaktion auf Basis der Transaktionsgebühren denkbar. Die Rechtsprechung vertritt bei einer Vermischung von illegalen und legalen Giralgeldern eine Totalkontamination, sofern der illegale Anteil nicht völlig unerheblich ist. Würde die Totalkontaminationslehre konsequent auf den Bitcoin übertragen, so fände eine beträchtliche Entwertung von Bitcoins statt (S. 250). Grzywotzplädiert daher dafür, bei Bitcoins eine Teilkontamination zu realisieren. Für die technische Umsetzbarkeit sei eine Orientierung an dem Präventionsmodell des sog. Sperrlistenansatzes denkbar. Dadurch werde die Verwendung inkriminierter Bitcoins verhindert, die legale Nutzung jedoch gleichzeitig nicht behindert. Teilkontaminationsmodelle sind nach der Ansicht der Verfasserin aus verfassungsrechtlichen Gründen bei Bitcoins zwingend geboten.

Nach diesem grundsätzlichen Bekenntnis fragt Grzywotz in einem weiteren Schritt, welches Modell der Teilkontamination in der Praxis umgesetzt werden sollte. Hier zeigt sie diverse Probleme auf und spricht sich für das sog. Haircut-Modell aus, also eine anteilige Inkriminierung, die sich im selben Verhältnis fortschreibt (S. 254).

Im Rahmen der Tathandlungen stellt die Verfasserin fest, dass Dezentralität und Pseudonymität dazu führen würden, dass bei Bitcoins stets das Gefährden einer der in § 261 Abs. 1 StGB genannten staatlichen Zugriffsmaßnahmen erfüllt sei (S. 261 ff.). Dies hänge damit zusammen, dass den Strafverfolgungsbehörden nach einer Transaktion als Anhaltspunkt in der Regel nur die Bitcoin-Adresse zur Verfügung stehe. Daher seien weitere Ermittlungen erforderlich, um die dahinterstehende Person zu ermitteln. Die Ermittlungen wiederum führten zu der Annahme, dass eine Gefährdung der Herkunftsermittlung anzunehmen sei. Dadurch liefen auch die „Gutglaubensregeln“ des Abs. 6 und Abs. 2 Nr. 2 des Geldwäschetatbestands ins Leere (S. 295).

Ebenfalls problematisch sei die subjektive Komponente (S. 296 ff.). Würde man sich für die Einführung des von der Verfasserin favorisierten Sperrlistenansatzes entscheiden, so wäre der Vorsatz in der Regel von vornherein erfüllt. Denn Vorsatz sei bereits dann anzunehmen, wenn geldwäschetaugliche Straftaten auf der Sperrliste geführt werden und der Täter Kenntnis der Listung bei Verwendung der bemakelten Bitcoins habe. Es sei aber nicht erforderlich, Erkundigungen hinsichtlich der Legalität eines Gegenstandes einzuholen, so dass die bloße Existenz einer Sperrliste und die Uninformiertheit des Nutzers nicht zur Annahme des leichtfertigen Verkennens des Herrührens aus einer Katalogtat führten.

Allerdings müssten aufgrund der Sperrliste Bitcoins in zwei Wertstufen unterteilt werden, da gelistete Transaktionen entwertet würden, während nicht gelistete die volle Wertigkeit aufwiesen. Dieser Entwertung könne durch Entschädigungsregelungen Rechnung getragen werden. Dabei seien Transaktionen an einen Umtauschdienst über eine behördliche Genehmigung zu rechtfertigen, da ansonsten der Geldwäschetatbestand unzweifelhaft erfüllt sei. Die Autorin schlägt hier ebenfalls de lege ferenda eine Ergänzung des § 261 StGB um einen Abs. 10 vor: „Die Rechtswidrigkeit einer der in Absatz 1 und 2 genannten Handlungen entfällt bei Vorliegen einer behördlichen Erlaubnis“ (S. 340).

Grzywotz schlägt vor, durch die Einführung einer Transaktionssperrliste inklusive sogenannter Risikobewertungsdienste die vagen Anforderungen an den Vorsatz und die Leichtfertigkeit im Rahmen des § 261 StGB zu konkretisieren (S. 309 ff.).

Insgesamt wertet die Verfasserin neue technische Zahlungsmethoden wie den Bitcoin als Chance und Risiko zugleich. Es bestünde auf der einen Seite die Gefahr von Strafbarkeitslücken, auf der anderen Seite böten sich neue Lösungswege, um Sinn und Zweck des § 261 StGB auch im Zusammenhang mit Kryptowährungen effektiv Genüge zu tun (S. 341). Die Dissertation hat allerdings deutlich gemacht, dass die Subsumtion von geldwäscherelevanten Handlungen rund um den Bitcoin auch zu Auslegungsproblemen und Rechtsunsicherheit führt. Insofern ist es verdienstvoll, dass Crzywotz hier nicht lediglich die Unsicherheiten verortet und beklagt, sondern gleichzeitig partielle de lege ferenda Vorschläge unterbreitet. Ob diese alle Rechtsunsicherheiten beseitigen oder durch neue Auslegungsprobleme auch neue Rechtsunsicherheit schaffen würden, bleibt zu diskutieren. Jedenfalls bietet die Dissertation eine solide Grundlage für die kommende wissenschaftliche Auseinandersetzung. Denn der neue Vorstoß einer Geldwäscherichtlinie generiert auch deutschen Umsetzungsbedarf in Bezug auf virtuelle Währung.

 

[1]      Abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/uri=CELEX:52016PC0450&from=DE (zuletzt abgerufen am 6.11.2020).
[2]      A.a.O., S. 14.
[3]      Vgl. BGBl. 2021, S. 327.

 

 

 

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